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Ukraine 27. März: Das Tauwetter kommt, die Erschöpfung ist nah - begraben wir uns entlang der Flüsse?
Theatrum belli (französisch)
von
Stéphane AUDRAND
27. März 2022

Die allgemeine Lage wird immer weniger beweglich. Keine Reserven mehr, eine Logistik, die nicht mithält, eine Erschöpfung der Menschen und des Potenzials der Maschinen. Einige Punkte sind dennoch zu beachten:
[Bild: UKR-carte-270322-696x444.jpeg]
Um Kiew (1) herum gelang es den ukrainischen Gegenangriffen nicht, Hostomel einzukreisen, sondern vielmehr, einen sehr exponierten russischen Vorsprung zu schaffen. Diesen zu halten wird für Moskau kostspielig, ihn aufzugeben politisch demütigend sein. Die Ukrainer führen derzeit nur vorsichtige Gegenangriffe durch, was angesichts des Zustands ihrer eigenen Armee klüger ist.

Die Russen sind in Slawutytsch (2) westlich von Tschernihiw eingedrungen. Dies trägt dazu bei, den Druck auf die ukrainische Tasche zu erhöhen, ermöglicht aber auch einen kleinen russischen Vorstoß bis zum Ufer des Flusses Desna und sichert gleichzeitig die Eisenbahnstrecke nach Pripjat (die von Weißrussland hinzugefügte rote Linie). Wenn die "Pause" in den Kämpfen wie wahrscheinlich bis zum Sommer andauert, können wir genauso gut klare und leicht zu haltende, gut versorgte Stellungen entlang der "feuchten Schnitte" haben.

3) Um Charkiw herum gehen die ukrainischen Gegenangriffe weiter, um eine Randgemeinde nach der anderen zu räumen. Der Vormarsch in den Osten der Stadt ermöglichte es, die Umzingelung des Industriezentrums, dessen Wiederbelebung für die Kriegsanstrengungen von entscheidender Bedeutung wäre, weiter zu lockern. Vor Februar hatten die Ukrainer (wie Frankreich nach 1918) einen großen Plan, um die strategischen Industrien ins Hinterland zu evakuieren, das sollte sich beschleunigen.

4) Im Donbass scheinen die Russen bei Izyum vorgerückt zu sein und stehen kurz vor der Öffnung. Vier ukrainische Brigaden befinden sich in der Region und sind immer noch von der Einkesselung bedroht. Der russische Generalstab kündigt an, seine Bemühungen auf den Donbass zu konzentrieren...

5) Mariupol läuft Gefahr, entlang einer Ost-West-Achse "in zwei Hälften geteilt" zu werden. Die Trennung der Verteidiger ermöglicht es, sie einen nach dem anderen zu reduzieren, indem man ihnen die gegenseitige Unterstützung entzieht. Die geplante französisch-griechisch-türkische Evakuierung von Zivilisten wäre eine hervorragende Sache. Drücken Sie die Daumen (und außerdem wäre es ein schönes Symbol).

6) In Kherzon scheint es einen Aufstand zu geben, der Sicherheitskräfte mobilisiert und die russische Verteidigung gegen ukrainische Angriffe behindert. Städte einzunehmen ist schwierig, sie zu halten auch. Den Dnepr zu halten wäre wahrscheinlich klüger, aber der Verlust der einzigen größeren Stadt, die ohne große Schäden erobert werden konnte, wäre ein schwerer Schlag für Moskau.

Da sich die Fronten überall stabilisieren, wird die Bedeutung der Achse Izyum-Mariupol, der letzten Zone der Bemühungen, weiter gestärkt. Offensichtlich wollen die Ukrainer die Donbass-Zone "halten, koste es, was es wolle", in der Hoffnung, dass die russische Erschöpfung, die Desertionen und die abnehmenden Bestände an moderner Ausrüstung und Munition zu einer Art neuer Stabilisierung wie 2015 verhelfen. Zweifellos wird Moskau zwei neue pro-russische Marionetten-"Republiken" schaffen.
Zitat:Willkommen im Forum

Danke @Quintus und Schneemann.

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https://www.youtube.com/watch?v=rhjqDMqk004
"Die Oligarchen: Aufstieg und Fall einer russischen Elite"

Eine brilliante Arte-Doku von 2005 über die russischen Oligarchen und die atemberaubende Korruption und Misswirtschaft unter Jelzin sowie den frühen
Aufstieg von Putin. Aktueller als man denkt, denn wie ja jeden Tag mehr offensichtlich wird, wurde die Korruption unter Putin nicht wirklich bekämpft, sondern nur in geordnetere Bahnen gelenkt.

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https://www.youtube.com/watch?v=Mp1s2h_nVj4
"Attentat auf Russland"

Eine hochspannende Doku aus Russland über die potentielle Verwicklung des FSB in die Anschläge von 1999 in Moskau, die den Casus Belli für den zweiten Tschetschenien Krieg lieferten. Und die Putin den Spitznamen "Herr Hexogen" einbrachten. Heute undenkbar: Die Verwicklung des FSB in die Anschläge wurde damals öffentlich im russischen Fernsehen diskutiert (in der Doku zu sehen), ein Geheimdienst-Vertreter war auch anwesend und redete sich um Kopf und Kragen und verwickelte sich in Widersprüche

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https://www.theatlantic.com/ideas/archiv...ar/627604/
"Ukraine’s Three-to-One Advantage"

Ein interessanter Artikel über die schlechte Moral und statische Kampftaktik der Russen: “The Russians have no imagination,” he said. “They would shell our positions, attack in large formations, and when their assaults failed, do it all over again. Meanwhile, the Ukrainians would raid the Russian lines in small groups night after night, wearing them down."
https://twitter.com/carlbildt/status/150...3323113479

Zitat:Because if you failed to deal with Ukraine, why do you threaten NATO? Why do you threaten the US? You could not deal with Zelensky, so what are you?

Zitat: Whatever treaty Russia may sign with current Ukraine regime will mean the defeat of Russia.

Zitat:This treaty may be the beginning of the end of the Russian State

Erstaunliche Wahrheiten und Aussagen im russischen Staatsfernsehen.
Man findet selbst bei RT und Sputnik News teilweise erstaunlich kritische Stimmen, wenn auch oft nur vorübergehend, so ganz scheinen sie sich noch nicht zu trauen.

Aber mal realistisch:

Da Russland ein Staat interner Sicherheitskräfte und der vor allem gegen die eigene Bevölkerung gerichteten Geheimdienste ist (es wird ja oft vergessen dass der FSB der Inlandsgeheimdienst ist) und darin seine eigentliche Stärke besteht (im Kampf gegen die eigenen Bürger), wird Russland selbst bei einer Niederlage keineswegs untergehen. Es wird deutlich unfreier werden, deutlich repressiver, die Ukraine wird umgekehrt einige kleinere Gebiete verlieren und dadurch schlußendlich weiterhin für lange Zeit geteilt werden. Für die Ukraine ist das natürlich dann trotzdem ein spektakulärer Sieg und im Endeffekt die Geburtsstunde einer tatsächlich geeinten und einigen wahren Nation Ukraine.

Schlußendlich könnte dieser Krieg aber auch für Russland eine Chance werden, sich von dem Krebsgeschwüren und Metastasen zu befreien welche die ganze Gesellschaft so derart durchzogen haben. Entweder stürzt das aktulle System, dann besteht diese Chancde auf eine Erneuerung, oder es bleibt an der Macht, dann wird Russland in geschwächter Form weiter vor sich hin vegetieren. Das letztgenannte wäre durchaus in unserem Interesse, weshalb man Russland eben nicht zu stark prügeln sollte - aber das machen wir in Wahrheit ja auch nicht. Der aktuelle Zustand ist eigentlich gar nicht so schlecht, darauf könnte man in Bezug auf unsere Ziele mal wirklich aufbauen.
Jomini:

Tag 30 - 32

https://twitter.com/JominiW/status/1508277483086438400

Zitat:Gesamtkarte:

https://twitter.com/JominiW/status/15082...50/photo/1

1/ Ukrainian Theater of War, Day 30-32: The past 72 hours has seen Ukrainian forces continue to conduct localized counterattacks in the Kyiv area, Sumy Oblast, and around Kharkiv & Izium. Russian forces continue to press in the Donbass & Mariupol.

2/ Today’s update will focus areas that have seen significant activity in the last 72 hrs, namely Kyiv, Sumy, the Donbas, Mariupol. Note, my last update erroneously placed the attack of Russian warships in the Mariupol area, this was a map error. The attack occurred in Beriansk.

3/ Humanitarian Impact. Refugees in various European countries reach 5 million, with 6.5 million IDPs throughout Ukraine. Civilian suffering in many Ukrainian cities continue to reach new depths of inhumanity and cruelty. Although international aid increases, suffering persists.


4/ Weather assessment. Forecasted rain and wintery mix for 5 of the next 10 days will adversely affect aerospace and ground operations, potentially slowing down offensive momentum. Temperatures generally will remain between 15/-2 C.

Die Russen werden in den nächsten Tagen so absaufen im Schlamm dass alles zu spät sein wird!

Karte Raum Kiew:

https://twitter.com/JominiW/status/15082...24/photo/1

5/ Kyiv Front. Ukrainian forces continue to press counterattacks west of Kyiv in Irpin, Bucha, Vorzel, Borodyanka, Andrivka, and Makariv. East of Kyiv Ukrainian forces have recaptured Luk’yanivka, forcing most of the Russian forces in the area to retreat.

Meiner Ansicht nach ist es umgekehrt und die Russen lassen sich zurück fallen und die Ukrainer setzen lediglich nach!

Detailkarte von Kiew:

https://twitter.com/JominiW/status/15082...91/photo/1

6/ Kyiv AO. Kyiv has most likely shifted in importance from a strategic decisive point Russia seeks to seize to a political objective point Russia will contain. Maintaining pressure on Kyiv denies Uk force in the east, a front that holds greater chance for Russian success.

Sumy:

https://twitter.com/JominiW/status/15082...46/photo/1

7/ Sumy Front. Russian forces are unable to ensure the unimpeded flow of supplies and reinforcements throughout the Sumy Oblast. There are numerous unsubstantiated reports that Russian forces may be withdrawing forces from the Sumy area.

In der Gegend wird aktuell das russische Feuer immer sporadischer. Den geht anscheinend dort auch die Mun aus oder diese wird woanders hin gebracht und dort verwendet.

https://twitter.com/JominiW/status/15082...00/photo/1

8/ Sumy AO. It is unknown if these reports indicate a shifting of Russian forces in response to Ukrainian counterattacks, or they constitute a move to drastically alter Russian disposition in the Chernihiv & Sumy Oblasts to reinforce success or create opportunity on other fronts.

Karte Donbass:

https://twitter.com/JominiW/status/15082...38/photo/1

9/ Donbas Front assessment. Russian forces continue to try and advance past southern Izium, but localized Ukrainian counterattacks have been able to contain them to Izium. Further west Ukrainian force have recaptured that Novovorontsovka (SE of Kryvyi Rih).

Man kann an dieser Stelle mal betonen, dass die Seperatisten welche da kämpfen extrem schlecht ausgerüstet waren und sind. Die wirken teilweise mehr wie eine 2WK Reenactment Veranstaltung (tatsächlich mit 2WK Stahlhelm und Mosin Nagant!) und sind von der Ausrüstung her teilweise unter irgendwelchen Islamisten-Milizen in Dritte Welt Ländern. Es ist eher erstaunlich dass die Seperatisten überhaupt in der Lage sind gegen die Ukrainer hier mitzuhalten. Offenkundig hat Russland 8 Jahre verschenkt in denen es die Seperatisten militärisch hätte aufbauen können!

Mariopol:

https://twitter.com/JominiW/status/15082...52/photo/1

10/ Mariupol. The Russian forces continue to press deeper into Mariupol. It is possible that the city defenses may soon be bisected by Russian forces advancing from east to west. Social media reporting continues to document the intense indiscriminate targeting of Mariupol.

Ein Musterbeispiel dafür was passiert wenn man dem Gegner überhaupt keine ernsthafte Möglichkeit lässt außer bis zum Tod zu kämpfen. Die Nazi-Milizen in der Stadt haben gar keine Wahl als bis zum letzten Blutstropfen und der letzten Patrone weiter zu machen.

11/ Aerospace Assessment. Over the past 72 hrs. the UAF states it has destroyed 18 Russian air targets: 1x fighter, 12x UAVs, 5x cruise missiles. VKS continues to increase the pace and extent of its strikes throughout Ukraine to break the UAF and IADs.

Was angesichts der Schwemme von Fliegerfäusten dafür spricht, dass die Russen immer vorsichtiger werden.

12/ In this interview, UAF pilots’ detail that they have been able to retain contested control of Ukrainian airspace except in areas like Mariupol. The pilots state there is good integration between fighters and IADs, but Russia does have better equipment.

13/ Information War. There has been a lot of commentary on the recent Russian General Staff briefing. While a good part of this brief was no doubt strategic messaging to a domestic audience, I think it is unwise to dismiss the brief in its entirety.

14/ I will not go into much depth on it here, as I am incorporating more extensive thoughts for a later date. But I do want to address a few points as objectively as it is possible from a Western point of view.

15/ First, there is a lot about the brief that is misleading and not true. Namely the claims of Ukrainian equipment destroyed (unverifiable), statements about not targeting civilians, Russian & Ukrainian casualty figures, the accuracy of Russian PGMs, etc.

16/ These exaggerated / false comments are not surprises, and therefore should not be of immense importance at this moment for analysis, though in themselves they do relieve a lot about how Russia views / will ultimately frame their theory of victory.

17/ Of more importance is the apparent emphasis being placed on the Donbas. Securing the DPR & LPR Oblast administrative borders is a stated war aim of the Kremlin, as indicated by Putin in his speech of 23 February.

18/ With the failed attempt to take Kyiv in the opening week of the war to install a puppet government it could “negotiate” with to impose its political will on Ukraine, it is clear the Kremlin seeks to achieve the conquest of the Donetsk & Luhansk Oblast.

19/ This aligns with Russian ongoing attempts to establish a “Kherson People’s Republic”, which is an obvious attempt to revive the Novorossiya Project. This will more than likely become the focus of Russian operations.

20/ Russian forces will continue to tie down Ukrainian forces before Kyiv, in NE Ukraine, and before Kharkiv, however the focus of major offensive action will be in the Donetsk, Luhansk, Kherson, and Zaporizhzhia. I will expand more on this soon.

21/ Battle Damage Assessment. Russian losses in equipment continue to mount at a pace that is hard for repair and replacements to match. The Russian military has established a major resupply and refurbishment site in the Bryansk Oblast.

Auch an anderen Stellen legen sie inzwischen Depots an und Logistik-Basen und Versorgungspunkte. Geht aber alles kaum voran.

Verblüffend sind weiterhin die extrem hohen Verluste an Kampfpanzern. Es wurden gesichert mindestens 300 russische Kampfpanzer zerstört. Und das durch Panzerabwehrwaffen deren Wert gegen moderne Kampfpanzer mit Hardkillsystemen mehr als fragwürdig ist (Javelin et al).

Das lässt sich nicht allein mit veralteter Technik, veralteten Panzerungen, schlechter Wartung usw erklären, wie man auf allen Filmen dazu sieht ist das handwerkliche Können der russischen Panzerbesatzungen teilweise verblüffend schlecht! Was ich da schon alles jetzt gesehen habe spottet jeder Beschreibung, die werden schlicht und einfach vor allem auch aufgrund eines Mangels an taktischem Können und völlig falschen Vorgehensweisen zusammen geschossen.

Dieser Umstand, dass nicht nur das Material fragwürdig ist, sondern dass vor allem anderen das Können und die Fähigkeiten der russischen Soldaten derart schlecht sind, ist für mich die größte Verblüffung in diesem Krieg. Das die Panzer veraltet sind, die Wartung schlecht, die Logistik eine Katastrophe, dass hatte ich ehrlich gesagt so erwartet. Aber dass die Soldaten selbst so schlecht sind vom Können her, dass ist erstaunlich, da hatte ich viel mehr Können angenommen.
(28.03.2022, 09:49)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Dieser Umstand, dass nicht nur das Material fragwürdig ist, sondern dass vor allem anderen das Können und die Fähigkeiten der russischen Soldaten derart schlecht sind, ist für mich die größte Verblüffung in diesem Krieg. Das die Panzer veraltet sind, die Wartung schlecht, die Logistik eine Katastrophe, dass hatte ich ehrlich gesagt so erwartet. Aber dass die Soldaten selbst so schlecht sind vom Können her, dass ist erstaunlich, da hatte ich viel mehr Können angenommen.

Ich bin darüber ehrlich gesagt gar nicht soo überrascht.

Zwei ältere Artikel (die an Aktualität nichts eingebüßt haben dürften) über das Innere der russischen Armee, und das dürfte ja nur die Spitze des Eisbergs sein:
https://www.n-tv.de/panorama/Moskaus-toe...38362.html
https://www.dw.com/de/das-faustrecht-reg.../a-1912566

"In der russischen Armee wird immer wieder bekannt, dass Offiziere ihre Soldaten für den Bau von Privathäusern einsetzen oder sie gegen Bezahlung an Firmen verleihen"

"Die Älteren, häufig die Offiziere, konfiszieren deren privaten Besitz, nehmen sich ihre Essensrationen, den Sold. Junge Wehrdienstleistende werden als regelrechte Arbeitssklaven missbraucht und sogar gegen Geld an fremde Firmen verliehen. Sie werden zu sinnlosen, erniedrigenden, demütigenden Tätigkeiten gezwungen. Sie werden gequält, geprügelt und vergewalt"

"Es wird verkauft, was nicht niet- und nagelfest ist: Fahrzeuge, Treibstoff, Waffen."

"[...] da in einer Kaserne im Zentrum der Stadt St. Petersburg nach ihren Angaben junge Rekruten von Dienstälteren zur Prostitution gezwungen worden waren."

Insofern das also stimmt und man in der russischen Armee tatsächlich quasi fast schon "hauptberuflich" der Soldaten-Misshandlung, dem Villenbau und ähnlichem nachgeht anstatt zu trainieren - braucht man sich weder über Kampfmoral noch über mangelnde Fähigkeiten wundern.
Nachtrag aus 2019, es spricht also vieles dafür, dass sich eben nichts wirklich geändert hat:

«Sie haben gesagt, dass sie mich nach der Wachablösung absenken wollen. Ich sei eben der nächste», sagt Ramil Schamsutdinow kurz bevor er in Haft kommt. «Absenken». In der Sprache der russischen Armee bedeutet das «vergewaltigen». (https://www.luzernerzeitung.ch/internati...ld.1168628)

"In 2019, according to the Russian military prosecutor office situation with dedovshchina is getting worse. Incidents of hazing in the army during the 2019 have increased. 51,000 human rights violations and 9,890 sexual assault cases." (https://www.documentcloud.org/documents/...armii-2019)
Das muss man meiner Meinung nach differenzierter sehen. Eine interne Gewaltkultur der Dienstälteren gegen die Dienstjüngeren gab es früher in vielen Armeen die sowohl hochleistungsfähig waren, als auch von ihrem individuellen Können her hochstehend. Ein Musterbeispiel wäre die kaiserlich japanischen Armee, in der die Gewalt gegen dienstjüngere Wehrpflichtige nochmal deutlich extremer war als es jetzt in der russischen Armee der Fall ist. Oder nehmen wir die türkische Armee die de facto gleiche Strukturen aufweist und deren Soldaten querschnittlich wesentlich besser sind als die russischen Soldaten.

Zudem können interene Gewaltkultur und die beschriebene extreme Korruption und Zersetzung etwas völlig verschiedenes sein - in Russland ist dem aber anscheinend nicht so. Die Gewaltkultur dient hier anscheinend allenfalls der Durchsetzung der von Grund auf kriminellen Strukturen welche die ganze Armee wie ein Krebsgeschwür durchsetzt haben - sie ist also hier eher ein Mittel der organisierten Kriminalität.

Handwerkliche militärische Befähigung und solche internen Gewaltstrukturen sind daher kein Widerspruch, aber extremste Korruption und organisierte Kriminalität zersetzen natürlich jedweden Kampfwillen und schließlich auch die Kriegsfähigkeit. Von daher würde ich die aktuelle Verfasstheit dieses Phänomens in den russischen Streitkräften eben dieser Zersetzung durch Kriminalität zuordnen.

Nun wollte Putin ja in den letzten Jahren eigentlich massiv gegen dieses Phänomen vorgehen und es gab ja auch allerlei Programme dagegen, welche eine Professionalisierung der Truppe was die handwerklichen Fähigkeiten angeht erreichen sollten.

Zudem möchte ich zu bedenken geben, dass das beschriebene Phänomen primär Wehrpflichtige betrifft und jetzt komme ich zum Hauptpunkt: in der Ukraine sind bisher vor allem anderen Berufssoldaten eingesetzt (Kontraktniki).

Russland hat eine ganz klare Zweiklassenarmee, mit den rechtlosen Wehrpflichtigen welche in der beschriebenen Weise ausgebeutet werden, und den weit über diesen stehenden Berufssoldaten. Und diese machten auf mich bis dato keinen so unfähigen Eindruck, sondern schienen vom rein handwerklichen Können her deutlich besser zu sein.

Und das meinte ich als ich schrieb dass mich der Mangel an Können bei den Russen erstaunt hat, den dieser kann eben nicht an der "Großväterchenherrschaft" liegen - den die Truppen welche wir hier betrachten unterliegen dieser eben nicht!

Die beschriebenen Vorgänge des Mißbrauchs von dienstjüngeren Wehrpflichtigen können daher das Versagen der russischen Berufssoldaten in Bezug auf ihr militärisches Können in der Ukraine nicht erklären.

Schneemann:

Die verwendeten Panzermodelle sind halt anfällig für das Umsetzen der mitgeführten Munition - entsprechend die Sekundärexplosionen. Gerade das soll ja bei der ARMATA Plattform anders werden und daher ist das Schutzkonzept dieser ganz anders aufgebaut.

Noch so etwas was mich bei den Kämpfen in der Ukraine erstaunt ist, wie wenig Nebel hier eingesetzt wird. Das sieht man erstaunlich selten. Zum Vergleich haben die Israelis im Libanon wo sie auch einem ziemlichen Hagel an Panzerabwehrwaffen ausgesetzt waren Unmengen von Nebel eingesetzt und fast ihren gesamten Bestand dabei verbraucht und aus den USA daher nachgeordert. Warum die Russen dieses hervorragende Mittel so wenig nutzen erschließt sich mir auch nicht.
@Quintus
Zitat:Da Russland ein Staat interner Sicherheitskräfte und der vor allem gegen die eigene Bevölkerung gerichteten Geheimdienste ist (es wird ja oft vergessen dass der FSB der Inlandsgeheimdienst ist) und darin seine eigentliche Stärke besteht (im Kampf gegen die eigenen Bürger), wird Russland selbst bei einer Niederlage keineswegs untergehen. Es wird deutlich unfreier werden, deutlich repressiver, die Ukraine wird umgekehrt einige kleinere Gebiete verlieren und dadurch schlußendlich weiterhin für lange Zeit geteilt werden. Für die Ukraine ist das natürlich dann trotzdem ein spektakulärer Sieg und im Endeffekt die Geburtsstunde einer tatsächlich geeinten und einigen wahren Nation Ukraine.
Ich will hier kein Horrorgemälde an die Wand malen, und ja, Russland wird nicht untergehen. Sehr wohl aber stellt sich die Frage, ob das gegenwärtige Regime denn standhalten kann? In gewisser Weise sehe ich sogar Parallelen zum Zarentum, das Putin durchaus gerne durch die Milchglasscheibe bemüht. Zwar wiederholt sich Geschichte nie quasi eins zu eins, aber Parallelen kann man verorten, auch hinsichtlich möglicher Entwicklungen.

Zusammengefasst: Ein Autokrat im Kreml, zunehmende Repression im Inneren, ausufernde Korruption, Vetternwirtschaft in und Entfremdung zum Volk bei der Herrscherschicht, Bemühungen zur Einspannung der Kirche, Appelle an den Nationalismus, erodierende Wirtschaft, niedrige Moral und schlechter Ausbildungs- und Ausrüstungsstand bei der Armee, unzulängliche Führung, wenig Vertrauen der Soldaten zu ihren Offizieren, sinnlose Offensiven, Propaganda - die von den eigenen Truppen kaum mehr geglaubt wird...

Willkommen im Sommer des Jahres 1917, kurz vor der Kerenski-Offensive. Drei Monate später, im Oktober 1917, übernahmen die Bolschewisten das Ruder und etablierten eine der blutigsten Diktaturen des 20. Jahrhunderts...

Schneemann
Diese Problematik besteht auch meiner Meinung nach tatsächlich, dass der Fall des Regimes Putin Extremisten an die Macht bringt, nur dass es diesmal meiner Meinung nach Rechtsradikale Kräfte sein werden, was die Lage nur noch schlimmer macht.
und/oder das Russland in mehrere Teile zerfällt, und davon einige mit eigenen Atomwaffen. Die nach dem Ukraine Beispiel niemand mehr abgeben wird.
Keines der genannten Beispiele gefällt mir.
(28.03.2022, 15:20)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Zudem möchte ich zu bedenken geben, dass das beschriebene Phänomen primär Wehrpflichtige betrifft und jetzt komme ich zum Hauptpunkt: in der Ukraine sind bisher vor allem anderen Berufssoldaten eingesetzt (Kontraktniki).

https://www.tagesschau.de/ausland/russis...t-101.html:

a) "[...] mehren sich die Hinweise, dass vor dem Einmarsch in die Ukraine viele Wehrpflichtige dazu überredet oder gar gezwungen wurden, Zeitsoldaten zu werden.
Theoretisch ist dieser Vertragsabschluss freiwillig. Die Kommandeure können Soldaten nicht zur Unterschrift zwingen. Aber sie werden ihnen vorwerfen, nicht patriotisch genug zu sein. Wir haben auch gehört, dass man die Soldaten betrügt - etwa, dass die Kommandeure den Vertrag selbst unterschreiben, also fälschen."


Es wäre interessant zu wissen, wie hoch dieser Anteil ist.

b) "Es gibt viele Informationen darüber, dass man den Soldaten gesagt hat, es handle sich um Übungen. Zu Kampfhandlungen werde es nicht kommen. Später hieß es: Die Bevölkerung wird neutral sein, und die ukrainische Armee wird nicht kämpfen. Ihr müsst einfach nur wie zu Übungen nach Kiew fahren."

Ich würde hier sogar noch weiter gehen und behaupten: Auch große Teile der Armeeführung hatten lange Zeit keine Ahnung, was geschehen wird. Weswegen es keine anständige millitärische Planung der Operation gab, aber auch keine geistige Vorbereitung der Soldaten, die ja für die Moral essentiell ist. Wer einfach irgendwo unter einem Vorwand ausgesetzt wird, wie Hänsel und Gretel, der wird maximal nach Vorschrift kämpfen, wenn er gezwungen wird. Wenn überhaupt.

Ich habe dafür auch ein starkes Indiz: Auch der Chef des Auslandsgeheimdienstes wusste wenige Tage vor Kriegsbeginn selber nicht, dass es einen großen Krieg ("Full-Scale Invasion") geben würde:
https://www.youtube.com/watch?v=ucEs0nBuowE

Einen ernsthaften Krieg plant man Monate voraus. Dieser klägliche Versuch, Putin dazu zu "überreden", die Republiken nicht anzuerkennen und nochmal zu versuchen, Minsk umzusetzen, macht in der Form eigentlich keinen Sinn, wenn der Mann bereits im Kopf gehabt hätte, dass ein vollständiger Krieg in der Ukraine in wenigen Tagen startet.
Zitat:Es wäre interessant zu wissen, wie hoch dieser Anteil ist.

Meiner Kenntnis nach ist er nicht sehr hoch. Das hat etliche Gründe, und man vermeidet es anscheinend tatsächlich bis jetzt bewusst Wehrpflichtige in der Ukraine einzusetzen, auch wenn es natürlich trotzdem dazu gekommen ist.

Insgesamt glaube ich durchaus, dass es Eingangs der Plan war einfach tatsächlich eine Art Spezialoperation zu führen, ohne einen vollumfänglichen Krieg. Auch wenn das für uns absurd klingen mag, für die russische Führung klang dass in ihrem Geheimdienstdenken keineswegs so seltsam. Die wollten nicht dass es zu einem vollumfänglichen Krieg kommt, alles was da so geschehen ist deutet meiner Meinung nach ganz klar darauf hin.
Passt auch noch perfekt zu diesem Narrativ der völligen Zersetzung der russischen Streitkräfte durch organisierte Kriminalität:

https://www.dailymail.co.uk/news/article...cable.html

Zitat:Russian tank regiment commander killed himself ‘after finding out 90% of tanks held in reserve were unusable because parts had been stolen

Ministry of Defence said the commander of the '13th tank regiment' within the '4th tank division of the Russian Federation' shot himself due to the dire situation after learning the condition of the unit's reserve tanks.

The update also said that in general, Moscow's forces were struggling with poorly maintained military vehicles and is facing 'the problem of the impossibility of restoring equipment after "deconservation" from warehouses.'

It said that in many cases, electronic equipment that contained precious metals had been stripped for parts from many Russian combat vehicles held in storage.

In its update posted to the ministry's Telegram channel, it claimed that Russia was building storage and repair facilities in the Klimove, Bryansk region to fix the equipment that had been disabled on the battlefield.

'Currently, the enemy RVB is trying to 'put into operation' a significant amount of equipment coming from long-term storage facilities,' the update claimed.
https://www.abc.net.au/news/2022-03-15/r.../100908978

Zitat:In theory, Russia was on the right track

Between 2008 and 2012, the Russian military discarded many of its legacy Soviet military structures following its operations in Georgia.

Next, a more profound transformation was undertaken: This included the Russian state armament program to compensate for 20 years of divestment in its armed forces.

It also reorganised its armed forces and built a smaller and more professional permanent force.

The transformation program also placed a high priority on joint exercises, enhanced readiness, improved training and a program to replace conscripts with contracted personnel.

New equipment, new ideas about future war, a more professional force at higher readiness and lessons from recent combat in Syria.

In theory, the combination of these elements, as well as its much larger size than the Ukrainian armed forces, should have given Russia a war-winning combination in Ukraine. What has gone wrong?

Like recent revelations about falsified intelligence on Ukraine, the President of Russia was probably kept in the dark about deficiencies in the Russian military.

If Putin had invested hundreds of billions of dollars in the military over the previous decade, who was going to tell him it wasn't working?

However, experienced Russia observers in the West were saying as early as 2017 that the power of the Russian military was overestimated, it was challenged by overstretch and was technologically backward. These observers have been proved right in the past two weeks.

There is an important lesson here for Western defence planners: They must have informed goals for military effectiveness in the 21st century.

And, if they are surrounded by yes-men and are not transparent with the outcomes of military transformation programs, they will probably get the wrong answers.


A second problem may be that the Russians got the balance of investment in different military services wrong.

US scholar Michael Kofman has written that the overall focus of Russian military development from 2008 to 2014 "was to counter Western advantages in air power … To this end, much of the investment initially did not go towards Russian ground forces".

Getting the balance of investment in land, air, maritime, cyber and information domains wrong can have catastrophic consequences.

Its army has been out-thought and outfought for most of the war. The conduct of Russian information operations has been a spectacular failure compared to their Ukrainian adversaries.

Western defence planners should also take heed of this. There is a trend in some circles in several nations to focus on heavy investments in maritime warfare.

It is useful for manufacturing, and there is a lot of water in the Pacific. But it is conceivable that governments might overinvest in naval forces at the cost of air, land and information operations.

It is hardly useful to sink enemy ships if you cannot then destroy their aircraft or soldiers on the ground.

Gerasimov made much of the lessons from Syria. He has described how Russia had acquired "priceless combat experience in Syria".

Despite this emphasis on Syria, the Russians appear to have taken away many wrong lessons.

The war in Syria was an intervention at the invitation of a host government to suppress the population.

While the Russians did not engage in large-scale ground operations, it ended up being a conflict with many lessons irrelevant to Ukraine.

After two decades of low-level counterinsurgency warfare, Western governments must also be careful about what lessons are taken from these conflicts.


Rarely were Western forces challenged in the air or at sea. And there was never a time when Western forces had to fight on the land, in the air, at sea or in the cyber and information domains all at once.