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Normale Version: Russland vs. Ukraine
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Dieser Umstand der Nahrungsversorgung in der russischen Armee hat mich schon etwas länger beschäftigt. Ich finde es leider nicht mehr, ich hatte das gelesen zur Zeit des zweiten Tschetschenienkrieges, als ein Bericht bekannt wurde - ich glaube, es war in der Zeit -, wonach der Fleischkonsum zwar gesichert, aber sehr hoch war, wobei allerdings auch Wildfleisch (ohne Vorkontrolle, man denke z. B. an Trichinen) in die Verarbeitung ging.

Ich entsinne mich auch, dass wir hier einen Aspekt zu Beginn des Ukrainekrieges diskutierten, wo eine Essenslieferung in Konserven an eine russische Kaserne kurzerhand von Vorgesetzten verkauft wurde und dass die Truppen hungrig bei den Ukrainern auf Plündertour gehen mussten. Dazu kamen Themen wie unzureichend gereinigtes Wasser etc.

Dass es solche Zustände und temporäre Mangelphasen in einem Krieg geben kann, und dass nicht immer ein großartiges Menü bereit steht, ist völlig logisch. Aber wenn beinahe durchgehend 50% des Personals abgelaufene oder keimbelastete EPAs haben oder gar keine, ist dies schon arg ernüchternd. Und wenn sie diesen Mangel an Nahrung dann "kompensieren" durch Drogen und Alkohol, so kann ein Soldat anfangs eine noch so gute Konstitution haben, er wird sie recht schnell im Feld verlieren und lethargisch dahinsiechen.

Hinzu kommt, dass solcherart geschwächte Soldaten auch anfälliger werden für Krankheiten und Infektionen und einem harten Winter mit kaum nennenswerten "Reserven" begegnen könnten. Die Ausfallquoten dürften dadurch also nochmals ansteigen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass der zweite Ukrainewinter - zumal Wagner nicht mehr direkt bereitsteht - für die russische Armee schwerer und opferreicher wird als der letzte.

Dazu auch (von Ende August):
Zitat:Russian Troops Could Face Food Shortage as Key Suppliers Tied to Prigozhin

Russian troops could face food shortages in Ukraine, as companies linked to recently deceased Wagner Group chief Yevgeny Prigozhin still have a substantial hold on the production of rations and other food for the Russian military, an investigation has found. [...]

Analysis by Verstka, an independent Russian news outlet that was founded shortly after the conflict in Ukraine began, found that at least 18 of the 32 food suppliers for Russia's Ministry of Defense were controlled by the Wagner chief. His death raises questions about what's to become of his rations empire, which supplies Russian troops on the front line. [...]

Prigozhin was reportedly hit with 560 lawsuits in 2022 by Russia's defense ministry for allegedly supplying the Russian army with poor-quality, rotten and infected food, the independent outlet Mozhem Obyasnit ("We can explain") reported in January. [...] Mozhem Obyasnit reported that auditors regularly found violations, such as undersized portions, expired products, substituted products, the presence of E. coli in food, cooks without proper food safety training and storage violations.
https://www.newsweek.com/russian-troops-...th-1823391

Und noch eine andere "Folge" diese völlig unzulänglichen Versorgung - die Risiken des Konfiszierens bzw. Fouragierens:
Zitat:Ukrainian partisans say they killed dozens of Russian soldiers by poisoning their food

Ukrainian resistance fighters in occupied Mariupol say they've killed 26 Russian soldiers, the majority of whom died by poisoning, according to the Kyiv Post.

A further 15 soldiers ended up in the hospital as a result of the recent operation, the unnamed partisans told the outlet. [...] The Ukrainians did not elaborate on the specifics of the incident, but told the paper that the Russians "were fed poison. The cooks are safe now, as are their families." [...]

In August, Ukrainian partisans claimed to have poisoned 17 soldiers during a Russian Navy Day celebration, killing two and hospitalizing the other 15, Andriushchenko said in a Telegram post at the time.
https://www.businessinsider.com/ukraine-...od-2023-10

Schneemann
Was in der Ukraine übrigens genau so gefeiert wird wie ein gewisses Hai-Video. Und was umgekehrt zu grausamsten Repressalien der russischen Soldateska gegen die Zivilbevölkerung führt, Stichwort Folterkammern et al

Zur Versorgung der russischen Truppen in der Ukraine: auch hier hat man Anfangs durchaus etliches Fleisch gegessen und zwar rührt dies wie in Tschetschenien daher, dass man sich einfach plündernd aus dem Land selbst ernährt und entsprechend den Viehbestand in eroberten Gebieten aufbraucht. Da die Russen aber ja nicht mehr voran kommen, die kontrollierten Gebiete ausgeplündert sind, wird die Versorgung immer schwieriger, zumal jeder russische Verantwortliche im Zweifel immer Munition beim Transport gegenüber Nahrung, Medizin, Verwundeten usw. vorzieht. Es gibt Berichte über russische Soldaten die im Wald nach Wurzeln graben und über russische Angriffe auf ukrainische Einheiten nur um deren Essen zu erbeuten. Wenn auch nur ein Teil davon stimmen würde, wäre das allein bereits ein klarer Beleg für untragbare Zustände.

Eine Einheit beklagte sich erst vor kurzem öffenltich in einem Video an ihren Gouverneur darüber, dass sie allesamt seit Monaten nur Buchweizen bekommen hätten, der zudem teilweise verschwimmelt gewesen sei. Es ist einfach absurd eine Einheit im Kampfeinsatz Wochenlang nur mit Buchweizen ernähren zu wollen.

Ukrainische Sondereinheiten hatten zudem vor ein paar Monaten mal berichtet, dass die russischen Soldaten aufgrund von Vitaminmangelkrankheiten Nachts oft nicht sehr gut sehen würden und dies ein erheblicher Vorteil für die Ukrainer sei. Es gibt auf jeden Fall gesichert eine ganze Menge von Vitaminmangelkrankheiten in der russischen Armee. Das erhöht dann erneut die Anfälligkeit für Krankheiten.

Bei den aktuell in den Gräben grassierenden Durchfallerkrankungen wird bei vielen russischen Einheiten einfach nur verkohltes Brot verteilt, als einzige "Medizin". Für sehr viele Erkrankungen kriegt man keinerlei Erholung und wird nicht von der Front evakuiert. Es gab sogar dokumentierte Fälle von Streifschüssen, abgeschossenen Fingern usw. bei denen die Soldaten einfach an der Front verblieben, ohne irgendwelche ernsthafte medizinische Versorgung.

Das sind schlussendlich alles vormoderne Zustände, vom Feudalismus über das Warlordtum bis hin zur Lebensweise der "Soldaten" an der Front. Und solche vormodernen Zustände bringen nicht härtere, bessere Soldaten hervor, sondern sie senken einfach nur die Kampfkraft. Ein derart krimineller Umgang mit den eigenen Leuten führt selbst bei einem derart zynisch-fatalistischen Volk wie den Russen schlicht und einfach nur zu Defätismus, Selbstaufgabe und schlussendlich massiver Leistungsminderung.
@Quintus
Zitat:...wird die Versorgung immer schwieriger, zumal jeder russische Verantwortliche im Zweifel immer Munition beim Transport gegenüber Nahrung, Medizin, Verwundeten usw. vorzieht
Das ist auch ein Punkt, wo ich derzeit etwas versuche weiterzukommen: Die medizinische Versorgung.

Ich habe mir einige Berichte über die Sanitäts-Lage auf ukrainischer Seite angeschaut - die Szenen dürften bekannt sein, zumindest wenn man halbwegs erahnen kann, wie es in einem Lazarett während eines Krieges (bzw. wie wohl in jedem Krieg) zugeht. Es wäre unnötig sie zu verlinken, es wäre allenfalls eine Zurschaustellung des Leids, welches jeder Krieg verursacht, und dies werde ich nicht tun. (Obgleich ich hier schon einmal einen Beitrag über ukrainische Verwundete eingestellt hatte.)

Indessen haben die Ukrainer - wenigstens in einigen Teilbereichen (übrigens auch Dank Deutschlands) - eine relativ geordnete Versorgung ihrer Verwundeten, dazu zählen Fachkräfte (die auch in Deutschland ausgebildet wurden), aber auch die Verfügbarkeit von Medikamenten, die Indikation und die technische Ausstattung in den Zentren, wo die Verwundeten ankommen. Und hier geht es noch halbwegs gesittet zu - wenn man dies einmal angesichts der Umstände sagen kann, wenn denn die zerrissenen Körper eingeliefert werden.

Aber von der Situation auf russischer Seite bekommt man hier sehr wenig mit. Ich habe etwas gesucht, aber erstaunlich wenig greifbares gefunden. Wenn ich allerdings nun grob mir die Berichte anschaue über Frauen, die ihre Männer suchen, die unterdrückten Berichte, die allgemeine Mängellage alleine bei der Nahrung, die Engpässe bei Medikamenten (auch durch die Sanktionen bedingt), die drittklassige Logistik (höflich gesagt), das erkennbare Desinteresse einer skrupellosen Führung an den Leben der Soldaten, wenn ich die Gräberfelder sehe und die unlogischen Sturmangriffe - nun, so habe ich das finstere Gefühl, dass die russische Verwundetenfürsorge ein menschlicher Abgrund ist, der Dantes Inferno Konkurrenz machen könnte.

Schneemann
Schneemann:

Wie bei fast allem was die russischen Streitkräfte betrifft gibt es in der Verwundetenversorgung keinerlei einheitliche Linie, dass schwankt also völlig nach Willkür und Gutdünken der jeweiligen Befehlshaber vor Ort. Es gibt gesicherte Berichte dass man eigene Verwundete einfach ausgeplündert und liegen gelassen hat, auf dem Gefechtsfeld. Es gibt dokumentierte Fälle wo russische Soldaten bei erheblichen Verletzungen Selbstmord begingen. Es gibt gesicherte Berichte, dass Soldaten verboten wurde Verwundete nach hinten zu bringen, dass auf Soldaten die Kameradenhilfe leisten wollten geschossen wurde. Es gibt Kommandeure welche versuchen eigene Verwundete den Ukrainern zuzuschieben - und dass muss man an dieser Stelle mal auch gesondert erwähnen:

Es befinden sich etliche Russen in ukrainischer Kriegsgefangenschaft. Sehr viele davon waren verwundet, teilweise stark verletzt als die Ukrainer sie aufgesammelt und versorgt haben. Nur in ganz wenigen Einzelfällen haben Ukrainer verletzte Russen einfach umgebracht, und meist waren das dann keine ethnischen Ukrainer sondern irgendwelche Hilfstruppen der Tschetschenen oder Georgier etc. Umgekehrt findet das nicht statt und verwundete Ukrainer werden von den Russen fast nie versorgt und Fälle in denen man Gefangene massakriert gibt es viele.

Es gibt aber auch Einheiten (Willkür, Willkür) bei denen zumindest versucht wird Verwundete zu bergen und anständig zu versorgen, so schlecht die ganze Versorgungslage das halt zu lässt. Und es gibt durchaus eine Menge verwundeter Soldaten die es irgendwie zurück geschafft haben und die dann in Russland in Krankenhäusern usw. versorgt werden. Auch hier kommt dann oft Korruption ins Spiel: kann die Familie bezahlen, wird der Verwundete von der Front evakuiert. Es gibt aber auch durchaus russische Offiziere die ernsthaft Gutes für ihre Soldaten tun wollen, und von daher hängt dein Geschick als Soldat dort halt völlig vom bloßen Zufall ab, wer dein befehlshabender Offizier ist und was dieser für eine Einstellung hat.

Tendenziell werden eigene Verwundete bei den Russen oft nicht versorgt. Ob man sich überhaupt noch weiter um ihren Verbleib kümmert hängt oft davon ab, ob sie wieder kampffähig gemacht werden können. Gerade bei schweren Verletzungen die eine dauerhafte Kampfunfähigkeit nach sich ziehen erfolgt also oft keine richtige Versorgung. Das sind aber nur Tendenzen, und es gibt immer wieder dazwischen auch Offiziere / Einheiten bei denen es anders läuft.

Wie ich es schon schrieb: das ist im Prinzip eine vormoderne Armee, die zunehmend mehr nach Feudalstrukturen funktioniert als nach modernen westlichen Vorstellungen.
Die Beiträge über einen EU Beitritt der Ukraine, mögliche Folgen, Vorteile und Nachteile desselben habe ich hierhin verschoben:

https://www.forum-sicherheitspolitik.org...#pid228672
Bzgl. der medizinischen Lage bei der russischen Armee: Laut diesem Wikipedia-Eintrag hat das medizinische Korps (bzw. Main Military Medical Directorate) eine durchaus imposante Stärke von 100.000 Personen und 23.000 Ärzten (https://en.wikipedia.org/wiki/Main_Milit...e_(Russia)). Allerdings gibt es doch recht klare Hinweise dahingehend, dass Ärzte teils nur gekaufte Titel haben, gar nicht an der Front praktizieren und manchmal sogar nur reine Platzhalter-Nummern in den Statistiken darstellen.

Dazu kommt auch, dass die Sanitäter, die im Einsatz stehen, oftmals unzureichend und nicht nach festen Standards ausgebildet und unzulänglich ausgestattet sind. Manche (viele?) müssen sich ihre Sanitäts-Kits selbst kaufen etc. pp.

Dazu (von Mai d. J. - IStories ist ein russisch-investigatives Medium):
Zitat:“Better Get a Minor Wound — No One Will Help You”

A Russian military paramedic talks with IStories about poor medical training in the Russian army and what are the most dangerous wounds in the war with Ukraine [...]

The head of the training center for tactical medicine of the Kalashnikov Concern Artem Katulin said in an interview with the pro-Kremlin RIA Novosti news agency that more than half of the Russian military died in the war with Ukraine not from life-threatening wounds, but because of improper medical care given to them. More than a third of the amputations, according to Katulin, were due to improper tourniquet applying. He also denied the likelihood of the Ukrainian military using narcotics to improve soldiers' effectiveness on the battlefield. [...]

Speaking about the army, in my ten years [of service], combat paramedics gave us full comprehensive training four times. But they only trained paramedics. As for the regular training in the army... Twice a year in the army there are classes where the paramedic shows us how to apply a splint from improvised means and how to apply bandages. And at the last class I attended, the paramedic didn't bandage properly. That is, the man himself does not know how to do it, and teaches others incorrectly. [...]

“My medical kit was bought out of my own money” [...]

Army first-aid kits — don’t get me started. What we were given on the front line was an ancient Soviet emergency bandage kit (although the Soviet one was still good, but the Russian one was crap) and an Esmarch tourniquet. That's the rubbery red shit being in the talcum powder for years. Soldiers were given this stuff plus one tube of Promedol [narcotic painkiller]. [...]

Many people die not because they are killed, but because they are not properly treated. [...]

There is a red zone [the epicenter of the fight], a yellow zone [defensive fighting positions], and a green zone [from where the wounded can be transferred to a field hospital]. The red zone is where you could be directly wounded. And if you are seriously wounded and cannot help yourself, no one can help you in that zone. Few paramedics will stick their necks out there to get you out. [...]

And a lot also depends on the weather, on the time of year, where and how the wound was sustained, how long the person will be transported. So there's no such thing as putting on a tourniquet and that's it, a person can walk around with it indefinitely. There are a million techniques on how to help, but the problem is that people just don't know the base.
https://istories.media/en/stories/2023/0...-help-you/

Schneemann
Auch meiner Einschätzung nach (aufgrund dem was ich über Monate hinweg dazu immer wieder gelesen habe und was ich aus dem Fernen Osten so höre), geht bei der russischen Armee sehr viel über selbst beschaffte Ausrüstung, und dies insbesondere im medizinischen Bereich. Beispielsweise beschaffen sich russische Soldaten ihre Tourniquets fast immer selbst, was dazu führt, dass man in Russland auf dem zivilen Markt keine mehr kriegt - und sie aus Krankenhäusern, aus Rettungswägen usw. gestohlen werden um an die Front verkauft zu werden etc etc

Auch der Import von Sanitätsausrüstung nach Russland hat deutlich zugenommen, aber offiziell nur in den privaten Sektor. Ich kenne beispielsweise ein paar Mongolen die jetzt seit einiger Zeit einen enormen Reibach damit machen Sanitätsmaterial aus China nach Russland zu verhökern.

Desweiteren kaufen sich russische Soldaten selbst irgendwelche Handbücher, oder laden sich Zeug aus dem Internet herunter um sich damit privat selbst zu beschulen. Bekannte von mir aus dem Fernen Osten frozelten schon vor Monaten, dass die russischen Soldaten durch Youtube mehr und besser ausgebildet werden als von ihrer eigenen Armee. Und dann doktort man halt so weit man es kann nach Youtubeanleitungen mit privat beschafftem Material herum.


Was mich persönlich noch sehr interessieren würde und wozu man praktisch gesehen überhaupt nichts findet ist die Auswirkung von Covid-19 auf das Kriegsgeschehen ?! In den Gräben und angesichts der Lebensumstände an der Front müsste dort Covid fortwährend grassieren, Welle auf Welle jeweils sobald eine neue Virusvariante kommt. Das einzige was ich mal dazu las war, dass Ukrainer im letzten Winter erklärten, man höre die russischen Stellungen tagein tagaus vor sich hin Husten, was ein Indiz dafür wäre, dass sehr viele Soldaten davon betroffen sind. So wie man die Russen kennt, wird das vermutlich einfach vollständig ignoriert werden. Wie aber sieht das auf der ukrainischen Seite aus? Hat dort Covid einen Einfluss auf die Kampfkraft? Macht es sich überhaupt bemerkbar oder geht das im sonstigen allgemeinen Geschehen einfach nebenbei unter? Gibt es dazu irgendwo Berichte oder Erkenntnisse?

Man findet dazu wirklich wenig:

https://www.frontiersin.org/articles/10....81013/full

https://www.aljazeera.com/features/2021/...of-ukraine
Weitestgehend unabhängig davon, wie lange der Ukrainekrieg nun noch dauern wird, muss man dabei auch anmerken, dass Kriege meistens Seuchen stark in der Verbreitung begünstigt haben. Das war in früheren Jahrhunderten, bis hin zur Antike, und bekanntermaßen auch nach dem Ersten Weltkrieg so. Übrigens gab es, was weniger bekannt ist, auch in Deutschland in den Jahren zw. 1945 und 1947 teils heftige Grippewellen, die einhergingen mit massiven Fieberschüben. (Es gibt allerdings kaum Studien oder belastbare Zahlen, es starben aber wohl zehntausende Menschen.)

Das Problem hierbei ist schlicht, dass ein Virus während oder nach einem Krieg auf eine Gesellschaft trifft, die einer zerstörten Infrastruktur gegenübersteht, die ggf. durch Mangelernährung und andere Erkrankungen geschwächt ist und deren medizinische Versorgungslage katastrophal ist. Zudem wohnen, wegen des zerstörten Wohnraumes, die Menschen meistens auch enger und in kleineren Raumstrukturen zusammen, was die Ausbreitung befördert. Entsprechend schlägt das Virus durch. Nicht umsonst ist die Pestilenz einer der vier apokalyptischen Reiter.

Hinsichtlich des Ukrainekrieges mache ich mir Sorgen vor allem bzgl. Tuberkulose. Diese war v. a. in Russland schon vor dem Krieg in der Ukraine hochproblematisch. Angesichts des Krieges und einer weiteren Erosion des Gesundheitswesens (und den Umständen geschuldet, dass man bei uns die Tuberkulose eigentlich nicht mehr wirklich kennt oder ernst nimmt und dass zugleich viele Menschen aus Osteuropa zu uns kommen) mache ich mir große Sorgen, dass wir nach dem Krieg einer wahren Tuberkulose-Epidemie entgegen sehen könnten. Hinzu kommt, dass die Gruppe der Ist ja nicht so schlimm!-Denker zunimmt (sowohl in Deutschland als auch in anderen westlichen Demokratien) und das kann fatale Folgen haben.

Schneemann
Bei den Ukrainern bzw. Pseudo-Ukrainern welche ich in den Ankunftszentren kennen gelernt habe, gab es einige Fälle von offener TBC (und noch deutlich mehr von geschlossener TBC) Aber und damit relativierend: Das waren dann meist keine ethnischen Ukrainer, sondern eher mobile Minderheiten - Übersetzung: Zigeuner aus dem Südwesten der Ukraine, aus Moldawien, Bulgarien usw. Bei den echten Ukrainern wurde mir da in mehreren Monaten tatsächlich kein einziger Fall bekannt.
(27.10.2023, 13:32)Schneemann schrieb: [ -> ]Hinzu kommt, dass die Gruppe der Ist ja nicht so schlimm!-Denker zunimmt (sowohl in Deutschland als auch in anderen westlichen Demokratien) und das kann fatale Folgen haben.

Für die Tuberkulose gibt es in Deutschland, vermutlich in ganz Westeuropa, ein passables Monitoring:

Die Gefängnisse.

Da sitzen überproprtional viel Osteuropäer und die werden geröntgt bis der Arzt kommt.

Auch die verschiedenen Erreger hat man da ganz gut im Blick.

Natürlich nimmt bei erhöhten Fallzahlen, egal wo, die Gefahr von Resistenzen zu.
Traurig aber wahr.

Zurück zum Krieg:

Aus diversen Kanälen zusammen gefasst:

UND NATÜRLICH OHNE JEDE GEWÄHRLEISTUNG FÜR RICHTIGKEIT; DA ZU BEDEUTENDEN ANTEILEN NUR AUF GERÜCHTEN AUFBAUEND !

Es gibt ganz im Norden wieder massivere russische Angriffe in Richtung Kupyansk. Gerüchten zufolge soll es dort hier und jetzt ziemlich heftig zugehen, die russische Artillerie hagelt anscheinend in seit langem dort nicht mehr gesehenen Ausmaß auf die ukrainischen Stellungssysteme ein (neue Depots gefunden und/oder nordkoreanische Ersatzlieferung), desweiteren wird wohl Thermitmunition eingesetzt im ganz großen Stil. Inzwischen sind da ziemlich viele ukrainische Einheiten vor Ort, die ukrainischen Linien stehen. Auch auf der Höhe Sawtowe gab es russische Angriffsversuche Richtung Westen, auch hier keinerlei Erfolg.

Bei Bakhmut greifen zur Zeit angeblich die Ukrainer südlich der Stadt ostwärts an, kommen aber kaum voran, während umgekehrt die Russen aktuell nördlich der Stadt westwärts angreifen und noch weniger voran kommen. Südlich von Bakhmut gibt es eine Eisenbahnlinie entlang derer sich lange Zeit irgendwelche Russen derart festgesetzt hatten, dass man sie dort in keinster Weise heraus bekam. Die saßen dort entlang einer der typischen Baumlinien welche parallel zum Bahndamm verläuft. Diese Russen haben jetzt anscheinend aus Munitionsmangel das Feld geräumt weil sie überhaupt gar keine Versorgung mehr bekamen und angeblich die letzten Tage nur noch mit erbeuteter Munition weiter gekämpft haben und die Ukrainer haben die Eisenbahnlinie erreicht und gesichert. Zudem stehen die Ukrainer inzwischen gesichert östlich von Andrivka, dass ist ein Dorf südlich von Bakhmut welches auch von den Russen völlig sinnlos bis zum alleräußersten verbissen gehalten wurde. Anscheinend bis zum allerletzten Russen mit einer allerletzten Handgranate.

Wie schon bekannt rennen die Russen weiter bei Avdiivka gegen die ukrainischen Stellungen an um den Festungsort einzukesseln. Dabei gelang es ihnen anscheinend auf der bekannten Abraumhalde Fuß zu fassen und dort eine russische Flagge aufzustellen, die einige Zeit später dann von einer ukrainischen Drohne gefällt wurde, worauf hin sie wieder unter Verlust weiterer Soldaten aufgestellt wurde, um wieder gefällt zu werden usw usw usf - schlussendlich wird diese Halde oder Teile dieser Halde immer noch von den Ukrainern gehalten, und die Russen müssen um dort voran zu kommen immer halb um diese herum laufen, in freiem Gelände und unter Beschuss sowohl von den Ukrainern in der Halde als auch von ukrainischen Stellungen welche da flankierend liegen. Dieses wahnwitzige Selbstmordunterfangen ohne jeden Zweck illustriert meiner Meinung nach perfekt den Wahnwitz des aktuellen russischen Vorgehens dort. Nach geradezu lächerlichen Verlusten halten die Russen auch nach ukrainischen Angaben inzwischen zumindest die Hälfte der Abraumhalde.

Die nördlich von Avdiivka liegende Eisenbahnlinie wurde inzwischen erneut von den russischen Einheiten überschritten, dass soll angeblich bei Krasnohorivka sein, und diesmal können sie sich anscheinend dort halten. Auch dort soll die russische Artillerie wieder deutlich an Fahrt aufgenommen haben. Südlich davon gibt es lokale ukrainische Gegenangriffe. Die eigentliche Gefahr liegt hier für die Ukrainer mehr im Südosten der zunehmend eingekesselten Stadt, auch wenn dort ukrainische Truppen zur Zeit noch einen Ansturm nach dem nächsten aufhalten. Insgesamt aber zeichnet sich meiner Meinung nach langsam ab, dass Avdiivka mit der Zeit eingekesselt werden wird, da den Russen anscheinend jedwede Kosten dafür völlig gleichgültig sind.

Den aktuellen Ansturm können die Ukrainer da meiner Meinung nach höchstens noch zwei oder drei Wochen halten. Entweder lassen die Russen nach oder die werden sich zurück ziehen müssen um nicht eingekesselt zu werden oder sie werden innerhalb des nächstens Monates eingekesselt. Anscheinend ist der russischen Führung inzwischen alles egal, Hauptsache dieser (kleine) Kessel gelingt.

Südöstlich von Donezk gibt es an vielen Stellen kleine begrenzte russische Angriffe. Meist irgendwelche Stoßtrupps, die von den Ukrainern meist vernichtend geschlagen werden. Ausgerechnet bei Vulhedar soll aber eine kleine russische Einheit sich jetzt mitten in den ukrainschen Stellungen festgesetzt haben.

Bei Robotyne gibt es ein wenig Bewegung: die Ukrainer greifen dort aktuell nach Westen an, also entlang der russischen Stellungssysteme und haben dort anscheinend auch Geländegewinne (von geringem Ausmaß) machen können. Ein russischer Gegenangriffe bei Verbove der dies vermutlich verhindern sollte wurde von den Ukrainern zusammen geschlagen. Angeblich graben sich die Ukrainer in ihrem Teileinbruch aktuell ein und gehen systematisch in die Defensive, was meiner Meinung nach auch die richtige Entscheidung ist.

Ein Stück weit östlich von Kherson die Ukrainer erneut über den Fluss gesetzt und haben sich bei Pidstepne festgesetzt. Russische Gegenangriffe auf diese Landung scheiterten. Umgekehrt sind russische Sondereinheiten bei Nova Kakhovka auf ukrainisches Gebiet übergesetzt. Das ist dort allerdings eine Sumpflandschaft mit etlichen aktuell umgekämpfen Flussinseln und auf einem der zuverlässigeren Kanäle heißt es, dass sie nur eine der Flussinseln eingenommen hätten. Aktuell werden diese Flussinseln ganz allgemein von beiden mit Artillerie beschossen.

Und auf der langezogenen Halbinseln westlich des Dnjepr Deltas sollen sich wieder ukrainische Sondereinheiten tummeln, ebenso im Dnjepr Delta selbst. Diese beiden Gebiete sind angeblich praktisch gesehen nicht mehr unter russischer Kontrolle. Zu ukrainischen Partisanenaktivitäten findet man nicht viel, mein rein persönlicher Eindruck ist, dass diese immer noch weiter unter ihren Möglichkeiten bleiben, aus welchen Gründen auch immer.
Über die notorische Zähigkeit der Russen, in allen Belangen ihrer Gesellschaft und Wirtschaft:

https://www.youtube.com/watch?v=bKHdxUQZgZA

Zitat:Die Sanktionen des Westens haben es nicht geschafft, einen so blitzschnellen Kollaps der russischen Wirtschaft herbeizuführen, wie es sich viele vielleicht gewünscht hatten. Nach dem ersten Sanktionsschock im zweiten Quartal 2022 ist das russische BIP zunächst wieder in die Wachstumszone zurückgekehrt, um dann im zweiten Quartal 2023 so richtig durchzustarten. Die russische Wirtschaft hat gar Vollbeschäftigung erreicht.
(29.10.2023, 19:58)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Über die notorische Zähigkeit der Russen, in allen Belangen ihrer Gesellschaft und Wirtschaft:

Wenn man einzelne Kennzahlen betrachtet steht die russische Wirtschaft keineswegs schlecht da.

Untersucht man die Dinge genauer, sieht`s schon anders aus.

Staat und Wirtschaft sind eben kein Selbstzweck, sondern sind Vehikel um das Leben und die Wohlfahrt der Menschen zu verbessern.

Niemand vermag zu erkennen, wie die Produktion von Waffen - über eines bestimmtes Maß hinaus - und von Korruption die Wohlfahrt eines Staates und seiner Bürger erhöht.
SchwaboElite:

Wird ja in dem vernetzten Film exakt so dargestellt und auch aufgezeigt, wie hohl viele der Kenn-Zahlen aus Russland sind. Aber der wesentlichste Aspekt ist meiner Meinung nach - und das geht viel zu oft unter wenn man über Russland spricht - dass die Wohlfahrt der Menschen dort nicht ansatzweise das Ziel des Staates ist und die Russen abseits der Großstädte im Westen des Landes unter Umständen leben, die man in weiten Teilen als vormodern bezeichnen muss.

Die Widerstandsfähigkeit Russlands resultiert daher vor allem aus der Befähigung der russischen Zivilbevölkerung sich selbst unter widrigsten Umständen zu erhalten und selbst zu versorgen, entgegen der Fehler und Fehlentwicklungen des Staates. Dazu kommt dann eine mehrheitlich fatalistische Anspruchslosigkeit die seinesgleichen sucht. Auch das meinte ich mit notorischer Zähigkeit.

Desweiteren ist es meine These, dass das Ziel des aktuell herrschenden Systems, bzw. der aktuell herrschenden Eliten um Putin herum auch nicht die Wohlfahrt des Staates ist. Es geht also weder darum, dass es dem Staat besser geht noch dass es der Bevölkerung besser geht, sondern das einzige Ziel ist die maximale Selbstbereicherung dieser Elite auf Kosten aller anderen gesellschaftlichen Teile.

Und gerade eben deshalb steht diese Elite hinter dem Krieg und will diesen nicht beenden, ist er für sie doch profitabler als der vorherige Friedenszustand. Aktuell bereichert sich die St. Petersburger Clique in noch nie dagewesenem Ausmaß, schaltet in den letzten zwei Jahren alle internen Geschäftskonkurrenten aus (die Zahl der Defenstrationen hat seit Kriegsbeginn nochmal deutlich zugelegt) und kann den inneren Druck der Bevölkerung nach außen ablenken. Russland entwickelt sich aktuell rasant immer weiter in Richtung Eurasien im Sinne von 1984.
Die Führung in Moskau weis genau wieviel sie der Bevölkerung in der Stadt und auf dem Land jeweils zugestehen muss das alles ruhig bleibt.
Wenn ich mir das Stadtzentrum von Moskau oder St Petersburg anschaue da können sich so gut wie alle deutschen Großstädte schon bei der Sauberkeit verstecken. Kennt jemand eine deutsche Stadt wo wlan kostenlos ist . In Großstädten steht in Russland überall kostenloses wlan an allen Bahnhöfen zur Verfügung.
Die leben doch nicht hinterm Mond dort. Die russische Eisenbahn hat 98% Pünktlichkeit . Im Juni wurde Durchschnittseinkommen mit 921 Dollar angegeben von ceicdata.com. Und ach man staune , es gibt sogar Strom und fließendes Wasser aus den Wänden und man ist auch nicht auf Lebensmittellieferungen von UNHCR angewiesen. Und auch auf Land hat man das. Dazu noch Handy , Fernseher und Internet. Die Führung muss genauso dafür sorgen das neueste iPhone immer auf Markt ist wie Lebensmittel . Das wissen die Herrscher in Moskau genauso wie die in Peking . Auch wenn es am Anfang der Sanktionen vielleicht einige Probleme gab sind diese längst überwunden. Wie werden die USA und Frankreich wohl ihr Uran bezahlen ? Das sich gerade die USA wenig um solche Sanktionen schert ( auch solche die sie selbst aufgelegt hat ) ist ja wohl bekannt . Die Russen hier als hinterweltler hinzustellen ist ja wohl mehr als lächerlich langsam .