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Normale Version: Russland vs. Ukraine
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Zitat: Wenn Selensky den Atomerstschlag durch die NATO fordert dann ruft er damit zum Atomkrieg auf
Um das wenigstens mal festzuhalten:
Selensky hat keinen Atomschlag der Nato gefordert. Aus dem Kontext seiner Aussage (die übrigens auf Ukrainisch gewesen ist) ergibt sich sehr eindeutig, dass er fordert, dass die internationale Gemeinschaft schon vor einem russischen Nuklearschlag präventive Maßnahmen ergreift um Russland vor einem solchen Aktion abzubringen.
Von irgendwelche Nato Atomschlägen oderauch nur von irgendwelchen sonstigen militärischen Maßnahmen war nie die Rede.

Nur ein weiteres Beispiel dafür, wie ukrainische Regierungsvertreter von gewissen Kreisen nur zu gern missverstanden werden um die eigene Haltung gegeüber der Ukraine zu rechtfertigen.
(08.10.2022, 17:31)Nightwatch schrieb: [ -> ]Um das wenigstens mal festzuhalten:
Selensky hat keinen Atomschlag der Nato gefordert. Aus dem Kontext seiner Aussage (die übrigens auf Ukrainisch gewesen ist) ergibt sich sehr eindeutig, dass er fordert, dass die internationale Gemeinschaft schon vor einem russischen Nuklearschlag präventive Maßnahmen ergreift um Russland vor einem solchen Aktion abzubringen.
Von irgendwelche Nato Atomschlägen oderauch nur von irgendwelchen sonstigen militärischen Maßnahmen war nie die Rede.

Nur ein weiteres Beispiel dafür, wie ukrainische Regierungsvertreter von gewissen Kreisen nur zu gern missverstanden werden um die eigene Haltung gegeüber der Ukraine zu rechtfertigen.

Ich weiss ja nicht was Du mit "gewissen Kreisen" meinst, denn die Meldung ging durch verschiedenste Mainstreammedien und auch das in meinen Augen sehr renommierte politische Magazin Cicero hat darüber berichtet? Wo kann man denn eine wortgetreue Übersetzung von Selenskys Rede finden um die Vorwürfe zu entkräften?
Mit Dank an Aconitum, der die folgende Übersetzung auch Muttersprachlern vorgelegt hat.

Zitat:"Що повинна робити НАТО- Унеможливлювати застосування росіею ядерної. Але що важливе я ще раз звертаюсв до міжнародної спілвноти, як це вуло до 24-го. Превентивні удари, щоб вони знали що з ними буде, якщо вони застосують, а не навпаки. Чекати ядерних ударів росії щов потім сказати, ах ти так ну ось тримай від нас. Переглянути застосування своґо тиску."

"Was die NATO tun sollte, ist, Russland am Einsatz von Atomwaffen zu hindern. Aber wichtig ist, dass ich noch einmal an die internationale Gemeinschaft appelliere - so wie es vor dem 24. der Fall war. Präventivschläge - damit sie wissen, was mit ihnen geschieht, wenn sie sie einsetzen, und nicht umgekehrt.
Auf einen russischen Atomschlag warten und dann sagen, ach so einer bist du, dann bekommst du von uns auch was. Überdenken Sie diese Anwendung von ihrem Druck."

lime:

Zitat:Auch Pöbeleien von diversen "Diplomaten" bringen keine Sympathiepunkte. Clever ist dieses Verhalten jedenfalls nicht, sondern eine riskante Haudraufmethode. In der Ukraine ist man sich sehr sicher dass die Unterstützung aus der EU nicht versiegen wird. Dabei sollte man dort bedenken dass ein Kippen der Stimmung in einigen EU-Ländern im kommenden Winter durchaus im Rahmen des Möglichen liegen könnte.

Dem kann ich nur zustimmen. Aber: die Lage ist für die Ukraine in Wahrheit gar nicht so gut wie es die aktuellen militärischen Erfolge auf dem Schlachtfeld erscheinen lassen. Die Stehen immer noch, sogar mehr als früher, mit dem Rücken direkt am Abgrund an der Kante. Sie haben also rein gar nichts zu verlieren, bisher geht ihre Strategie unverschämt zu fordern und Druck auszuüben auf und sie müssen so schnell wie möglich weitere Unterstützung mobilisieren, wobei in diesem Kontext ihre aktuellen Erfolge sogar ein Problem darstellen, weil damit der Eindruck entsteht, die Ukraine bräuchte gar nicht so viel weitere Hilfe.

Vor allem deshalb hat Selensky mehrfach betont, dass die Drohungen von Putin mit dem Nuklearwaffeneinsatz kein Bluff sind! Er betont dies deshalb so, um trotz der eigenen miltärischen Erfolge Ängste im Westen zu schüren, um gerade eben dadurch weitere Hilfe erzwingen zu können, welche die Ukraine auch real zwingend benötigt.
Die Explosion auf der Brücke im Film:

https://twitter.com/op_sshield/status/15...3308976129

Die Explosion mit Blick seitlich unter die Brücke:

https://twitter.com/TpyxaNews/status/157...5684563969
@Quintus,

diese Übersetzung kommt mir etwas holprig vor, wenn man bedenkt dass sie von ukr. Muttersprachlern abgesegnet ist. Sollte sie aber so stimmen dann sind meines Erachtens die Meldungen über atomare Erstschläge durchaus richtig, denn anders kann man die Aussage von Selensky eigentlich nicht auslegen.
Das ist nur deine Interpretation. Und so weit ich es verstanden habe ist das Problem hier, dass das Ukrainische nicht einfach so direkt in seiner ganzen Intention ins Deutsche übertragbar ist. Da gibt es eine ganze Reihe von Wörtern, die im Endeffekt doppeldeutig sind, oder bei denen mehr mitschwingt als es bei einer deutschen Übersetzung rüber kommt.

Ich bin mir auch sehr sicher, dass Selensky hier mit voller Absicht mehrdeutig formuliert hat, gerade weil das Dementi dass man es gar nicht so gemeint habe (welches ja fast unmittelbar nach der Rede erfolgte) so schnell kam. Er hat mal einfach absichtlich etwas mehrdeutig formuliert, sofort das Dementi rausgehaut und das ist halt auch eine politische Botschaft in der Hoffnung auf diese Weise irgendwie Vorteile für die Ukraine heraus zu schinden.
Rußland lässt das (angebliche) Hauptfeindbild wieder frei. Soweit ich weiß wurden diese etwas ältere Meldung hier noch nicht kommentiert.

https://www.n-tv.de/politik/Bislang-bede...05986.html
Alles was rechts ist in Russland schäumt deswegen vor Wut. Die Kommentare waren teilweise selbst für russische Verhältnisse grenzwertig, und dass sie folgenlos öffentlich geäußert werden konnten zeigt bereits auf, wie stark diese Kreise sind und wie sehr die Regierung hier darauf achten muss es nicht noch weiter zu übertreiben.

Man äußert zugleich auch immer öffentlicher, dass Shoigu öffenltich exekutiert werden soll. Ebenfalls ohne rechtliche oder sonstige Konsequenzen. Das ist bezeichnend!

Allgemein:

Hier die Brücke mal in der bisher nächsten Nahaufnahme:

https://twitter.com/Osinttechnical/statu...6194912256

Und noch was zu den vielen Mobilisierungs-Filmchen die im Netz kursieren (man muss da aber fürs Verständnis nicht nur den ersten Beitrag lesen)

https://twitter.com/kromark/status/1577753851544977411

Was, wenn etliche davon in Wahrheit auf interne russische Machtkämpfe zurück zu führen sind, mit dem Ziel beispielsweise Shoigu zu stürzen ?!

Auch die Anschläge auf die Pipelines oder selbst der Anschlag auf die Brücke könnten von internen russischen Machtblöcken herbei geführt worden sein, in einem beginnenden innerrussischen Machtkampf.
Das folgende ist natürlich auch wieder nur eine Anekdote, und vielleicht auch wieder nur Propaganda, Manipulation, von den Ukrainern gestellt um Zweifel zu säen, was auch immer, aber es illustriert ungeachtet dessen meiner Meinung nach perfekt den Zustand der aktuellen russischen Streitkräfte:

https://twitter.com/wartranslated/status...3204904960

Die neuesten Helme - enthalten im inneren wenn man die äußere Verkleidung abzieht - einfach nur alte sowjetische Stahlhelme. Meiner Kenntnis nach übrigens höchstwahrscheinlich kein Ratnik Helm, sondern eine Variante davon für die Rosgwardija, macht es aber natürlich nicht besser.
Mit Wilden (warum diese es sind, es gibt 1000nde Gründe, ich will die jetzt auch nicht an sich schlecht reden, denn sie können oftmals nur sekundär etwas dafür, wir wären wahrscheinlich ganz genau oft ne Kopie derer, wenn die soziokulturellen-Umstände die gleichen wären, also gut/böse = Ansichtssache) verhandelt man nicht.
Man haut solange auf diese drauf bis sie sich beugen und akzeptieren oder eben unbrauchbare Matschepampe sind.
So einfach ist das.
Ohne ideologischen Anspruch, schlicht aus Notwendigkeit.
Ja, der durchschnittliche - rein hypothetische, englische Soldat der nach Regeln kämpft und einfach nur auf der falschen Seiten dient aber im Prinzip ein Bruder ist, ist anders zu behandeln wie ein asiatischer, orientalischer oder schwarzafrikanischer Mordbrenner.
Gegen den einen ist Gnade und Anstand an den Tag zu legen gegen den anderen umbarmherzige Härte bis er klein bei gibt (eigenen Willen aufgezwungen) oder vernichtet ist.
Es kann so einfach sein... man darf sich nur nicht selbst die Hände hinter den Rücken binden.
@Quintus
Zitat:Es ist beispielsweise so, dass keineswegs alle russischen Soldaten nur plündern, morden und vergewaltigen, sondern es gibt ganze Einheiten die das in keinster Weise tun.
Das hatte ich so auch nicht gesagt bzw. wollte ich auch so nicht unterstellen. Generell ist es aber so, dass das Verhalten der russischen Armee bzgl. Übergriffen und Kriegsverbrechen auch für "russische Verhältnisse" - und der Ruf, der den Russen vorauseilt, ist nicht immer der freundlichste - im negativen Sinne deutlich über dem von anderen, vorangegangenen Kriegen liegt. Ich bin mir nicht ganz sicher, was hier die Ursache ist (Frustration? Hass auf die Ukrainer? Propagandistische Aufhetzung? Führungsversagen?), aber es ist eben schon erkennbar, dass das Ausmaß der Verbrechen ggü. Nichtkombattanten vergleichsweise hoch ist, quasi finde ich in jedem Ort und jeder größeren Stadt getötete Zivilisten, nur eben mal mehr, mal weniger.

Wo ich dir zustimme, ist, dass es meistens auf das Verhalten der Offiziere ankommt. Es gibt auch Berichte z. B. von der Wehrmacht aus dem Russlandkrieg, wo die Deutschen sich ja bekanntermaßen barbarisch verhielten. Liest man diese, und ich habe einige Bücher dazu bei mir, so kann man erkennen, dass es fast immer so war, dass das Verhalten des Offiziers eine maßgebliche Rolle spielte. War der Offizier im konservativ-preußischen Sinne korrekt und untersagte Übergriffe - manche unterbanden stillschweigend auch den "Kommissarbefehl" -, gab es sie auch sehr selten, und wenn doch, so wurden die Täter nicht selten von den Deutschen sogar hart bestraft. War der Offizier aber ein glühender Nazi und Slawen- und Judenhasser, so waren Verbrechen dieser so geführten Einheiten sehr wahrscheinlich bzw. die einzelnen Soldaten fühlten sich berechtigt, entsprechende Übergriffe zu begehen. Und das war in einer Armee, die als diszipliniert galt - zumindest hatte sie eher den Ruf einer disziplinierten Truppe inne als die Russen.

Schneemann
Schneemann:

Zitat:Generell ist es aber so, dass das Verhalten der russischen Armee bzgl. Übergriffen und Kriegsverbrechen auch für "russische Verhältnisse" - und der Ruf, der den Russen vorauseilt, ist nicht immer der freundlichste - im negativen Sinne deutlich über dem von anderen, vorangegangenen Kriegen liegt.

Wenn du mit vorangegangene Kriege nun russische Kriege meinst: absolut nicht. Die Russen kämpfen in der Ukraine hier und heute zurückhaltender, teilweise deutlich zurückhaltender als in Tschetschenien oder in Syrien. Gerade der Vergleich mit Tschetschenien zeigt auf, wie extrem kass die russische Armee wüten kann, da sind alle bisherigen Tagen in der Ukraine noch harmlos im Vergleich. Auch in Georigen wurde ganz genau so rummarodiert. Der Westen hat all diese Greuel nur einfach völlig ignoriert, traf ja nur irgendwelche Tschetschenen oder Syrer. Und Wagner hat de facto mit seinem Auftreten in Afrika auch nur ein Verbrechen nach dem anderen angehäuft.

Von daher ist das russische Verhalten im Krieg hier in der Ukraine wie eh und je. Es ist keineswegs anders oder neu.

Zitat:Und das war in einer Armee, die als diszipliniert galt - zumindest hatte sie eher den Ruf einer disziplinierten Truppe inne als die Russen.

Militärische Disziplin zeigt sich nicht zwingend in der Abwesenheit von Greueltaten (siehe kaiserlich japanische Armee im Zweiten Weltkrieg) und wie ich es schon schrieb, sind Disziplin und Gehorsam ebenfalls ganz verschiedene Dinge. Die russischen Soldaten sind querschnittlich extrem gehorsam, aber zugleich extrem undiszipliniert.

Der wichtigste Aspekt dürfte der extreme Mangel an Professionalität sein. Die russische Armee ist höchstgradig unprofessionell. Wenn dann seitens der Führung (aus welchen Gründen auch immer) die Kontrolle in bestimmten Bereichen zusammen bricht, dann bricht sich automatisch dieses Banditentum Bahn.

Dazu kommt noch, dass die russische Gesellschaft an sich kulturell hochgradig gewaltätig ist und Gewalt gegen Menschen dort an sich nicht negativ gesehen wird, sondern ein positiv besetzter Wert ist. Dazu kommt noch der extreme Ausmaße annehmende Alkoholmissbrauch, der sich selbst wenn die Truppen mal vorübergehend nüchtern sind durch Jahrelanges Treiben auf die Hirnstrukturen selbst auswirkt, und auch auf die ganze Gesellschaft (Familienverhältnisse, Sozialisierung, Gewalt in den Familien usw). Noch darüber hinaus ist gerade eben das russische Heer kein Querschnitt der Bevölkerung. In der russischen Armee dienen weit überproportional Soldaten aus extrem armen und dysfunktionalen Familien, weit überproportinal Gewaltkriminelle und weit überproportional Randgruppen.
(09.10.2022, 06:44)Schneemann schrieb: [ -> ]@Quintus
Das hatte ich so auch nicht gesagt bzw. wollte ich auch so nicht unterstellen. Generell ist es aber so, dass das Verhalten der russischen Armee bzgl. Übergriffen und Kriegsverbrechen auch für "russische Verhältnisse" - und der Ruf, der den Russen vorauseilt, ist nicht immer der freundlichste - im negativen Sinne deutlich über dem von anderen, vorangegangenen Kriegen liegt. Ich bin mir nicht ganz sicher, was hier die Ursache ist (Frustration? Hass auf die Ukrainer? Propagandistische Aufhetzung? Führungsversagen?), aber es ist eben schon erkennbar, dass das Ausmaß der Verbrechen ggü. Nichtkombattanten vergleichsweise hoch ist, quasi finde ich in jedem Ort und jeder größeren Stadt getötete Zivilisten, nur eben mal mehr, mal weniger.

Wo ich dir zustimme, ist, dass es meistens auf das Verhalten der Offiziere ankommt. Es gibt auch Berichte z. B. von der Wehrmacht aus dem Russlandkrieg, wo die Deutschen sich ja bekanntermaßen barbarisch verhielten. Liest man diese, und ich habe einige Bücher dazu bei mir, so kann man erkennen, dass es fast immer so war, dass das Verhalten des Offiziers eine maßgebliche Rolle spielte. War der Offizier im konservativ-preußischen Sinne korrekt und untersagte Übergriffe - manche unterbanden stillschweigend auch den "Kommissarbefehl" -, gab es sie auch sehr selten, und wenn doch, so wurden die Täter nicht selten von den Deutschen sogar hart bestraft. War der Offizier aber ein glühender Nazi und Slawen- und Judenhasser, so waren Verbrechen dieser so geführten Einheiten sehr wahrscheinlich bzw. die einzelnen Soldaten fühlten sich berechtigt, entsprechende Übergriffe zu begehen. Und das war in einer Armee, die als diszipliniert galt - zumindest hatte sie eher den Ruf einer disziplinierten Truppe inne als die Russen.

Schneemann

Man muss hier ganz klar erwähnen dass es innerhalb der russischen Armee nicht nur Korruption auf allen Ebenen gibt sondern es auch eine Kultur der Gewalt innerhalb der Armee gibt, so gehören körperliche Gewalt, Schikanieren, sexuelle Gewalt inklusive Zwangsprostitution zum festen Bestandteil des Alltages innerhalb der Armee.
Daher die Sadisten finden dort ihr Paradies und ein großer Teil der Leute sind traumatisierte Wracks.
Gewalt ist natürlich in der russischen Armee ganz allgemein verbreitet. Aber auch das hängt wieder sehr stark von den Offizieren ab und ob diese Gewalt von ihnen zugelassen oder unterbunden wird. Deshalb halte ich die russische Führung für die aktuellen Verbrechen für deutlich verantwortlicher, und man muss die Schuld an diesem Geschehen nicht allein auf die ausführenden einfachen russischen Soldaten schieben, meiner rein persönlichen Einschätzung nach gibt es nur wenige Armeen wo das tatsächliche Verhalten der Truppe, aber auch die Ausbildung der Soldaten, ihre taktischen Fähigkeiten und auch die Moral und die Disziplin so dermaßen stark von den jeweiligen militärischen Führern abhängen.

Ich hatte ja schon die höchst hetergonenen militärischen Kenntnisse der Russen angesprochen. Durch die informelle Ausbildung innerhalb der Einheiten und je nach Offizier unterscheiden sich russische Einheiten teilweise wie Tag und Nacht. Sie gehen sogar ganz verschieden vor, verwenden je nach Einheit andere Taktiken (oder gar keine Taktiken) usw.

Dazu kommt noch in Bezug auf das Offizierskorps ein immenser politischer Druck bestimmte Ergebnisse zu produzieren obwohl dies gar nicht möglich ist. Wer die ausführlichen Beschreibungen der Kämpfe durch Shagya oder beispielsweise auch Filatyev gelesen hat, wird feststellen, dass sie beide völlig unabhängig voneinander beschreiben, dass Offiziere "von ganz oben" unsinnige Befehle erhalten haben, beispielsweise irgendein völlig wertloses Dorf einzunehmen und dieser Befehl dann mit einer sehr strikten Dead-Line versehen umzusetzen war. Das ganze ging so weit, dass die Offiziere spätestens am "Fälligkeitstag" die Einnahme durchgaben, selbst wenn diese noch gar nicht erfolgt war, nur um dann weiter geradezu panisch zu versuchen den Befehl doch noch irgendwie umzusetzen.

Auch bei einigen der Tode sehr hochrangiger Offiziere im aktuellen Krieg ist es meiner Meinung nach fragwürdig, ob diese tatsächlich durch die Ukrainer verursacht wurden. Der politische Druck auf die Armeeführung muss immens sein und damit meine ich nicht die Androhung von Entlassung oder dergleichen. Wer sich die aktuelle Mordserie an russischen Oligarchen ansieht, oder wie reihenweise hochrangige Funktionäre verunglücken oder verschwinden, der kann sich ausrechnen was mit Offizieren gemacht wird die versagen.

Entsprechend ist das alles eine extrem ungute Gemengelage, welche die russische Armee nur noch weiter extrem schwächt.

Ein interessanter militärischer Aspekt ist hier meiner Meinung nach, dass starke Indizien und Hinweise für Haltebefehle gibt. Diese führen dazu, dass man versucht exakt den genannten Ort zu halten, dafür aber das Umfeld oder andere Stellen entblößt was dann solche Einkesselungen wie in Lyman überhaupt erst ermöglicht. Eine weitere Folge ist meiner Ansicht nach, dass die Russen anscheinend auf Befehl von oben versuchen das ganze Gebiet in dem sie sind zu halten. Statt bewusst ihre Truppen zu konzentrieren, andere Teile des Gebietes bewusst unbesetzt zu lassen, damit der Feind in diese hinein gelenkt wird, und diesen dann dabei im Gegenangriff zu werfen.

Es fehlt auf russischer Seite völlig ein solches Schlagen aus der Nachhand, obwohl es sich gerade in der Ukraine besonders anbieten würde. Stattdessen verkleckert man seine Einheiten in epischer Breite. Dadurch entsteht der Eindruck, dass es keine Räume mit sehr geringer Truppendichte gibt (wie es Broensen ja hier vor kurzem mal wieder angemerkt hat). Dem ist aber nicht so.

Statt Räumen mit hoher Truppendichte und daraus folgend Räumen mit extrem geringer Truppendichte, ist diese einfach im ganzen Raum vergleichsweise niedrig. Die russische Verteidigung ist durch die gleichmässige Aufteilung ihrer Kräfte auf das ganze Gebiet einfach überall schwach und vor allem hat sie keine Tiefe. Sobald die Ukrainer durch die zu dünn besetzten vorderen Stellungen durch sind, ist dahinter keine russische Kampftruppe mehr.

Diese breite Verteilung der Einheiten, teilweise auch der Kampfpanzer (!), führt dazu, dass die Russen keinen Schwerpunkt für einen Gegenangriff bilden können und die Ukrainer nach Belieben überall lokal eine numerische Überlegenheit erreichen können, selbst wenn sie insgesamt in einem Gebiet noch zahlenmässig unterlegen sein sollten. Und der Mangel an Reserven in der Tiefe bedeutet dann immer sofort den Kollaps der gesamten Front und deren Flucht auf eine weiter hinter liegende Linie unter Zurücklassung von Kriegsmaterial.

Wie schon erwähnt werden sogar die Kampfpanzer einfach nur verteilt und in Kleinstgruppen eingesetzt, nur um irgendwie möglichst viel der Gebiete zugleich noch mit Truppen besetzt zu halten. Das ist militärisch absurd! Es ging gerade eben noch so auf, solange der Artilleriehagel sowohl die Quantität als auch die Bewegung ersetzen konnte. Jetzt wo er aufgrund der Einschränkungen des weiteren Zufluss an Wirkmitteln so nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, werden die Schwächen und extremen Probleme dieser Doktrin der gleichförmigen Verteilung der Kräfte über den ganzen Raum offensichtlich. Aber trotzdem reagiert man nicht und passt sich anscheinend nicht an.

Und dass kann ich mir nur so erklären, dass es von oben - politisch - untersagt wird die notwendigen Anpassungen vorzunehmen. Meiner Einschätzung nach ist der negative Einfluss der Zivilen Führung auf die Kriegsführung daher größer als dies bisher angenommen wurde. Da wird anscheinend von viel zu weit oben nach viel zu weit unten mit hinein gemischt, und dies entgegen jeder militärischen Vernunft. Und weil jederman persönliche Konsequenzen für sich bis hin zum Ableben fürchtet, traut sich anscheinend auch niemand zu widersprechen.

Und der übliche russische Kadavergehorsam, lebensverachtender Fatalismus und die ganze grundsätzliche Einstellung von zu vielen führen hier dazu, dass die Armee trotz dieser bizarren Missstände nicht rebelliert. Was für eine Verschwendung von derart vielen guten jungen Männern, die allesamt von ihrem Charakter her und von ihrer kulturellen Einstellung her auch Gutes hätten leisten können. Stattdessen wirft man ihre Leben weg als wären sie Müll und ich glaube, dass die russischen Eliten ihr Volk genau so sehen, als Müll und als Vieh, und dass sie die einfachen Russen als Volk zutiefst verachten. Anders ist es nicht erklärbar, wie man derart mit den eigenen Leuten umgehen kann.

Damit sind die russischen Eliten nichts anders als Feinde des russischen Volkes. Es verbleibt allein die Problemstellung, wie man das einfache russische Volk von diesen Verrätern an der eigenen Nation befreien könnte, ohne dass die Lage für alle unkontrollierbar eskaliert.
@Quintus
Zitat:Wenn du mit vorangegangene Kriege nun russische Kriege meinst: absolut nicht. Die Russen kämpfen in der Ukraine hier und heute zurückhaltender, teilweise deutlich zurückhaltender als in Tschetschenien oder in Syrien. Gerade der Vergleich mit Tschetschenien zeigt auf, wie extrem kass die russische Armee wüten kann, da sind alle bisherigen Tagen in der Ukraine noch harmlos im Vergleich. Auch in Georigen wurde ganz genau so rummarodiert. Der Westen hat all diese Greuel nur einfach völlig ignoriert, traf ja nur irgendwelche Tschetschenen oder Syrer. Und Wagner hat de facto mit seinem Auftreten in Afrika auch nur ein Verbrechen nach dem anderen angehäuft.
Also zunächst: Ja, ich meinte vorangegangene russische Kriege.

Aber ich habe ein wenig Schwierigkeiten damit, es alles so in einen Topf zu werfen. Tschetschenien mal außen, das was dort teils geschah, auch an Gefangenentötungen, sprengt den Rahmen. (Gleichwohl aber gab es auch damals schon heftige Proteste im Westen.)

Womit ich aber etwas Probleme habe, ist die Formulierung, dass es z. B. in Syrien den Westen nicht interessiert hätte, was dort geschah. Ich denke, es war genau das Gegenteil der Fall - die willkürlichen russischen Bombenangriffe auf Hospitäler oder Konvois von Zivilisten haben durchaus heftige Proteste hervorgerufen, von einem Ignorieren kann man also schwerlich reden.

Und hier müsste man zugleich innerhalb dieses Geschehens unterscheiden: Die Art und Weise, wie willkürlich Bomben auf zivile Ziele geworfen wurden, geschah auch schon in Syrien und wir sehen nun die Wiederholung in der Ukraine, wo Städte ähnlich zerbombt wurden (und wo auch ein Mann wie Misinzew aktiv ist, der schon in Syrien für seine Brutalität bekannt war). Gleichwohl aber waren die Russen in Syrien nur in wenige Bodenkämpfe direkt verwickelt, während sie in der Ukraine massiv in solche verstrickt sind, und aus diesen resultierten auch zahlreiche bzw. die meisten Massaker. D. h. Syrien und die Ukraine ähneln sich bzgl. der Bombardierung ziviler Ziele, aber sie unterscheiden sich hinsichtlich der Intensität der Bodenkämpfe und der Ermordung von Zivilisten im Rahmen solcher Kämpfe bzw. während Rückzügen. Auch diese Plünderorgien wie aktuell finden sich in Syrien quasi kaum (was vermutlich auch dem Umstand geschuldet sein mag, dass die meisten Russen ihren Basen nicht verlassen mussten und dass es wenig zum Plündern gab).

In Georgien 2008 wären mir zudem solche Übergriffe, wie wir sie derzeit sehen, nicht in Erinnerung. Vermutlich kamen während des ganzen Georgienkrieges geschätzt 250 Zivilisten ums Leben (deutlich weniger als in Butscha alleine getötet wurden), davon vermutlich die Hälfte alleine schon bei Artillerie- oder Raketenangriffen. D. h. die Zahl derjenigen, die wirklich Gräueltaten wie in der Ukraine zum Opfer fielen, dürfte sich sehr stark eingrenzen lassen auf ein paar dutzend Personen. Und darin sind auch solche Ermordete enthalten, die von georgischen Sicherheitskräften getötet wurden, weil man sie der Kollaboration mit den Russen verdächtigte. Insgesamt gesehen lassen sich meiner Meinung nach die Geschehnisse in Georgien also nicht mit dem Wüten der Russen gegenwärtig in der Ukraine vergleichen.
Zitat:Dazu kommt noch, dass die russische Gesellschaft an sich kulturell hochgradig gewaltätig ist...
Ich denke, dass man immer etwas vorsichtig sein sollte, einer Gesellschaft eine (generelle?) Kultur der Gewalttätigkeit zu unterstellen. Man kann sowas erzeugen, durch Propaganda, durch Hass oder Angst, und das hat das gegenwärtige russische Regime in Teilen der Bevölkerung wohl auch geschafft (und die Zustände in der Armee spotten eh jeder Beschreibung), aber eine generelle kulturelle Neigung dazu sollte man nicht annehmen, weil dies wiederum irrige Rückschlüsse generieren könnte.

Schneemann