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Normale Version: Russland vs. Ukraine
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Wie oft waren den westliche Demokratien überhaupt erfolgreich seit Ende des zweiten Weltkrieges und haben nicht nur schlachten sondern auch die Kriege gewonnen am Ende ?
Die Frage wäre nur dann zu beantworten, wenn du definierst, was du unter Krieg verstehst? Reden wir von einem Krieg im eigentlichen Sinne mit großangelegten Operationen und zigtausenden Soldaten? Oder von Stabilisierungsmaßnahmen, COIN, Anti-Terror-Kampf etc.? Und was definierst du als "Sieg" in einem Krieg? Günstiger Waffenstillstand (mit dem Erreichen gesteckter Ziele)? Eroberung der gegnerischen Hauptstadt? Oder nur ein capture the flag?

Schneemann
Die Bundeswehr ist niemals davon ausgegangen dass man die absolute Luftüberlegenheit über Deutschland gehabt hätte - man ging eher davon aus dass die Sowjetunion eher überlegen war in den ersten Stunden des Konflikts.
Die grundsätzliche Prinzipen der 'westlichen' Kampfart bleibt weiterhin lokale Feuerüberlegenheit zu bilden, irgendwo einsam ein paar Panzer und Schützenpanzer hinzuschicken ohne weitreichende Aufklärung, Infanterie und Artillerieunterstützung, hat wenig mit Elfenbeinturm der NATO zu tun sondern ist schlicht keine gute Kriegsführung.
Lass eine Nato-Armee unter den Bedingungen und Restriktionen unter denen die AFU operiert antreten und jeder vom Fußsoldaten bis zum Kommandeur würde sich weigern überhaupt anzugreifen.
Die ukrainische Kriegsführung auf der taktischen Ebene ist das geringste Problem, zumal man hier dem Feind durch die Bank überlegen ist.
Fehler wurden ukrainischerseits auf operativen und strategischen Ebenen gemacht. Der Schwerpunkt vor Tokmak ist grundlegendend falsch gesetzt, die paralle Ablenkungsoffensive bei Balkhmut erfolgte mit zu vielen und zu erfahrenen Verbänden, Erfolge am Mokri Yali wurden mangels operativer Reserveund Inflexbilität nicht ausgenutzt, die eingesetzten Kräfte waren für die hervoften Durchbrüche quantitativ viel zu schwan, nachgeordnete Verbände wurden zu spät und nur nach und nach in bestehende Angriffsachsen geschoben, in den Angriffsachsen gab und gibt es keinen Druck im der Breite um die russischen Reserven auseinanderzudrängen, viel zu viel Luftabwehr wurde und wird im rückwärtigen Raum zum Schutz ziviler Ziele eingesetzt und fehlt an der Front... und so weiter und so fort.
Das viel größere Problem war und ist allerdings, dass der Westen sich viel zu viel Zeit gelassen hat, die Ukrainer zu dieser Offensive überhaupt zu befähigen und dann meinte, man könnte die Offensive auf Kante genäht mit minimalen Einsatz genau so steuern, dass die Ukrainer mit ach und krach das Schwarze Meer erreichen. Nur hat der Gegner halt auch ein Wörtchen mitzurden, weswegen solche knappen Kalkulationen regelmäßig scheitern.
Zitat:Stabilisierungsmaßnahmen, COIN, Anti-Terror-Kampf

Auch in solchen militärischen Einsätzen war man ja nicht sonderlich erfolgreich. Anti- terror Kampf was soll das sein ? Am Ende steckt immer irgend ein Staat dahinter . Aufstand ist ja kein Krieg und laut Definition eine innerstaatliche Angelegenheit .
Den falklandkrieg hat GB militärisch gewonnen 1983 , 1989 wurde der Krieg aber erst juristisch für beendet erklärt . Der Konflikt besteht allerdings heute noch .
Napoleon eroberte Moskau und hat den Krieg trotzdem verloren. In den meisten Fällen beendet eine bedingungslose Kapitulation zwar die kampfhandlung , allerdings nicht den Kriegszustand. Glaubt wirklich jemand das der Krieg im ehemaligen jugoslawien beendet ist oder wäre es überhaupt soweit gekommen wenn nicht von allen Seiten ständig neue waffen gekommen wären oder das jemand gesiegt hätte dort. Wie will man einen Sieg definieren heutzutage , die meisten Konflikte enden heute durch Einmischung von außen , womit sie aber meistens nicht beendet sind.
Ich glaub die Ukrainer wären schon sehr glücklich wenn man die Gebiete zurück erobert hat und Putin dann gerne jahrelang auf seinen langen Tisch haut und es 'juristisch' nicht wahrhaben will.

Deswegen muss die ukrainische Kriegsführung während der Sommeroffensive kritisch analysiert werden und nicht öffentlich die beleidigte Leberwurst spielen, man sollte meinen dass die NATO da genug fähiges Personal hat um klare Missstände zu benennen, man ist anscheinend auch nicht sehr glücklich in der Ukraine - siehe die vielen Personalwechsel dort.
Pmichael:

Zitat:irgendwo einsam ein paar Panzer und Schützenpanzer hinzuschicken ohne weitreichende Aufklärung, Infanterie und Artillerieunterstützung, hat wenig mit Elfenbeinturm der NATO zu tun sondern ist schlicht keine gute Kriegsführung.

Was zu der Frage führen sollte, warum dies wieder und wieder und wieder so und nicht anders gemacht wird, und zwar von beiden Seiten. Und da kommt meiner Ansicht nach immer viel zu schnell die Antwort: weil die halt unfähig sind, WIR würden das ja gaaaannz anders machen usw usf. Was aber, wenn das was man hier sieht ein zwingender Ausfluss der Umstände ist ?! Wenn gar keine größere Konzentration der Kräfte möglich, die maximale Dislozierung aber trotz aller Nachteile die das dann für die örtliche Feuerüberlegenheit bringt zwingend erforderlich ist ?! Wie hoch ist überhaupt der Anteil des LOS Kampfes von Kampfpanzern und anderen gepanzerten Fahrzeugen ? In wie weit kommen diese überhaupt dazu im direkten Feuer gegen feindliche Fahrzeuge oder Stellungen vorzugehen ?! Wenn die logistischen Voraussetzungen für unsere Vorstellungen der Kampfweise überhaupt nicht herstellbar sind ?! Wenn ganz allgemein das Bewegen und die Versorgung entsprechend konzentrierter Verbände sich nicht herstellen lassen ?!

alphall31:

Ein primäres Problem ist heute meiner Meinung nach, dass man zu extreme Vorstellungen davon hat, was ein Sieg ist, zu klare und zu eindeutige und absolute Ergebnisse erwartet. Konflikte existieren auch ohne Krieg - vor dem Krieg und dann nach dem Krieg weiter. Der Krieg als Fortführung dieser politischen Konfliktei st daher nur eine vorübergehende, andere Form dieses Konfliktes, der sich in sehr vielen Fällen weder durch den Krieg noch auf andere Weise überhaupt lösen lässt. Was gleich zum nächsten Aspekt führt: 1. Der falschen Annahme, dass alles lösbar ist und 2. dass es überhaupt die Zielsetzung war / ist, eine dauerhafte, nachhaltige und eindeutige Lösung herbei zu führen. Denn in ganz vielen Fällen will in Wahrheit niemand einen absoluten kompletten Sieg in deinem Sinne und zwar auf beiden Seiten nicht.

Ich finde es deshalb bezeichnend, dass du hier vor allem anderen die bedingungslose Kapitulation so explizit nennst. Genau diese Vorstellung von der Kapitulation des Gegners ist ein wesentlicher Fehler. Wenn die Kriegsziele ohne Kapitulation erreicht werden oder zumindest in einem gewisssen Ausmaß erreicht werden, dann ist das meist viel vorteilhafter.

Der Sieg kann daher heute (wie früher auch schon) dadurch definiert werden, dass man bestimmte Zielsetzungen erreicht hat. Diese setzen weder eine Kapitulation, noch eine Beendigung des Krieges voraus, weder faktisch noch juristisch. Beispielsweise verschafft man sich in einem bestehenden Konflikt eine bessere Situation als vor dem Krieg, auch wenn der Konflikt weiter besteht (nach Ende der offenen Kampfhandlungen). Schon hat man einen Sieg. Man muss aufhören Siege im Sinne des Zweiten Weltkrieges in Form der Kapitulation von Staaten zu denken und der vollständigen Durchsetzung der eigenen Interessen. Dieser zu absolute Anspruch ist genau das Problem weshalb man heute meint keine Siege mehr erkennen zu können.
Über die iranischen Drohnen:

https://airwars.org/investigation/shahed...aine-iran/

über technische Entwicklungen und/oder Vorstellungen der Russen von solchen:

https://ecfr.eu/publication/star-tech-en...n-ukraine/

Zitat:Summary

Many of the technological advances the world has made over the past decades have featured in the conflict, including in drones, software-defined warfare and AI, and space technology, as well as cyber warfare.

If Europeans are serious about their defence capabilities, they need to look closely at the use of this technology on both sides.

They will find that private companies have played a huge role in this war. This implies a different approach is necessary in the way states and private companies interact, and in how firms deal with technologies that could be used in warfare.

Technology has also enabled and motivated the involvement of individuals in this conflict to a degree that would likely be replicated in a future war. States need to consider ways to channel this engagement.

Finally, the war demonstrates that the quantity of weapons still matters, and that the old adage of military studies that the integration of new systems is at least as important as the technology itself remains true.
(10.09.2023, 20:10)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Was zu der Frage führen sollte, warum dies wieder und wieder und wieder so und nicht anders gemacht wird, und zwar von beiden Seiten. Und da kommt meiner Ansicht nach immer viel zu schnell die Antwort: weil die halt unfähig sind, WIR würden das ja gaaaannz anders machen usw usf. Was aber, wenn das was man hier sieht ein zwingender Ausfluss der Umstände ist ?! Wenn gar keine größere Konzentration der Kräfte möglich, die maximale Dislozierung aber trotz aller Nachteile die das dann für die örtliche Feuerüberlegenheit bringt zwingend erforderlich ist ?! Wie hoch ist überhaupt der Anteil des LOS Kampfes von Kampfpanzern und anderen gepanzerten Fahrzeugen ? In wie weit kommen diese überhaupt dazu im direkten Feuer gegen feindliche Fahrzeuge oder Stellungen vorzugehen ?! Wenn die logistischen Voraussetzungen für unsere Vorstellungen der Kampfweise überhaupt nicht herstellbar sind ?! Wenn ganz allgemein das Bewegen und die Versorgung entsprechend konzentrierter Verbände sich nicht herstellen lassen ?!
Der Anteil des LOS Kampfes von Kampffahrzeugen wäre extrem gering. Wir wirken schließlich primär aus der Luft.
Müssen wir das bei jeder Panikattacke durchexerzieren?
Es ist halt nun mal so, dass die Ukraine keine fünfzig Kampfflugzeuge aufbieten kann und das Maximum der Nato gegen fünftausend geht.
Plus ein immens dichtes Netz an Flugplätzen in Ost- und Mitteleuropa, tausende Marschflugkörper, zivilwirtschaftliche Logistik die weltweit ihres gleichen sucht, die zusammengenommen deutlich stärkste Flotte der Welt... es gibt keinen Grund sich in die Hosen zu machen, wenn der Russe da irgendwelche Artillerierohre aus stalinistischen Zeiten aus dem tiefsten Sibirien per Eisenbahn herankarrt.
Was für Panikattacken ?

Und es geht mir nicht um das jetzt auf dem Schlachtfeld operierende real existierende Russland, sondern um Gegner der Zukunft, und dass sollte man auch nicht auf Russland beschränkt sehen.
Zitat: Marschflugkörper, zivilwirtschaftliche Logistik die weltweit ihres gleichen sucht, die zusammengenommen deutlich stärkste Flotte der Welt... es gibt keinen Grund sich in die Hosen zu machen, wenn der Russe da irgendwelche Artillerierohre aus stalinistischen Zeiten aus dem tiefsten Sibirien per Eisenbahn herankarrt.
Was nützt das alles wenn man keine Soldaten hat die kämpfen . Nach kurzer Zeit hat der größte Teil der Freiwilligen die Ukraine wieder verlassen . Wenn der Russe mit seinen stalinrohren ein paar Tage auf ihre Stellung feuert , und wenn es nur fünf Schuss in der Stunde sind , ist die Hälfte des Personals über alle Berge.
Unser Personal ist einfach nicht belastbar . Ich möchte auf keinen Fall mit dem Personal von heute in ein Gefecht wie im Jahr 09/10 in Afghanistan geraten . Da sind nicht mal die Soldaten schuld sondern einzig die Gesellschaft .
Tausende marschflugkörper bezweifle ich mal .
Quintus Fabius schrieb:Was für Panikattacken ?

Und es geht mir nicht um das jetzt auf dem Schlachtfeld operierende real existierende Russland, sondern um Gegner der Zukunft, und dass sollte man auch nicht auf Russland beschränkt sehen.
Und gegen welchen Gegner der Zukunft würden wir ausgedehnte Landgefechte ohne Luftwaffen führen?

alphall31 schrieb:Was nützt das alles wenn man keine Soldaten hat die kämpfen . Nach kurzer Zeit hat der größte Teil der Freiwilligen die Ukraine wieder verlassen . Wenn der Russe mit seinen stalinrohren ein paar Tage auf ihre Stellung feuert , und wenn es nur fünf Schuss in der Stunde sind , ist die Hälfte des Personals über alle Berge.
Unser Personal ist einfach nicht belastbar . Ich möchte auf keinen Fall mit dem Personal von heute in ein Gefecht wie im Jahr 09/10 in Afghanistan geraten . Da sind nicht mal die Soldaten schuld sondern einzig die Gesellschaft .
Tausende marschflugkörper bezweifle ich mal .
Die USA sitzen alleine auf deutlich über 3.000 Tomahawk Dodgy

Ansonsten, wie sehen gerade in der Ukraine, dass Einheiten selbst nach Massenaushebungen im Artilleriefeuer bestehen. Ja, die ukrainische Gesellschaft ist jetzt nicht speziell die Deutsche, aber wir würden nun mal auch nicht unter ukrainischen Bedingungen kämpfen müssen.
Der mangelnde Wehrwille der Gesellschaft hierzulande ist da sicherlich nicht kein Problem, im allgemeinen zeigen auch Mitglieder augenscheinlich verweichlichter Gesellschaften eine erstaunliche Resilienz wenn es darauf ankommt. Massenpsychologische Effekte wirken da in beide Richtungen, auch unter Artilleriefeuer.
Die Leier von die dort drüben sind alle noch richtige Männer hatten wir auch ausgiebig über Russland, man sollte meinen dass dieser Unsinn irgendwann mal aussterben sollte aber der Mythos vom schwachen dekadenten Westen ist ja ein Treppenwitz der Geschichte.

Vor allem da die Ukrainer noch angeblich Feiglinge waren bis sie es halt nicht mehr waren.
Es ist nicht zur ein Treppenwitz im eigentlichen Sinne, sondern das Zeichnen des Bildes des schwachen, verweichlichten Gegenübers ist zudem Teil eines gezielten propagandistischen Topoi aus Russland. (Und teils auch anderer Diktaturen.)

Und das ist ja wiederum ein mehrfacher Widerspruch in sich: Einerseits wird der Westen als schwach, dekadent, verweichlicht, unmännlich, Regenbogenfahnen schwingend etc. pp. dargestellt. Andererseits fühlt man sich seltsamerweise aber gerade von diesem "dubiosen" Westen eingekreist und bedroht. Folgt man dieser Logik, so sind die Russen also die größten "Weicheier" - denn sie lassen sich von einem Gegner, der ja schwach, dekadent, verweichlicht, unmännlich, Regenbogenfahnen schwingend etc. pp. ist, offenkundig ins Bockshorn jagen und in die Hysterie einer Bedrohung treiben. Aber was ist in Russland derzeit noch logisch?

Darüber hinaus lügen sich die Diktaturen mit dieser Darstellung auch selbst an. Denn auch wenn es arg zäh erscheint und ellenlange politische Diskussionen mit sich bringt, bis man Demokratien dazu bringt in einen Krieg zu ziehen (es fällt in freien Gesellschaften bekanntlich auch ungleich schwerer, wenn man Tote und Verwundete der Öffentlichkeit zu erklären hat), so sollte man den Kampfwillen demokratischer Staaten, wenn sie denn dann einmal eingreifen, dennoch nie unterschätzen.

Die NS-Propaganda hat die GIs auch noch als Schwächlinge bezeichnet, als Patton schon Richtung Harz vorstieß. D. h. dadurch, dass suggeriert wird, dass der Gegner schwach sei, besteht das Risiko, dass man sich selbst anlügt und zur Überheblichkeit neigt bzw. den Gegner unterschätzt - was einem dann zum Nachteil gereichen kann. Somit schadet das russische Propagandamärchen vom schwachen Westen also in letzter Konsequenz Russland selbst.

Schneemann
(11.09.2023, 09:05)Schneemann schrieb: [ -> ]Darüber hinaus lügen sich die Diktaturen mit dieser Darstellung auch selbst an. Denn auch wenn es arg zäh erscheint und ellenlange politische Diskussionen mit sich bringt, bis man Demokratien dazu bringt in einen Krieg zu ziehen (es fällt in freien Gesellschaften bekanntlich auch ungleich schwerer, wenn man Tote und Verwundete der Öffentlichkeit zu erklären hat), so sollte man den Kampfwillen demokratischer Staaten, wenn sie denn dann einmal eingreifen, dennoch nie unterschätzen.

Schneemann

Die Ukraine dürfte in etwa genauso viel oder wenig Demokratie sein wie Rußland es ist. Insofern sehe ich da keinen großen Unterschied.