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Normale Version: Russland vs. Ukraine
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Allgemein:

Ein wesentlicher Unterschied in der wechselseitigen Wahrnehmung des Westens und Russlands ist, dass man zwar nach dem schier unfassbaren Versagen der Russen in diesem Krieg nun dazu neigt diese zu unterschätzen und sie als militärisch schwach klassifiziert, und ja, zugleich als sehr gefährlich, also scheinbar die gleiche Einordnung vorliegt - schwach und gefährlich zugleich, aber so meinte ich das nicht.

Es geht spezifisch darum dem Feind die Männlichkeit, die Härte, die Leidensfähigkeit abzusprechen und ihn als Pervers, Degeneriert, Sybaritisch usw abzutun - und ihn trotzdem als immense Gefahr für die eigene Existenz darzustellen. Das ist der wesentliche Unterschied hier. Die Russen sehen uns als perverse degenerierte Schwächlinge die Russland vernichten wollen und dafür andere kämpfen lassen und die nicht bereit sind selbst zu sterben.

Umgekehrt wird niemand im Westen in Frage stellen, dass die Russen anscheinend immer noch bereit sind in erheblichen Anzahlen im Krieg zu sterben. Der Vorwurf an die Russen ist also nicht einer der Schwäche geboren aus Feigheit, sondern einer der Schwäche als Resultat von Unfähigkeit. Der Vorwurf der Russen an uns ist aber einer der Schwäche aus Feigheit und Perversion heraus.

Wie sie sich selbst gerne sehen (vom Lieblingssänger der entrückten Mumie im Kreml):

https://www.youtube.com/watch?v=NXreSAXf1V8
(26.01.2024, 20:32)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Die ukrainische Regierung schürt im weiteren in ihrer Staatspropaganda seit ein paar Wochen zunehmend das Narrativ, dass man ja schon gesiegt hätte, wenn der Westen einen nicht im Stich gelassen hätte um die Schuld am bisherigen Geschehen ebenfalls auf uns abzuschieben. Ala: ihr müsst ja nur deshalb sterben weil uns in Wahrheit niemand hilft usw.

Das ist halt auch viel Wahres dran.

Die Ukrainer wären durchaus nicht schlecht beraten, sich aus rein ukrainischer Sicht die Frage zu stellen, wofür sie an diesem Punkt des Krieges überhaupt genau kämpfen.

- Der Westen ist nicht daran interessiert, dass die Ukraine siegt; man schafft es seit Jahren kaum mehr, als das Geschehen in der Balance zu halten. Anzeichen dafür, dass sich das ändert, sind nicht erkennbar.
- Die Fronten sind dermaßen erstarrt, dass es ohne substantielle Hilfe des Westens (die es nicht geben wird) zu keinen größeren Frontverschiebungen zugunsten der Ukraine kommen wird.
- Wesentliche Chancen den Krieg in Jahr 1 und 2 rasch und siegreich zu entscheiden wurden verpasst, primär aufgrund ausbleibender westlicher Unterstützung. Die Chancen, dass ein festgefahrener Konflikt aus der Abnutzung heraus plötzlich doch operativ entschieden wird sind sehr gering; in diesem Krieg ist es nicht anders.
- Russland hat sich in einen Abnutzungskrieg eingerichtet und steht mit einer weiterhin existierenden Wirtschaft, starken Unterstützern wie Nordkorea, Iran und China sowie einer deutlichen Neuausrichtung auf Kriegsproduktion gut da.
- Der Westen ist nicht im Ansatz gewillt, die Ukraine entsprechend für einen Abnutzungskrieg auszustatten; man scheitert schon an der Lieferung von mehr als ein paar hunderttausend Granaten.
Insofern gibt es auch keine Perspektive auf die Lieferung innovativer Waffensysteme die dem Krieg nochmals eine neue operative Dynamik geben könnten.
- Die geopolitischen Aussichten sind in Hinblick auf die ausbleibenden Hilfen durch die USA und den US-Wahlkampf alles andere als rosig. Es sieht schwer danach aus, dass es auch an dieser Front nicht besser wird.
- Sofern entfernt die Kriegsziele sein mögen, sie sind jenseits der Krim auch sinnlos. Der Donbas ist weitgehend zerstört, vermint und entvölkert und wäre (im Falle eines Sieges) nach dem Krieg nur ein Klotz am Bein der Ukraine.
- Selbst bei einem günstigen Kriegsverlauf (warum auch immer) und einer direkten Chance auf die Eroberung der Krim kann Russland den Konflikt fast nach Belieben auf die nukleare Ebene heben und so einfrieren, erst recht mit einem Trump im Weißen Haus oder einem über den Senat und das House blockierten Biden.

Insofern würde ich rein aus ukrainischer Sicht an ihrer Stelle schon die Kalkulation aufmachen, ob die (sehr geringe) Aussicht auf einen Sieg über Russland mit etwa einer Rückeroberung der Krim es wirklich wert ist, den großen Opfergang für einen Abnutzungskrieg fortzusetzen, den man am Ende wahrscheinlich sowieso in der Form verlieren wird, dass man am Ende nicht mehr hat als das was man jetzt noch verteidigt.

Aus rein ukrainischer Sicht würde mir diese Rechnung nicht gefallen. Wäre ich Zelensky, würde ich die Krim und ein Einfrieren des Konflikts mit Handkuss gegen eine EU-Mitgliedschaft eintauschen. Mein Ansatz wäre eher, mit den Russen noch auszuhandeln, dass die ukrainische Bevölkerung die Krim und den Donbas nach Westen verlassen darf, wenn sie das denn überhaupt möchte.

Natürlich ist es eine vollkommen andere Frage, ob Putin in diesem Moment überhaupt bereit ist, sich auf derartige Ansätze einzulassen oder (weiterhin) aufs Ganze geht. Eigentlich müsste sich bei ihm die Erkenntnis durchsetzen, dass die Front zu verhärtet ist, um hier noch irgendwie groß mehr erreichen zu können. Und wenn doch, dann nur auf Kosten weiterer Hunderttausender Verluste, einer völlig zerstörten und ausgebluteten Armee mit einer Beute, die nur noch aus menschenleeren Trümmerwüsten besteht. Wobei ihm schon viel hätte aufgehen müssen.

Aus westlicher Sicht wiederum würde ich mir dann auch langsam mal die Frage stellen, wie lange die Ukrainer unser blutiges Spiel noch mitspielen werden.
(26.01.2024, 17:21)Schneemann schrieb: [ -> ]Ich hatte mir überlegt, wie du das gemeint hast.

Ich entschuldige mich für diese Schludrigkeit.

Es gibt da etwas, das mir in der Gegenüberstellung von Russland / Westen in letzter Zeit durch den Kopf geht. Es ist die Sichtweise der Autopoiesis. Der Begriff besagt ja, daß ein System sich selbst erschafft und erhält, indem es sich von seiner Umwelt abgrenzt und seine eigene Organisation bestimmt. Soziale Systeme sind insofern autopoietisch, weil sie ihre eigenen Regeln und Normen durch Kommunikation erzeugen und reproduzieren.

Was hat das nun mit Russland und dem Westen zu tun? Beide Systeme sind autopoietisch, aber auf unterschiedliche Weise.

Das russische System ist autopoietisch, weil es sich selbst reproduziert und von seiner Umwelt abschottet. Es ist ein geschlossenes System, das keine Kritik oder Veränderung zulässt. Es ist ein starres System, das sich zur eigenen Macht und Ideologie verschmalt. Es ist ein isoliertes System, das sich von äußeren Einflüssen abgrenzt.

Das westliche System ist autopoietisch, weil es sich selbst erneuert und mit seiner Umwelt interagiert. Es ist ein offenes System, das Kritik und Veränderung nicht nur ermöglicht, sondern auch einfordert. Es ist ein vernetztes System, das sich in internationale Organisationen einbindet.

Beide Systeme müssen sich selbst erhalten, aber auf unterschiedliche Weise. Das bedeutet auch, daß beide Systeme sich gegenseitig nicht verstehen können, weil sie unterschiedliche Logiken und Werte haben. Und das bedeutet schließlich, daß beide Systeme sich gegenseitig bedrohen, weil sie unterschiedliche Interessen und Ziele haben.

Angesichts der grundlegenden Unterschiede zwischen dem russischen und dem westlichen System, ist es innerhalb eines Systems unmöglich, Erkenntnisgewinn zu erzielen. Das bedeutet, daß die systemimmanenten Grundlagen für fortschrittliche Veränderungen einfach fehlen. Man ist versucht zu sagen, sie verstehen es schlichtweg nicht. Dabei liegt die Ursache nicht bei den Individuen, sondern im System selbst.

Kein System ist da prinzipiell besser, weil es den anderen Individuen blutig aufgezwungen werden müsste. Allerdings gibt es ein definitiv konstruktives System, und das ist das westliche. Ich verstehe die russische Weltanschauung, soweit ich deren System verstehen kann. Im System können bestimmt Dinge geändert werden, das System selbst nicht. So gesehen ergibt aber alles einen Sinn ...
Zitat:Wäre ich Zelensky, würde ich die Krim und ein Einfrieren des Konflikts mit Handkuss gegen eine EU-Mitgliedschaft eintauschen.

Und seien wir in dem Punkt mal ehrlich: es wird keine EU Mitgliedschaft der Ukraine auf Dekaden hinaus geben. Die Ukraine wird in den nächsten 30 Jahren der EU nicht beitreten. Desgleichen in Bezug auf die NATO. Man hält den Ukrainern diese Karotte nur vor die Nase, damit sie sich weiter für uns ausbluten.

Und das ist ja auch noch so eine Ironie: die Strategie des Westens war und ist es ja offenkundig, die Ukraine dazu zu missbrauchen die Russen so langsam wie möglich und so weitgehend wie möglich militärisch zu schwächen, ohne aber in Russland selbst intern einen großen Umsturz herbei zu führen. Zielsetzung ist ein möglichst schwaches Russland im Vergleich zu vorher.

Die Ironie aber daran ist, dass diese Strategie nicht durch Könne und besondere Raffinese des Westens funktioniert hat, sondern dass sie tatsächlich so funktioniert hat wie geplant war mehr oder weniger reiner Zufall und mehr dem russischen Unvermögen geschuldet als unserem Geschick. Und jetzt klopfen sich die Meisterstrategen gegenseitig auf die Schultern und halten sich für besonders gerissen. Dabei hatten sie nur Glück.

Meiner rein privaten Einschätzung nach wird dieser Krieg mit den Jahren einfrieren, so wie vor dem Angriff von 2014 bis 2022 auch, mit gegenseitigem Artilleriegestichel und ständigem Gezündel, aber ohne jede Lösung. Die Ukraine wird weder in die EU noch in die NATO aufgenommen. Und hoffentlich richtet Putin die RF dann noch weiter zugrunde und wird nicht von fähigeren abgelöst.

Trotzdem war der heldenhafte Widerstand der Ukrainer nicht sinnlos. Immerhin haben sie einen Gros ihres Landes gehalten, was für sich allein schon eine immense und erstaunliche Leistung war.

Meiner Einschätzung nach wollen die Strategen in den USA sogar explizit darauf hinaus, um die Rest-Ukraine als Angriffsziel für die Russen weiter vorzuhalten und damit einen neutralen militärischen Puffer zu haben, auf den die Russen wenn sie sich erholt und wieder aufgerrüstet haben dann weiter einprügeln können.

Noch einfacher gesagt: eine Rest-Ukraine im de facto Dauerkriegszustand ohne Friedensschluss und mit einem eingefrorenen Krieg bindet die Russen. Und die Russen in der Ukraine langfristig zu binden, ist exakt das Ziel worauf die USA hinaus wollen.

In Russland selbst wurde das auch schon mehrfach in Fernsehsendungen thematisiert. Irgendein russischer General der als großer Held gilt (Namen weiß ich gerade nicht mehr) sagte da wortwörtlich: der Westen hat uns eine perfekte Falle gestellt und wir sind da hinein getreten. Jetzt werden wir 30 bis 40 Jahre in der Ukraine gebunden sein, während dessen der Westen machen kann was er will.
(26.01.2024, 22:49)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Meiner rein privaten Einschätzung nach wird dieser Krieg mit den Jahren einfrieren, so wie vor dem Angriff von 2014 bis 2022 auch, mit gegenseitigem Artilleriegestichel und ständigem Gezündel, aber ohne jede Lösung.

Aber nur wenn aus dem Westen kontinuierlich eine Mindestmenge Material und Munition geliefert wird.
Ja natürlich. Wobei diese Mindestmenge wirklich nicht groß ist und von uns mit Leichtigkeit aus der Portokasse bezahlt werden kann. Aber so unfähig wie wir bisher da herum gestolpert sind, könnte man natürlich durchaus berechtigt die Befürchtung äußern, dass der Westen nicht einmal das hinkriegt.
(26.01.2024, 23:25)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Ja natürlich. Wobei diese Mindestmenge wirklich nicht groß ist und von uns mit Leichtigkeit aus der Portokasse bezahlt werden kann. Aber so unfähig wie wir bisher da herum gestolpert sind, könnte man natürlich durchaus berechtigt die Befürchtung äußern, dass der Westen nicht einmal das hinkriegt.

Geld ist da weniger das Problem als schlicht die passenden Industrie-Kapazitäten, die man scheinbar nicht aufbauen will. Weiterhin braucht die Ukraine nach eigenen Angaben aber 50-100 Milliarden Euro im Jahr um ihren Haushalt weiter finanzieren zu können. Das könnte zumindest mittelfristig ein richtiges Problem werden, falls sich die nach den Wahlen komplett aus der Sache verabschieden sollten.
@Pogu

Ich denke, ich habe es nun besser verstanden, worauf du hinaus möchtest. Und ich kann die Erläuterung auch weitestgehend nachvollziehen.

Nur bei zwei Punkten sehe ich es etwas anders:

1.)
Zitat:Soziale Systeme sind insofern autopoietisch ... [...] ... Das russische System ist autopoietisch...
Das passt meiner Meinung nach nicht zusammen. Das russische System mag autopoietisch sein, aber es ist wiederum nicht sozial. Und wenn umgekehrt ein autopoietisches System sozial ist, könnte es nicht mit dem russischen Modell korrelieren.

2.)
Zitat:Kein System ist da prinzipiell besser, weil es den anderen Individuen blutig aufgezwungen werden müsste.
Hier sehe ich einen gravierenden Unterschied. Demokratische Systeme, wie eben jene im Westen, haben ihren Individuen nichts blutig aufgezwungen, im Gegenteil können die Individuen das System auch unblutig verändern, da sie quasi Teilhaber und Mitentscheider sind. Im russischen System sind die Teilhabe und die Einflussmöglichkeiten des Individuums hingegen äußerst begrenzt und der vorherrschende Obrigkeitsstaat würde jedweden Versuch der Veränderung blutig unterdrücken.

Allerdings war der Weg auch im Westen ein langer Weg, bis sich die moderne demokratisch-partikularistische Staatsform entwickeln konnte.

Das Problem ist leider, dass es in Russland - von einigen kurzlebigen Wimpernschlägen der demokratischen Veränderung abgesehen - diesen langen Weg nicht gab. Das Land und die Menschen standen Jahrhunderte unter der Zarenherrschaft und fielen dann, nach blutigsten kriegerischen Umwälzungen, direkt unter die Knute der Bolschewisten, die ein Terrorregime sondergleichen errichteten. Und dann, nach 1990/91, fiel der wenige Klebstoff, den es gesellschaftlich doch noch gab, einem skrupellosen Raubzug einer Bande von Oligarchen und Mafiosis zum Opfer, die bis 1997 den Staat ausverkauften und dabei noch gleich 70% der Spareinlagen der kleinen Leute vernichteten. Im Endeffekt zerbrach die Gesellschaft über diesem Trauma endgültig, die Lebenserwartung rutschte massiv ab, massivster Alkoholismus griff um sich, ebenso Mädchenhandel, Suizide, Straßenkinder etc.

Und auf dieser Gesellschaftsruine errichtete dann ein ehemaliger KGB-Mann, mit Hilfe willfähriger Gangster und Militärs, sein neues Reich, gab den starken Mann vor und sprach von neuer kommender Größe...

Schneemann
Sehr geschätzter @Schneemann, der Begriff "sozial" ist hier neutral gemeint. Nach Luhmann sind soziale Systeme solche, die sich durch autopoietische Kommunikationszusammenhänge von ihrer Umwelt abgrenzen. Das russische System ist also sozial, weil es eine eigene Kommunikationsordnung hat, die sich von anderen Systemen unterscheidet. Ob diese Ordnung wünschenswert oder nicht ist, stellt sich hier hoffentlich eh nicht.

(27.01.2024, 12:11)Schneemann schrieb: [ -> ]... Teilhabe und die Einflussmöglichkeiten des Individuums hingegen äußerst begrenzt und der vorherrschende Obrigkeitsstaat würde jedweden Versuch der Veränderung blutig unterdrücken.

Womit es den anderen Individuen blutig aufgezwungen werden müsste.
(27.01.2024, 13:05)Pogu schrieb: [ -> ]Sehr geschätzter @Schneemann, der Begriff "sozial" ist hier neutral gemeint. Nach Luhmann sind soziale Systeme solche, die sich durch autopoietische Kommunikationszusammenhänge von ihrer Umwelt abgrenzen. Das russische System ist also sozial, weil es eine eigene Kommunikationsordnung hat, die sich von anderen Systemen unterscheidet. Ob diese Ordnung wünschenswert oder nicht ist, stellt sich hier hoffentlich eh nicht.


Womit es den anderen Individuen blutig aufgezwungen werden müsste.

Scheint ein interessantes Thema zu sein. "autopoietisch" war mir bis jetzt kein Begriff, werde mich bei Gelegenheit mal einlesen. Danke für den Input @Pogu!
(27.01.2024, 13:27)lime schrieb: [ -> ]Scheint ein interessantes Thema zu sein. "autopoietisch" war mir bis jetzt kein Begriff, werde mich bei Gelegenheit mal einlesen. Danke für den Input @Pogu!

Ein Interesse, das wir uns teilen. Vielen Dank für Deine freundlichen Worte, lieber @lime!
Schneemann:

Auch hierzulande wird einem viel aufgezwungen, nur halt nicht so offen, schlicht und mit Gewalt. Dennoch sind die Zwänge gleichermaßen da und ist die rein persönliche Freiheit des Einzelnen in Russland nicht so eingeschränkt wie man das hierzulande meint. Um es in einer Analogie abzuleiten, dass ist wie es in Bezug auf den Kapitalismus in dem Buch von Marx beschrieben wird in Bezug auf den Unterschied in der Ausbeutung früher und heute - in Russland gibt es halt noch die alte, direkte und gewalttätige Herrschaft, während wir diese indirekt, verdeckt und mit anderen Mitteln ausüben.

Zitat: Das Problem ist leider, dass es in Russland - von einigen kurzlebigen Wimpernschlägen der demokratischen Veränderung abgesehen - diesen langen Weg nicht gab.

Und gerade eben deshalb benannte ja Russland und die russische Kultur etc als eine archaische Gesellschaft. Und entsprechend wollen die unsere pluralistische demokratische Gesellschaft auch nicht, weil sie alles in Frage stellt woraus sie ihr Selbstbewusstsein und ihr Selbstverständnis beziehen und woraus sie überhaupt noch irgendwelche positive Selbstwahrnehmung beziehen (Härte, Männlichkeit, Religiösität usw)

Wie Pogu es treffen beschrieben hat: beide Seiten verstehen einander nicht, weil die Differenzen systeminhärent sind, also nicht von Personen künstlich von oben aufoktroyiert werden, sondern weil sie in den Systemen selbst verankert sind. Weshalb sich auch nach einem Ende des Systems Putin nichts ändern wird.

Wie ich es schon explizit schrieb: dieser ganze Krieg könnte auch als eine extreme Abstoßungsreaktion der russischen Meme gegen das Vordringen und Eindringen der westlichen Meme in die russische Gesellschaft verstanden werden. Das ist eine Abstoßungsreaktion, ansonsten wäre das ganze aktuelle Geschehen so gar nicht möglich.
Aktuelles Getöse:
Zitat:Wolodin sieht überall Faschismus

Moskau beschwört Gefahr eines Dritten Weltkriegs herauf

Moskau begründet seinen Angriff auf die Ukraine immer wieder mit "Nazismus", der dort angeblich herrscht. Für Parlamentschef Wolodin sind auch die Regierungen von NATO-Ländern wie Deutschland "faschistisch". Narrative, die sich anlässlich des Leningrad-Gedenkens besonders gut verbreiten lassen. [...]

"Für die Führung der NATO-Länder ist die faschistische Ideologie zur Norm geworden", schrieb Wolodin auf seinem Telegram-Kanal.

Er beschuldigte die westlichen Regierungen, darunter explizit die Bundesregierung unter Olaf Scholz, eine Politik des Völkermords in der Ukraine zu unterstützen. "Das ist ein gefährlicher Weg, der zu einem neuen Weltkrieg führen kann." Gleichzeitig teilte Wolodin, dessen Land seit knapp zwei Jahren mit einer großangelegten Invasion die Ukraine angreift, mit: "Es ist wichtig, alles zu tun, um dies zu verhindern." [...] Russland begründet seinen fast zwei Jahre währenden Angriffskrieg gegen die Ukraine zudem auch mit der Behauptung, das Nachbarland "entnazifizieren" zu müssen.
https://www.n-tv.de/politik/Moskau-besch...93737.html

Durchaus bitter, dass das aktuelle Moskauer Regime ausgerechnet die Aufsprengung der Blockade Leningrads 1944, wo im Kontext der deutschen Belagerung vermutlich mehr als eine Million Menschen umkamen, zum Anlass nehmen muss, um einen eigenen Angriffskrieg zu verklären...

@Quintus
Zitat:Auch hierzulande wird einem viel aufgezwungen, nur halt nicht so offen, schlicht und mit Gewalt. Dennoch sind die Zwänge gleichermaßen da und ist die rein persönliche Freiheit des Einzelnen in Russland nicht so eingeschränkt wie man das hierzulande meint. Um es in einer Analogie abzuleiten, dass ist wie es in Bezug auf den Kapitalismus in dem Buch von Marx beschrieben wird in Bezug auf den Unterschied in der Ausbeutung früher und heute - in Russland gibt es halt noch die alte, direkte und gewalttätige Herrschaft, während wir diese indirekt, verdeckt und mit anderen Mitteln ausüben.
Gewiss gibt es auch in einer Demokratie Regularien und freiheitseinschränkende Umstände (wobei die Frage wäre, wie weit in diesem Vergleich der Begriff der Freiheit greifen oder subjektiv angewendet werden soll?), aber wir sind uns einig, dass zwischen Einschränkungen in demokratischen Staaten und solchen in autokratischen Ländern doch sehr große Unterschiede bestehen - egal ob nun von direkter Gewalt oder von indirekter gesprochen wird.

Schneemann
Eine Diskussion über die Frage der Gesamtfreiheit von Personen und der rein persönlichen Freiheit im kleinen vs irgendwelcher vermeintlicher politischer Freiheiten usw. führt hier meiner Ansicht nach viel zu weit weg. Von daher lassen wir das lieber.

Allgemein:

Aktuell gibt es (mal wieder) in der Ukraine einen immensen Korruptionsskandal. Der Geheimdienst hat herausgefunden dass erhebliche Geldmittel (mittlere zweistellige Millionenbeträge) die für Artillerie-Granaten gedacht waren veruntreut wurden und auf Konten auf dem Balkan verschoben wurden. Dadurch allein (nicht gelieferte Granaten für die man das Geld aber gegeben hat) fehlen der Ukraine bereits mindestens 100.000 Artillerie-Granaten. Das sind so ungefähr 50% von dem was wir als Europäer geliefert haben und wo ja die Kritik war, dass wir nicht die zugesagte Menge eingehalten hätten.

Auf der einen Seite sehr schlecht - auf der anderen Seite ist das zugleich auch eine gute Nachricht weil es aufzeigt, dass die Ukraine zumindest versucht die extreme Korruption zu bekämpfen und so was überhaupt offen gelegt und verfolgt wird - und sei es hier natürlich weil es inzwischen ums Überleben geht. Es klingt natürlich verquer, aber die Anforderungen des Krieges drängen in der Ukraine die Korruption langsam zurück, weil man sich diese so nicht weiter leisten kann.
Zitat:Eine Diskussion über die Frage der Gesamtfreiheit von Personen und der rein persönlichen Freiheit im kleinen vs irgendwelcher vermeintlicher politischer Freiheiten usw. führt hier meiner Ansicht nach viel zu weit weg. Von daher lassen wir das lieber.
Ja, stimmt auch wieder...

Übrigens wieder mal was neues: Anscheinend basteln die Russen nun ehemalige reaktive RBU-Wasserbombenwerfer (also ein eigentlich maritimes Waffensystem zur U-Boot-Jagd) auf Panzerchassis drauf, um damit Verluste unter normalen Artilleriesystemen zu kompensieren.
Zitat:Russia Mounts Naval Rockets on Tanks & Trucks to Compensate for Artillery Losses in Ukraine

In the ongoing conflict in Ukraine, Russia has faced significant losses of its rocket launcher systems, prompting the development of new artillery solutions to bolster its military capabilities. The new development includes rocket launchers based on the MTLB tracked chassis and Ural-4320 trucks, which are being armed with RBU-6000 213 mm caliber Soviet anti-submarine rocket launchers, originally designed for naval warfare. Some videos published on social networks also show the RBU-6000 naval rocket launcher system mounted on the chassis of a Russian T-80 tank.
https://armyrecognition.com/ukraine_-_ru...raine.html

Nun, mangelnde Kreativität kann man ausnahmsweise nicht unterstellen... Rolleyes

Schneemann