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Normale Version: Russland vs. Ukraine
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(28.08.2023, 22:30)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]... so spielt dieser Unsinn für die (irrationale!) Wahrnehmung der Welt durch die Russen durchaus eine Rolle.

Die letzte russische Regierung, die keinen äußeren Feind für ihre Legitimation benötigte, war die zaristische.

Die war sich selbst genug, autonom und direkt von Gott legitimiert.

Deshalb konnte z.B. auch der Alaska-Deal abgewickelt werden.

Alles was politisch danach kam, benötigte einen äußeren Feind.

Bemühte man den nicht, wie bspw. der späte Gorbatschow oder Jelzin dies taten, wurde es schnell instabil.

Die vorübergehende Systemkonkurrenz zwischen Russland und den USA zwischen 1917 und 1991 hat ihre Wurzeln im russischen Kollektivismus, den die USA natürlich vehement ablehnen.
Ergänzend:

Zitat:in einem Monat kommt der Schlamm. Keine Ahnung inwieweit das im Süden und auf den Höhenzügen auf denen aktuell gekämpft wird wirklich relevant ist, aber Vorstöße in die Ebene hinunter nach Tokmak oder doch nach Osten grob in Richtung Berdyansk braucht man da nicht erwarten.

In diesem Gebiet sind die Böden querschnittlich trockener, sandiger, haben eine bessere Drainage und ob und inwieweit sie im Schlamm versinken hängt dort stärker von der genauen Entwicklung des Wetters ab. Sollte der Herbst trocken ausfallen, könnte man durchaus auch im Herbst dort noch offensiv agieren. Das muss dort also keineswegs im Schlamm enden, oder zeitnah im Schlamm enden, es könnte auch so kommen, dass die Kämpfe weiter gehen.

Umgekehrt werden die russischen Offensivbemühungen weiter nördlich zweifelsohne in Kürze im Schlamm enden, entsprechend aber auch für die Ukraine im Norden keine Gegenoffensive mehr möglich sein. Entsprechend könnten die Russen weitere Kräfte aus dem Norden abziehen und im Süden für die Defensive verwenden.

Deshalb könnte es meiner Ansicht nach dazu kommen, dass die Kämpfe im Süden auch im Septemer / Oktober mit unverminderter Härte und Intensivität weiter gehen, weil beide Seiten weitere Truppen nachschieben können und die Böden das noch hergeben.

Der meiner Ansicht nach entscheidende Aspekt wird die Frage der russischen Moral sein. Die ist so oder so ganz unten, kann also auch nicht so viel weiter fallen, aber die russischen Verbände könnten durchaus aus bloßen psychologischen Gründen auseinanderfallen - und dann den Ukrainern der Durchbruch gelingen.

Man redet meiner Meinung nach ohnehin zu viel über Artillerie - Minen - Reserven - Panzer - Pioniere, und zu wenig über die Moral und die psychologische Seite des ganzen. Die russischen Streitkräfte stehen meiner Meinung nach psychologisch vor dem Kollaps und könnten durchaus in einem kritischen Bereich einfach zerfallen, ohne dass ihre Waffen / Munition / Menschenmaterial schon aufgebraucht wären.

Meiner Meinung nach zielt die ukrainische Strategie sogar genau darauf ab, dass die russische Seite psychologisch zerbricht und dadurch der Durchbruch ermöglicht wird. Da es hier aber keine Axiome geben kann, ist es natürlich auch möglich, dass sich die Russen noch einmal in den Winter retten können. Trotzdem: den russischen Soldaten an der Front geht zunehmend die Luft aus, sie werden auch extrem überanstrengt und viel zu wenig geschont, man lässt sie einfach im Kampf stehen ohne sie zu rotieren und ohne sie richtig zu versorgen. Teilweise gibt es da Einheiten die nicht mal Nahrungsmittel erhalten, und dies seit Wochen, die leben halt irgendwo vor Ort aus dem Land ohne das ich überhaupt erklären könnte wovon die da leben. Keine Ahnung wie diese Armee überhaupt noch weiter kämpft unter solchen Umständen.

Wenn man sich durch alle möglichen russischen Telegram, VK und sontigen Berichte liest hört man zudem in letzter Zeit wieder sehr stark vermehrt Klagen über Feuer auf Eigene. Die russische Artillerie feuert praktisch gesehen nach Belieben, ohne sich in irgendeiner Weise mit der eigenen Infanterie auch nur abzustimmen. Diese kann auch meist keine Artillerie anfordern, sondern die klären anscheinend selbst auf und feuern gleich ob da russische Infanterie noch irgendwo aktiv kämpft oder nicht.

Philippe Gauchat:

Meiner Erinnerung nach war das primäre Argument für den Verkauf von Alaska der Krimkrieg - weil man befürchtete, man könne Alaska gegen einen britischen Angriff so oder so nicht halten und würde es daher an das britische Empire verlieren (auch wenn der Krimkrieg zum Zeitpunkt des Verkaufes natürlich schon vorbei war).
Wagner ist als offizielle Organisation in Belarus jetzt eingetragen , offizielle Tätigkeit : Ausbildungsdienstleistungen .
Polen soll angeblich damit begonnen haben wehrfähige Männer an die ukrainischen Behörden auszuliefern .
ob das völkerrechtlich so rechtens ist ist zu bezweifeln . Die osteuropäischen Länder handhaben das Problem mit Flüchtlingen auf ihre Art und Weise.
(04.09.2023, 19:12)alphall31 schrieb: [ -> ]Polen soll angeblich damit begonnen haben wehrfähige Männer an die ukrainischen Behörden auszuliefern .
ob das völkerrechtlich so rechtens ist ist zu bezweifeln . Die osteuropäischen Länder handhaben das Problem mit Flüchtlingen auf ihre Art und Weise.

Asylrecht in der EU und Völkerrecht sind aber zwei paar Schuhe. Davon abgesehen ist Polen ja sowieso der Meinung dass das eigene Verfassungsgericht die letzte Instanz ist und nicht der europäische Gerichtshof.

Zitat:Die Ukraine verfügt nach eigenen Angaben über Beweise für Einschläge russischer Drohnen auf dem Gebiet des benachbarten EU- und NATO-Mitgliedstaats Rumänien. Es gebe Fotos, die "belegen, was dorthin gefallen ist", sagt der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. Zuvor hat Rumänien bestritten, dass russische Drohnen eigenes Gebiet getroffen hätten - und die Angaben Kiews dementiert. Kuleba sagt, zwar gebe es "einen Hang Rumäniens, bestimmte Ereignisse kleinzureden, um nicht in einen direkten Konflikt verwickelt zu werden". Es sei jedoch angesichts der Fotos in ukrainischem Besitz "sinnlos", die Einschläge zu bestreiten.

https://www.n-tv.de/politik/19-46-Russis...43824.html
Möglicherweise der erste Verlust eines Challanger 2 in der Ukraine:
Zitat:Ukraine Has Lost Its First Challenger 2 Tank In Combat

While the circumstances are unclear, the incident is apparently the first time the battle-proven Challenger 2 has been lost in combat. [...] A British-made Challenger 2 main battle tank has been knocked out for the first time, in Ukrainian hands. Most importantly, however, all four crew are said to have survived the incident.

The Challenger 2 has played an important role in opening the door to more advanced Western tanks being donated to Ukraine, but with only 14 of these advanced British tanks delivered to Kyiv, the loss of even one will be felt hard. [...] The operating unit is said to be the 82nd Air Assault Brigade, which is understood to be the sole recipient of these particular tanks.
https://www.thedrive.com/the-war-zone/uk...-in-combat

Der Verlust scheint auch im Bereich Robotyne-Nowoprokopiwka entstanden zu sein. Und dort wühlt sich die 82. Luft-Sturmbrigade, die diese Tanks hat, auch vorwärts. Könnte also durchaus zutreffend sein...

Schneemann
Warum auch nicht... irgendwo hieß es, auf Mine gefahren, der Tank fing Feuer und Crew kam raus.


Längeres, lohnendes Twitterfundstück zur Ausbildung und Einsatz der 32. Mechanisierten Brigade:

Zitat:I’ve spoken to one of the sergeants in the brigade with the call sign “Nestor” about the training they received abroad.

[...]

Nestor said the most interesting and useful part was the reconnaissance training. “We learned how to get close to the enemy and build secure observation posts. It was essential.” They also learned how to adjust artillery and navigation. “Navigation was useful; spotting was interesting, but it was not particularly useful on the battlefield so far.”

However, his overall verdict of the training was mixed: “It was like the instructors were in a vacuum. We received training in infantry tactics, while this war is a war of artillery and drones.”.

On one occasion, Nestor’s commander asked if trainers would at least consider the presence of drones on the battlefield. The answer was a damning “No.”.
“You didn’t take your drones with you, and the only drone we have available is DJI Phantom 4, but we can’t even use it for bureaucratic reasons.” he recalls them saying. So they continued the training as is.

Western-provided training fell short of considering current realities on the battlefield. The brigade’s first deployment in Ukraine was to hold the defense in the Svatove direction. However, Nestor commented: “Our battalion received zero defensive combat training. It was all assault oriented.”

[...]

In the end, Nestor adds that one of the things that they needed was EOD awareness and training. “You must understand the battlefield is littered with booby traps, mines, and explosive ordinance. We knew it before the deployment. Everyone in Ukraine knows it. We asked trainers if we could get any training on the topic.” But for some reason, the trainers refused to even discuss it. It was a taboo. “We regret the lack of EOD training specifically. It could have saved lives.”

[...]

A grave mistake in NATO training was that a company commander stayed in the trenches with the company. While it sounds heroic and may work when facing a poorly equipped enemy, russia is well-equipped and has hundreds of drones. This costly mistake was corrected after they lost a couple of positions. “The company commander has to have the eyes in the sky. He has to have his own drone stream and communicate with platoon or group commanders.” - It was a costly lesson for Nazar’s unit; “It cost us lives.”

[...]

Another capability that was undertrained might surprise: driving. It might sound absurd to some, but those familiar with the battlefield know how hazardous and costly even a simple drive toward or away from the front can be. Our drivers must be more experienced in driving at night; driving during the day is too dangerous. Training for night driving operations is critical to avoid casualties and the loss of valuable equipment. It is also emblematic: It may not seem a top priority for NATO training personnel with a shortened schedule. However, its importance must be communicated just like any other discrepancy mentioned here and elsewhere.

[...]

https://twitter.com/Teoyaomiquu/status/1...8685618235

Hätte man mal ein halbes Jahr früher damit angefangen anstatt alles übers Knie zu brechen...
Gibt es eigentlich seriöse Schätzungen über die ukr. Verluste an Mensch und Material seit Beginn der Offensive?
@lime
Zitat:Gibt es eigentlich seriöse Schätzungen über die ukr. Verluste an Mensch und Material seit Beginn der Offensive?
1. Ukraine:

Richtige, offizielle Zahlen gibt es keine, weil beide Seiten da erfahrungsgemäß eher verschwiegen bzw. beschönigend sind. Vor einem Monat nannten die Russen rund 43.000 Mann ukrainische Verluste (wie gesagt - offizielle russische Sichtweise) bzw. "nicht ersetzbare" Verluste - d. h. Tote, Vermisste, Gefangene, Schwerstverwundete/Langzeitversehrte. Wenn man hierzu noch "normale" Verwundete aufkalkuliert, die in absehbarer Zeit wieder kampfbereit sein können, dann wären es wohl um die 80.000 bis 90.000 Mann. Dazu kommen anscheinend noch 1.800 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. Aber wie gesagt: Russische Darstellung...

Allerdings nehmen auch westliche Quellen an, dass die Ukrainer irgendwo zwischen 10% und 20% Ausfälle insgesamt, auf den Bestand hochgerechnet, in den letzten drei Monaten erlitten haben. Hier ist dann wieder die Frage, wie hoch der Bestand beim Angriff im Juni war und welche Rotationen es ggf. gegeben hat? Wie viele Brigaden standen im direkten Ansatz? 40? 45? Vielleicht mehr. Wie hoch war die Sollstärke? Vielleicht 2.000 bis 3.000 Mann im groben Querschnitt. Hieße: Lassen wir es 100.000 Mann sein, die angetreten sind, dann würden wir auf 10.000 bis 20.000 "Ausfälle" es eingrenzen können, wenn die westlichen Schätzungen zutreffen, mit sonstigen Verlusten vllt. 30.000 Mann insgesamt. Sind aber nur Vermutungen von mir.

Bzgl. Materialverlusten bin ich eher vorsichtig, ich habe mit Hilfe von Oryx etwas herumgesucht und dies mit dem Stand von Juni verglichen. Also die Ukrainer sind mit rund 1.000 Panzern in den Krieg gestartet, haben davon bis Juli 2023 rund 550 verloren (und wiederum 450 Panzer von der NATO erhalten, alle Typen, auch ehem. Ostblockfahrzeuge wie bspw. T-55- und T-72-Derviate oder auch den PT-91 etc.) und etwa 500 Exemplare von den Russen erbeutet. Ergab für den Juli 2023 einen Bestand von ca. 1.500 Panzern. Aktuell scheint dieser Bestand auf ca. 1.350 Fahrzeuge (+/-50, wobei man aber parallele Zuläufe berücksichtigen muss) gesunken zu sein. Auch wenn man berücksichtigen muss, dass a) vermutlich nicht alles bei Oryx (642 ukrainische Panzerverluste bis September 2023, d. h. rund 100 mehr als im Juli) erfasst werden konnte und b) es auch Verluste an anderen Frontstellen (und nicht nur im Süden) gab, so kann man vermutlich von grob 100 bis 150 MBTs ausgehen, die seit Juli ausgefallen sind.

Hinsichtlich gepanzerter Fahrzeuge, IFVs etc. wird es noch schwieriger. Hier liegt der Anstieg bei den Verlusten bei über 300, aber man muss bedenken, dass es erhebliche Zugänge seit Juni gab.

Insgesamt würde ich somit vorsichtig vermuten, dass die Gegenoffensive die Ukraine in den letzten zweieinhalb Monaten rund 30.000 Mann, 150 Panzer und 300 sonstige gepanzerte Fahrzeuge gekostet hat.

2. Russland:

Bei den Verlusten der Russen gehen die Schätzungen arg weit auseinander. Hier schwanken die Schätzungen zwischen Juli und September zwischen ca. 27.000 und über 50.000 Gefallenen - wie gesagt, dies sind aber nur die Gefallenen. Grob kann man für jeden Toten nochmal von zwei anderweitigen "Ausfällen" ausgehen (verwundet, vermisst, Kriegsgefangene etc.). Sollte das zutreffen, so wären die russischen Verluste in den letzten drei Monaten vermutlich (im Minimum) bei rund 100.000 Mann anzusiedeln. Ferner gingen laut Oryx 2.290 russische Panzer verloren seit Kriegsbeginn, seit Juli kann ich es nicht sicher sagen, da ich da nicht reingeschaut hatte, aber im April waren es noch 1.860 - wären also in den letzten vier Monaten rund 430 Panzerverluste gewesen - oder auf den Monat heruntergerechnet etwa 110 Stück. Wenn wir nun den Querschnitt ansetzen, dann wären es in den letzten zweieinhalb Monaten also grob 270+ Panzer gewesen.

Schneemann
Zu dem Verlust Challenger gibt es auch verschiedene Videos .

Der Twitter Bericht ist gut geschrieben und zeigt das man in den meisten NATO Ländern immer noch denkt das man einem Gegner die eigene Art krieg zu führen aufzwingen kann.

Was hat man auch erwartet in ein paar Wochen ? Das Personal hatte so gut wie keine Vorkenntnisse und wenn lag es Jahrzehnte zurück . Die ältesten waren über siebzig. Die Motivation war schon im Frühjahr nicht besonders hoch was sich ja dann auch zu Beginn der Offensive gezeigt hat . Auch von anderen Ländern wurde Klipp und klar gesagt das Personal nicht einsatzbereit sei.
Mehr Training hätte vermutlich zu weniger Verlusten geführt, die strukturellen Probleme lassen sich dadurch aber auch nicht lösen und noch mehr Zeitverzug hätte die Situation auch nicht gefördert.

Zu Versuchen die Ukrainer zu befähigen 'westlich' zu kämpfen und ihnen gleichzeitig für diese Kampfweise wesentliche Fähigkeiten vorzuenthalten und auch ansonsten dezidiert auf Kante genäht auszustatten kann nicht funktionieren.
Gleichzeitig haben meines Erachtens auch die Ukrainer gravierende strategisch-operative Fehler gemacht. Die räumliche und zeitliche Verzettelung / Staffelung der Angriffe war von Anfang an wenig geeignet einen Durchbruch zu erzielen, gleichzeitig war und ist der Raum vor Tokmak in meinen Augen für einen Durchbruch denkbar ungeeignet.
Der Versuch die ukrainer zu befähigen westlich zu kämpfen ist schon letztes Jahr gescheitert . Dazu waren bei Kriegsbeginn zu wenig ukrainische Einheiten ausgebildet und mit der zunehmenden Zahl an Reservisten hat auch das alte System wieder Einzug gefunden .


Was hat die Ukraine eigentlich mit den panzern gemacht die Anfang der 90er noch im Bestand waren . Immerhin waren es mehr als 8000 Panzer und 11000 gepanzerte Fahrzeuge .
Die Probleme nicht 'westlich' kämpfen zu können sind doch zum großen Teil operative Versäumnisse und da sind die Generäle und Offiziere in der Verantwortung.
(09.09.2023, 20:17)Pmichael schrieb: [ -> ]Die Probleme nicht 'westlich' kämpfen zu können sind doch zum großen Teil operative Versäumnisse und da sind die Generäle und Offiziere in der Verantwortung.

Wann gab es denn die letzte Offensive ohne Lufthoheit mit "westlicher Kampfweise" ?
Selbst bei Lufthoheit hätten die Ukrainer zu keinem Zeitpunkt genug Kräfte auf dem Boden um irgendwelche Lücken auszunutzen, da sind wir bei Schwerpunkte, Angriffsachsen, operative und taktische Aufklärung - die generellen Prinzipien des Gefecht der verbundenen Waffen.
Hier hat Jemand schlicht irgendwelche Pfeile über die komplette Front gezeichnet und damit die eigenen Kräfte komplett ausgedünnt bevor auch nur ein einziger Schuss abgefeuert wurde.