Forum-Sicherheitspolitik

Normale Version: Russland vs. Ukraine
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Werter Nightwatch:

Ich stimme dir zu, dass man diesen Krieg hätte verhindern können, und exakt dies habe ich ja auch genau so Ende 2021 und die letzten Monate vor dem Krieg geschrieben, dass man vor Kriegsbeginn massiv Waffen auf der Stelle liefern muss und offen und schriftlich vertraglich festgelegt Zusagen geben muss, dann hätte Russland evenutell von einem Angriff dieser Größenordnung abgesehen.

Auch meiner Einschätzung nach war das einer der schwersten Fehler der westlichen Regierungen, diesen Krieg nicht im Vorab mit allen Mitteln zu verhindern, den der daraus erwachsene Schaden war ja auch damals schon absehbar. Ebenso teile ich deine Einschätzung der verantwortlichen Politiker und insbesondere von Biden, den ich schon vor seiner Wahl als katastrophale Fehlbesetzung betrachtet habe (was jetzt nicht im Umkehrschluss heißt, dass Trump besser wäre).

Ebenso bin ich der gleichen Meinung, dass die Sanktionen jetzt keinen Sinn mehr machen, und dass man jetzt sogar ganz im Gegenteil diese abbauen sollte. Ich schrieb ja explizit von einem vollständigen Stopp gleich zu Beginn des Krieges. Aber so wie es jetzt gelaufen ist, ist das halt weder noch, und hat entsprechend diese Chance vertan, und es wäre eine Chance gewesen, hätte man sie gleich ergriffen und dann entschlossen und schnell gehandelt. Womit wir wieder bei den Politikern wären. Jetzt ist auch dieser Zug im Endeffekt abgelaufen, zu viel Zeit wurde vertan.

In Bezug aber auf die Frage wie man den Krieg selbst weiter führen soll, möchte ich zu bedenken geben, dass dies insgesamt eine wesentlich diffizilere und komplexere und instabilere Situation ist, als dies die meisten überhaupt nachvollziehen können. Und meiner rein persönlichen Erfahrung nach ist es sehr problematisch in einem derart hochkomplexen und derart dynamischen System zu starke Eingriffe vorzunehmen, weil exakt dies immer unkalkulierbare Fernwirkungen nach sich zieht. Deshalb halte ich deine Ideen darüber, was dann passieren würde für nicht gesichert genug, für zu risikoreich, für zu gewagt in Bezug auf unkalkulierbare Fernwirkungen.

Wenn wir den Krieg auf diesem Niveau weiter laufen lassen, wird man uns das Gas keineswegs sicher abstellen. Denn die Einnahmen daraus sind für die innenpolitische Stabilität in Russland immens wichtig, weil sie als "Bestechung" der Eliten verwendet werden und deren Pfründe sichern. Gerade dadurch wäre bei einem sofortigen Gasstopp gleich zu Kriegsbeginn ja der Witz gewesen, dass dies dann zum innenpoltischen Umsturz in Russland geführt hätte bzw. die Regierung dort um diesen zu vermeiden zum Handeln getrieben hätte.

Jetzt aber, wo man gerade mit Hochdruck auch anfängt weitere Pipelines auch in der Mongolei zu bauen etc. ist das natürlich alles zu spät und zu wenig, weil die Umstände sich geändert haben und man sich zunehmend an die Veränderungen anpasst. Diese kämen also nicht mehr schockartig genug. Deshalb ist der wahre Schwerpunkt meiner rein persönlichen Meinung nach jetzt die Feinsteuerung dieses Krieges durch unsere Waffenlieferungen. Und hier ist es rein egoistisch betrachtet für uns nur von Vorteil, wenn Russland den Osten der Ukraine nach im Idealfall mehreren Jahren als totale Trümmerwüste nachhaltig halten würde. Dieses Endergebnis ist für uns besser.

Verbleibt natürlich die von dir berechtigt aufgeworfene Frage, ob wir diese Feinsteuerung durchstehen können?! Ich würde das gar nicht an der materiellen Seite festmachen, ganz im Gegenteil. Wenn Russland rasch verliert, wird uns umgehend vollständig das Gas abgestellt werden. Wenn wir aber gezielt falsche Hoffnungen schüren, dann haben wir noch eine gewisse Übergangszeit, welche wir nutzen könnten - so wie es ja seit Monaten der Fall ist (ohne dass wir diese Übergangszeit richtig genutzt hätten). Diese Übergangsphase bis hin zum Ausfall der russischen Gaslieferungen so weit wie möglich zu strecken ist nur dann möglich, wenn wir bei den Lieferungen nicht so weit gehen, dass die Russen jede Hoffnung den Krieg in einer begrenzten Form noch weiter führen zu können verlieren, denn dann steigen sie entweder aus oder eskalieren. Es muss daher noch für etliche Zeit für die Russen so aussehen, als könnten sie unter Nicht-Einspannung aller Kräfte dennoch Ziele in der Ukraine erreichen. Dann haben wir eine längere Übergangsphase und der Schaden für Russland ist wesentlich größer und damit Russland dann wesentlich schwächer.

Russland wäre dann sogar wesentlich schwächer als wenn es diesen Krieg rasch verloren hätte !

Nehmen wir mal das von dir beschriebene Szenario: wir liefern gleich zu Kriegsbeginn so massiv, dass die Russen eine vernichtende Niederlage erleiden und hinter ihre Landesgrenzen zurückgeworfen werden bevor es auch nur Juni wird. Was wäre das Ergebnis? Das Ergebnis wäre ein dann in diesem Fall militärisch stärkeres Russland als im Vergleich zu der von mir skizzierten Strategie. Darüber hinaus wäre dann trotzdem kein nachhaltiger langfristiger Friede erreicht, sondern ganz im Gegenteil, ein Folgekrieg wäre unvermeidlich. Das ist meine These in diesem Kontext aus meinem Verständnis der russischen Kultur und Denkweise hier: es wäre dann ein Revanche-Gedanke da der zwinged zeitnah in den nächsten Krieg führen würde.

Das heißt, bei dem von dir beschriebenen Szenario schneller und massiver Waffenlieferungen etc wäre die Situation nicht nachhaltig entschärft, sondern sie würde zu einem Folgekrieg führen, der dann noch wesentlich heftiger ausfällt.

Russland darf daher keineswegs schnell aus diesem Krieg geworfen werden. Der Idealfall ist es, wenn die Russen einen möglichst langsamen Tod in schleppender Agonie sterben, so langsam und qualvoll wie nur irgendwie möglich und dabei ihr militärisches Potential so weit wie möglich verbrauchen. Statt bei einer raschen Niederlage ihrer Teilstreitkraft in der Ukraine militärisch wie wirtschaftlich wie gesellschaftlich wesentlich weniger geschädigt aus dem 1. Krieg hervor zu gehen um dann gestärkt einige Jahre später den 2. Krieg zu versuchen. Deshalb muss man sie ausbluten die Russen und ihnen die Folgekosten in Form der zerstörten Gebiete einschließlich Guerilla aufs Auge drücken, nur so kann man sie langfristig wirklich nachhaltig schädigen und zugleich für Dekaden in der Ukraine festlegen.
Mal eine meiner Meinung nach ausgewogene Darstellung der Kämpfe in der Ukraine:

https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft...97024.html

Die zwingende Schlußfolgerung ist gerade eben, dass die Ukrainer etwas mehr Raketenartillerie benötigen um die Angriffe auf die Versorgungslinien der russischen Artillerie ausweiten zu können. Zudem muss die Umstellung auf westliche Artilleriesysteme etwas forciert werden, aber insgesamt läuft es eigentlich ziemlich gut (für uns).
@ Quintus,@ Nigthwatch

Ich sehe in den Sanktionen einen typisch deutschen verschwurbelten Kompromiss. Man hat absichtlich Sanktionen verhängt, die erst dann wirklich Wirkung zeigen würden, wenn die Ukraine planmäßig schon erobert sein sollte - zweifellos mit der Absicht, diese Sanktionen dann schnellstmöglich auszusetzen. Die Wette lautete: Entweder Russland macht nichts, oder es siegt rasch.
Die Waffenlieferungen an die Ukraine sehe ich weniger als ernstgemeinte Hilfeleistung - too little, too late - denn vielmehr als Teil eines Paktes, der die Ukrainer daran hindern soll, ihre stärkste Waffe auszuspielen: Die russischen Gasexporte sind unglaublich verwundbar. Eine Sprengung der durch die Ukraine und durch Weißrussland führenden Leitungen hätte Kiew binnen zwanzig Minuten nach Beginn der Großoffensive herbeiführen können - und die Nordstream-Leitungen zu kappen dürfte angesichts tausender auf internationalen Schiffen fahrender ukrainischer Seeleute auch keine Herausforderung sein.

Dabei ist Russland auf dem Sanktionswege bestenfalls über den Energiesektor klein zu kriegen. Ein vollumfängliches Energieembargo im Februar hätte noch am ehesten die Chance geboten, Putins Wirtschaft auf Talfahrt zu schicken. Das wäre auch für uns schmerzhaft gewesen, aber wir hätten dann eine komplette heizungsfreie Saison gehabt, um entweder selbst eine Lösung zu finden oder darauf zu warten, bis jemand Putin mit einer Billion-Rubel-Note erstickt.

Unser eigentliches energiepolitisches Problem ist also: Wir können den Hahn zudrehen, wollen aber nicht. Putin kann den Hahn zudrehen, profitiert aber wesentlich mehr von einer Verknappung. Selensky kann den Hahn ebenfalls zudrehen, ist aber auf Goodwill angewiesen. Je mehr Putin verknappt, desto schmerzhafter wird unser Ausstieg und desto mächtiger Selenskys Druckmittel.
Ich sehe für uns eigentlich nur noch einen Ausweg: Wir drehen den Hahn selber zu - dann können wir wenigstens halbwegs sicher bestimmen, wann es knallt.
(11.07.2022, 22:10)Nelson schrieb: [ -> ]Dabei ist Russland auf dem Sanktionswege bestenfalls über den Energiesektor klein zu kriegen. Ein vollumfängliches Energieembargo im Februar hätte noch am ehesten die Chance geboten, Putins Wirtschaft auf Talfahrt zu schicken. Das wäre auch für uns schmerzhaft gewesen, aber wir hätten dann eine komplette heizungsfreie Saison gehabt, um entweder selbst eine Lösung zu finden oder darauf zu warten, bis jemand Putin mit einer Billion-Rubel-Note erstickt.

Mich würde mal interessieren ob man wirklich daran glaubt dass "eine heizungsfreie Saison" nicht die EU in den Grundfesten erschüttern würde. Und wenn man "nur" davon ausgeht dass etwa 100 Millionen EU-Bürger nicht mehr ihre Wohnungen heizen können. Wenn Putin jetzt der gesamten EU konsequent das Gas abdrehen würde dann gäbe es spätestens im Winter ein Riesenchaos in der EU und ich bezweifle dass man diesem dann wirklich noch Herr werden könnte.
Nelson:

Schön mal wieder von dir zu lesen !

Zitat:Ein vollumfängliches Energieembargo im Februar hätte noch am ehesten die Chance geboten, Putins Wirtschaft auf Talfahrt zu schicken. Das wäre auch für uns schmerzhaft gewesen, aber wir hätten dann eine komplette heizungsfreie Saison gehabt, um entweder selbst eine Lösung zu finden oder darauf zu warten, bis jemand Putin mit einer Billion-Rubel-Note erstickt.

Exakt meine Meinung. Aber jetzt ist dieser Zug längst abgefahren:

Zitat:Ich sehe für uns eigentlich nur noch einen Ausweg: Wir drehen den Hahn selber zu - dann können wir wenigstens halbwegs sicher bestimmen, wann es knallt.

Jetzt ist es meiner rein prviaten Meinung nach dafür eigentlich zu spät. Stattdessen sollte man den Status Quo halt so hinnehmen, wie die Russen das in ihrem perversen Zynismus halt auch tun. Solange nach außen die Formen gewahrt und die Illusionen aufrecht erhalten werden, werden wir weiterhin Gas aus Russland beziehen können, was zugleich Russland innenpolitisch stabiler hält, weil die Eliten dort weiter mit den Renten aus diesen Exporten bestochen und für die Clique um Putin herum bestochen werden können.

Entsprechend sollte der Hauptaugenmerk meiner Meinung nach jetzt darauf liegen, den Waffenzufluss in die Ukraine so perfekt wie möglich zu steuern. Aktuell benötigt die Ukraine eventuell etwas mehr Waffen und vor allem Munition, also muss man diese entsprechend nachschieben. Aber jetzt noch nachträglich den Hahn abzudrehen wird angesichts der aktuellen Pipelineprojekte in Kasachstan, im Fernen Osten und seit neuestem auch in der Mongolei (dort sind hier und jetzt gerade Russen und Chinesen diesbezüglich unterwegs) nicht mehr wirklich etwas bringen, und selbst wenn: dann erstickt Putin nicht an einem seltenen obskuren Gift, sondern wird von irgendwelchen Ultraradikalen Klerikalfaschisten abgeknallt und dann wird es erst so richtig lustig. Die stehen ja schon allesamt in den Startlöchern und ihre irrsinnigen Ansichten werden von Teilen der Eliten durchaus geteilt, gerade deshalb kann sich jemand wie Strelkov ja so äußern wie er das tut.
Ich muss gestehen, dass mich die ganzen Ausführungen etwas irritieren. Jeder weiß es irgendwie im Nachgang besser, das erinnert mich an die typisch deutsche "Tradition", dass es bei jeder WM mindestens 82 Mio. Bundestrainer gibt. Man hätte ganz das Gas und Öl abstellen sollen, ober doch lieber nur ein wenig, oder hier ein wenig mehr, man hätte mehr liefern müssen, vielleicht doch eine Flugverbotszone, gleich doch schwere oder halbtödliche Waffen von Anfang an, oder doch verhandeln sollen, man hat die Sanktionen falsch eingeschätzt, unzureichend oder doch richtig umgesetzt etc. pp. Das ist alles ein nachträgliches und irgendwo auch etwas unfaires Herumkritisieren, zumal wir alle sehr gut wissen, dass man demokratischen Gesellschaften eine Kriegsbeteiligung nicht einfach ohne längere Diskussionen und Erklärungen verkaufen kann, wenn überhaupt, und genügend Fehleinschätzungen werden auch immer noch dazu kommen.

Fakt ist ferner, dass sich alle - auch ich - in diesem Krieg schon öfters getäuscht hatten über manche Entwicklung. Und jeder Krieg bringt eben auch Friktionen, Unabwägbarkeiten und Überraschungen mit sich. Und hier müssen eben dann die Reaktionen angepasst werden, je nach Entwicklung.

Und genau genommen ist die Lage gar nicht so schlecht. Die Russen haben sich schon sehr verausgabt, haben hohe Verluste, das wird aus jeder Detailanalyse sichtbar, sie kämpfen sich noch vor, aber dieser Vorstoß schwächt sich derzeit immer mehr ab. D. h. auch wenn man kritisieren kann, dass viel ukrainisches Terrain verloren ging, sollte bedacht werden, dass die meisten Beobachter im Februar davon ausgingen, dass die Ukraine im Juli gar nicht mehr bestehen wird. Und jetzt wird schon kolportiert, dass die Ukrainer ggf. 2023 ein Übergewicht erlangen könnten. Wenn wir also die Russen in einen "war of attrition" hineinziehen wollen, wie hier auch angedacht wird, so sind wir auf einem recht guten Weg. Einerseits.

Andererseits wird es sicherlich manche kleinere Engpässe geben bei der Gasversorgung (wobei das natürlich auch dem Umstand der "Härte" des Winters geschuldet ist, wenn wir einigermaßen Glück haben, wird der Winter eher milde wie der letzte und wir kommen recht gut durch ohne etwas zu bemerken), aber eine schwere Krise mit 100 Mio. Frierenden sehe ich nicht. Die Deckungslücke liegt - wenn man Füllstände vor dem Winter und nach dem Winter ansieht und wenn man den Verbrauch, wobei die Menschen sicher auch mehr sparen werden, Revue passieren lässt und deckungsgleich übernimmt und wenn keine anderen Lieferungen eintreffen [also ziemlich viele "Wenn's"] - bei ca. 20%. Das ist relativ viel, immerhin ein Fünftel, aber davon geht Europa nicht unter. Das wäre auch, wie gesagt, eine "worst case"-Prognose, die die Informationslage von jetzt 1:1 übertragt (was eher unwahrscheinlich ist). Also bevor nun alle im Hühnerhaufenmodus durcheinander rennen: Ja, es kann Engpässe geben, und nein, wir werden davon recht wenig bemerken und Europa friert nicht ein. Sorgen mache ich mir eher wegen sozialer Folgen. Denn eines ist sicher: Die Preise werden steigen und ärmere und sozial schwächere Personen werden in finanzielle Nöte geraten.

Zu aktuellen Entwicklungen: Dass die Iraner die Russen beliefern, war schon mal im April durch den Äther gegeistert (damals ging es um Raketen), und anscheinend geht es nun um Drohnen...
Zitat:Waffenhilfe für Moskau

USA: Iran will Russland mit Drohnen beliefern

Ob für Luftangriffe oder zur Aufklärung - Drohnen spielen im Ukraine-Krieg eine wichtige Rolle. US-Informationen zufolge will der Iran nun Hunderte Drohnen an Moskau liefern. Auch die Ausbildung russischer Soldaten an den Luftfahrzeugen sei geplant. [...]

Die Vereinigten Staaten haben Hinweise, wonach der Iran Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen will. "Unsere Informationen zeigen, dass die iranische Regierung sich darauf vorbereitet, schnell mehrere Hundert unbemannte Luftfahrzeuge bereitzustellen, darunter auch solche, die Waffen transportieren können", sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, in Washington. [...] Die USA beschuldigen den Iran seit Längerem, Drohnen an seine Verbündeten im Nahen Osten zu liefern, darunter die libanesische Hisbollah-Miliz, die Regierung von Syriens Machthaber Baschar al-Assad und die Huthi-Rebellen im Jemen. Ende Mai zeigte das iranische Staatsfernsehen erstmals Aufnahmen einer unterirdischen Luftwaffenbasis des iranischen Militärs. Mehr als hundert "Kampf-, Aufklärungs- und Angriffsdrohnen" seien auf der Basis unter dem Sagros-Gebirge im Westen des Landes stationiert, hieß es.
https://www.n-tv.de/politik/USA-Iran-wil...57274.html

Und noch ein anderes Thema (hatten wir auch schon), das uns viel mehr Sorgen bereiten sollte als ein kalter Keller...
Zitat:EU-Innenminister zu Kriegsfolgen

Waffenschmuggel ein Problem für viele Jahre

Der Krieg in der Ukraine schwemmt große Mengen illegaler Waffen auf den Markt. Für die EU-Innenminister ist das ein Problem, das wohl auf Jahrzehnte aktuell bleiben wird. Zudem müsse sich die EU auf mehr Flüchtlinge vorbereiten. [...]

Doch ging es diesmal nicht nur um den Umgang mit Kriegsflüchtlingen, sondern auch um Fragen der grenzüberschreitenden Kriminalität, wie EU-Innenkommissarin Ylva Johansson erklärte: "Ein Hauptthema war, wie wir uns schützen können gegen die Risiken und Gefahren, die als Folge des Krieges in der Ukraine auftreten." [...] Und, nicht weniger brisant, der Waffenhandel, sagt die amtierende Generaldirektorin der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Aija Kalnaja: "Ich denke, das ist ein sehr reales Risiko. Deshalb sind wir jetzt auch an der Grenze zwischen der Ukraine und Moldau präsent. Wir glauben, dass dort die geschmuggelten Waffen hauptsächlich ankommen. Wir sind vorbereitet das zu stoppen."

Die amtierende Frontex-Chefin war als Expertin zu dem Innenministertreffen eingeladen. Die Grenzschutzagentur hat auch bereits erste Aktionen beim Waffenhandel festgestellt, wie der stellvertretende Exekutivdirektor Lars Gerdes bestätigt. Es seien schon seit längerem bestehende Schmuggelnetzwerke bekannt, die sich nun auf Waffen konzentrierten, zu denen es durch den Krieg in der Ukraine nahezu ungehinderten Zugang gibt: "Diese Waffen geraten dann möglicherweise auch in einen kriminellen Markt. Das haben wir nach den Balkankonflikten gesehen. Noch heute werden da Waffen gefunden, die eigentlich aus den Balkankonflikten stammen." Nun habe man es in der Ukraine mit moderneren und auch mehr Waffen zu tun als damals. Der illegale Handel mit ihnen werde für die nächsten Jahrzehnte Thema bleiben, sagt Gerdes: "Diese geschmuggelten Waffen werden dann dazu genutzt, um möglicherweise in Europa organisierte Kriminelle oder im schlimmsten Falle auch Terroristen zu versorgen."
https://www.tagesschau.de/ausland/europa...n-101.html

Schneemann
Hatte ich glatt übersehen: neuer Film vom österreichischen Bundesheer:

https://www.youtube.com/watch?v=55fJOOP4AkQ&t=2s

Schneemann:

Zitat: Jeder weiß es irgendwie im Nachgang besser

Bei mir ist es meiner Meinung nach eher umgekehrt. Ich lege mich ja recht oft vorher oder zu Beginn auf bestimmte Aussagen hin fest, und dann stellt sich hinterher heraus dass diese Fehlannahmen waren.

Explizit schrieb ich im Februar / März, dass wir zu diesem Zeitpunkt den Gashahn selbst hätten abdrehen sollen.

Und wenn ich jetzt schreibe, dass dies jetzt, also hier und heute nichts mehr bringt, dann ist dies kein Widerspruch, die Dinge haben sich seit Kriegsbeginn weltweit bedeutend verändert.

Zitat:Das ist alles ein nachträgliches und irgendwo auch etwas unfaires Herumkritisieren, zumal wir alle sehr gut wissen, dass man demokratischen Gesellschaften eine Kriegsbeteiligung nicht einfach ohne längere Diskussionen und Erklärungen verkaufen kann

Den Gasstopp hätte man aber zum damaligen Zeitpunkt verkaufen können, und er hätte aus innenpolitischen Gründen in Russland Wirkung gezeigt. Wollte man aber nicht, man wollte stattdessen eine Übergangsphase schaffen. Hat man erreicht, und nun vertrödelt man dieses. Das ist kein nachträgliches Rumkritisieren, dass sind einfache Fakten. Die Regierung ist zu zögerlich, nicht radikal genug, nicht entschlossen genug, sie hat meiner Einschätzung nach kein wirkliches strategisches Konzept.

Das schrieb ich so im Februar, dass schrieb ich so im April, und ich schreibe es jetzt ganz genau so. Das ist also keine "unfaire" nachträgliche Kritik, denn ich kann mich nicht entsinnen, dass ich mich hier jemals positiv über die Regierung dieser Bundesrepublik in militärischen / sicherheitspolitischen Fragen geäußert hätte.

Allenfalls hast du dahin gehend recht, dass es rein gar nichts mehr bringt über vergangene Fehler jetzt noch nachzudenken, weil sie ja bereits geschehen sind. Es ergibt sich aus diesen aber, dass man die Folgen dieser Fehler für weitere Handlungen durchaus berücksichtigen muss.

Wenn man beispielsweise die "zu geringen" Waffenlieferungen in den ersten Monaten als Fehler ansieht, dann muss man dies auch benennen und analysieren, weil sich daraus ja erst gerade eben die Schlußfolgerungen für zukünftige weitere Handlungen ergeben.

Zitat:Doch ging es diesmal nicht nur um den Umgang mit Kriegsflüchtlingen, sondern auch um Fragen der grenzüberschreitenden Kriminalität, wie EU-Innenkommissarin Ylva Johansson erklärte: "Ein Hauptthema war, wie wir uns schützen können gegen die Risiken und Gefahren, die als Folge des Krieges in der Ukraine auftreten."

Dazu hatte ich hier im Strang ja schon einiges geschrieben. Die Organisierte Kriminalität wird in ganz Europa dadurch einen erheblichen Aufschwung erleben. Wenn man irgendeine strategische Kompetenz hätte, müsste man dem bereits hier und jetzt vorbauen, durch vorbereitende Gesetzgebung, Stärkung entsprechender Fachdienststellen, Einrichtung von Sonderstaatsanwaltschaften, deutliche Vergrößerung und Aufrüstung polizeilicher Sondereinheiten, deutliche Ausweitung von Observationseinheiten, massiver Ausbau von Grenzpolizei-Einheiten usw. Aber wie üblich verschläft man einfach alles und kümmert sich lieber um die Rettung der Erde vor CO2 und andere Sinnlosigkeiten.
Anbei:

Ukrainische Verluste laut den Ukrainern selbst - Stand Ende Juni:

ca 1300 Schützenpanzer
ca 400 Kampfpanzer
ca 700 Haubitzen, Panzerhaubitzen und Raketenwerfer

Auch ich habe die ukrainischen Verluste bis dato immer eher unterschätzt, und kam deshalb zu der falschen Schlußfolgerung, dass unsere Waffenlieferungen insgesamt zu offensiv und zu viel sind. Nun kann man nachträglich konsternieren, dass sie tatsächlich gerade ausreichend waren, und meiner Einschätzung nach sogar von idealer Höhe. Entsprechend müsste man jetzt immer genau so nachsteuern, wie es eben kommt.
@Quintus
Zitat:Das schrieb ich so im Februar, dass schrieb ich so im April, und ich schreibe es jetzt ganz genau so. Das ist also keine "unfaire" nachträgliche Kritik, denn ich kann mich nicht entsinnen, dass ich mich hier jemals positiv über die Regierung dieser Bundesrepublik in militärischen / sicherheitspolitischen Fragen geäußert hätte.

Allenfalls hast du dahin gehend recht, dass es rein gar nichts mehr bringt über vergangene Fehler jetzt noch nachzudenken, weil sie ja bereits geschehen sind. Es ergibt sich aus diesen aber, dass man die Folgen dieser Fehler für weitere Handlungen durchaus berücksichtigen muss.

Wenn man beispielsweise die "zu geringen" Waffenlieferungen in den ersten Monaten als Fehler ansieht, dann muss man dies auch benennen und analysieren, weil sich daraus ja erst gerade eben die Schlußfolgerungen für zukünftige weitere Handlungen ergeben.
Ja und Nein. Genau um diese Lieferungen geht es m. M. n. durchaus auch, ich wiederhole mich da gerne. Deutschland hat innerhalb von 48 Stunden im Februar nicht nur in großem Umfang Waffenlieferungen angestoßen, sondern hat zugleich quasi 40 Jahre Nachkriegsgeschichte, grob seit den frühen 1980ern, aufgegeben. Und als das geschah seitens einer Mitte-Links-Regierung, der man dies so zuvor definitiv nicht zugetraut hatte, ja die man als unfähig ansah, einen solchen Schritt vorzunehmen, hagelt es dann doch sofort wieder unverständlicherweise Kritik - die einen warnten, die anderen forderten mehr. Dabei muss man die Freigabe von hunderten tragbaren Waffen an eine Kriegspartei innerhalb von Stunden (!) schlicht auch einmal zur Kenntnis nehmen. Und mittlerweile sind wir der größte Waffenexporteur für die Ukraine in der EU. Und dennoch heißt es irritierenderweise: Deutschland macht nichts.

Ich vermute mal, dass es auch umgekehrt Kritik hageln würde, wenn Deutschland die Ukrainer mit Panzern und Haubitzen zuschütten würde, so dass die Bundeswehr selbst kaum mehr was hätte. Den "klassischen" Lästerei-Tugenden folgend, denke ich sogar, dass wenn Deutschland hunderte Panzer und Haubitzen geliefert hätte, dass dies gar nicht mal positiv bewertet werden würde, sondern dass es im Umkehrschluss eben hieße, dass eine "verantwortungslose linke Regierung uns unsere Waffen zur Verteidigung nimmt und sie einem korrupten Regime hinterher wirft". Kurzum: Wie man es dreht und wendet - man kann es nie recht machen.

Das sollte nicht auf dich heruntergebrochen sein, das sind generelle Gedanken. Und es fällt mir in den aktuellen Diskussionen eben immer mehr auf. (Anm.: Du hast bei Ankündigung des 100-Mrd.-Pakets die Regierung übrigens durchaus löblich erwähnt, also ganz so negativ, wie du es oben beschreibst, bist du gar nicht gewesen. Cool)

Ach, ich hatte ihn übrigens vermisst. Zwar ist er mal wieder sehr charmant unterwegs, aber er holt dem deutschen Michel ganz schön den Rost herunter...
Zitat:INTERVIEW

Henryk M. Broder: «In der Ukraine kämpfen und sterben Menschen, um frei zu sein. Das kann ein Deutscher nicht verstehen»

Der Journalist Henryk M. Broder schreibt für die «Welt», und bis vor kurzem hatte er eine Kolumne in Roger Köppels «Weltwoche». Wegen deren Putin-Freundlichkeit will er für die Zeitung nicht mehr schreiben. Ein Gespräch über das Unbehagen in dieser Zeit und ein Land, das sich der Wirklichkeit verweigert: Deutschland. [...]

Jede Konzession heizt den Hunger des Aggressors nur weiter an. Winston Churchill hat einmal den klugen Satz gesagt: «Ein Appeaser ist einer, der das Krokodil füttert, in der Hoffnung, dass es ihn zuletzt frisst.» Genau das erleben wir jetzt. Es trennen sich gerade ein paar Lebenswelten. [...] Mich beschäftigt vielmehr diese Ignoranz. Es ist doch vollkommen klar, wer hier wen überfallen hat. [...]

Und auch dieser deutsche Antipatriotismus, der sich in den letzten Jahrzehnten entfaltet hat, dieser Versuch, dem Deutschtum zu entkommen, ist eine lächerliche Übung. Der deutsche Patriotismus äussert sich jetzt darin, dass die Deutschen keine Deutschen sein wollen. Viele meiner Freunde sehen sich als Europäer. Sie glauben, sie hätten die Stufe des Deutschseins schon hinter sich gebracht. [...]

Es ist keine Zeitenwende, es war nur ein kurzes Aufflackern. Es gibt viel Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Aber es gibt kein Verständnis dafür, dass Menschen bereit sind, zu kämpfen und zu sterben, um frei zu sein. Das kann ein Deutscher nicht verstehen. Darum erklären nun Leute wie Ulrike Guerot, Lars Eidinger und Margot Kässmann, dass Krieg nie zu Frieden führe. Wissen Sie, was ich glaube? Dass es denen letztlich nur darum geht, den Krieg der Alliierten gegen die Deutschen zu delegitimieren – und sich und die eigenen Vorfahren von jeder historischen Belastung freizusprechen. Schliesslich wissen diese Leute sehr genau, dass das Eingreifen der Alliierten zu Frieden geführt hat. Jetzt aber sagen sie: Verteidigung? Wehrbereitschaft? Bitte nicht! Okay, das ist Dr. Freud für Anfänger. Aber es macht nichts. Eine schlichte Küchenpsychologie kann besser sein als die klügste Analyse von Peter Sloterdijk. [...]

Das Geld, das wir an Wehrausgaben gespart haben, haben wir in Sozialprojekte gesteckt. Diese Situation beschämt viele Deutsche. Und diese Scham kann nur überwunden werden, indem die Ukrainer als korrupt und demokratieunfähig dargestellt werden. Und wissen Sie, was mich auch wundert: Warum wurden die Palästinenser nicht auch schon lange aufgefordert, ihren sinnlosen Kampf aufzugeben, um weiteres Leid zu verhindern? [...]

Dass Deutschland zur Wirklichkeit zurückfindet. Deutschland ist ein Hochhaus, das auf Treibsand gebaut ist, eine Schönwetterdemokratie. Dieses Land lebt nicht in der Wirklichkeit. Erst jetzt haben die Deutschen entdeckt, dass man Putin gegenüber vorsichtig hätte sein müssen – nach zwanzig Jahren Kuschelpolitik. Die Politiker verkünden dabei ständig, dass Deutschland Vorbildfunktion habe.
https://www.nzz.ch/feuilleton/henryk-m-b...ld.1692744

Er provoziert natürlich manchmal, wie üblich, aber er trifft oftmals den wahren Kern des deutschen Problems...

Schneemann
(12.07.2022, 09:31)Schneemann schrieb: [ -> ]Ich muss gestehen, dass mich die ganzen Ausführungen etwas irritieren. […]


Diesen Schuh ziehe ich mir nicht an. Schlicht weil ich meine Position nicht geändert habe und seit Tag eins massive Waffenhilfe für die Ukraine gefordert habe und es unverändert immer noch tue. Daran ist nichts Nachträgliches, das ist einfach meine Empfehlung angesichts der spätestens seit Mitte März klar erkennbaren und seither im Wesentlichen unveränderten Großlage.
Es geht auch garnicht darum die Lage schlechter darzustellen als sie ist. Sie ist zweifellos besser als man am 20. Februar hätte realistischerweise erwarten können. Das ist hocherfreulich und zweifellos hat auch die Unterstützung aus dem Westen einen wesentlichen Anteil daran.
Das Problem ist aus meiner Sicht allerdings, dass wir mit dem jetzigen Unterstützungsniveau gepaart mit der sich abzeichnenden Energiearmut auf nicht mehr als Verhandlungen und ein halbgares Einfrieren des Krieges zusteuern werden. Für den hier in Teilen gewünschten, jahrelangen Abnutzungskrieg fehlt es im Westen schlicht an Unterstützung der Ukrainische Sache durch weite Teile von Politik und Gesellschaft sowie schlicht an Leidensfähigkeit ob astronomischer Energiepreise oder gar dem Ausbleiben der Gasversorgung.

Mein Ansatz und damit einhergehend auch meine Forderungen hinsichtlich massiver Waffenlieferungen ist es diesen Krieg möglichst vor Einbruch des Winters mit einer möglichst eindeutigen und umfassenden Niederlage der russischen Armee zu beenden. Sicherlich mag es seine Vorteile haben Russland über Jahre auszubluten, aber - ein Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach.

Was speziell die Gasversorgung angeht übersiehst du einen entscheidenden Punkt: Der Speicherfüllstand ist nur die halbe Miete, da die Russen normalerweise auch im Winter maximal Gas liefern. Deutschland verbraucht in einem normalen Jahr von Oktober bis Ostern über den Daumen gepeilt 700 TWh Gas. Das theoretische Maximum der Gasspeicher in Deutschland liegt bei gut 250 TWh.

Den Rest kannst du dir selber denken.
Werter Nightwatch,

nehmen wir einmal an, man würde sehr viel mehr Waffen liefern, die Ukraine siegt vor Beginn des Winters und alles läuft - militärisch - so wie von dir angedacht. Warum sollten dann die Russen nicht umgehend das Gas vollständig abstellen ? Worin liegt in deinem Szenario der Unterschied zu meinem Szenario oder anderen Überlegungen? Wenn wir den Krieg so gestalten (und es sind wir, die diesen Krieg de facto nach belieben gestalten!), dass die Russen weiter glauben sie könnten ihre Ziele doch noch mit einem begrenzten Krieg und mit begrenzten Mitteln erreichen, dann halte ich rein persönlich die Wahrscheinlichkeit eines kompletten Stops der Gaslieferungen für unwahrscheinlicher (!) als wenn die Russen noch diesen Sommer vollständig verlieren, und dies aufgrund unserers Eingreifens in diesen Krieg mittels massiver Waffenlieferungen.

Deshalb ist es meine These, dass deine Strategie hier zu einer höheren Wahrscheinlichkeit zum vollständigen Ausfall der Gaslieferungen noch vor dem Winter führen wird.

Deine Einschätzung der Problematik teile ich im übrigen, man könnte noch anmerken, dass die Leute dann wenn es Kalt wird und die Gasheizungen nicht mehr funktionieren und auch kein Warmwasser mehr aus der Leitung kommt sehr viel mehr Strom verbrauchen werden, der darüber hinaus ja auch zum Teil aus Gas hergestellt wird. Dies könnte das Stromnetz überlasten, zumal dieses durch seinen mangelhaften Ausbau im Verhältnis zum Ausbau der erneuerbaren Energien ohnehin schon so seine Probleme hat.

Dazu hier weiter:

https://www.forum-sicherheitspolitik.org...p?tid=4422

Zitat: Sicherlich mag es seine Vorteile haben Russland über Jahre auszubluten, aber - ein Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach.

Das ist ein gutes Argument. Aber ich fürchte, wir werden weder den Spatz noch die Taube bekommen, noch sonst irgend etwas außer einem erheblichen und nachhaltigen (!) Schaden für uns.
Die Beiträge zur Frage wie man den Folgen eines Gaslieferstopps umgehen könnte habe ich hierhin verschoben:

https://www.forum-sicherheitspolitik.org...p?tid=4422
Die ukrainische Armee hat "Minen mit hoher Zerstörungskraft" aus französischer Produktion erhalten.
OPEX 360 (französisch)
von Laurent Lagneau - 11. Juli 2022


Während die USA, Großbritannien und andere Länder Details über die Ausrüstung, die sie an die ukrainische Armee liefern, bekannt geben, sind die französischen Behörden viel diskreter, wenn es um die Art der Militärhilfe für Kiew geht. Dieser Schritt wird von Armee-Minister Sébastien Lecornu akzeptiert, wie er gegenüber dem Journal du Dimanche erklärte.

"Wir ziehen es vor, zu tun als zu sagen. Das ist es, was der ukrainischen Armee operativ hilft", sagte Lecornu, bevor er behauptete, dass der Betrag der an Kiew geleisteten Hilfe höher sei als die bislang angegebene Zahl von 160 Millionen Euro.

"Der Betrag ist signifikant höher. Diese Lieferungen [von Waffen und Ausrüstung] sind kein Wettrennen zwischen Verbündeten. Alles hängt auch vom strategischen Vorteil ab, den diese Waffen bieten, von der Regelmäßigkeit der Lieferungen, von der Ausbildung, die es den ukrainischen Soldaten ermöglicht, sie zu benutzen usw.", so der Minister.

Abgesehen davon, dass Paris seine Waffenlieferungen an Kiew geheim hält, ist bekannt, dass Panzerabwehrraketen vom Typ MILAN und Flugabwehrraketen vom Typ MISTRAL in die Ukraine geliefert wurden, ebenso wie zwölf mit einem Artilleriesystem ausgestattete Lastkraftwagen [CAESAr], zu denen bald sechs weitere Exemplare hinzukommen werden, und eine "bedeutende Anzahl" gepanzerter Frontfahrzeuge [VAB].

Und wahrscheinlich muss dieser Liste noch die Panzerabwehrmine mit hoher Zerstörungskraft [HPD F2] hinzugefügt werden. Da diese Mine bei den französischen, belgischen und norwegischen Streitkräften [und auch in der Schweiz unter der Bezeichnung Panzerabwehrmine 88 - oder Pzaw Mi 88] stationiert ist, ist die Herkunft der Exemplare, die an die ukrainische Armee geliefert wurden, die versicherte, über diese Mine zu verfügen, jedoch nicht sicher.
Twitter
Vor kurzem wurde über Twitter ein Foto verbreitet, auf dem ein ukrainischer Offizier vor einem Vorrat an HPD F2-Minen posiert, sowie ein Video eines russischen Panzers, der angeblich von einer dieser Minen zerstört wurde.

Der ukrainische Offizier, von dem das Material stammt, kommentierte: "Sie sind besser als die sowjetischen Minen, die wir hatten".
@Quintus

Zitat: nehmen wir einmal an, man würde sehr viel mehr Waffen liefern, die Ukraine siegt vor Beginn des Winters und alles läuft - militärisch - so wie von dir angedacht. Warum sollten dann die Russen nicht umgehend das Gas vollständig abstellen ?

Aus den gleichen Gründen warum sie es uns noch immer nicht abgestellt haben. Sie brauchen das Geld, egal ob wir viele oder wenige Waffen an die Ukraine liefern.

Insbesondere dann wenn die Ukraine dank unserer Waffenlieferungen über die russische Armee siegt würde Russland zuverlässige Abnehmer benötigen um den Laden zu Hause nach der Niederlage durch halbwegs stabile Geldflüsse zusammenzuhalten. Ich sehe da nicht, dass Russland nach einem Abbruch der militärischen Spezialoperation auf Gaslieferungen an den Westen verzichten möchte oder könnte.

Und wenn sie zwischenzeitlich *über den Sommer* eingestellt hätten – wie schon zu Schneemann geschrieben ist das nicht vordringlich entscheidend. Ausschlaggebend ist nicht der Füllstand der Gasspeicher – wir sind in den Winter 2021/2022 mit 70% gegangen btw – sondern das über die kalten Monate beständig Gas aus Russland geliefert wird. Mit einer Niederlage der Russen vor dem Winter hätte man das über eine gegenzügige Aufhebung der Sanktionen schon regeln können.