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Normale Version: Russland vs. Ukraine
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Ich muss hier immer an einen nun etwas älteren Analyse von Martti J. Kari über Russland anhand der Theorie der Strategischen Kultur.
https://www.youtube.com/watch?v=kF9KretXqJw

Obwohl man das Konzept der Strategischen Kultur kritisch gegenüberstehen muss, so ist es durchaus ein sehr effektives Werkzeug um gewisse kulturelle Unterschiede zwischen Nationen festzustellen.
Zitat:Heftige Proteste in Dagestan

Russische Region lehnt sich gegen Putins Pläne auf

In ganz Russland gehen Menschen gegen die Teilmobilmachung auf die Straße. Aus der Teilrepublik Dagestan zeigen Videos besonders heftige Proteste, auch Warnschüsse sind zu hören. In der muslimisch geprägten Region werden offenbar besonders viele Männer eingezogen.

Bei einem Protest gegen die Mobilmachung von Reservisten sind Polizisten laut Bürgerrechtlern in der russischen Teilrepublik Dagestan im Kaukasus mit Warnschüssen gegen Demonstranten vorgegangen. Im Dorf Endirej blockierten Anwohner eine Straße, um so die von Russland Präsident Wladimir Putin angeordnete Teilmobilisierung zu behindern, wie die unabhängige Organisation OVD-Info mitteilte. Auf Videos ist zu sehen, wie Polizisten Gewehre in die Luft richten, dann sind Schüsse zu hören. Auch Gerangel zwischen Anwohnern und Beamten ist zu sehen. Laut dagestanischen Medien war der Protest eine Reaktion darauf, dass aus dem Dorf 110 Männer in den Krieg gegen die Ukraine gezwungen wurden. [...]

Ein anderer Clip zeigt, wie Frauen vor einen fahrenden Einsatzwagen rennen, um ihn aufzuhalten. Weitere Videos zeigen, wie vor allem Frauen gegen die Teilmobilmachung protestieren. Sie rufen "Nein zum Krieg" und verfolgen einen Polizisten, der vor ihnen davonrennt. Der "Guardian"-Korrespondent Andrew Roth berichtete, Dagestan entwickle sich zum "Hotspot des Zorns". [...] Das muslimisch geprägte Dagestan gehört zu den Regionen Russlands, aus denen Beobachtern zufolge besonders viele Männer eingezogen werden. Aktivisten beklagen, dass Angehörige ethnischer Minderheiten besonders stark von der Mobilmachung betroffen sind und sprechen deshalb teils sogar von "ethnischen Säuberungen".
https://www.n-tv.de/politik/Russische-Re...10789.html

Das deckt sich hier quasi eins zu eins mit dem, was Quintus beschrieben hatte - dem ich hier als Kollege auch ausdrücklich einmal danken möchte für seine Einschätzungen dazu. (Ich hätte dies so nicht gewusst.)

Das Problem bzgl. Dagestan könnte zudem werden, dass diese Region, die schon in den 1990ern als Teil des "grünen Unterleibs" von Russland gekennzeichnet war von religiösen Unruhen und von islamistischen Attentaten, auch die Tschetschenen mischten eifrig mit, abkippt in eine kriegsähnliche Lage. Und man hat das damals nur mit einiger Mühe wieder befrieden können.

Wenn diese brutalen Rekrutierungen jetzt aber weiter dort anhalten sollten - und danach sieht es aus -, so besteht das Risiko, dass sich bald muslimische, ggf. auch fundamentalistische Untergrundgruppen herausbilden, die den russischen Staat wegen seiner Rekrutierungs- und Kriegspolitik dort direkt aktiv bekämpfen. Dann hat Russland das nächste (selbst gezüchtete) Problem vor der Haustüre - und der ganze südliche "Unterleib" kann instabil werden. Die aktuellen Dispute dort (Aserbaidschan, Armenien, Kirgisistan, Tadschikistan) zeigen bereits auch auf, zusammen mit der leicht gezierten Zurückhaltung der Kasachen hinsichtlich einer Parteinahme für Moskau, wie stark der Einfluss und das Ansehen des Kreml in dieser Region mittlerweile gelitten haben und dass man Moskau allenfalls noch als geschwächten und wohl auch unvernünftig handelnden Hegemon wahrnimmt.

Und wenn sich dazu bei den Völkern Zentralasiens und des Kaukasus noch die Erkenntnis gesellen sollte, dass in Moskau - so wie zu Sowjetzeiten (nach Stalin, wohlgemerkt) - keine halbwegs auf einen kulturellen Ausgleich, Teilautonomie oder zumindest eine Balance hinarbeitenden Kräfte am Werk sind, sondern eiskalte und neobolschewistische Rassisten, die für die asiatischen und muslimischen Völker des Riesenreiches höchstens noch Verachtung übrig haben, dann fliegt den Herrschaften im Kreml ihr "Unterleib" bald um die Ohren...

Schneemann
Islamisten aus Dagestan, aber auch aus Tschetschenien kämpfen seit Jahren schon auf Seiten der Ukrainer. Das sind teilweise extrem radikale Gruppen, deren einziger gemeinsamer Nenner mit den Ukrainern in ihrem grenzenlosen Hass auf die Russen und die Kadyrowiten liegt.

Man erkennt sie üblicherweise an dieser Flagge hier:

https://www.voanews.com/a/rival-chechen-...19518.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Tschetsche...tschkerien

Ein wesentlicher Unterschied dieser Tschetschenen zu den Islamisten im Kaukasus selbst ist, dass sie keine Verbindungen zum IS haben und das sogenannte Emirat Kaukasus nicht anerkennen, welches einen rein islamistischen Ansatz verfolgt und daher über alle Ethnien des Kaukasus hinweg unterschiedslos nur danach unterscheidet ob man ein sunnitischer Islamist ist oder nicht. Demgegenüber sind die Tschetschenen welche weiterhin die Idee der Republik Itschkerien verfolgen radikale Nationalisten und verachten andere Völker des Kaukasus, völlig unabhängig davon ob sie selbst Islamisten sind oder nicht.

Im Kaukasus selbst ist damit zu rechnen, dass das sogenannte Emirat dort wieder auferstehen könnte, welches die Russen über Jahre hinwegs mühsamst so weit wie möglich nieder gekämpft hatten. Gerade deshalb (!) hält Kadyrow beispielsweise seine Tschetschenen so derart stark zurück bei den Kämpfen und versucht Verluste so weitgehend wie möglich zu vermeiden. Er braucht seine Truppen noch um wieder gegen die Kämpfer des Emirat vorgehen zu können, welche aktuell auch von ehemaligen IS Angehörigen aus Syrien et al verstärkt werden. Und genau deshalb wird diese Zurückhaltung der Kadyrowiten von Moskau auch derart toleriert, weil man ganz genau so davon ausgeht, dass das Emirat jetzt wieder aufsteigen wird.
Das folgende war schon allgemein in allen Medien, aber ich hatte glatt übersehen es auch hier zu vernetzen:

Die Ukrainer haben in kurzer Zeit gleich mehrere russische Flugzeuge abgeschossen, darunter auch ein hochmodernes.

https://www.thedrive.com/the-war-zone/uk...n-in-a-day

Zitat:The Ukrainian General Staff claimed troops shot down two Russian Su-30SM Flankers, a Su-25SM Frogfoot, a Su-34 Fullback, five drones, and a cruise missile. Footage showed a Su-34 trailing fire from its right engine over the frontline in Kharkiv Oblast, with a later clip showing a fireball and crash site in the area.

Die SU-34 ist definitiv bestätigt, und ebenso die beiden SU-25. Und selbst wenn man die zwei SU-30 weglassen würde, wäre es immer noch ein verblüffender Erfolg.

Das wäre übrigens dann die 14 (!) SU-34 welche die Ukrainer herunter geholt haben. Wer hätte das je vor dem Krieg gedacht?! Ich will ganz offen sein, hätte man mir das vor Kriegsbeginn berichtet, hätte ich es als unrealistisch verworfen.
Noch so eine russische Dysfunktionalität: man hat immer noch keinen einheitlichen Oberbefehl für den Ukrainekrieg, sondern es gibt offiziell zwei voneinander getrennte Befehlskreise, einmal für den Norden und einmal für den Süden. Aber: wie CNN vor kurzem berichtete greift Putin selbst immer mehr in die Befehlskette ein und erteilt direkte Befehle an Generäle und Einheiten:

https://edition.cnn.com/2022/09/22/polit...index.html

Zitat: Russian President Vladimir Putin is himself giving directions directly to generals in the field, two sources familiar with US and western intelligence said– a highly unusual management tactic in a modern military that these sources said hints at the dysfunctional command structure that has plagued Russia’s war from the beginning.

Intelligence intercepts have captured Russian officers arguing among themselves and complaining to friends and relatives back home about decision-making from Moscow, one of these sources told CNN.

And there are significant disagreements on strategy with military leaders struggling to agree on where to focus their efforts to shore up defensive lines, multiple sources familiar with US intelligence said.

Sollte dem tatsächlich so sein, und Putin versucht diesen Krieg selbst mit Micromanagement zu führen, würde dass etliches erklären was da in der letzten Zeit geschehen ist, wenn auch nicht ansatzweise alles.

Zitat: “Kremlin officials and state media pundits have been feverishly discussing the reasons for the failure in Kharkiv and in typical fashion, the Kremlin seems to be attempting to deflect the blame away from Putin and onto the Russian military,” this person said.

Already, there has been a reshuffling of military leadership in response to the battlefield failures – leaving Russia’s command structure even more jumbled than it was before, sources say. The commander who oversaw the majority of the units around the Kharkiv region had been in the post only 15 days and has now been relieved of duty, the NATO official said.

Der hohe Druck der von Putin selbst direkt auf die Generäle gemacht wird, erhöht noch die Probleme der Russen statt sie zu lösen. Gut für die Ukraine und auch für uns. Wir können Gott dankbar sein, dass Putin und seine Korruptokratie in Wahrheit derartige Fachidioten sind, dass sie außer ihrem immensen Talent für eine maximal asoziale Selbstbereicherung keinerlei weitere Fähigkeiten zu haben scheinen.
(25.09.2022, 21:29)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Das wäre übrigens dann die 14 (!) SU-34 welche die Ukrainer herunter geholt haben.

Was übrigens grob ein Zehntel der russischen Bestände dieses Musters ausmacht. Wie sieht denn wohl bei den Russen die Klarstandsquote aus? Diese Verluste dürften weh tun.
(25.09.2022, 21:29)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Wer hätte das je vor dem Krieg gedacht?!

Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, ich finde das angesichts der tatsächlichen Verhältnisse weiterhin nicht überraschend.

(25.09.2022, 23:53)Broensen schrieb: [ -> ]Wie sieht denn wohl bei den Russen die Klarstandsquote aus? Diese Verluste dürften weh tun.

Die Klarstandrate ist niedrig und insbesondere geprägt durch einen großen Ersatzteilmangel sowie eine schlechte Qualität der abgelieferten Teile und Arbeiten. Das ganze folgt in Russland dem immer gleichen System, schon bei der Erstauslieferung gibt es teilweise eklatante Mängel mit entsprechenden Nacharbeiten (was regelmäßig dazu führt, dass neue Maschinen über Monate nicht verwendet werden können), danach herrscht Mangelwirtschaft und Kannibalismus. Umso älter eine Maschine ist, umso seltener sieht man sie in der Luft. Und dabei sprechen wir nicht über Jahrzehnte, sondern Jahre. Von den 13 abgeschossenen Su-34 (die jüngste nicht mitgezählt) waren nur zwei Maschinen zweifelsfrei älter als sechs Jahre, und das, obwohl der Typ seit vierzehn Jahren in Serie gebaut wird. Zugegeben, nicht alle abgeschossenen Muster konnten eindeutig identifiziert werden, aber ähnliche Feststellungen gab es bereits bei den in Syrien zum Einsatz gekommenen Maschinen. Insofern ja, diese Verluste tun definitiv weh.
Ich gestehe es ganz offen ein: ich habe die Russen drastisch überschätzt und ich hatte extreme Fehleinschätzungen bezüglich der russischen Streitkräfte. Ich wusste zwar schon von Korruption und Inkompetenz, aber dass geradezu lächerliche Ausmaß der Degenerierung konnte - oder vielmehr wollte ich mir anscheinend nicht vorstellen. Nachdem ich mir beispielsweise den jetzt öffentlich gewordenen Wartungsbericht der Moskva durchgelesen habe wundert es mich, dass überhaupt irgendein russisches Schiff oder Flugzeug eingesetzt werden kann. Wenn der Zustand der Moskva querschnittlich typisch für die russischen Waffensysteme sein sollte, dann relativieren sich damit sogar die Erfolge der Ukrainer. Selbst die Bundeswehr würde mit einem derartig abstrusen Feind fertig werden!

Es ist einfach zu viel um es auch nur irgendwo je zusammen zu fassen, was man da an Inkompetenz und asozialster krimineller Energie welche sich gegen die eigenen Truppen richtet fortwährend wahrnehmen muss, aber mal nur ein einziges weiteres Beispiel, dass einfach phänotypisch ist:

Da ist ein russisches Flugzeug niedergegangen, mit dem neuesten und hochgeheimen EW Pod der Russen. Über russisch besetzten Gebiet. Und dort ließ man es einfach liegen, ohne sich darum zu kümmern. Man ließ den EW Pod einfach zurück und in ukrainische Hände fallen, als man das Gebiet räumte, obwohl bekannt war wo das Flugzeug lag und was es dabei hatte.

https://twitter.com/oryxspioenkop/status...8694902786

Und das ist kein Einzelfall. Es ist so unfassbar !

Eine ernsthafte Sorge von mir ist jetzt, dass die Atomwaffen und deren Trägersysteme in einem ähnlichen Zustand sein sollten. Am Schluß wird der Nuklearkrieg glatt noch durch genau so etwas ausgelöst, ohne dass es überhaupt geplant war. Irgendwann feuert sich eine russische Interkontinentalrakete mit einer Wasserstoffbombe einfach von selbst ab und trifft Ägypten oder wenn auch immer .....

Man sollte mal ganz offen erklären, dass so ein Nicht-Staat besser keine Atomwaffen hätte, vor allem anderen auch zu seinem eigenen Schutz !
Zitat:Nachdem ich mir beispielsweise den jetzt öffentlich gewordenen Wartungsbericht der Moskva durchgelesen habe wundert es mich, dass überhaupt irgendein russisches Schiff oder Flugzeug eingesetzt werden kann. Wenn der Zustand der Moskva querschnittlich typisch für die russischen Waffensysteme sein sollte...
Ich habe ihn mir auch angeschaut. Und wenn man sich dann zusätzlich noch die Kommentare in einschlägigen Bereichen anschaut, dann muss man zu der Feststellung gelangen - selbst wenn nur 30% der Kommentare stimmen sollten und der Rest reine Übertreibungen oder Frotzeleien sind -, dass es ja eigentlich gar nicht möglich sein sollte/kann, dass man eine Streitkraft derart herunterwirtschaftet, und das quasi wissentlich und sehenden Auges (soll mir niemand erzählen, dass die Generäle den Zustand ihrer Truppen nicht gekannt hätten). Das ist nicht mal nur mehr einfach unverständlich und unlogisch oder mit Mangelwirtschaft etc. erklärbar, es ist geradezu abstrus peinlich und schlicht grotesk.

Man kann sich nur wundern, dass z. B. anfangs des Krieges der Luftsturm auf Hostomel überhaupt (temporär) funktioniert hat bzw. die Helikopter vom Boden wegkamen. Bitte nicht falsch verstehen: In gewisser Weise, ohne nun Partei für die Russen zu ergreifen, ist irgendwo schon beinahe "bemerkenswert", dass die Russen mit dieser verwahrlosten Rumpelkammerausstattung und generellen Nichtmoral überhaupt in den ersten Monaten des Konfliktes 20% der Ukraine erobern konnten.

Ach so, der Kreml hat sich zaghaft zu einer kleinen Personalrochade entschieden, man tausche ein Bauernopfer gegen einen Metzger, oder so ähnlich.
Zitat:»Schlächter von Mariupol«

Michail Misinzew wird neuer russischer Vize-Verteidigungsminister

Nach der Entlassung von Vize-Verteidigungsminister Dmitri Bulgakow hat die russische Führung Michail Misinzew zum Nachfolger ernannt. Der spielte eine entscheidende Rolle bei der Belagerung von Mariupol.

Wenige Tage nach der angekündigten Teilmobilmachung hat Russland die Ablösung des bisherigen Vize-Verteidigungsministers Dmitri Bulgakow angekündigt. Sein Nachfolger soll der General Michail Misinzew werden, der damit künftig »für die materielle und technische Versorgung der Streitkräfte« zuständig ist, wie das russische Verteidigungsministerium am Samstag im Onlinedienst Telegram mitteilte. Zuletzt hatte Moskaus Einsatz in der Ukraine weitreichende logistische Probleme offenbart. [...] Der 60-Jährige ist wegen seiner Rolle bei der Belagerung der ukrainischen Hafenstadt Mariupol mit westlichen Sanktionen belegt. [...]

Bei Moskaus Militäreinsatz in der Ukraine hatten sich zuletzt neben den jüngsten Erfolgen der ukrainischen Streitkräfte erhebliche Mängel in der russischen Armee gezeigt. Einige Fachleute gehen davon aus, dass die Logistik das schwache Glied in der russischen Armee ist. Sie führen die Probleme bei der russischen Offensive zum Teil auf die logistischen Schwierigkeiten zurück.
https://www.spiegel.de/ausland/russland-...312dae5e43

Weiterhin sorgt die Einberufung der Reservisten bekanntermaßen für massive Spannungen in Russland:
Zitat:Militärangehöriger verletzt

Junger Russe eröffnet Feuer in Einberufungszentrum

Ein junger Mann zückt in einem Einberufungsbüro des russischen Militärs im sibirischen Ust-Ilimsk eine Waffe und schießt auf einen Mitarbeiter des Militärs. Der ist schwer verletzt. Es wird vermutet, dass die Mobilmachung hunderttausender Kämpfer der Grund für das Attentat ist.

Wenige Tage nach Ankündigung einer Teilmobilmachung in Russland hat ein Mann in einem Einberufungszentrum in Sibirien nach Angaben des örtlichen Gouverneurs das Feuer eröffnet und einen dort arbeitenden Militärangehörigen verletzt. "In Ust-Ilimsk hat ein junger Mann auf das Militärregistrierungs- und Einberufungsbüro geschossen", erklärte Igor Kobsew, der Gouverneur der dünn besiedelten Region Irkutsk, im Onlinedienst Telegram. Der verwundete Militärangehörige sei lebensgefährlich verletzt worden. [...]

Zudem kam es in den letzten Tagen zu zahlreichen Brandanschlägen auf Rekrutierungseinrichtungen des Militärs. Das belarussische Exilmedium spricht von 54 solcher Attacken seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine im Februar, 17 davon sollen sich allein in den letzten fünf Tagen ereignet habe.
https://www.n-tv.de/politik/Junger-Russe...11647.html

Aufsummiert kann man der russischen Führung eigentlich nur raten, diesen ganzen irrwitzigen Krieg so schnell wie möglich zu beenden.

Schneemann
Auf russischen Telegram Kanälen wird zunehmend davon berichtet, dass Eingezogene direkt ohne jedes Training an die Front geschickt werden. Die gleiche Nachricht wurde danach auch vom ukrainischen Generalstab veröffentlicht. Das bisher das an der Front kaum bemerkbar ist läge daran, dass die Zahl der direkt an die Front geschickten klein sei, weil der Gros erst Ausrüstung empfangen müsse.

Umgekehrt: es gibt immer mehr Berichte wo Eingezogene eigene Ausrüstung mitbrachten (Winterausrüstung, Erste Hilfe Ausrüstung, sogar Schutzwesten, Nachtsichtgeräte oder kleine eigene Drohnen) und diese mitgebrachte Ausrüstung sofort von den Offizieren konfisziert und eingezogen wurde. Man verkaufte diese dann weiter, auch diejenigen welchen sie weggenommen wurde sei in Einzelfällen angeboten worden ihren eigenen Besitz zu höheren Preisen zurück kaufen zu können.

Es ist so unfassbar und erinnert stark an die Skandale um Organhandel durch die russische Armee vor ein paar Jahren von denen Kamilkazani und andere berichteten. Damals ermordeten Offiziere der Russischen Armee einfache Wehrpflichtige und verkauften ihre Organe ins Ausland. Die ermordeten Wehrpflichtigen wurden dann einfach als Selbstmörder bezeichnet.

Noch ein wenig anekdotische Evidenz: In der Region Irkutsk wurde ein hochrangiger Offizier während einer Versammlung von Zwangsrekrutierten von einem jungen Russen einfach erschossen.

Noch was von Rybar zur aktuellen Mobilisierung:

https://twitter.com/wartranslated/status...80/photo/1

Auch er berichtet davon, dass Soldaten versuchten die Einberufenen auszuplündern und ihnen ihre Ausrüstung wegzunehmen die sie auf eigene Kosten mitgebracht haben, dass aber in diesem Fall die Einberufenen sich dagegen wehren konnten. Zudem kaufe man Schutzwesten auf eigene Kosten.


BLICK VON OSTEN:

Da Dimitri so freundlich war alles bereits in Englische zu übersetzen spare ich mir die Arbeit mal selbst:

Strelkov zur aktuellen Lage an der Front:

https://twitter.com/wartranslated/status...88/photo/1

Apropos Strelkov: dieser hat jetzt vor kurzem mal rausgehaut, dass er unter dieser militärischen Führung nicht kämpfen würde oder wird, weil sie Verräter an Russland seien. Er bastelt gerade aber parallel an einer Art Freiwilligen-Korps welches er Newski Einheit nennt (nach Alexander Newski). Es ist aber noch unklar wie dieses eingesetzt werden soll. Laut Strelkov wird es notwendig sein russisches Territorium selbst zu verteidigen weil die Ukrainer nicht zwingend an der Grenze halt machen werden, und für diesen Fall benötigt man Verteidiger.

Und noch was zum Schluss: die Ukrainer sind am Oskil anscheinend inzwischen an mehreren Stellen durchgebrochen, und auch bei Lyman. Die russische Front dort zerbröselt, was der Grund dafür sein könnte, dass man sogar die Einberufenen jetzt sofort ohne jedes Training in die Ukraine wirft.
(26.09.2022, 11:29)Schneemann schrieb: [ -> ]Bitte nicht falsch verstehen: In gewisser Weise, ohne nun Partei für die Russen zu ergreifen, ist irgendwo schon beinahe "bemerkenswert", dass die Russen mit dieser verwahrlosten Rumpelkammerausstattung und generellen Nichtmoral überhaupt in den ersten Monaten des Konfliktes 20% der Ukraine erobern konnten.

In technischer Hinsicht stand die Ukraine allerdings nicht viel besser da, auch wenn die Ursachen dafür andere zumindest zum großen Teil andere sind. Aus gutem Grund habe ich bereits recht früh von "Not gegen Elend" gesprochen, was sich natürlich nur auf die technische Ebene bezog.

(26.09.2022, 11:39)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Noch ein wenig anekdotische Evidenz

Es gibt so viele Anekdoten aus allen Bereichen, daraus lassen sich irgendwann dann halt doch Schlüsse ziehen.
@Helios
Zitat:In technischer Hinsicht stand die Ukraine allerdings nicht viel besser da, auch wenn die Ursachen dafür andere zumindest zum großen Teil andere sind. Aus gutem Grund habe ich bereits recht früh von "Not gegen Elend" gesprochen, was sich natürlich nur auf die technische Ebene bezog.
Ich würde diese Aussage als etwas zu generalisierend ansehen. Insgesamt betrachtet mag man es so sehen können, aber die Ukrainer waren anfangs in einigen wenigen Belangen den Russen technisch gesehen durchaus doch überlegen - vor allem bzgl. der gelieferten westlichen Panzerabwehrwaffen und MANPADS. Diese waren entscheidend beim Stoppen der ersten russischen Panzervorstöße und haben auch einige empfindliche Flugzeugverluste verursacht. Allerdings bezieht sich die technische Überlegenheit wirklich nur alleine darauf, ihr Fuhrpark dürfte in einem ebenso wenig belastbaren Zustand gewesen sein.

Schneemann
(26.09.2022, 11:29)Schneemann schrieb: [ -> ]Bitte nicht falsch verstehen: In gewisser Weise, ohne nun Partei für die Russen zu ergreifen, ist irgendwo schon beinahe "bemerkenswert", dass die Russen mit dieser verwahrlosten Rumpelkammerausstattung und generellen Nichtmoral überhaupt in den ersten Monaten des Konfliktes 20% der Ukraine erobern konnten.
Dieser Erfolg gründet sich in der Rückschau in nicht unwesentlichen Teilen auf ukrainischen Versagen.
Die ukrainische Regierung - so zumindest mein Verständnis - wollte es bis zuletzt nicht wahrhaben, dass Russland tatsächlich einen großflächigen Angriff plant. Man rechnete wohl mit einem Einmarsch russischer Truppen in den Donbass, hatte dagegen den Ausbruch aus der Krim und den Stoß auf Kiev aus Weißrussland nicht auf dem Schirm.
Entsprechend waren die Vorbereitungen im Norden und Süden schlich unzureichend, die Brigade vor der der Krim war unterbesetzt und wurde angeblich gar auf Manöver überrannt, während man im Norden eilends mit strategischen Reserven und Volkssturm Schlimmeres gerade noch verhindern konnte. Dagegen geriet die Lage im Osten zumindest mit dem Geschehnissen im Süden und vor Kiev nie außer Kontrolle und bestätigte eigentlich die internen optimistischen Vorkriegsprognosen der Ukrainer.
Insofern könnte man auch die Frage stellen, ob die ganze Geschichte nicht sehr viel anders hätte aussehen können, wenn die Ukrainer auch nur eine Woche früher akzeptiert hätten was da jetzt über sie hereinbricht. Mindestens Kherson hätte man halten können / halten müssen, eh nur sehr schwer verständlich warum sie nicht mal eine Brückensprengung hinbekommen haben. Mit einer starren Front am Dnepr dort währen auch wieder mehr Kräfte freigeworden für den Donbass, mindestens die Geschichte um Sevreodentesk hätte dann anders ausgesehen usw.
Das kann man gar nicht genug betonen: den Russen ist eine strategische Überraschung gelungen, bis zum Schluss wollte der ukrainische Präsident nicht wahrhaben, dass es jetzt mehr wird als eine bloße Besetzung der Seperatistengebiete und die ukrainischen Streitkräfte waren eben nicht vorbereitet, obwohl es Warnungen genug gab. Das man in der heutigen Zeit überhaupt noch eine strategische Überraschung in einer solchen Größenordnung erzielen kann, ist allein der Inkompetenz von Selenskyj und seinem direkten Umfeld geschuldet, der dadurch, durch sein Versagen der Ukraine immensen und rein theoretisch vermeidbaren Schaden zugefügt hat.

Helios:

Zitat:Es gibt so viele Anekdoten aus allen Bereichen, daraus lassen sich irgendwann dann halt doch Schlüsse ziehen.

Die standen mir ja auch alle zur Verfügung, und ich habe alle Jahre ebenso fortwährend die haarsträubendsten Sachen gelesen oder sogar aus erster Hand gehört. Es ist daher höchst lehrreich für mich, wie ich trotz all dieses Wissens zu derart falschen Schlußfolgerungen bezüglich der Stärke des Feindes kommen konnte. Es ist eigentlich der gleiche Mechanismus wie bei der ukrainischen Führung oder den Russen auch: man weiß es eigentlich, aber man nimmt es nicht wahr, weil man es nicht wahrnehmen will und deshalb nicht wahrhaben kann. Ein klassischer Bestätigungsfehler: man interpretiert die Informationen so, dass sie zum bereits vorgeschriebenen Narrativ passen, in meinem Fall also dazu, dass die Russen eine erhebliche militärische Bedrohung darstellen. Ich schrieb ja schon über die Russen als Feind der Zukunft vor 20 Jahren, da hat mich noch jeder deswegen ausgelacht und erklärt, es stünde eine Zukunft voller Frieden und gegenseitiger Kooperation und wirtschaftlicher Durchdringung bevor etc (nach der Rede Putins im Bundestag damals besonders eklatant).

Und mein offenkundiger Fehlschluss im weiteren war dann, dass dieser Feind natürlich stark und gefährlich sein muss, also muss man gegen diesen Feind maximal rüsten usw. In dieser Annahme habe ich im weiteren alles was ich erfuhr so interpretiert, dass der Feind trotzdem stark und gefährlich ist. Da spielen vielleicht auch irgendwelche sozialkulturellen / geschichtlichen Prägungen im Hintergrund mit (Zweiter Weltkrieg, die Horde aus dem Osten, Hunnen etc etc) welche da irgendwo unterbewusst mitwirken. Auf jeden Fall sehr interessant wie ich die Russen derart falsch einschätzen konnte, obwohl ich über Jahre hinweg ständige Irrsinnsmeldungen mitbekommen habe, trotz all dieser Anekdoten also zog ich aus diesen eben ganz andere Schlüsse ! Schlüsse die zu meinem bereits bestehenden Narrativ passten.
"Not gegen Elend"

Wobei die Seite in Not nicht nur gesichert eine beeindruckende Moral unter Beweis gestellt hat, sondern inzwischen auch über so viele gesicherte Anekdoten von militärischem Heldentum verfügt, dass man sich da wirklich etwas von abschneiden kann. Oder um es in einem Film sinnbildlich zu verdeutlichen:

Ein ukrainischer "Kampf"hubschrauber im Einsatz:

https://www.youtube.com/watch?v=zISUHq_6...e=youtu.be