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Normale Version: Russland & Verbündete gegen Europa & USA
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Alles gut, ich habe nur gerätselt, was du genau meinst. Wink

@Kopernikus
Zitat:Gilt nicht auch der Nato-Verteidigungsfall/Artikel 5 wenn sich ein einzelnes Land (und sei es die USA) passiv verhält?
Genau genommen ja. Es gab da während des Kalten Krieges auch schon Planspiele, dass die Griechen oder Türken sich ggf. neutral verhalten, wenn die Sowjets "nur" in Mitteleuropa angreifen würden. Und auch damals wäre der Artikel 5 nicht von einer wie auch immer gearteten Zurückhaltung eines einzelnen Landes betroffen gewesen.

Schneemann
(29.01.2024, 10:08)Schneemann schrieb: [ -> ]Alles gut, ich habe nur gerätselt, was du genau meinst. Wink

@Kopernikus
Genau genommen ja. Es gab da während des Kalten Krieges auch schon Planspiele, dass die Griechen oder Türken sich ggf. neutral verhalten, wenn die Sowjets "nur" in Mitteleuropa angreifen würden. Und auch damals wäre der Artikel 5 nicht von einer wie auch immer gearteten Zurückhaltung eines einzelnen Landes betroffen gewesen.

Schneemann

So sieht es aus. Das Problem wäre wohl auch eher dass andere NATO-Staaten es der USA gleich tun könnten und dann auch neutral bleiben wollen. Ohne den Motor USA würde es die Rest-NATO gegen Rußland ungleich schwerer haben. Halte es aber insgesamt eher für unwahrscheinlich dass Trump einen NATO-Austritt oder Ähnliches als Präsident durchdrücken kann oder dies überhaupt wirklich will.
Bei einem Austritt wären ja auch ein großer Teil der Standorte weg wahrscheinlich. Die Vormachtstellungen der usa basiert ja zum Teil auf diesem weltweiten Netz. Zu gewissen Teilen baut die Vormachtstellungen auch auf die NATOmit auf. Man hätte sie garantiert auch ohne NATO erreicht aber ungemein schwerer und teurer.
Vorbemerkung: in diesem Beitrag möchte ich eine kühne Spekulation vorstellen und bitte diese auch als solche zu behandeln. Ich bitte um ernsthafte Prüfung unter Berücksichtigungs eures Wissens, eurer Erfahrug und eurer Einsicht.

Von Hause aus bin ich Naturwissenschaftler und in meinem Bereich ist es durchaus üblich, ja geradezu erwünscht eine gewagte Arbeitshypothese aufzustellen und sie im Laufe der Zeit (!) zu bestätigen oder auch zu falsifizieren. Mir geht es um diesen Prozess an sich, nicht darum „Recht zu behalten“ oder mit „Schimpf und Schande“ unterzugehen.

These:

Wir sehen eine zunehmend bellizistische Einstellung der Länder der NATO gegenüber Russland in Wort und Tat. Das gilt besonders für Polen, die baltischen Staaten aber auch für Deutschland und Schweden. Dies dürfte hinreichend dokumentiert sein.

Aufgemerkt habe ich aber vor einigen Tagen beim Lesen dieser Zeilen:

"Wenn Russland nicht von der Ukraine aufgehalten wird, kann sich der Krieg ausweiten": Litauens Außenminister ist sich sicher, dass das Nachbarland auch nicht vor einem Angriff auf ein NATO-Land zurückschrecke. Die abnehmende US-Hilfe hält er daher für besonders besorgniserregend.

Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis hat vor einem möglichen russischen Überraschungsangriff auf NATO-Staaten gewarnt. "Wir haben einen sehr aggressiven Nachbarn mit der Absicht, die NATO zu testen. Darauf müssen wir uns vorbereiten", sagte der Chefdiplomat des baltischen EU- und NATO-Landes dem Nachrichtenportal zdfheute.de. "Wir können nicht warten (…) auf unseren Pearl-Harbor-Moment. Wir können nicht darauf warten, dass jedes europäische Land tatsächlich durch Russland angegriffen wird - im Süden, im Norden, Osten und im Westen."


Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Litauen-befu...45970.html (Hervorherbung durch mich)

Bevor ich zu dieser Aussage Stellung nehmen, möchte ich kurz meine Einschätzung der geopolitischen und -strategischen Lage sehr verkürzt (!) darstellen.

Im Konflikt des „globalen Nordens“ (USA, UK, Israel, West- und Zentraleuropa, Kanada etc.) gegen den „globalen Süden“ (Russland, China, Iran, Nord-Korea, etc.) spitzt sich die Lage zu. Dieser Konflikt ist im Informationsraum voll ausgebrochen, er wird wirtschaftlich und im Rahmen eines hybriden Stellvertreterkriegs bereits zwischen Russland und der Ukraine seit zwei Jahren auch militärisch ausgefochten.

China, Russland und Indien greifen den US-Dollar als globale Leitwährung offen an indem sie einen schnell wachsenden Anteil ihres Handels, anders als seit Jahrzehnten gewohnt, in Yuan und Rubel und nicht mehr in Dollar abwickeln. Die USA können und werden das nicht unbeantwortet lassen.

Dazu der sich verschärfende asymmetrische Konflikt im Nahen und Mittleren Osten, der i.w. von Seiten des Irans als Stellvertreterkrieg geführt wird.

Russland interveniert über die Präsenz von Wagner, aber sicher auch diplomatisch und wirtschaftlich im Raum der Südsahara , um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen, aber auch eine „Massenmigrationswaffe“ nach Westeuropa in Gang zu bringen und dadurch die westlichen Demokratien zu destabilisieren.

Sehe ich mir die politische Lage in den USA an, so stelle ich fest, dass Biden als US-Präsident, warum auch immer, mehr und mehr ins Hintertreffen gerät. Die (Wieder-)wahl eines Präsidenten aus den Reihen der Demokraten wird immer unwahrscheinlicher. Und das neun Monate vor der Wahl.

Was ist zu tun? (Ab jetzt wird es sehr spekulativ)

Ein begrenzter Krieg könnte das US-amerikanische Volk einigen und es mehr oder weniger geschlossen hinter dem amtierenden Präsidenten versammeln.

„Right or wrong, my country!“

In der Vergangenheit war es ein Leichtes durch inszenierte Vorfälle einen Kriegseintritt herbeizuführen.

Das galt für das Deutsche Reich 1939 mit dem fingierten „Überfall auf den Sender Gleiwitz“, es galt 1964 für den „Tonking-Zwischenfall“ für den Eintritt der USA in den Vietnamkrieg, es galt für die USA für den Krieg gegen den Irak, als es darum ging die vielbeschworenen aber nicht existenten „weapons of mass destruction“ zu finden und zu vernichten.

Was wäre nun, wenn die USA, Polen oder einer der baltischen Staaten eine entsprechende Aktion durchführen würden, um der Ukraine im Kampf gegen Russland mit Kampfeinheiten beizustehen?

Das wäre dann der „Pearl-Harbour-Moment“ von dem der litauische Außenminister vor wenigen Tagen gesprochen hat!

Wie wir inzwischen wissen, ist nicht der Mangel an Artilleriemunition das größte Problem des ukrainischen Militärs, sondern der Mangel an Soldaten. Diese sind zu Wenige, sie sind zu alt, sie sind abgekämpft und spätestens nach der gescheiterten Offensive der Ukraine im letzten Jahr und der kürzlichen Niederlage bei Awdijika auch demotiviert.

Angenommen eine (vom Westen fingierte) Provokation der Russen in Polen oder dem Baltikum würde dafür sorgen, dass Truppen aus dem Westen direkt an der russisch-ukrainischen Front kämpfend eingreifen, würde das nicht direkt den USA in die Hände spielen?

Es wäre ein sehr starkes, sehr riskantes Signal an Russland, es würde die westlichen Länder für den Krieg gegen Russland „begeistern“, die Wehretats würden wie gewünscht steigen etc. pp.

Natürlich müsste „der Westen“ versuchen diese direkte militärische Teilnahme von NATO-Truppen „einzuhegen“ und als reine Verteidigungshilfe für die Ukraine darstellen. Dies könnte auch nur auf (ehemals) ukrainischen Gebiet erfolgen. Es dürfte auch nicht die gesamte NATO eingreifen, sondern nur selektive Kontingente. Ich habe den Eindruck, dass besonders die Polen geradezu „darauf brennen“ in den Krieg mit Russland einzutreten.

Propagandistisch diplomatisch wüsste ich, wie man die entsprecheden Botschaften an Russland und die eigene Bevölkerungen im Westen formulieren müsste.

Die USA jedenfalls würden, so denn die Taktik aufgeht und nicht in einer massiven Eskalation endet, davon profitieren. Politisch wie oben gesagt, wirtschaftlich durch Verkauf von weiteren Rüstungsgütern nach Europa und auch militärisch, denn die NATO Militärs Europas, allen voran Polen, wären stark genug die Russen lange Zeit zu bekämpfen und damit zu binden. Damit hätten die USA den „Rücken frei“, um sich mit ganzer Kraft dem Mittleren Osten (=Iran) oder der VR China mit der Taiwanfrage zuzuwenden.

Es ist natürlich starker Tobak, was ich hier formuliere, mir ist das klar.

Ich wage aber die Prognose, dass wir diese Art des Eintritts von europäischen Militärs allen voran Polen in den Russland-Ukraine Krieg spätestens bis zum Spätsommer 2024 (August / September) sehen werden.

Ich bin gespannt auf eine hoffentlich sachliche und inhaltlich interessante Diskussion meiner zugegeben kühnen These.
@Hinnerk2005

Eine interessante These. Aber bevor wir groß darüber diskutieren: Wir haben da einen Strang (https://www.forum-sicherheitspolitik.org...p?tid=1890), der sich vielleicht besser für deine Theorie eignen würde als der Ukraine-Strang (zumal das Thema auch ausgreifender wäre). Ich wollte mich aber, bevor ich es verschiebe, kurz melden und anfragen, ob es für dich okay wäre?

Schneemann
Zwei Fragen hätte ich (bitte gerne mit verschieben):

1. Welches Polen ist in der Betrachtung bei der Haltung gegenüber Russland, das der PiS Vorgängerregierung oder das mit der neuen Regierung? Andersherum: Ist eine Differenzierung der verschiedenen Parteien/Regierung erfolgt?

2. Wie solle ein "Zwischenfall" an einer NATO-Russland Grenze (es gibt nicht viele davon) zu einem Einsatz von Truppen eines NATO Mitglieds in der Ukraine führen? Das sind auf den ersten Blick zwei sehr verschiedene Paar Schuhe.

Andere Variante: Sollte Russland über die Präsidentschaftswahlen hinaus Schwung entfalten und spürbare militärische Fortschritte jenseits von Metern/Tag machen, dann kann der Punkt kommen wo im Westen erneut über Flugverbotszone, militärische Ausbildung vor Ort in der Ukraine oder direkte logistische Leistungen im Land diskutiert wird. Der wild spekulative Gegenvorschläg wäre also, dass die Ukraine bewusst spürbar Gelände verliert um zu diesem Schmerzpunkt zu gelangen und dann das Blatt zu wenden. Das "keine Kriegspartei" Credo stünde dem entgegen, und ich füge hinzu dass es eine sehr dicke Mauer ist.
(21.02.2024, 15:29)Schneemann schrieb: [ -> ]@Hinnerk2005

Eine interessante These. Aber bevor wir groß darüber diskutieren: Wir haben da einen Strang (https://www.forum-sicherheitspolitik.org...p?tid=1890), der sich vielleicht besser für deine Theorie eignen würde als der Ukraine-Strang (zumal das Thema auch ausgreifender wäre). Ich wollte mich aber, bevor ich es verschiebe, kurz melden und anfragen, ob es für dich okay wäre?

Schneemann

Danke für den Hinweis, bitte dorthin verschieben!

(21.02.2024, 17:17)Ottone schrieb: [ -> ]Zwei Fragen hätte ich (bitte gerne mit verschieben):

1. Welches Polen ist in der Betrachtung bei der Haltung gegenüber Russland, das der PiS Vorgängerregierung oder das mit der neuen Regierung? (...)

2. Wie solle ein "Zwischenfall" an einer NATO-Russland Grenze (es gibt nicht viele davon) zu einem Einsatz von Truppen eines NATO Mitglieds in der Ukraine führen? (...)

Andere VarianteSad...)

Danke für die Nachfragen.

zu 1.: Ich meine im Großen und Ganzen in Polen eine "russlandfeindliche" Stimmung wahrzunehmen. Das habe ich bewusst so subjektiv formuliert, denn diese Art der Generalisierung ist immer schwieirg.

Ich halte aber die neue Regierung für deutlich EU- und auch USA affiner. Meine Vermutung stützt sich auf die Annahme, dass es eher in Polen (oder im Baltikum) gelingen wird bestehende antirussische Ressentiments auszunutzen.

zu 2.: Ich denke da gar nicht einmal an den zugegeben recht kleinen direkten Grenzbereich zwischen Russland und NATO-Staaten. Mir schwebt eher ein möglicher "russicher Angriff" (laut meiner Ausgangsthese fingiert) auf z.B. die kritische Infrastruktur eines Landes vor. Das könnte z.B. die Zerstörung eines Kraftwerks sein, oder ein physischer Angriff auf ein Rechenzentrum oder das Versorgungsnetz.

Wir sind ja in ein Zeitalter der Kriegführung eingetreten, der Angriffe auf kritische Infrastruktur des Gegners zulässt und geradezu fordert. Ich erinnere daran, dass auch die Ukraine dieses Recht für sich mit Ziel auf Russland immer wieder eingefordert hat aber durch die US-Amerikaner immer wieder "eingefangen" wurde. Die Waffenlieferungen des Westens wurden bisher auch praktisch darauf zugeschnitten.

Ich glaube auch nicht, dass "man" einen völkerrechtskonformen Kriegseintritt von gesamten NATO-Staaten gegen Russland versuchen würde. Hier ist das Risiko einer Eskalation zu groß. "Man" wird versuchenmit der Boling-the-frog-Methode immer weitere Daumenschrauben anzulegen und anzuziehen ohne dass der Frosch, um im Bild zu bleiben, aus dem Topf springt.

Deswegen ja die "Einhegung" durch die USA und ihre Verbündeten. Man könnte an dieser Stelle auch die "Good-Cop / Bad-Cop" Rollenverteilung wählen.

Ich stelle mir das ganze eher so vor, dass man z.B. die eine oder andere Brigade außerhalb des NATO-Befehls zur "Unterstützung der Verteidigung der Ukraine" an die ukrainische Front beordern könnte.

Diplomatisch würde man dann weiter kommunizieren, dass die NATO nicht im Krieg gegen Russland ist, dass aber einzelne NATO-Mitgliedsstaaten durchaus Truppen zu reinen Verteidigungszwecken der Ukraine stellen "dürfen".

Ich sehe seit Beginn des Kriegs, der ja laut russicher Seite noch nicht einmal ein Krieg ist, sondern nur eine "besondere Militäroperation" völkerrechtlich viele Grauzonen, eben eine hybride Kriegführung von allen Seiten.

So weit ich weiß is es durchaus möglich als NATO Mitglied eigene Truppen außerhalb der Kontrolle der NATO einzusetzen. So tun es die Franzosen ja schon seit Jahrzehnten in Afrika. Auch der Falklandkrieg der Briten ist so ein Beispiel. Dort spielte die NATO politisch keine Rolle, auch wenn sie sicher hinter den Kulissen durch Satellitenaufklärung etc. unterstützt hat.

Zum dritten Punkt. Ich habe den Eindruck, dass es gar kein großes Scheitern der Ukraine in den folgenden WOchen und Monaten bedarf. Ich argumentiere i.w. über den Nutzen der USA in dem von mir grob skizzierten Szenario. Dreh- und Angelpunkt meiner Argumentation, eigentlich besser meiner These (!) ist ja, dass geostrategisch aus Sicht der USA die starke Einbindung der Europäer in Kampfhandlungen mit Russland also mit "boots on the ground" den USA den "Rücken freihält", um ihre geplanten oder auch nur notwendigen Operationen gegen den Iran und / oder auch China durchzuführen.

Insofern ist die Situation in der Ukraine nur ein Mosaikstein im großen weltpolitischen Puzzle.
Feuer machen um anderswo mehr Feuer machen zu können? Und am Ende verlieren alle.
(21.02.2024, 15:06)Hinnerk2005 schrieb: [ -> ]Es dürfte auch nicht die gesamte NATO eingreifen, sondern nur selektive Kontingente.
Diesen Punkt sehe ich problematisch.
Aus russischer Perspektive ist nur die USA relevant. Greift diese an, geht Russland all-in, ganz egal, wer noch mitmacht. Aber tritt die USA nun mit einzelnen Verbündeten ohne den Rest der NATO in den Krieg ein, wird Putin alles dafür tun, die verbliebenen NATO-Mitglieder durch Drohungen auf seine Seite zu ziehen und NATO-interne Konflikte zu schüren. Und ich befürchte, dass er damit Erfolg hätte. Zumindest würde in Europa die Fraktion der Friedenstauben von AfD, BSW & Co. massiv Zulauf erhalten, wenn -zumindest in deren Lesart- eine Koalition der Willigen US-Jünger den 3.WK beginnt.
Und das wäre noch nicht mal ganz so abwegig, denn es wäre auch überhaupt nicht gesichert, dass es dann nicht russische Angriffe gegen andere NATO-Mitglieder gibt, die nicht an diesem Konflikt teilnehmen, aber bspw. US-Kräfte im Land haben. Was dann? Das wäre der Bündnisfall und dann wären doch alle mit im Boot.
Hinnerk2005:

Zitat:In der Vergangenheit war es ein Leichtes durch inszenierte Vorfälle einen Kriegseintritt herbeizuführen.

Das galt für das Deutsche Reich 1939 mit dem fingierten „Überfall auf den Sender Gleiwitz“, es galt 1964 für den „Tonking-Zwischenfall“ für den Eintritt der USA in den Vietnamkrieg, es galt für die USA für den Krieg gegen den Irak, als es darum ging die vielbeschworenen aber nicht existenten „weapons of mass destruction“ zu finden und zu vernichten.

Was wäre nun, wenn die USA, Polen oder einer der baltischen Staaten eine entsprechende Aktion durchführen würden, um der Ukraine im Kampf gegen Russland mit Kampfeinheiten beizustehen?

Es gibt da einen ganz wesentlichen und immens wichtigen Unterschied: Russland hat Atomwaffen.

Die politisch-strategische Wirkung dieser Atomwaffen sieht man bereits hier und jetzt in Bezug auf die Waffenlieferungen und auch schon in Bezug auf den gesamten Umgang mit diesem Krieg, denn man so oder so ohne diese Waffen unter russischer Kontrolle in keinster Weise so zulassen würde. Kurz und einfach: es ist bereits jetzt ganz klar und offensichtlich, dass das Risiko dem Westen zu hoch ist. Umgekehrt ist es auch den Russen ganz eindeutig zu hoch, deshalb diese ganzen krampfhaften Konstrukte von militärischer Sonderoperation usw.

Zitat:Wie wir inzwischen wissen, ist nicht der Mangel an Artilleriemunition das größte Problem des ukrainischen Militärs, sondern der Mangel an Soldaten.

Nein, es ist der Mangel an Wirkmitteln. Das ist ein Fakt! Selbst hier und jetzt hat die Ukraine mehr Soldaten unter Waffen als die Russen, ist die bloße Mannzahl der Ukrainer größer als die der Russen. Aber noch so viel Soldaten nützen nichts, wenn den entscheidenden Systemen die Wirkmittel fehlen. Jedes Flugzeug, jedes Artilleriesysteme, jedes FlaRak System, jeder Kampfpanzer ist irrelevant wenn die Munition dafür fehlt. Die Ukraine hat (noch) kein Problem was die lebendige Wehrkraft angeht. Wenn sie aber nicht zeitnah ausreichend Wirkmittel erhält - welche sie selbst nicht in ausreichender Menge herstellen kann - wird die lebendige Wehrkraft zu einem Problem werden.

Und genau auf diese Lücke, vor allem wenn man es mittelfristig betrachtet setzt aktuell die gesamte russische Strategie. Der Westen ist zu unwillig, Russland könnte den Westen daher kurz- und mittelfristig bei einem Rüstungswettlauf schlagen. Wenn die Ukraine besiegt wird bevor der Westen ernsthaft seine Produktionskapazitäten einsetzt, wird diese Strategie aufgehen, andernfalls Russland verlieren. Es hängt also nicht an der lebendigen Wehrkraft der Ukraine, oder vielmehr gesagt nur indirekt an dieser, sondern es hängt aktuell an uns allein.

Zitat:Ich habe den Eindruck, dass besonders die Polen geradezu „darauf brennen“ in den Krieg mit Russland einzutreten.

Das ist ein grundfalscher Eindruck. Die Polen wollen stattdessen so viel Zeit wie möglich gewinnen um diese für ihre eigene Aufrüstung zu verwenden. Polen hat deshalb noch weniger Interesse an einer Ausweitung als alle anderen, weil die polnischen Streitkräfte erst am Anfang ihrer Aufrüstung stehen - die polnischen Aufrüstungs-Pläne ultraehrgeizig sind (um es vorsichtig auszudrücken) und jeder gewonnene Monat Polen stärkt. Deshalb wird gerade eben Polen alles unternehmen damit der Krieg sich nicht ausweitet.

Und bei aller "Freundschaft" zur Ukraine entscheidet sich Polen vor die Wahl gestellt immer und nur allein für sich selbst, wie man auch aktuell bei den polnischen Aktionen gegen die Ukraine sehen kann (Stichwort Blockaden an der Grenze, Verhinderung ukrainischer Importe nach Polen, Ausnützung der ukrainischen Flüchtlinge als auszubeutende Billigarbeitskräfte usw usw)

Zitat:Die USA jedenfalls würden, so denn die Taktik aufgeht und nicht in einer massiven Eskalation endet, davon profitieren.

Nein würden sie nicht. Die USA profitieren vom Status Quo aktuell am meisten. Es macht daher gar keinen Sinn für die USA diesen zu ändern. Beispielsweise importieren die USA zur Zeit in erheblichem Umfang Rohstoffe, selbst Uran aus Russland, zu Preisen die unter dem liegen was vor dem Krieg der Fall war. Jede Eskalation ist in keinster Weise im Interesse der USA.

Und hätten die USA klügere Führer, würden sie sogar erkennen, dass es sinnvoller ist Europa nicht so weit aufschrecken zu lassen, dass die Europäer selber massiv aufrüsten, weil damit die EU Staaten weiter in Abhängigkeit von den USA wären. Deshalb wollen die USA ganz klar und eindeutig erkennbar diesen Krieg von Anfang an auf so niedrigem Niveau wie möglich führen. Auf Kosten der Ukrainer.

Zitat:Damit hätten die USA den „Rücken frei“, um sich mit ganzer Kraft dem Mittleren Osten (=Iran) oder der VR China mit der Taiwanfrage zuzuwenden.

Denn werden sie nur dann frei haben, wenn Russland so weit wie nur irgendwie möglich ausblutet, ohne dass sich die NATO gegen Russland direkt involvieren muss. Entsprechend bedeutet jede Eskalation über das aktuelle Niveau hinaus, dass die USA Mittel und Truppen in Europa festlegen müssten welche dann im Pazifik fehlen.

Gerade die zunehmende Ausrichtung auf West-Taiwan als Hauptfeind bedeutet, dass die USA in keinster Weise eine Änderung des Status Quo gebrauchen können. Da werden sie viel eher die Ukraine vollständig opfern, als sich durch das von dir beschriebene Szenario in Europa festlegen zu lassen.

Zitat:Ich wage aber die Prognose, dass wir diese Art des Eintritts von europäischen Militärs allen voran Polen in den Russland-Ukraine Krieg spätestens bis zum Spätsommer 2024 (August / September) sehen werden.

Nein werden wir nicht. Weil das niemand außer der Ukraine selbst will. Weder die Russen noch wir. Die Ukrainer sind dabei lediglich ein Bauernopfer in diesem perfiden Spiel.

Zitat:Insofern ist die Situation in der Ukraine nur ein Mosaikstein im großen weltpolitischen Puzzle.

Und exakt deshalb ist deine These meiner Überzeugung nach grundfalsch. Gerade eben deshalb.
Danke erst einmal für die "befruchtenden" Antworten. Wie gesagt, ich lerne gerne dazu und bin auch bereit mich nicht nur in ein Thema einzuarbeiten, sondern auch andere Meinungen, wenn sie denn gut vorgebracht werden, gelten zu lassen.

Ich habe den Eindruck, dass eine Diskussion auf dieser Grundlage hier möglich ist. Das freut mich sehr, denn das habe ich so im Internet noch nicht erlebt!

Ich werde mir jetzt erst einmal die Zeit nehmen in Ruhe noch einmal alles zu lesen und zu verarbeiten. Dann geht's weiter mit der Diskussion! Cool
(21.02.2024, 15:06)Hinnerk2005 schrieb: [ -> ]In der Vergangenheit war es ein Leichtes durch inszenierte Vorfälle einen Kriegseintritt herbeizuführen.

Das galt für das Deutsche Reich 1939 mit dem fingierten „Überfall auf den Sender Gleiwitz“, es galt 1964 für den „Tonking-Zwischenfall“ für den Eintritt der USA in den Vietnamkrieg, es galt für die USA für den Krieg gegen den Irak, als es darum ging die vielbeschworenen aber nicht existenten „weapons of mass destruction“ zu finden und zu vernichten.

Was wäre nun, wenn die USA, Polen oder einer der baltischen Staaten eine entsprechende Aktion durchführen würden, um der Ukraine im Kampf gegen Russland mit Kampfeinheiten beizustehen?

Das wäre dann der „Pearl-Harbour-Moment“ von dem der litauische Außenminister vor wenigen Tagen gesprochen hat!

Ich würde vermuten dass es heute gar nicht mehr so einfach wäre. Heutzutage hätte man das Dementi der russ. Regierung wahrscheinlich schon zwei Minuten später bei Socialmedia was sich rasend verbreiten würde. Dann würde schnell die berühmte Frage gestellt: "Wem nützt es?" Die ersten NATO-Staaten würden bei so einem singulären Ereignis erst einmal eine umfassende Untersuchung fordern usw. Und selbst wenn es eine sofortige Reaktion gäbe dann wäre diese sicher nicht eine Entsendung von NATO-Truppen in die Ukraine.
Zitat:Ich habe den Eindruck, dass eine Diskussion auf dieser Grundlage hier möglich ist. Das freut mich sehr, denn das habe ich so im Internet noch nicht erlebt!

Wir haben hier zunehmend ein Alleinstellungsmerkmal im Netz diesbezüglich Cool

Allgemein:

Wie lime es bereits treffen festgestellt hat, ist heute eine solche Inszenierung gar nicht mehr so einfach.
@Hinnerk2005

Wie besprochen, entsprechend hierher verlagert.

Schneemann
Schon den kosovokrieg würde es so heute nicht geben wie er damals zustande gekommen ist . Vor allem was die deutsche Teilnahme angeht . Dafür sind auch Soldaten heute viel kritischer.