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Normale Version: Russland & Verbündete gegen Europa & USA
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Dumme, intelligente und sogar sich selbst verlegende Minen können Schiffsbewegungen massiv in der Ostsee einschränken. Man darf dazu nicht vergessen, dass die Ostsee von der Handelsschiffahrt ausgesprochen stark befahren ist, und Beeinträchtigungen dieses Verkehrs schnell spürbare wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen. Aufrechterhaltung, Kontrolle oder Unterbinden dieses Verkehrs oder Teilen davon gehören somit unbedingt zur Betrachtung der Szenarien. Aus der Luft kann man das nicht regeln.
Ich gehe hier im Grunde auch eher in Richtung der Minen. Auch historisch gesehen waren sie die effektivsten und gefährlichsten Waffen im Seekrieg in der Ostsee, noch vor den Luftstreitkräften (bezogen auf den Zweiten Weltkrieg; im Ersten Weltkrieg kann man alles, was über die Aufklärung hinausging, weitgehend vernachlässigen) und auch deutlich vor Überwasserschiffen und U-Booten. Hinzu kommt, dass U-Boote in der Ostsee nicht unbedingt in ihrem idealen Umfeld agieren würden. Die Randgebiete sind versandet und seicht; die Durchschnittstiefe der Ostsee liegt gerade einmal bei 50-60 Metern, das ist definitiv kein wirklicher Rückzugs- bzw. "Schutzraum" für U-Boote.

Hinzu kommt, dass man auch die Wetterbedingungen beobachten muss. Die Ostsee ist für raues Wetter, Grundseen und Eis berüchtigt, im Winter waren große Basen wie bspw. Kronstadt oder Talinn temporär handlungsunfähig wegen zugefrorener Häfen. Sicherlich, in Zeiten von Satelliten und Hyperschallwaffen kann man dies mit einem Schulterzucken kommentieren, aber die kleineren Einheiten (Minensucher, Korvetten, Raketenschnellboote etc.), die entscheidend sein werden, müssen im Winter härtesten Dienst wahrnehmen, das war in der Vergangenheit so und wird auch so bleiben.

Insofern: Minen in Kombination mit kleineren, schnellen (und ggf. - da man sicher mit einigen Verlusten rechnen muss - notfalls billigeren) Schiffen, werden, nach der Zerschlagung küstennaher Raketenbatterien, das Hauptbild des Szenarios sein.

Schneemann
(11.11.2021, 03:24)Ottone schrieb: [ -> ]Man darf dazu nicht vergessen, dass die Ostsee von der Handelsschiffahrt ausgesprochen stark befahren ist, und Beeinträchtigungen dieses Verkehrs schnell spürbare wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen. Aufrechterhaltung, Kontrolle oder Unterbinden dieses Verkehrs oder Teilen davon gehören somit unbedingt zur Betrachtung der Szenarien.

Das ist aber doch ein Aspekt, der nur vor einem offenen Schlagabtsuch oder im Rahmen einer länger andauernden Auseinandersetzung relevant wird. In einem zu erwartenden kurzen, intensiven Konflikt von vielleicht ein paar Wochen, bliebe die zivile Schifffahrt wohl eh aus der Ostsee fern. In dem Kontext dürfte das nicht unsere größte Sorge sein.
Gibt es in D noch ausreichend Minen? Was ist aus den großen Beständen des Kalten Krieges geworden?
@Broensen: Die baltischen Staaten vom Seehandel abzuschneiden hat für diese massive Auswirkungen, beträfe aber ebenso die anderen Anrainer der östlichen Ostsee: Vordringlich Finland, Polen, Schweden, durchaus auch Russland. Man würde daher das Kind mit dem Bade ausschütten und das Geschäft des Gegners betreiben, versuchte man nicht dem entgegenzuwirken. Für EU und NATO geht es gleich nach der Integrität der baltischen Staaten darum, die Seeverbindungen offenzuhalten. Dazu gehört, dass Minenjäger und -leger in Küstennähe unter Schutz von Angriffen aus der Luft agieren, zivile Handelsschiffe kontrolliert und wichtige Transporte begleitet werden können (in Mann- oder vielmehr Raumdeckung).

@26er: Keine Ahnung was die Minen in den Depots anbetrifft, nachproduzieren kann man immer. Genau wie bei U-Booten sind die Auswirkungen von nur einer vermuteten Mine beträchtlich.
Damit hast du sicherlich Recht, sofern man über ein Szenario wie das der Krimbesetzung spricht. Aber im Baltikum reden wir doch aufgrund der EU-Mitgliedschaft zwingend von einem offenen Krieg, in dem die baltischen Staaten höchstwahrscheinlich innerhalb von maximal ein paar Tagen russisch besetzt oder bestenfalls ein großes Schlachtfeld wären. Da ist dann der Seehandel kein Thema mehr.

Ich will deine Argumente gar nicht widerlegen, kann mir aber kein realistisches Szenario vorstellen, in dem es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der EU und Russland in der Ostsee kommt, während dort weiterhin Handel auf dem Seeweg stattfinden kann. Daher hielte ich es für falsch, ein solches bei der Auslegung unserer Kräfte in der Region zugrunde zu legen.
Hinsichtlich der erforderlichen Kapazitäten bin ich allerdings bei dir: Minen und küstennah agierende Einheiten bleiben - zusammen mit dem Luftraum - in der Ostsee entscheidend.
Ich kann mir schwerlich einen voll umfassenden Konflikt mit Russland vorstellen. Ein Angriff auf das Baltikum bzw. das Schließen der Lücke zwischen Königsberg und Belarus würde ich aber in einigen Jahren nicht kategorisch ausschließen.

Nachdem die Krim in russischer Hand und das Schwarze Meer eine No Go Area geworden ist, würde ich Petersburg als die Achillesferse Russlands sehen, welche Russland ggf. besser Schützen möchte. Würdet ihr das auch so wahrnehmen?

Ein Angriff könnte unter dem Vorwand das russische Staatsbürger gefährdet sind passieren. Bei einem solchen Szenario könnte ich mir vorstellen, dass die EU (Nato) innerhalb weniger Tage vor vollendeten Tatsachen steht. Die Zivilbevölkerung wäre dann das Schutzschild.

Würdet ihr auch von einem solchen bzw. ähnlichen Szenario ausgehen?

Die Frage ist wie man dem dann begegnet. Hier ist aus meiner Sicht auch eine ausreichende konventionelle Abschreckung wichtig.

Statt der Rückeroberung mit vermutlich hohen Verlusten der eigenen Zivilbevölkerung würde ich auch gerne die Idee eines Gegenangriffs an anderer Stelle diskutieren wollen. Hier würde man dann seinerseits eine Bedrohung aufbauen und sich im Idealfall auf einen gegenseitigen Rückzug verständigen.
(11.11.2021, 18:25)Leuco schrieb: [ -> ]Ich kann mir schwerlich einen voll umfassenden Konflikt mit Russland vorstellen. Ein Angriff auf das Baltikum bzw. das Schließen der Lücke zwischen Königsberg und Belarus würde ich aber in einigen Jahren nicht kategorisch ausschließen.
Ich halte das auch für unwahrscheinlich. Aber je weniger wir uns darauf vorbereiten, desto wahrscheinlicher wird es. So funktioniert halt Abschreckung.

(11.11.2021, 18:25)Leuco schrieb: [ -> ]Nachdem die Krim in russischer Hand und das Schwarze Meer eine No Go Area geworden ist, würde ich Petersburg als die Achillesferse Russlands sehen, welche Russland ggf. besser Schützen möchte. Würdet ihr das auch so wahrnehmen?
Die russischen Ostseezugänge sind alles aber bestimmt keine Schwachstellen. Zumal die baltischen Staaten hier ja auch keine echte Bedrohung für diese Gebiete Russlands darstellen.

Die Erfahrung zeigt eigentlich, dass Putin überall dort angreift, wo sich eine Hinwendung zur NATO abzeichnet. Georgien und die Ukraine sind die offensichtlichen Beispiele, aber auch die russische Einmischung in Syrien spielt da mit rein.
Aber eine solche Aktion gegen tatsächliches EU-Gebiet wird auch er nicht starten, sofern er sich nicht verzockt und in einer selbst aufgebauten Eskalationsspirale verfängt.
Im Baltikum müsste es schon rein über Infiltration und Destabilisierung der Staaten von innen laufen, um diese zu einem Ausscheiden aus der EU zu nötigen. Aber auch das halte ich für unrealistisch.
Also sind die wahrscheinlicheren Ereignisse die Anschlüsse von Belarus und der Ukraine oder auch eine Expansion im Kaukasus.

Hier ist gerade Belarus extrem gefährdet. Putin kann es sich nicht erlauben, dass Lukaschenko den Konflikt mit der EU eskalieren lässt, da er hier mit im Boot sitzt und bestimmt keinen Krieg riskieren wird, nur um Lukaschenko zu stützen. Dessen Machtverlust kann Putin aber auch nicht hinnehmen, da sich Belarus dann wohl mehr nach Westen orientieren würde.
Ich könnte mir z.B. gut vorstellen, dass die aktuell angespannte Lage an der polnischen Grenze sich noch weiter aufheizt bis Moskau dann "im Interesse des Friedens" die Macht in Weißrussland "vorübergehend" übernimmt.

(11.11.2021, 18:25)Leuco schrieb: [ -> ]Statt der Rückeroberung mit vermutlich hohen Verlusten der eigenen Zivilbevölkerung würde ich auch gerne die Idee eines Gegenangriffs an anderer Stelle diskutieren wollen. Hier würde man dann seinerseits eine Bedrohung aufbauen und sich im Idealfall auf einen gegenseitigen Rückzug verständigen.
Für den Fall einer russischen Besetzung des Baltikums bliebe da wahrscheinlich gar nicht viel Wahlmöglichkeit. Eine Rückeroberung durch die Schneise von Kaliningrad und Belarus hindurch oder per amphibischer Landung in der Ostsee ist eher unrealistisch. Also würde man Gegenangriffe logischerweise eher auf russisches und weißrussisches Gebiet durchführen. Je nach Gesamtlage kommt aber auch die Südflanke über die Ukraine in Betracht. Das hängt aber von zu vielen Faktoren ab und kann nicht so allgemein beantwortet werden ohne ein konkretes Szenario.
(11.11.2021, 17:56)Broensen schrieb: [ -> ]Aber im Baltikum reden wir doch aufgrund der EU-Mitgliedschaft zwingend von einem offenen Krieg, in dem die baltischen Staaten höchstwahrscheinlich innerhalb von maximal ein paar Tagen russisch besetzt oder bestenfalls ein großes Schlachtfeld wären. Da ist dann der Seehandel kein Thema mehr.
Ein offener Krieg ist nicht zwingend. Eine Teilbesetzung der russisch dominierten Gebiete Lettlands wäre z.B. eine von vielen Möglichkeiten, ggf. kombiniert mit einer blockierenden Drohkulisse auf See von Lettland und Estland und dazu möglicherweise einer faktische Flugverbotszone von zivilen Flügen über beiden aufgrund zu hoher Gefährdung.

Zu Belarus: Am 4. November hat Lukaschenko das "Dekret über die Integration” unterzeichnet, das ​​28 Unions-Programme zur Integration beinhaltet.

Zitat:Die im September vereinbarten Unions-Programme sehen die Integration der Währungssysteme beider Länder vor, aber auch die Schaffung eines gemeinsamen Zahlungsraums und die Einführung neuer Regeln bei der Besteuerung. Zudem sollen die Gesetzgebungen beider Länder vereinheitlicht werden. Ferner ist ein Binnenmarkt im Energiebereich sowie eine gemeinsame Industrie- und Agrarpolitik geplant. Das nun unterzeichnete Dokument beinhaltet auch ein Konzept für eine Migrationspolitik des Unionsstaates von Belarus und Russland sowie eine aktualisierte Militärdoktrin. “Wir beabsichtigen, uns gemeinsam allen Versuchen zu widersetzen, sich in die inneren Angelegenheiten unserer souveränen Staaten einzumischen. Und Russland wird natürlich dem belarussischen Brudervolk weiterhin Hilfe leisten. Hier besteht kein Zweifel”, sagte Putin bei der Sitzung des Obersten Staatsrates. Details zu allen 28 Unions-Programmen zur Integration liegen allerdings nicht vor. Unklar ist auch, wie die Programme umgesetzt werden sollen.
https://uacrisis.org/de/putin-und-lukasc...deutet-das
(11.11.2021, 19:48)Ottone schrieb: [ -> ]Ein offener Krieg ist nicht zwingend. Eine Teilbesetzung der russisch dominierten Gebiete Lettlands wäre z.B. eine von vielen Möglichkeiten
Für mich wäre es das Ende der EU, wenn so etwas nicht umgehend zum offenen Krieg führen sollte.
Auch meiner Ansicht nach ist es durchaus denkbar, dass Russland Teile des Baltikums auf die beschriebene indirekte Weise besetzt und die EU dennoch nicht auseinander fällt, sondern einfach so weiter macht und man aus Angst vor einer Eskalation dann diesen Übergriff hinnimmt, entgegen der EU Verträge und entgegen dem was eigentlich getan werden müsste. Das wird übrigens auch in Russland in militärischen Kreisen weitgehend so wahrgenommen und ganz offen diskutiert. Dass man einen begrenzten Krieg gegen die EU wenn man ihn nur geschickt genug führt durchaus gewinnen könnte. Und darin liegt die primäre Gefahr, gerade dadurch wird so ein Krieg wahrscheinlicher. Weil wir keinerlei Abschreckung erzeugen.

Es ist aber eben nicht so, dass das Baltikum in jedem Fall von Russland so en passant nehmbar wäre. Wenn man die baltischen Armeen mit Geldern der EU auf die richtige Weise finanzieren würde (weit über die Möglichkeiten dieser Länder hinaus) könnte das Baltikum eine Art "Militärgrenze" zu Russland werden, welche dann von Russland eben nicht einfach so genommen werden kann. Und zwar aus eigener Kraft vor Ort. Dazu bedürfte es aber kühner, kreativer, völlig neuartiger Wege in der Verteidigungspolitik in diesem Raum und einer extremen Militarisierung der baltischen Länder welche dann vom Rest der EU finanziert wird. Die EU müsste dazu eine Art gemeinsamen Fond schaffen, in welchen alle EU Länder außer den baltischen einzahlen und den die baltischen Staaten (und in geringeren Anteilen Polen und Finnland) einfach als zusätzlichen Wehretat verwenden können.

Das wird natürlich nicht funktionieren wenn man den baltischen Ländern für die vorliegende Aufgabe untaugliche GTK Boxer verkauft etc

Leuco:

Zitat:Nachdem die Krim in russischer Hand und das Schwarze Meer eine No Go Area geworden ist, würde ich Petersburg als die Achillesferse Russlands sehen, welche Russland ggf. besser Schützen möchte. Würdet ihr das auch so wahrnehmen?

Ich teile deine Auffassung hier, und gerade deshalb ist ein militärischer Aufbau im Baltikum nicht unproblematisch. Meiner Meinung nach unterschätzt man hier auch über die rein rational-logische Bedeutung hinaus auch den ideelen Wert von St. Petersburg für die aktuelle russische Führung. Im Baltikum einen immensen militärischen Aufbau hinzukriegen ohne dadurch eine zu große offensive Bedrohung für diesen Raum darzustellen wäre die Kunst in dieser vorliegenden Problemstellung.

Zitat:Ein Angriff könnte unter dem Vorwand das russische Staatsbürger gefährdet sind passieren. Bei einem solchen Szenario könnte ich mir vorstellen, dass die EU (Nato) innerhalb weniger Tage vor vollendeten Tatsachen steht. Die Zivilbevölkerung wäre dann das Schutzschild.

Würdet ihr auch von einem solchen bzw. ähnlichen Szenario ausgehen?

Das ist durchaus ein wahrscheinliches Szenario. Eine andere noch wahrscheinlichere Möglichkeit ist ein Guerillakrieg aus der russischen Zivilbevölkerung heraus, mit welchem wir langfristig gesehen noch sehr viel mehr Probleme hätten ohne dass sich Russland darin überhaupt offen militärisch einmischt. Das würde Russland auch in die sehr bequeme Situation versetzen ständig diplomatisch auf unser Versagen in diesem Partisanenkampf hinzuweisen, Menschenrechte anzumahnen usw und dass mit sehr geringen Kosten und sehr geringem Risiko.

Aktuell sind wir in keinster Weise fähig einen Guerillakrieg im Baltikum welcher aus der russischen Minderheit heraus geführt wird zu führen oder zu gewinnen. Es würde dann auch sehr schnell zu massiven Übergriffen baltischer Sicherheitskräfte und anderer Gruppen auf russische Zivilisten kommen und wir wären dann nur froh dass die Sache eben nicht eskaliert und würden uns um dies zu vermeiden auch noch zurück halten. Es könnte dann ad extremum dazu kommen, dass man um nur ja nicht in einen Krieg zu geraten einfach von selbst Teile des Baltikums abtritt. Woraufhin die Balten sich von der EU abwenden würden und diese durch diesen Vorgang noch weiter gespalten werden würde.

Man könnte einen Krieg im Baltikum haben ohne je auch nur eine Sekunde offiziell und offen im Krieg mit Russland zu sein. Mit dem Ergebnis dass die EU an diesem Guerillakrieg im Baltikum gespalten wird und eventuell dadurch sogar komplett auseinander fällt, ohne dass russische Streitkräfte in einem konventionellen Krieg auch nur einen Schuss abfeuern müssten.

Zitat:Die Frage ist wie man dem dann begegnet. Hier ist aus meiner Sicht auch eine ausreichende konventionelle Abschreckung wichtig.

Gerade mit konventioneller Abschreckung wäre ein solcher Gueriallakrieg nicht verhinderbar und nicht abschreckbar.

Zitat:Statt der Rückeroberung mit vermutlich hohen Verlusten der eigenen Zivilbevölkerung würde ich auch gerne die Idee eines Gegenangriffs an anderer Stelle diskutieren wollen.

Die Frage wäre dann wo und wie. Eine Möglichkeit wäre ein Stoß im Norden gegen Murmansk etc, aber auch die Russen könnten genau diese Strategie verfolgen, irgendwo zusätzlich Land besetzen um dieses dann als Verhandlungsmasse einzubringen. Beispielsweise könnte man mit Leichtigkeit auf der Stelle Island besetzen und dann beispielsweise Island gegen Estland tauschen etc

26er:

Der Frage von 26er nach den Minen möchte ich mich anschließen! Haben wir überhaupt noch genügend Seeminen? Denn wir bräuchten auch in einem kleinen Gebiete wie der Ostsee nicht unerhebliche Mengen davon. Dazu möchte ich noch anmerken, dass man solche Minen auch durch die Luft distributieren kann und dies eventuell dann erfolgversprechender ist als sie per Schiff zu verbringen.

Schneemann:

Auch kleine schnelle Schiffe werden Lufteinheiten in nicht unerheblicher Menge zum Opfer fallen. Deshalb bräuchte man meiner Meinung nach neue selbstverlegende Seeminen, also im Endeffekt Unterwasserdrohnen, welche man dann in größeren Mengen in die Ostsee einfahren lässt. Das ändert aber alles nichts an der Notwendigkeit den Luftraum über der Ostsee freizukämpfen da man ansonsten im Baltikum keine Lufthoheit haben wird und ohne diese die russischen Bodentruppen nicht ausschalten kann.

Bezüglich Minen gegen Schiffe möchte ich zudem an dieser Stelle an meine alte Idee verweisen, dass man Drohnen de facto auch als selbstverlegende Minen betrachten kann. Entsprechende Kamikaze-Drohnen wären in größerer Zahl für die meisten Schiffe, insbesondere aber für kleinere Schiffe ein erhebliches Problem und würden sicher zu hohen Verlusten führen. Auch deshalb mein Primat für AAW Schiffe.
Hier nochmals zu einer älteren Diskussion, in der es hauptsächlich um Kampfboote geht: Um diese geht es mir hier nicht vordergründig, sondern um einen möglichen Konflikt als solches:

https://www.forum-sicherheitspolitik.org...#pid191304

Der verlinkte Artikel beschreibt ein solches Szenario, wie es die Marine sieht.

https://esut.de/2020/01/fachbeitraege/st...ottille-1/

@Quintus Fabius,
Ich würde die Balten nicht unterschätzen. Soweit ich weiss, verfügen diese auch über starke Milizen (Nationalgarde). Für mich ist das primär auch keine Frage der Finanzen, sondern des Willens zur Verteidigiung mit leichten Kräften.

Bzgl. der Bestände an Minen im dt. Arsenal bin ich mir nicht sicher. Zu Zeiten des Kalten Krieges gab es sehr große Bestände. Aber ob es diese noch gibt, oder diese überlagert, entsorgt usw. wurden, vermag ich nicht sagen. Ich hatte mal in einem Blog was gelesen, dass angeblich nur noch sehr wenige oder gar keine Minen mehr vorhanden seien, aber dass kann ich kaum glauben. Deshalb die Fragestellung.

Hier noch eine Anmerkung zum Lagebild (Luft- und See, ggf. Land). Dies müßte sich durch eine Vielzahl an verschiedener Sensor zusammensetzen (Land, Luft und Seegestützt), mobil und immer nur temporär in Betrieb. Damit sollte die Gefahr einen Ausschaltens der eigenen Sensor verringert werden.
Danke für die Vernetzung des Artikels. Aus diesem:

Zitat:Trotzdem halten sich Einschätzungen von der Ostsee als Killbox. Große Gebiete rund um die Enklave Kaliningrad werden als sogenannte A2AD-Zone (Anti Access, Area Denial) bezeichnet, in der Systeme auch von Land und aus der Luft jedem Schiff den Zugang in die östliche Ostsee verwehren können. Diese äußerst pessimistische Bewertung beruht auf handfesten militärischen Entwicklungen der letzten Jahre

Exakt das ist auch meine Einschätzung.

Zitat:Wesentliche Ursache ist das Entstehen eines engmaschigen militärischen und zivilen Sensornetzwerkes. Moderne Satellitenüberwachung sowie militärische und zivile Sensoren ermöglichen es, in weiten Teilen der Ostsee ein Echtzeitlagebild zu erhalten. Dieses macht ein unentdecktes Befahren der Ostsee praktisch unmöglich. Passive Aufklärungsmöglichkeiten im Bereich der signalerfassenden Aufklärung, der Auswertung ziviler Kommunikation aller Netze und die Möglichkeiten der Massendatenauswertung mithilfe von KI durch rechnergestützte Analyse ergänzen die aktiv gewonnenen Daten. Sie erlauben einem möglichen militärischen Gegner, die Initiative ohne vorbereitende Aufklärung zu ergreifen. In Verbindung mit der permanenten Verfügbarkeit moderner, sehr schneller und weitreichender Seezielflugkörper, welche von See, Land oder von Luftfahrzeugen aus verschossen werden können, entsteht ein Operationsumfeld, in dem ein Aggressor quasi aus dem Stand zu militärischen Schlägen ausholen kann. Ein substanzieller Zeitraum zur Vorbereitung auf solch einen Angriff wäre nicht gegeben.

Exakt das Szenario was ich auch immer beschreibe. Ein Gedanke von mir dazu ist, mehr Waffen auf verdeckte Weise zum Einsatz zu bringen, mitten aus dem zivilen Element heraus. Beispielsweise von zivilen Schiffen aus, von einfachen zivilen Lkw, und dass man in einem solchen Krieg einen Vorteil dadurch erringen kann, indem man zuerst so massiv wie möglich zuschlägt und dem Gegner de facto eine Art Pearl Harbour zufügt noch bevor die Sache überhaupt so richtig losgegangen ist. Gerade deshalb beispielsweise meine hohe Meinung von der Taurus als System welche sich für einen solchen Präventivschlag gegen Marineinfrastruktur durchaus eignen würde.

Zitat:Ein Erfolg ist jedoch immer nur streitkräftegemeinsam an Land und in der Luft zu erringen.

Wobei ich das Primat eben wie beschrieben in der Luft sehe. Und genau darin sehe ich auch nun die Rolle der Marine: diese kann den Luftkampf mit geeigneten Einheiten durchaus ebenso mitgestalten. Entsprechende AAW Kriegsschiffe könnten hier den Ausschlag geben und entscheidend mit dazu beitragen, dass die zwingend notwendige Lufthoheit schneller und absoluter errungen werden kann. 7

Zitat:Die Möglichkeiten, sich im Krisenfall gegen „herrenlose“ Drohnen zur Wehr zu setzen, die erheblichen Reichweitenvorteile gegnerischer Waffensysteme auszugleichen oder seinerseits eine ernst zu nehmende Bedrohung für die in allen Dimensionen operierenden Einheiten des Gegners darzustellen, sind gering.

Deshalb deutlich mehr AAW Fregatten und eine eigene spezialisierte Marine-Fliegerei.

Zitat:Der Schutz der existenziellen Stützpunkte stellt ebenfalls eine Herausforderung dar, für die nicht umfangreich Vorsorge getroffen ist

Und die entscheidende Lücke hierfür: fehlende AAW Fregatten und keine Marine-Fliegerei.

Zitat:Die Bedrohung durch kostengünstige Systeme ist real. Bewaffnete Kleindrohnen, die in großen Mengen omni-direktional angreifen, machen koordiniert mit einer Störung des elektromagnetischen Spektrums die Verteidigung unmöglich oder überfordern heutige Systeme. Wirksame Antworten hierauf sind zu entwickeln. Erste Erprobungen von Wirklasern können hier eine Richtung weisen. Billige Antworten auf billige Bedrohungen tun aber not, um in einem Wettlauf mit einem innovativen Gegner erfolgreich zu sein.

Das ist ja grundsätzlich das Problem der Marine: die Kostenfrage. Kriegsschiffe sind einfach immens teuer und wenn der Gegner die gleichen Kosten in ein vielseitiger zu Land und zu Wasser einsetzbares System investiert (Stealth Drohnen beispielsweise) kommen Schiffe schnell kriegswirtschaftlich an ihre Grenzen.

Zitat:Die Fähigkeit zum Mineneinsatz muss reanimiert und ausgebaut werden. Solche Systeme sind einfach weiterzuentwickeln und können, intelligent programmiert, einen wesentlichen Beitrag zur Kontrolle der Ostsee leisten.

Unterwasser sind die Mittel der Zukunft einfache Wirkmittel wie abstandsfähige Wasserbomben gegen Drohnen und U-Boote, ferngelenkte bzw. autonome Detektions- und Bekämpfungssysteme gegen Minen und ortsfeste Sensoren in Weiterentwicklung bewährter Systeme.

Dass wir anscheinend so wenig Minen haben ist meiner Meinung nach auch eine Chance. So können wir völlig frei von alten Zöpfen komplett neue Minen konzipieren, beschaffen und vorhalten.

Zitat:Die gezogenen Schlussfolgerungen lesen sich wie eine schier endlose Wunschliste von technischen Lösungen. Sie sind nicht abschließend und zum Zeitpunkt, in dem Sie sie lesen, unter Umständen schon wieder überholt. Sie sollen aber einen wesentlichen Trend verdeutlichen. Hohe Reichweiten und das Trennen von Sensoren und Wirkmitteln, Vernetzung und Diversifizierung von Wirkung im gesamten, hybriden Spektrum haben den Schwerpunkt weg von wenigen, kampfkräftigen Plattformen hin zu zahlreichen, vernetzten, häufig autonomen oder ferngelenkten Systemen verschoben. Große Stückzahlen, moderne, aber günstige Technik mit schnellen Innovationszyklen bestimmen das Geschäft.

Die wirklichen Herausforderungen sind nur bedingt technisch, sondern in erster Linie intellektuell, kulturell und gesellschaftlich.

So ist es.

Beschließend möchte ich anmerken, dass das mal einer besten deutschen Artikel zu militärischen Fragen war die ich seit langem gelesen habe. Das zeigt doch mal wieder auf, dass wir durchaus die richtigen Leute haben, man müsste sie nur ausreichend identifizieren und dahin bringen wo sie tatsächlich wirken können. Alles eine Frage der Führung! Und das heißt eine Frage der Personalentwicklung.

Den richtigen militärischen Führer an die richtige Stelle zu setzen und dann auf ihn zu hören wäre so wesentlich. Leider geschieht das in dieser Bundesrepublik viel zu wenig. Ich habe mich ja immer recht wenig mit der Marine beschäftigt, und weiß nicht genug über diese bzw. habe auch ganz allgemein immer eine eher feindliche Haltung gegenüber der Marine. Aber interessantererweise und konträr zu meiner Grundeinstellung gegenüber der Marine höre ich gerade von Marineoffizieren oft die sinnvollsten und besten Sachen. Oder nehmen wir die herausragende Leistung deutscher Kampfschimmer in Afrika bei der Militärausbildung usw usf

Eine Idee die mich seit langem umtreibt ist daher, ob man solchen gesunden Menschenverstand nicht teilstreitkräfteübergreifend mehr Nutzen sollte. Damit meine ich konkret, dass man beispielsweise einen solchen Kapitän z.S. wie den Autor des Artikels damit beauftragt mechanisierte Verbände zu konzipieren und umgekehrt einen Luftwaffenoffizier für entsprechende Marineaufgaben vorsieht usw. Um dadurch gezielt eine Außenseiterperspektive zu erlangen und um so Erfahrungen mit einer Art von Truppe auf eine andere Art von Truppe zu übertragen, was meiner Meinung nach vorteilhaft ist. Beispielsweise übertrug Rommel Erfahrungen aus dem Infanteriekampf auf die Panzertruppe. Warum also nicht Erfahrungen aus der Marine auf die Panzertruppe übertragen oder das zumindest mal experimentell versuchen.

Gerade weil wir es nicht mehr leisten können Innovationszyklen zu ignorieren, gerade weil den aus der Zeit gefallenen Rüstungsprozessen und der Rüstungsindustrie eine neue Innovationsfähigkeit einhauchen müssen, gerade weil wir Lernbereitschaft, tabulose Analysefähigkeit und Leidenschaft benötigen, wäre eine solche Betrachtung von althergebrachtem und tradierten Systemen aus einer anderen Perspektive ein großer Vorteil.

Deshalb bin ich begeistert wie gut der Kapitän z.S. Kesten das hier beschreibt:

Zitat:Expertise im Raum und in der Natur des Krieges sind die Grundvoraussetzungen, Lernbereitschaft und tabulose Analysefähigkeit sind die erforderlichen Eigenschaften, um Veränderungen zu gestalten. Neue Innovationsfähigkeit muss den aus der Zeit gefallenen Rüstungsprozessen und der Rüstungsindustrie eingehaucht werden. Das muss die Gesellschaft wollen. Unser Kapital sind junge, kluge Köpfe, leidenschaftliche Soldaten, die neue Prozesse, Partner und Ideen einbringen und umsetzen wollen, um unser Rüstzeug bedrohungsgerecht weiterzuentwickeln.

Nichts hinzuzufügen. Genau das was ich auch immer zum Ausdruck bringen will, aber nicht so perfekt und sprachlich ausgereift ausdrücken kann. Genau da müssen wir hin.
Zu den AAW Fregatten:

Diese haben mit Sicherheit ihre Berechtigung. Es handelt sich hier aber um eine wenn nicht die teuerste Einheit. Wenn man hier z.B. in 8 Einheiten investieren würde, blieben andere Projekte auf der Strecke. Wenn der Gegner ein Mittel findet diese Einheiten auszuschalten (z.B. Hyperschall) fällt das Kartenhaus zusammen.

Wenn der Gegner dann ggf. ungleich mehr günstige Einheiten wie S400 bzw. 500 auffährt hat man schnell ein Ungleichgewicht. Die LKW gestützten Systeme lassen sich leichter verbergen und verteilen.

Ich würde demnach meinen, dass gerade bei dem relativ kleinen Raum der Ostsee (welche größtenteils nicht befahrbar ist) AAW Fregatten das falsche Pferd wären.

Ist das Gebiet weitläufiger oder man hält kein Land sieht das natürlich anders aus. Dies Spielt für unser Marine aber eine geringer Rolle. So würde ich bei uns auf ASW und U-Boote setzen + einige wenige AAW Einheiten.

Bei der Marinefliegerei wäre ich dabei. Hier die Frage auf welche Systeme man hier setzt. Kann man dies komplett auf Seefernaufklären aufbauen oder bedarf es hier besondere Varianten eines EF oder ähnlich?
Zu der Minenthematik - wir haben (oder hatten?) im Bestand...

a) DM61-G2 (SGM 80 = Seegrundmine 80) von STN Atlas Elektronik, seit ca. 1987 im Bestand. Wurde konzipiert, um von Schnellbooten gelegt zu werden. Grob: 500 kg Sprengladung, Länge: ca. 180 cm. Auslösung über Magnet-, Akustik- oder Hydrodynamikzünder.

b) DM41-G1 (FG-1) von Faun hergestellt, seit grob 1980. 535 kg Sprengkopf. Ist konzipiert worden, um von U-Booten gelegt zu werden, dabei kann sie als Grundmine bis in 60 m Tiefe ausgebracht werden, also u. a. klassische Ostseewaffe. Magnet-, Akustik- oder Hydrodynamikzünder.

c) DM51-G4 (SAI = Seemine Anti-Invasion), gebaut von Telefunken ab 1987. Koproduktion mit den Dänen. Einsatz in Küstengewässern bis 15 m Tiefe. Kann von Helikoptern und kleinen Schiffen gelegt werden. Kleinere Ladung um die 60 kg.

d) Weiterhin gibt es ein Minenkonzept G3. Hierbei handelt es sich eine Art Counter-Mine (d. h. eine Mine, mit der Minen gesprengt werden sollen). Weitere Infos fand ich aber dazu nicht.

Fragt mich aber bitte nicht, was wir davon noch "im Lager" haben, habe ich leider nichts zu gefunden...Wink

Schneemann