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Normale Version: Russland & Verbündete gegen Europa & USA
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In dem konkreten Konzept sorgt die übermäßig modulare Auslegung für unnötige Dimensionen bei vermutlich reduzierter Belastbarkeit. Daher ist das eher kommerziell oder in der Expeditionskriegsführung interessant. Aber die gleichen Technologien könnten auch in kompakteren Abmessungen verwendet werden.
Und es zeigt, dass diesbezüglich gerade in Deutschland mit TKMS die erforderliche Industriekompetenz im besonderen Maße gegeben ist. Und in Verbindung mit unserer militärischen Verantwortung für den Ostseeraum, sollten wir diese Chancen unbedingt nutzen und in diesem Bereich unsere Investitionen konzentrieren.
Z.B. dürfte ein unbemannter Unterwasser-Minenleger für die Deutsche Marine industrieseitig keinerlei Herausforderung mehr darstellen und könnte als Subsystem bei der Frankenthal-Nachfolge oder einer zukünftigen Korvettenklasse Verwendung finden.
Diese TKMS-Studie ist sehr interessant, und war mir auch nicht geläufig (hier Dank an 26er). Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit ein solches System realisiert werden kann, damit meine ich einmal das Zeitfenster (das sich rasch schließen kann) und auch den politischen Willen (der derzeit gegen "nichtexistent" geht).

1.) Zudem stellen sich aber auch technische Fragen anderer Natur:

1.1.) Grob kalkuliere ich Länge mit dem Faktor 2,5, um einen ausreichenden Manövrierspielraum für Unterwassergefährte zu haben. Bedeutet: Ein 25-Meter-Objekt sollte, um ausreichend Raumkapazitäten zum Manövrieren zu haben, eine Wassertiefe von ca. 65+ Metern vorfinden. Das ist nicht immer gegeben, im geplanten Einsatzraum (Westausgang Finnenbusen) liegt sie grob bei 50 bis 120 Metern. Und letzteres auch nur im idealen Mittelweg.

1.2.) Wie kann dieses System mit Störungen oder Hindernissen (z. B. Eis im Verlegeraum oder gegnerische Minen?) umgehen? Reicht die KI, eine Sperre auch unter Eisgang zu werfen?

Letztlich ist es eine Option, aber eine mit vagen Parametern.

2.) Bzgl. unseres Schauplatzes: Meiner Meinung nach kristallisieren sich bislang vier Eckpunkte heraus:

2.1.) Minen,
2.2.) Luftstreitkräfte,
2.3.) Leichte Seestreitkräfte,
2.4.) ?

Unter 2.4.) habe ich bewusst ein Fragezeichen gesetzt, da wir es mit einem hochkomplexen, unübersichtlichen und stark wetterbelasteten maritimen Kampfschauplatz zu tun haben werden. Diesen möglichen 2.4.)-Faktor hat hier m. W. n. Quintus einmal erwähnt - Küstenverteidigung mit containerisierten LFK. Ich denke nun nicht nur an die Iskander in Kaliningrad, sondern generell an dieses Thema. Wir können von ausgehen, dass in einem von Küstennähe geprägten, eher seichten Beinahe-Binnenmeer der Küstenschutz starken Einfluss haben wird.

Hier greift auch keine große Erfahrung mehr aus vergangenen Kriegen, da die Seeziel-FK unserer Tage Kapazitäten haben, die man sich früher nicht hat träumen können. Generell: Mit den Reichweiten kann man die gesamte Ostsee abdecken, zumindest grob vom Baltikum nach Schweden und umgekehrt.

Die Gegenseite kann einsetzen:

- SS-N-9 Siren (wohl 150 km Reichweite, zumeist gestützt auf leichte Seestreitkräfte),
- SS-N-22 Sunburn (bis 250 km Reichweite, auch landgestützt auf TEL, ggf. thermonuklear),
- SS-N-26 Strobile (vermutl. über 600 km Reichweite, auch landgestützt auf TEL, ggf. thermonuklear),
- SS-N-27 Sizzler (auch Container-Waffe, Reichweite min. 220 km bis angebl. (?) 2.000+ km),
- P-900 Alfa (experimentell, Status = in Entwicklung, potenziell aber auch Container-Waffe).

Nur so als Gedankengang...

Schneemann
2.4 wären für mich die Küstenjäger/ Marineinfanterie/ Luftlandetruppen mit entsprechend mobilen kleinen bis mittleren FKs. Da stellt sich mir dann auch die Frage wie das abliefe, wie auf den Falklands (eher nicht), oder mit agilen kleinen Trupps die auf Inseln ständig in Bewegung und nicht leicht zu finden/fassen sind. Was dann die Notwendigkeit für ein kleinteiliges und konsolidiertes Lagebild betonen würde, joint und combined und CIMIC/ZMZ, etwas woran mit man in Rostock intensiv arbeitet.
Da sich die TKMS-Studie auch speziell an kommerzielle Anwendungen am Grund zu richten scheint, würde ich davon ausgehen, dass ein solches System keine größeren Probleme damit bekommen sollte, in flachen Gewässern zu agieren.

(15.11.2021, 20:33)Schneemann schrieb: [ -> ]Bzgl. unseres Schauplatzes: Meiner Meinung nach kristallisieren sich bislang vier Eckpunkte heraus:

2.1.) Minen,
2.2.) Luftstreitkräfte,
2.3.) Leichte Seestreitkräfte,
2.4.) ?

Unter 2.4.) habe ich bewusst ein Fragezeichen gesetzt, da wir es mit einem hochkomplexen, unübersichtlichen und stark wetterbelasteten maritimen Kampfschauplatz zu tun haben werden. Diesen möglichen 2.4.)-Faktor hat hier m. W. n. Quintus einmal erwähnt - Küstenverteidigung mit containerisierten LFK.

Das Fragezeichen kann man sich da wohl sparen. Ich denke, hier herrscht weitestgehend Konsenz, dass landbasierte LFK - wie auch insgesamt weitreichende (Raketen-)Artillerie - eine entscheidende Rolle im Ostseeraum spielen müssen. Bezüglich des Finnischen Meerbusens stellt sich mir sogar die Frage, inwieweit sich dieser direkt vom finnischen Festland aus sperren lässt, solange dieses nicht besetzt ist.
@Ottone:

(15.11.2021, 20:53)Ottone schrieb: [ -> ]2.4 wären für mich die Küstenjäger/ Marineinfanterie/ Luftlandetruppen mit entsprechend mobilen kleinen bis mittleren FKs. Da stellt sich mir dann auch die Frage wie das abliefe, wie auf den Falklands (eher nicht), oder mit agilen kleinen Trupps die auf Inseln ständig in Bewegung und nicht leicht zu finden/fassen sind. Was dann die Notwendigkeit für ein kleinteiliges und konsolidiertes Lagebild betonen würde, joint und combined und CIMIC/ZMZ, etwas woran mit man in Rostock intensiv arbeitet.

Das mit den kleinen agilen Trupps würde auf jeden Fall Sinn machen. Aus dem Grund unterhalten die Skandinavier solche Truppen. Allerdings sind ihre Möglichkeit zur Aufklärung und Wirkung eher begrenzt. Die Finnen verwenden hier Spike LFK.

Die Hauptaufgabe sehe ich darin, dass diese das unübersichtliche Kostenvorfeld in den Schären überwachen.
Nochmal beschließend zu Seeminen:

Zitat:Bei offensiven Sperren ist es bei unserem Szenario wesentlich schwieriger. Bei einem überraschenden Kriegsausbruch besteht schlicht das Problem, dass ich in Schlagreichweite des Gegners, der damit auch rechnet, operieren muss und zudem erst die Legekapazitäten dorthin bekommen muss. (Im Zweiten Weltkrieg wurde ein erheblicher Teil der offensiven deutschen Riegel bereits VOR Kriegsausbruch (bzw. dem Angriff im Rahmen von Barbarossa) ausgeworfen, so die berüchtigten Apolda- oder Juminda-Sperren, die die schwersten Verluste der Baltenflotte in den ersten Kriegsmonaten bewirkten.)

Allerdings wäre dies aktuell nicht praktikabel, zumal wir das Baltikum (damals Teil der UdSSR bzw. von dieser 1940 annektiert) ja nicht abriegeln, sondern verteidigen wöllten. Hieße: Unsere offensiven Sperren müssen in den Rachen des Gegners im Westausgang des Finnenbusens geworfen werden NACH Kriegsausbruch. Das erscheint mir sehr riskant, zudem muss berücksichtigt werden, dass wir auch vorbeugend ("preemptive strike") mutmaßlich neutrale finnische Gewässer verminen müssten, was politisch ein heikles Thema wäre...

Wenn wir entsprechend große Mengen an modernen Seeminen beschaffen und in Polen, Litauen und Estland vorstationieren und dort stark disloziert direkt an der Küste, evtl. sogar bereits unter Wasser vorhalten, dann ist die Anlage einer offensiven Sperre vor der Enklave Kaliningrad sowie die Abriegelung des finnischen Meeresbusens überhaupt kein Problem. Man setzt dann die Minen einfach von der Küste aus in Bewegung, die zu überbrückende Distanz ist ja sehr gering.

Und selbst wenn Finnland plötzlich seine Neutralität wieder entdecken sollte, verminen wir die finnischen Hoheitsgewässer von Estland aus einfach mit. Dann kann Finnland ja offiziell dagegen protestieren und wir erzählen was von Meeresströmungen und unabsichtlichen Versehen etc
Unterm Strich hat Russland in der Ostsee ein Interesse an stärkerer Verminung, nicht die NATO/EU, abgesehen von stratigischen Inseln Schwedens und Finnlands und eben den Ausfahrten aus den Stützpunkten der baltischen Flotte.
(16.11.2021, 17:07)Ottone schrieb: [ -> ]Unterm Strich hat Russland in der Ostsee ein Interesse an stärkerer Verminung, nicht die NATO/EU

Ein Grund mehr für uns, die russischen Schiffe möglichst frühzeitig am Auslaufen zu hindern oder sogar auszuschalten.
Aber im Allgemeinen haben wir einen viel größeren Bedarf an Minenabwehr als am Minenlegen, das stimmt wohl.
@Quintus
Zitat:Wenn wir entsprechend große Mengen an modernen Seeminen beschaffen und in Polen, Litauen und Estland vorstationieren und dort stark disloziert direkt an der Küste, evtl. sogar bereits unter Wasser vorhalten, dann ist die Anlage einer offensiven Sperre vor der Enklave Kaliningrad sowie die Abriegelung des finnischen Meeresbusens überhaupt kein Problem. Man setzt dann die Minen einfach von der Küste aus in Bewegung, die zu überbrückende Distanz ist ja sehr gering.

Und selbst wenn Finnland plötzlich seine Neutralität wieder entdecken sollte, verminen wir die finnischen Hoheitsgewässer von Estland aus einfach mit. Dann kann Finnland ja offiziell dagegen protestieren und wir erzählen was von Meeresströmungen und unabsichtlichen Versehen etc.
So oder so werden wir da kaum darum herumkommen, wobei ich ehrlich gesagt auch nicht an eine finnische Neutralität glaube, wenn es denn hart auf hart kommen sollte.

Wobei es aber so ist, dass man die finnischen Küstengewässern nicht einfach mit (kolportierten) "Treibminen" sperren kann, sondern hier etwas gezielter vorgehen muss. Das liegt an der Unübersichtlichkeit der Schärengewässer einerseits, die relativ gezielt gesperrt werden müssten. (Dass Treibminen ärgerlich sind und Suchoperationen nach sich ziehen, ist davon unberührt.) Ferner sind Minen zweitens nicht so ganz einzuschätzen wie Flöße oder Brander, sie gezielt in die Schären treiben zu lassen, ist sehr gewagt, am Ende kommen die Dinger mit einer Gegenströmung (und in Küstennähe laufen die Strömungen häufig entgegengesetzt zum Tiefenweg, d. h. mit Tiden-Verwirbelungen in Richtung Ostsee zurück) dann wieder zu uns zurück...

@Ottone

Naja, ob Russland ein stärkeres Interesse hat als wir, in der Ostsee Minen zu werfen, ist fraglich. Wenn es eine offensive Vorgehensweise sein soll, also mit Landemanövern an der gegnerischen Küste, so würde man sich keinen Gefallen tun, wenn man vorher versucht alles zu verminen.

@Allgemein zum Thema

Dass die Russen es genauso wie wir wissen, dass man den Krieg mit kleineren Einheiten führen wird müssen und dass U-Boote wenig taugen werden, zeigt sich übrigens auch an der Zusammensetzung der Baltenflotte. Fast alle wirklich großen Einheiten und U-Boote der Russen sind bei der Nordflotte oder im Pazifik.

In der Ostsee haben die Russen gerade einmal...

- einen Zerstörer (Sovremenny-Klasse, der liegt aber derzeit im Dock),
- zwei Fregatten (davon eine im Dock),
- vier Korvetten der Steregushchiy-Klasse (1.800 Tonnen),
- sechs Korvetten der Parchim-Klasse (900 Tonnen),
- neun Nanuchka-Klasse-Korvetten (600 Tonnen).

Also d. h. drei größere Einheiten und 19 Korvetten von 600 bis 1.800 Tonnen. Die sind zwar zum Teil alt und hässlich, aber immer noch gefährlich und tragen eine recht beeindruckende Raketenbewaffnung. Unsere Raketenabwehr sollte also auf Trapp sein.

Hinzu kommen - wobei da die Einsatzbereitschaft unklar ist - mindestens...

- ca. 12 (14?) Raketenschnellboote (auch "kleine Raketenschiffe" genannt) der Typen Tarantul und Karakurt,
- 9 Patroller mit MGs,
- 11 Minensucher verschiedener Größe,
- 14 Landungsfahrzeuge (darunter vier 4.000 Tonnen große Ropucha-Typ-Schiffe in Baltiysk)
- 4 Spionage-/Aufklärungsschiffe

Und - man staune (aber wundern tut es nicht) - nur ein U-Boot der alten Kilo-Klasse. Smile

Kurzum: Bzgl. U-Boote wird da nichts kommen, aber es ist ein Gewusel von kleineren Einheiten, die teils ein heftiges Arsenal an Seeziel-FK mit sich herumtragen.

Schneemann
@Schneemann:

Ich denke der interessantere Teil der Baltischen Flotte sind die Buyan- und Karakurt-Korvetten mit Kalibr-FK.
(17.11.2021, 08:13)Schneemann schrieb: [ -> ]Naja, ob Russland ein stärkeres Interesse hat als wir, in der Ostsee Minen zu werfen, ist fraglich. Wenn es eine offensive Vorgehensweise sein soll, also mit Landemanövern an der gegnerischen Küste, so würde man sich keinen Gefallen tun, wenn man vorher versucht alles zu verminen.
...
Fast alle wirklich großen Einheiten und U-Boote der Russen sind bei der Nordflotte oder im Pazifik.

Realistisch betrachtet kann die Baltische Flotte genau eins: Unmengen westlicher Kräfte binden durch ein rein theoretisches Bedrohungsszenario.
Haben dann die K130 in ihrer jetzigen Form doch ihre Daseinsberechtigung? Die Boote werden ja sehr kontrovers diskutiert.

Wir sind am Punkt das U-Boote in der Ostsee wenig relevant sind und der Gegner selbst nur über eines verfügt. So ist die Kritik dass die Boote bei ASW nicht unterstützen können ggf. wenig relevant. Wichtig ist vermutlich vor allem den Gegner aufzuklären bevor er dies tut. Hier stehen nun auch die Drohnen zur Verfügung.

Für die Ujagt stehen in Nordsee dann F123/126, die F125 sowie die eigenen U-Boote zur Verfügung. Die F124 bzw 127 sichern zusätzlich dem heimischen Luftraum in Nord und Ostsee.

Wo seht ihr denn im maritimen Bereich bei uns die größten potentiellen Lücken?
(18.11.2021, 20:33)Leuco schrieb: [ -> ]Haben dann die K130 in ihrer jetzigen Form doch ihre Daseinsberechtigung? Die Boote werden ja sehr kontrovers diskutiert.
Das sind Allrounder für Randmeere. Die haben sicher ihre Berechtigung in zahlreichen Expeditionseinsätzen, in denen Fregatten überdimensioniert sind. Also genau das, was wir momentan ständig real brauchen. Somit würde ich diese Einheiten primär für Konflikte im afrikanischen und vorderasiatischen Raum, vor allem im Mittelmeer sehen. Für den potentiellen Kampfraum Ostsee sind sie halt der Schnellbootersatz und in erster Linie relevant durch ihre verhältnismäßig große Anzahl. Für die hier bereits angesprochenen Zeiträume vor und nach den "heißen Wochen" bzw. bei schwelenden Auseinandersetzungen geringerer Intensität mMn ebenfalls geeignet also zumindest keine Fehlinvestition. Aber nach dem 2. Los sollte es dann auch reichen.
Allerdings kann ich mangels Expertise die Bewaffnung nicht gut einschätzen.

(18.11.2021, 20:33)Leuco schrieb: [ -> ]Wo seht ihr denn im maritimen Bereich bei uns die größten potentiellen Lücken?
Nur von außen betrachtet, da ich nicht drin stecke: Einsatzbereitschaft, Personalgewinnung, Beschaffungsstrategie. Also das Übliche in der BW.
Aber wenn es um die Einheiten geht, meiner persönlichen Meinung nach die Luftkomponente und alles was man für den kleinteiligen Küstenkampf benötigt. Also Kampf- und Landungsboote, unbemannte Über- und Unterwasserfahrzeuge und gerne noch eine kleine eierlegende Wollmilchsau. Also ein Schiff in Korvettengröße, dass die vorgenannten Boote und Subsysteme einsetzen und idealerweise damit auch den Minenkampf führen kann. Und davon dann viele, möglichst flexibel modular aufgebaut.
Die Stärke der Korvetten ist vor allem ihre auf zwei Masten verteilte Sensorik, nämlich praktisch die einer vollwertigen Fregatte - bis natürlich auf die Tatsache, dass es 2D Einheiten ohne Unterwasserkomponente sind. Die Bewaffnung ist absolut ordentlich und die Boote sind konsequent für das intensive Gefecht gebaut. Absehbar kommen Laser und/oder 4 mittlere/kleinere FKs sowie Torpedoabwehr hinzu. An Oberdeck kann man gut erkennen, daß so gut wie jeder Zentimeter genutzt wird: Die Korvetten sind vollgepackt mit Gerät und Technik und sehr kompakt.
Zitat:Putin zur Osterweiterung

Hat die NATO Versprechen gebrochen?

Russlands Präsident Putin fordert neue Sicherheitsgarantien für sein Land. Schließlich habe die NATO ihr Versprechen, sich nicht nach Osten auszudehnen, gebrochen. Doch was ist dran an diesem Versprechen? [...]

Rechtlich verbindliche Sicherheitsgarantien fordert Russlands Präsident Wladimir Putin von den USA und deren Verbündeten. Sie sollten jedwedes weitere Vorrücken der NATO nach Osten und die Stationierung offensiver Waffensystemen in unmittelbarer Nähe zur Russischen Föderation ausschließen, sagte er am 30. November vor ausländischen Diplomaten in Moskau. Über frühere mündliche Versprechen, dass sich die NATO nicht nach Osten ausdehne, hätten die westlichen Partner hinweggesetzt. [...]

Wesentlich für die Behauptung einer Zusage an die Sowjetunion sind Gespräche im Februar 1990 zwischen dem damaligen US-Außenminister James Baker und Staatschef Michail Gorbatschow. Einem Memorandum zufolge sagte Baker damals: Die Amerikaner hätten verstanden, dass für die Sowjetunion und andere europäische Länder Garantien wichtig seien für den Fall, dass die USA ihre Präsenz in Deutschland im Rahmen der NATO beibehalten würden, "sich die gegenwärtige Militärhoheit der NATO nicht ein Zoll in östlicher Richtung ausdehnen wird". Gemeint war jedoch das Gebiet der DDR - an eine NATO-Mitgliedschaft von Staaten des 1990 noch bestehenden Warschauer Paktes war damals nicht zu denken.

Putin verwies in München auf eine Aussage des damaligen NATO-Generalsekretärs Manfred Wörner am 17. Mai 1990: "Schon die Tatsache, dass wir bereit sind, die NATO-Streitkräfte nicht hinter den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zu stationieren, gibt der Sowjetunion feste Sicherheitsgarantien." Auch hier war das Gebiet der DDR gemeint. Das wird an einem weiteren Satz Wörners deutlich, den er danach sagte: "Wir könnten uns eine Übergangszeit vorstellen, in der eine verringerte Anzahl von Sowjettruppen in der heutigen DDR stationiert bleiben." Die Wiedervereinigung fand Monate später, am 3. Oktober 1990, statt. Der Abzug der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte vom Gebiet der ehemaligen DDR zog sich bis 1994 hin. [...]

Gorbatschow selbst zitierte mehrfach die Worte, wonach sich die NATO keinen Zentimeter nach Osten bewegen würde, so auch in einem Interview mit der "Bild" im Jahr 2009. Fünf Jahre später sagte er im ZDF jedoch, es sei 1990 um das Territorium der DDR gegangen. Eine NATO-Expansion sei damals nicht diskutiert worden: "Der Warschauer Pakt existierte doch noch. Die Frage stellte sich damals gar nicht." Es sei ein Mythos, dass er vom Westen betrogen worden sei. [...]

Auch wenn die Ukraine und Georgien den Beitritt zur NATO in ihren Verfassungen verankert haben und Umfragen seit Jahren eine relativ hohe Zustimmung zeigen, ist ein Beitritt in absehbarer Zukunft unrealistisch - selbst wenn damit keine angeblichen politischen Versprechen gegenüber Russland gebrochen würden. Würde die NATO auf Druck Putins hin jedoch eine Garantie für den Nichtbeitritt beider Staaten geben, würde dies deren außenpolitische Souveränität verletzen.
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/n...a-101.html

Unabhängig einmal von dem Umstand, dass es hier zumindest dehnbare Absprachen wohl gab, die dann wieder missverstanden wurden, kann man zwar rein aus russischer Warte den Sachverhalt, dass das westliche Bündnis immer näher an die eigene Westgrenze heranrückt, als Bedrohung deuten. Nur muss eben auch gesagt werden, dass es Moskaus gravierende Eigenverantwortung war, wie sich das frühere Bollwerk im Westen letztlich verhalten hat.

Es wäre mit Sicherheit von auszugehen gewesen, dass die Balten, die Polen, die Tschechen und die Ungarn sehr wahrscheinlich in jedem Fall ins westliche Lager gewechselt wären, zu brutal war Moskau mit seinen Nachbarn hier umgesprungen und auch historisch betrachtet wäre das Verhältnis zu belastet gewesen, als dass es Russland hätte gelingen können, diese alten Satelliten irgendwie politisch bei sich zu behalten.

Aber mit einer Charmeoffensive hätte es zumindest gelingen können, die Rumänen, Bulgaren und auch Slowaken von der Integrität des neuen Russland und guten Absichten zu überzeugen, so dass hier eine Wiederannäherung oder Partnerschaften möglich gewesen wäre/n. Aber da war nicht viel (zugegeben, das Russland unter Jelzin war ein Beispiel der traumatischen Selbstverstümmelung - und das sage selbst ich, der Moskau sehr skeptisch gegenüber steht), im Gegenteil: Man hat dann eher versucht, alte Stärke mit halbgar aufbereiteten aggressiven Mitteln zu zeigen (bzw. zu suggerieren) - u. a. im desaströsen ersten Tschetschenienkrieg. Dieses Debakel, innenpolitische Wirrnis, wirtschaftliche Unfähigkeit und eine sinnfrei-nationalistische Krawallrhetorik haben dann aber auch den letzten Rest des ehemaligen Westbollwerks erodieren und ins westliche Lager wechseln lassen. Moskau hatte an den Entwicklungen also auch selbst erhebliche Mitverantwortung.

Und leider ist es aktuell einmal mehr die moskowitische Unfähigkeit, sich in die Psyche anderer Staaten hineinzuversetzen, wenn man indirekt fordert, dass Staat X gefälligst nicht Bündnis X beitreten darf, da man hiermit die nationale Selbstentscheidungsfindung dieser Länder negiert und übergeht. Sympathien gewinnt man damit keine, ebenso nicht, wenn man beinahe überall paranoid "Faschisten" am Werk sieht, wenn ein Land eine abweichende Haltung einnimmt...

Schneemann