@Tiger
Zitat:Es stellt sich auch die Frage, wem ein Beitritt der Türkei zur EU was bringen würde. Der Türkei geht es wirtschaftlich ja im Moment ziemlich übel.
dem kann ich nur bedingt zustimmen. Hättest du diese Aussage noch vor 2-3 Jahren getätigt, hätte ich dir beipflichten müssen.
Aber ich denke man sollte 'fair' sein und das was die Türkei seit der Wirtschaftskrise geleistet hat, beachten.
Das Pro-Kopf-Einkommen ist von ehemals 2500$ auf knapp 3900$ gestiegen, das BIP wird nur dieses Jahr um 6% Prozent wachsen, die Inflation wird am Ende des Jahres einstellig werden, der auf vormals 115 Milliarden Dollar angestiegene Schuldenberg wird eifrigst abgebaut, die türkische Wirtschaft wächst seit 3 Jahren um 5 bis 7%,...
Natürlich diese Zahlen kommen nicht oder kaum an europäische Standarts ran, aber man darf nicht vergessen - die Türkei hat knapp 70 Millionen EInwohner, wächst jedes Jahr um eine weitere Million, musste einen 15 jährigen Krieg gegen die PKK durchstehen (der Krieg kostete die Türkei knapp 35 Milliarden Dollar), das große Erdbeben, die Wirtschaftskrise,...
All das sind nicht unerhebliche Faktoren wenn man die heutige Lage der Türkei beurteilen will.
Was die Türkei vorallem braucht ist Stabilität und 'Ruhe'.
Sie braucht nicht europäische Annahmen von Liberalität und Rechtsstaatlichkeit, sondern vorerst Stabilität und ein gesundes Wirtschaftswachstum (alles andere ist vorerst Luxus). Ausserdem halte ich die 'Anpassungen an EU-Normen' für einen unnatürlichen Akt. Man will eine Westminster Demokratie Kopie in der Türkei 'erzwingen' (über dem Weg der Aufnahme in die EU) merkt aber nicht, dass die Türken vorallem mal wirtschaftliche und finanzielle Sicherheit brauchen bevor sie viel über Brüssel und den damit verbundenen staatspolitischen Wechsel nachdenken können.
Die Erdogan Regierung ist vielleicht dies und das, und man kann ihr auch vorwerfen, dass sie die geheiligten kemalistischen Pfeiler ins Wanken bringt aber in Angesicht der jahrelangen korrupten Mehrparteien Koalitionen ist sie das bessere 'Übel'. Wie gesagt - es geht um Stabilität.(nicht zu verwechseln mit Stagnation)
Zitat:Ich sehe bekanntermaßen die EU sehr kritisch, und wenn jemand behauptet daß sie sich in einigen Jahren zerfallen könnte würde ich nicht lachen. Es ist doch so, daß sie durchaus schon in einer Krise steckt. Schon die Erweiterung der EU nach Osten ist ein Symptom dafür - ein System, welches in einer Krise steckt, wird versuchen, sich auszudehnen - ebenso wie die Ergebnisse der letzten Wahlen in der EU.
Mit der letzten Erweiterung ist die EU endgültig an ihre Grenzen angelangt.
Das einzige Land, dass sich noch innerhalb der Grenzen des klassischen Abendlandes befindet ist Kroatien. Wie auch immer, es ist doch augenfällig, dass sich die EU doch nur innerhalb der Grenzen des katholisch-protestantischen 'Erbes' ausdehnt. Bei allem Streit, bei allem Zerwürfnis zwischen den einzelnen Staaten der EU - so sind diese Staaten doch auf einer kulturell-geschichtlichen Ebene eng verwandt. Spanier und Franzosen, Deutsche und Holländer. Auch Polen, Tschechen und Ungarn spielten in der europäischen Geschichte eine Rolle, auch sie nahmen teil an Renaissance, Humanismus,...
aber was ist mit dem orthodoxen Osten? Russland, Ukraine, Rumänien?
Jeder Realist weiß, dass die endgültige Grenze zwischen der EU und dem Rest hier zwischen Polen und Weißrussland und dort zwischen Kroatien und den muslimisch/orthodoxen Nachbarn verläuft.
Jetzt könnte man sagen, die Türken spielen schon seit ihrem Auftreten in Anatolien 1048 eine (wenn auch unerwünschte) Rolle in Europa. Aber wie sah die Rolle der Türken denn aus?
Zitat:Der Begründer des Protestantismus Martin Luther verglich das türkische Heer mit dem Heer des Teufels. Seiner Ansicht nach waren die Türken >die Strafe Gottes und müssen bestraft werden< Martin Luther hat diese gegen die Türken gerichteten Gedanken in den zwei Büchern >Krieg gegen die Türken< (1528) und >Aufruf zum Gebet gegen die Türken< (1541) niedergeschrieben. Diese Ansichten blieben über Jahrhunderte bei den Kirchen- und Staatsmännern vorherrschend. Kardinal Newmann zum Beispiel erläuterte 1854 die Ansichten der katholischen Kirche folgendermaßen: >Von den Westgoten bis zu den Sarazenen haben alle Rassen und Volksstämme früher oder später das Christentum angenommen. Die einzige Ausnahme dieser allgemeinen Regel sind die Türken. Nicht nur, dass sie das Christentum nicht annahmen, sie haben sogar versucht, es zu beseitigen;
Seitdem sie 1048 auf die Bühne des Weltgeschichte traten, waren sie die Vorkämpfer der Christenfeinde, deren Wortführer und Symbol< Aus diesem Grund sah die katholische Kirche die Türken zwischen dem 11. und 18. Jahrhundert als ihr Hauptproblem und ihren Hauptgegner an. Man kann sogar sagen, dass der Vatikan die letzten
1000 Jahre im Krieg mit den Türken verbracht hat…>Ich bestreite nicht die Kampfesstärke der Türken, aber gerade diese Stärke macht sie zu erbarmungslosen Feinden des Glaubens und der Zivilisation. Deswegen müssen
wir die Türken bekämpfen und vernichten
aus Onur Öymens *Die türkische Herausforderung*
Man sieht das die Türken alles andere als europäisch waren/werden wollten.
Man soll mich nicht falsch verstehen, ich propagiere hier keine Gewalt oder dergleichen, aber ich will lediglich zur Sprache bringen, wie eklatant die Unterschiede zwischen orientalisch-muslimischen Türken und christlich-abendländischen Europäern sind!
Wie es um die Zukunft der EU aussieht?
Naja was als eine lose Montanunion begann schickt sich an, ein quasi Staatenbund zu werden. Die einst stolzen Nationalstaaten des ausgehenden Jahrhunderts werden zusehends verdrängt und überlagert durch das schöne Attribut *europäisch* - das Ziel? Natürlich, Friede und Wohlstand für alle.
Aber...
Wie weit kann die europäische Idee gehen, ohne die Eigenstaatlichkeit und die jeweilige nationale Identität zu gefährden?
Oder wollen die europäischen Völker nicht mehr Franzosen, Deutsche, Polen sein?
Wieso hat Deutschland mit seinen 80 Millionen Einwohnern, genau so viele Parlamentsstimmen wie Frankreich mit 55 Millionen?
Kann Deutschland als größter und einzig relevanter Nettozahler die Last von immer mehr schwächeren Mitgliedsstaaten ausgleichen?
Will die EU als Gegenpol gegen die USA und ASEAN antreten?
Oder begnügt sie sich mit ihrer wirtschaftlichen Disparität zu den USA?
Und bei all diesen Fragen, die nur schwer zu beantworten sind, will man auch noch ernsthaft in Erwägung ziehen, eine islamische Gesellschaft von 70 Millionen aufzunehmen und diese allen Ernstes auch noch zu europäisieren beabsichtigt - das ist nicht staatspolitische Vernunft sondern sukzessive Utopie.