(08.05.2023, 22:30)Quintus Fabius schrieb: [ -> ]Welche Reichweite haben solche günstigen omnidirektionalen Störer bzw. welche Flächen könnten sie abdecken? Warum werden sie nicht in der Ukraine massenhaft eingesetzt, wenn sie so einfach und so extrem günstig sind?
Privat sind solche Störer logischerweise verboten, entsprechend gibt es anders als bei den Drohnen quasi keinen zivilen Markt für besonders günstige kommerzielle Systeme, die einen Nahbereichsschutz ermöglichen. Es läuft dafür also viel stärker auf den DIY-Bereich hinaus. Die Alternative sind leistungsfähigere Geräte, die auch zivil beispielsweise beim Veranstaltungsschutz zum Einsatz kommen können. Der Markt entwickelt sich, aber positiv ist, dass gerade das Zivilsegment aufgrund der leichten Verfügbarkeit an Drohnen auch entsprechende Gegenmaßnahmen immer kostengünstiger entwickelt. Bei größeren, störresistenten Drohnen bleiben am Ende ja nur militärische Nutzer und Auftraggeber übrig.
Bei einem günstigen DIY-System mit einer Ausgangsleistung im Bereich von 5 bis 10 Watt Gesamtleistung kann man einen Nahbereichsschutz von wenigen hundert Metern Durchmesser herstellen. Gegen direkte Angriffe ist das ausreichend, Aufklärungsdrohnen wird man so natürlich nicht bekämpfen können. Mit mehr Leistung ist das aber nach oben skalierbar. Den Energiebedarf könnte man über intelligente Schaltungen reduzieren, die einen Frequenzscanner nutzen und sich so nur dann aktivieren, wenn eine Drohne im Anflug ist. Das ist wie gesagt über die ständige Datenverbindung leicht aufzuklären. Theoretisch wären damit auch eine gezielte, gerichtete Abwehr möglich, bei der dann mit geringer Sendeleistung und einem engen Frequenzband höhere Reichweiten erzielt werden können. Das ist alles kein Hexenwerk, aber natürlich auch nicht einfach trivialer Modellbau.
Kleine kommerzielle Systeme für den Handbetrieb fangen so bei 20 bis 50 Watt Gesamtleistung und 10 bis 20 Watt pro Frequenzbereich an, erzielen Reichweiten von wenigen Kilometern und liegen im Preisbereich von gehobenen Zivildrohnen, Tendenz fallend. Fahrzeugintegrierte oder stationäre Systeme sind noch Leistungsfähiger mit noch höheren Reichweiten, können teilweise vernetzt werden und untereinander Datenaustauschen sowie diese über Schnittstellen für andere Systeme bereitstellen. Derartige Störer werden beispielsweise auch bei der Bundeswehr eingesetzt, und mich würde es sehr wundern, wenn diese nicht auch in der Ukraine zum Einsatz kämen. Von russischer Seite ist ja bekannt, dass verschiedene Störer in unterschiedlichen Kategorien verwendet werden.
Zitat:Wie würdest du in diesem Kontext einfachste vollautonome Systeme bewerten, die nach der Aufklärung eines Zieles aus großer Distanz (außerhalb der Reichweite dieser Störer) dann einfach auf einen primitiven vollautonomen Modus schalten und das "anvisierte" Ziel dann einfach automatisch verfolgen? Die Software weiter zu entwickeln könnte hier meiner Meinung nach einfacher sein als die Hardware weiter zu entwickeln / entsprechend zu härten.
Die Frage ist, wie so ein primitiver vollautonomer Modus realistisch betrachtet aussehen sollte? Im Zivilbereich ist das Thema autonome Zielverfolgung (dort spricht man eher von "Motiven", aber das Prinzip ist das gleiche) momentan im Trend, die Entwicklungen sind durchaus bemerkenswert, gleichzeitig erfordern sie aber starke Rechenleistungen. Alle gängigen Systeme etwa profitieren von den immer höheren Rechenleistungen der Smartphones, diese Rechenleistung müsste für eine Autonomie aber in die Drohnen integriert werden, was deren Preis (solange wir von "billigen" Zivildrohnen sprechen) doch signifikant erhöht. Zudem sind es jeweils optische Systeme, die also auf passende Einsatzbedingungen angewiesen sind. Und auch wenn die Zivilentwicklungen vor allem in den Bereich der Menschenerkennung schnell voran schreiten, sind die Erkennungsbedingungen im Zivilbereich gegenüber den Anforderungen über größere Distanzen andere. Vor allem wenn die Ziele nicht erkannt werden wollen (was im Zivilbereich ja in der Regel auch nicht das Problem ist).
Ich sage nicht, dass das alles unmöglich oder unwahrscheinlich ist, aber mit derartigen Systemen verlässt man sehr schnell den günstigen, massenhaften Zivilbereich und rutscht in den Bereich der Spezialanwendungen ab, mit entsprechenden Folgen für die Kosten. Und das ist genau mein Punkt: selbst wenn günstige Zivilsysteme aktuell eine Hochzeit erleben würden und effektive Mittel auf dem Kriegsschauplatz wären, aufgrund der grundsätzlichen Gegebenheiten wird das nicht dauerhaft so bleiben. Dafür sind die Gegenmaßnahmen prinzipiell zu leicht. Damit verneine ich nicht eine Gefahr durch "günstige" Kleindrohnen, aber diese werden sich letztlich doch signifikant von den Hobbydrohnen unterscheiden. Sowohl hinsichtlich ihrer technischen Ausstattung, als auch ihrem Preis.
Zitat:Anbei: dass ist vielleicht ein Missverständnis: ich meinte nicht Drohnen die Munition abwerfen, sondern solche die selbst die Munition darstellen, die also mit einer Sprengladung einfach selbst direkt ins Ziel fliegen und dort umsetzen. (...) Und ich meine damit nicht unbedingt Quadrocopter. Stichwort Modellflugzeuge (...) Entsprechend würde sofort die Reichweite immens steigen und da man die Munition nicht abwirft, sondern die Drohne / das Modellflugzeug selbst die Munition ist, entfallen etliche der Probleme eines Abwurfes.
Die Reichweite kann sich gar nicht immens steigern, weil sie nicht nur durch die Ausdauer der Geräte sondern auch der Leistungsfähigkeit der Funkverbindung eingeschränkt wird. Du musst dir überlegen, im Zivilbereich darf (quasi) nicht ohne Sichtverbindung zum Modell geflogen werden, auch wenn das mit installierten Kameras möglich ist. Zudem ist die Sendeleistung gesetzlich fast überall auf der Welt stark eingeschränkt. Folglich gibt es keinen günstigen zivilen Markt für höhere Reichweiten. Statt Quadrokopter also Flächenflugzeuge zu verwenden erhöht die Ausdauer deutlich, hilft aber nicht bei der effektiven Reichweite. Es sei denn natürlich, man verwendet keine günstige Ziviltechnik.
Zitat:Meinst du damit das gleiche was ich etwas weiter oben beschrieben habe? Also einfache Programme welche die Drohne dazu bringen ein aus der Distanz anvisiertes Ziel vollautonom zu verfolgen? Womit sowohl die Steuerung als auch die Signatur derselben keinerlei Problem mehr darstellen ?!
Ich meine damit ganz konkret, dass man sich einfach die Signalabstrahlung des Gegners zu nutze macht. Wie gesagt sind solche Signalquellen leicht aufspürbar und ließen sich durchaus als Steuerung für leichte Wirkmittel verwenden. Eine Art "Mini-ARM", wenn du so willst. Sehr günstig im Vergleich zu zivilen Hobbydrohnen ist das natürlich nicht, aber das Ziel wäre ja auch nicht, die Drohnen abzuschießen, sondern die steuernden Personen zu eliminieren. Gegen die Drohnen könnte man natürlich ähnlich vorgehen, da wäre dann aber wohl aus Kostengründen eher ein semipassiver Sucher sinnvoll. Oder halt andere Wirkmittel, keine Ahnung beispielsweise ob man mit "Schrot" eine günstige effektive Nahverteidigung aufbauen könnte, oder ob es im Bereich streuender Munition andere Alternativen gibt (weil Airburst ist halt wieder preislich völlig unökonomisch).