@ Turin
Ich glaube, die Diskussion hatten wir schon

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An sich ist deine Argumentation absolut plausibel hinsichtlich der EU, der aus deiner Sicht verunglückten Erweiterung und der nötigen Reformen.
Allein Plausibilität garantiert noch keine Wahrhaftigkeit

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Natürlich steigt mit der Zahl der Mitglieder, mit der Unterschiedlichkeit ihrer Positionen, mit den variierenden Standards und Traditionen das Gefälle in der EU und auch die Entscheidungsfindung wird schwieriger, eben gerade da die EU ein Mehrebensystem ist und mit mehr Mitgliedern auch viel mehr an politischen und gesellschaftlichen Aktueren da mitspielen und gestalten wollen ( ich erinnere nur an den Versuch der CDU-geführtten Länder durch ihr früheres Vorum zur Verfassung im Bundesrat mehr Rechte europapolitisch zu einzuheimsen). Aber das ist ja nix neues für dich.
Wie gesagt, daher ist deine Argumentation theoretisch richtig.
Nur ich stelle dagegen die vergangene Emperie: in der EG der 12, der EU der 15 wären einschneidene Reformen viel einfacher möglich gewesen. Man hätte Mehrentscheidungen flächendeckend einführen können, Gasp weiter vorantreiben können, den Agrarmarkt zumindest teilweise liberalisieren können, die Struktur- ud Kohäsionsfonds neu ordnen können.
Nur ist nichst davon passiert, obwohl ja - deiner an sich richtigen Theorie folgend - die Reform mit weniger Staaten viel einfacher gewesen wäre.
Aber nichts ist passiert. Stattdessen dominierten nationale Egoismen und außer goodwill und ambitionierten Zukunftsprojekten wurde nichts getan.
Und weißt du auch warum?
Wie schon gesagt, ich denke, dass ein gewisses Maß an Druck einfach da sein muss. Nicht zu viel ( daher bin ich trotzallem für den Erfolg der Verfassung), aber auch nicht zu wenig, um die alten nationalstaatlichen Strukturen udn Denken aufzuweichen und so auch den Weg zu ebnen zu einem ( wie du sagst) starken Europa. Nur wurde dieser Weg nicht beschritten, als es noch einfacher möglich war. Der Grund meines Erachtens: Wie gesagt, der fehlende innere Reformdruck um die laten nationalstaatlichen Beharrlichkeiten zu überwinden.
Es paßt zwar nicht ganz und ich hole etwas lang aus, aber ein recht bekannter Soziologe, Norbert Elias, hat mal was über die allmählich fortschreitende Integration der Menscheit zu immer größeren Lebens- und Überlebenseinheiten geschrieben. Also von der Familie zur Sippe, zum Clan, zum Stamm und dann allmählich zum (National-) Staat. Und da sprach er davon, dass sich allmählich - mit Brüchen und Gegenbewegungen wie immer - auch mal ne Weltgesellschaft entwicklen wird bzw. wir allmählich in der OECD Welt auf dem Weg zur Gesellschaftswelt sind ( ähnlich wie Czempiel das ja sagt).
Aber Elias sagt eindeutig, dass eben alte, fest konditionierte und internalisierte Vorstellungen wie eben das Beharren auf alten, bekannten nationalstaatlichen Strukturen solche Weiterentwicklungen zu problematischen und konfliktträchtigen Entwicklungen machten und man lieber auf dem alten beharrt, als neues zu wagen. Eine wohl alte menschleiche Schwäche, die man leicht mit der Erkenntnis charakteriseren kann, dass der Mensch sich erst um etwas kümmert, wenn es schon zu spät ist.
Also ganz und gar dieser Linie folgend und auch der deutlichen Emperie, würde ich argumentieren, dass die Osterweiterung wohl ein zwingender Schritt war, um den Refomdruck von inne zu erhöhen und so Reformen zu einem Issue of highest priority zu machen. Einem Agendapunkt, dem man sich nicht so leicht entziehen kann, wie noch 1990 oder 1993 wo in Maastricht noch idealisierte Schönwetterprojekte wie die Währungsunion beschossen wurden.
Jetzt geht es ans Eingemachte, aber meines Erachtens, wissend um die politischen Mechanismen und die sozial begründeten Beharrlichkeiten, war dieser Gang der Ereignisse wohl alternativlos...
Daher kann ich die Osterweiterung selbst nicht kritisieren und die Probleme jetzt. Analytisch liegt die Ursache viel tiefer, allein schon in der politischen Wahrnehmung der Eu und ihrer Dimension und ihrer Bdeutung für die Zukunft, wie auch der Bereitschaft zu neuen Strukturen.
Ohne Osterweiterung würde die EU genauso rumdümpeln, es gäbe dieselben Probleme, dieselben Beharrlichkeiten, nur der Problemlösungsdruck wäre niedriger, da in einer kleineren Eu auch zweitbeste Lösungen und allgemien suboptimale Lösungen besser funktionieren als in der großen EU.
Da es eben im guten im vorhinein nicht ging, so muss eben jetzt schmerzhafterweise die Reform kommen, sonst können wir die Eu udn Euroipa vergessen...
daher, Turin, versuch mal diese Sichtweise nachzuvollziehen...