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Zitat:19.02.2011, 18:36
Proteste in Arabien
Libysche Polizisten schießen auf Trauergemeinde
Sicherheitskräfte haben nach Krankenhausangaben 15 Teilnehmer einer Trauerfeier getötet.
Auch in Algerien, Kuwait, dem Jemen und Bahrain kommt es zu blutigen Zusammenstößen.
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ich denke, dass die Autokraten in den arabischen Ländern - unabhängig, ob vom Westen unterstützt (Ägypten, Bahrein, Jemen, Jordanien - ja, auch Libyen und Tunesien) oder eher "Anti-Westlich" eingeschätzt (Algerien, Syrien) - mit einer breiten Freiheitsbewegung gerade der arabischen Jugend zu tun haben.
In der Vergangenheit hat die wirtschaftliche Not zur Radikalisierung der Bevölkerung geführt. Französische Revolution, Oktoberrevolution in Russland oder auch der kommunistische Siegeszug in China ... da haben sich verzweifelte Menschen zusammen gefunden und einen gewaltsamen Umsturz der herrschenden Mächte herbeigeführt.
Die Bewegung in den arabischen Ländern ist anders. Das ist keine "klassische Revolution". Diese arabische Bewegung ist äusserst diszipliniert (und zwar freiwillig aus sich heraus und nicht in Form einer Kaderorganisation strukturiert) und im Wesentlichen gewaltfrei.
Die Gewalt geht von den Sicherheitskräften der herrschenden Autokratien aus.
Es ist doch bemerkenswert, dass sich die Sicherheitskräfte in Bahrain, Libyien und Algerien mit relativ identischen Methoden durchsetzen wollen - und dass auch die Demonstranten ein recht einheitliches Vorgehen haben (von den Zielen ganz zu schweigen - da gehts nicht primär um politische Linien wie in den klassichen Revolutionen, sondern um die Ablösung der Autokraten, die Beendigung der Korruption und alles unter dem Oberbegriff Freiheit in politischer, religiöser und wirtschaftlicher Hinsicht).
Das ist der Stand einer gesellschaftlichen Entwicklung, die sozusagen keine "Existenzrevolution" mehr ist, sondern eine "Wissensrevolution". Die gut ausgebildete Jugend möchte von ihrem Wissen, ihren Kenntnissen profitieren, ohne von autokratischen und korrupten Strukturen gefesselt zu werden. Und wer gelernt hat, für sich in wirtschaftlichen Entscheidungen frei zu handeln, der möchte auch politische Mitwirkung - und der lässt sich von religiösen Eiferern schwer einfangen.
Die gesamte Gesellschaft der arabischen Länder hat sich weiterentwickelt. Wir haben vielfach eine relativ gut ausgebildete Jugend, die mit ihren Ausbildung nichts anfangen kann - weil korrupte autokratische Systeme die Entwicklung verhindern.
Soweit könnte das auch für andere islamische Staaten von der Sahel-Zone bis hin nach Zentralasien gelten, aber - und das unterscheidet eben die arabischen Länder (noch ?) von den Ländern etwa Zentralasiens:
in den arabischen Ländern hat sich dank moderner Medien wie Al Djazira ein gemeinsames "Wir-Gefühl" herausgebildet.
Die Wasserpfeife - ein typisches und unpolitisches Beispiel - hat sich in Folge einer Fernsehserie über die arabische Welt ausgebreitet. Inhaltlich aber viel bedeutsamer: Da werden ganz unbewusste Botschaften in Richtung Freiheit und Emanzipation transportiert.
(vgl. z.B.
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<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.welt.de/politik/article2280238/Siegeszug-einer-religioes-verbotenen-Seifenoper.html">http://www.welt.de/politik/article22802 ... noper.html</a><!-- m -->
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Diese
Seifenopern zeigen im gesamten arabischen Sprachraum, dass es in den Familien zwischen Marokko und dem Oman eigentlich "gleich" zugeht, dass die Wünsche und Ideale gleich sind. Man identifiziert sich vor der Glotze mit den anderen. Die Ägypter haben sich mit den Tunesiern und deren Aufstand identifiziert, sie haben "den Ball aufgenommen", und weiter gereicht.
(Nur nebenbei: Die arabische Bevölkerung fühl sich solidarisch mit den Palästinensern, was in Palästina geschieht wird als ungerecht gegenüber den "eigenen Brüdern" empfunden. Insofern ist die Lösung des Israel-Palästina Konflikts tatsächlich der emotionale Schlüssel für die Befriedung und die Akzeptanz eines jüdischen Staates in der Region).
Das nächste ist nämlich, dass sich - unabhängig von den Medien, die passiv "konsumiert" werden - über Internet, E-Mail, Handy uns SMS (die Facebook- und Twitter-Generation) eine aktive Kommunikationsstruktur ausgebilet hat, die den Schritt vom passiven
"ich kann eh nichts machen" zum aktiven
"wir tun was" erlaubt. Und diese aktive Kommunikationsstruktur kann auch nicht mehr kontrolliert und nur bedingt dicht gemacht werden. Die Solidarität mit den Demonstranten in Ägypten und Tunesien geht über die Landesgrenzenzen hinaus. Der Erfolg in Tunesien hat die ägyptischen Demonstranten beflügelt, die sich nebenbei mit Tips und Tricks aus Tunesien gegen die Sicherheitskräfte des Regimes gewappnet haben. Der Erfolg in Ägypten findet weitere Nachahmer.
Wenn überhaupt - dann kann man hier von einer "Dominotheorie" sprechen. Nicht überall werden die Demonstranten von Anfang an Erfolg haben. Aber jeder erfolgreiche Regimesturz - gerade in Ägypten von besonderer Ausstrahlung - wird die Rückständigkeit der autokratischen Regime noch mehr offen legen und die Unruhe und Unzufriedenheit dort noch mehr schüren.
Es wäre sehr wünschenswert, dass sich diese Freiheitsbewegungen noch mehr durchsetzen, denn mit dem Erfolg der Bewegungen
(zu den Zielen siehe oben) wächst auch der Wohlstand der Bevölkerung. Die wirtschaftliche Handlungsfreiheit ohne korrupte autokratische Ausbeutersystems führt zu wirtschaftlichem Wohlstand und der wirtschaftliche Wohlstand führt zu mehr Stabilität. Wer etwas zu verlieren hat, ist gegenüber den Einflüsterungen von Terroristen weniger empfänglich.
Natürlich ist das keine Entwicklung "von heute auf morgen". Und es kann durchaus sein, dass Unsicherheit und Orientierungslosigkeit irgendwelchen Rattenfängern im Einzelfall die Türen für Agitationen öffnet.
Aber das ist in autokratischen Systemen noch viel mehr der Fall.
Wenn wir im Westen eine Einflussmöglichkeit haben, dann sollten wir die dazu nutzen, die so genannten Sicherheitskräfte im Zaum zu halten. "Keine Gewalt" muss gerade für diejenigen gelten, die sich der Nähe zu westlichen Regierungen rühmen.