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Den Link von ObiBiber habe ich erst jetzt entdeckt, aber Geopowers hat recht mit:
Zitat:Wer immer über die Bundeswehr, ihre Lage und Zukunft ernsthaft mitreden will, muss den “Bw 2007” auswendig gelernt haben.
Leider kommt das Wort "Fähigkeitslücke" viel zu oft vor und auch die Aussagen zur Rüstungsindustrie finde ich finster.

Bei all den Milliarden, die momentan anfallen und umverteilt werden, sollten doch auch 2 Milliarden für die BW drin sein, wenn ich schon lesen muss, dass kein Geld für neue Leo2 Munition da ist und es dann einige Jahre keine passende Munition gibt, oder das es bei SIGINT mit Ausmusterung auch eine "Fähigkeitslücke" gibt, das MELLS geschoben wird, ein System, das man jetzt gut brauchen könnte, um die Feuerkraft der Infanterie zu stärken usw...

Wenn ich sehe was an Summen bei anderen Etats umverteilt wird, dann sollte das drin sein.
5 Jahre+X für eine Softwareumstellung ("Hercules") mit einem Bedarf von 3,4 Mrd. finde ich schon etwas happig. Die angesetzte Zeitspanne ist mal wieder etwas, was man sich nur in Behörden leisten kann.

Dem BW-vorbelasteten Kenner wird das wohl zunächst angemessen erscheinen, bedenkt man die ganzen Subsysteme, die eingebunden werden müssen - aber: Es ist wohl absehbar, dass der Aufwuchsbedarf, der als Folge der technischen Entwicklung mit Sicherheit während dieser Zeit zusätzlich noch entsteht, das Projekt, mit entsprechenden Mehrkosten, extrem in die Länge ziehen wird.

5 Jahre... Also ehrlich... dann macht gleich 10 draus und nennt das Endprodukt nicht "SASPF", sondern vorsorglich "SASPF 2020".

Und noch bis 2011 Phantom Jäger zu betreiben, finde ich auch nicht sonderlich vorteilhaft. Die doch stark beschnittenen Inst. und Übungskapazitäten sollte man doch eher auf den Eurofighter und den Tornado übertragen.
@ Wolf Na abe3r, ich finde 5 JAhre ok, hier geht es um ein SAP System, das erst angepasst werden muss. Und außerdem du hast es ja gesagt, was man da alles mit reinbringen muss, Mat Erhaltung und Warenwirtschaft von 3 - 5 Teilstreikräften, Personalführung, Krankenpflege für den San Dienst, usw.. Und das bei einem Unternehmen das im Moment noch ca. 340 000 Mitarbeiter hat (soll auf 325 000 schrumpfen) und an wievielen Standorten (ca. 500), wobei ein Teil aufgelöst oder verlegt wird in den nächsten Jahren. Aber auch die Auslandseinsätze, hier werden neue "Standorte" eröffnet und vielleicht geschlossen. Das musst du erstmal realisieren, koordnieren und testen.

Da halte ich 5 Jahre für realistisch und glaube da ich selber mit dem S6 Breeich schon zu tuen hatte, das dauert sogar länger.


Man wird das viele Arbeitsgruppen geben und Kaffee.
Das ist mir schon klar, dass das kein Kaffeetrinken wird - (im übertragenen Sinne). Nur ist doch logisch, dass, je länger man braucht, immer mehr "neue" Anforderungen an das System entstehen. Jede neu beschaffte Technik erzeugt wieder Anpassungsbedarf und jeder neue Auslandseinsatzeinsatz und jede neue EU Verordnung im Umweltbereich auch. Man wird also nie fertig.
Der lange Zeitraum für die Integration ist ja einer der Gründe, warum man es bisher mit einer Myriade an Software-Versionen in den verschiedenen Dienststellen zu tun hat (der andere offensichtliche Grund ist Geldmangel und dadurch bedingt Flickschusterei). Für die BW ist ein Zeitraum von 5 Jahren noch gelinde gesagt optimistisch, wie Marc schon sagte. Ein Grund, warum ich diesen Generalversuch ehrlich gesagt skeptisch beurteile, was die Erfolgschancen angeht.
Hätte man auch in den BW im Ausland-Thread setzen können, aber das Problem ist m.E. tiefgreifender und setzt beim (vor allem finanziellen) Grundkonzept der "transformierten" (= geflickschusterten) BW an.

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.welt.de/data/2006/12/18/1150385.html">http://www.welt.de/data/2006/12/18/1150385.html</a><!-- m -->

Zitat:Afghanistan-Einsatz
Schlechte Ausrüstung bringt deutsche Soldaten in Todesgefahr


Das Leben der deutschen Soldaten in Afghanistan ist mehrfach durch katastrophale Ausrüstungsmängel gefährdet worden. Zu diesem Schluss kommt ein interner Bundeswehr-Bericht, der WELT.de vorliegt. Darüber hinaus gefährden Defizite bei Transport und Nachschub den Einsatz der derzeit rund 3000 Soldaten. ...
Kommentar:

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.welt.de/data/2006/12/19/1150547.html">http://www.welt.de/data/2006/12/19/1150547.html</a><!-- m -->

Zitat: Ernüchternde Botschaft von der Front

Die Mängelliste im Abschlussbericht des 10. Bundeswehr-Kontingents ist lang - von unzureichendem Schutz vor Sprengstoffanschlägen, ungenügender Ausbildung vieler Soldaten bis zu fehlender Lufttransportfähigkeit, um Verwundete schnell auszufliegen. ...
Der Kommentator zieht am Ende auch den richtigen Schluß, den ich hier noch einmal hervorheben möchte
Zitat:Bundesregierung und Parlament stimmen zwar immer neuen Auslandseinsätzen zu, verweigern sich aber, wenn der Verteidigungsminister mehr Geld beantragt. Der Verteidigungsetat des laufenden Jahres unterschreitet den von 1991 um drei Milliarden Euro. Das grenzt an Verantwortungslosigkeit gegenüber den Soldaten.
Schlicht und ergreifend: Die BW braucht mehr Geld und da ich gerade in der Zeitung gelesen habe, dass die IT Industrie mit 1Mrd € jährlich gefördert werden soll, müsste auch Geld da sein.

Sonst führen die "Fähigkeitslücken" noch zu jede Menge Zinksärgen
Die eine oder andere Extra-Milliarde scheint frappierenderweise in vielen Sektoren vorhanden zu sein, nur nicht bei der Rüstungsfinanzierung. Also entweder ist auch in diesen anderen Sektoren nur alles Bilanzfälscherei oder wir haben es wirklich mit einem krassen Beispiel von Verantwortungslosigkeit zu tun. Wobei der Ausdruck amüsant gewählt ist, schließlich berühren deutsche Verluste in Auslandseinsätzen die "verantwortlichen" Politiker praktisch gar nicht. Die Realisierbarkeit zb von Klagen seitens betroffener Familien o.ä. dürfte sich im Bereich "Wunschvorstellung" bewegen.
Das Thema war bereits vor der Veröffentlichung in der 'WELT' Gegenstand der Prüfung der Bw. Darüber hatte sich bereits auch der GenInsp geäußert. Siehe hierzu auf der Homepage der Bw.

Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLd4w3dPMHSUGYfvqRMLGglFR9b31fj_zcVP0A_YLciHJHR0VFAFIKLis!/delta/base64xml/L2dJQSEvUUt3QS80SVVFLzZfQV8xUlU!?yw_contentURL=%2FC1256EF4002AED30%2FW26WMGUN311INFODE%2Fcontent.jsp">http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/ ... ontent.jsp</a><!-- m -->
Das Problem ist leider, dass auch der GenInsp nicht über die Mittelvergabe an die Streitkräfte entscheiden darf und ihm insofern die Hände gebunden sind. Viele Sätze auf der BW-Seite empfinde ich mehr als politisches Spinning denn als objektive Lageeinschätzung, hier fällt der letzte Satz unter dem Punkt "Maßnahmen ergriffen" sehr ins Auge. An der Türe lauschen bei internen Beratungen könnte weiterhelfen.
Insgesamt ist es ja keineswegs ein neues Problem, besonders hinsichtlich des geschützten Transportraumes. Auch wenn es schön ist, dass weitere Dingos zulaufen, so wird man sich m.E. mindestens zweierlei vergegenwärtigen müssen:

1. eine substantielle Verbesserung, besonders weiträumiger Ersatz ungeschützter Fahrzeuge durch geschützte, wird auch in Zukunft trotz Bedarfs nicht erfolgen, das hat der Verteidigungsminister höchstselbst vor einigen Monaten bestätigt. Da helfen nur Durchhalteparolen nach dem Motto "Nächstes Jahr kommt sicher mehr". Das Resultat ist, dass die Patroullien, die ja "nur noch mit geschützten Fahrzeugen" erfolgen sollen, auf ein Mindestmaß reduziert werden, die BW sich in ihrem Kunduz-Lager verschanzt und in der Folge genau die Kritiken an der deutschen Herangehensweise in der Allianz geübt werden, die schon verlautbart wurden (unzureichende Patroullien, keine Reaktion auf Hilferufe und sonstige Vorgänge - und nein, damit ist nicht der Süden gemeint).

2. Das Einsatzkonzept der BW in Afghanistan insgesamt ist eine Sache für den Prüfstand, Stichwort "hearts and minds"-Ansatz und die daraus gezogenen Schlüsse zur Selbstdarstellung der BW gegenüber der afghanischen Bevölkerung inkl. potentieller Feinde. Der angedachte Transfer von Mardern nach Afghanistan (jetzt eigentlich schon erfolgt?) ist da symptomatisch.

Interessant übrigens, dass der kritisierte Ausbildungsstand (siehe Welt-Artikel) in der BW-Stellungnahme gar nicht zur Sprache kommt. Sollte zu denken geben.
Zitat:Turin postete
1. eine substantielle Verbesserung, besonders weiträumiger Ersatz ungeschützter Fahrzeuge durch geschützte, wird auch in Zukunft trotz Bedarfs nicht erfolgen, das hat der Verteidigungsminister höchstselbst vor einigen Monaten bestätigt.
Anfängerfrage: Auf globaldefence.de werden für Deutschland rund 5.500 gepanzerte Fahrzeuge geführt. Klar das man nach Ende des Kalten Krieges dort neben dem üblichen Ausmusterns verschlissenen Materials auch viele Einheiten eingelagert bzw. verhökert hat. Trotzdem müsste da doch noch etwas von übrig sein? Vor allem da durch das Ende des Kongo-Einsatzes doch sicherlich wieder ein paar Einheiten frei werden. Werden da etwa noch Wehrpflichtige an den entsprechenden Fahrzeugen ausgebildet?
Gepanzert ist nicht gleich gepanzert und schon gar nicht geschützt. Was die BW braucht, sind geschützte Patroullienfahrzeuge en masse. Davon ist im Kaltkriegs-Bestand nicht viel da gewesen. In der Mehrzahl hatte man dort jede Menge Spz, unzählige M-113 (dessen Bezeichnung als gepanzert eh ein Witz ist) und was weiß ich noch. Was jetzt aber gebraucht wird, sind relativ leichte (müssen ja verlegt werden) und mobile Fahrzeuge á la Dingo: Minenschutz und ballistischer Schutz gegen leichte Handwaffen (RPG-Schutz o.ä. ist sowieso weitestgehend Illusion, sofern man nicht APC mit Abstandskäfigen oder Reaktivpanzerung im großen Stil will).

Im großen und ganzen hat man hier das gleiche Problem wie alle westlichen Armeen, besonders auch die US-Armee, die den Hummer in Rollen einsetzt, für die er nie gedacht worden ist. Dort hat man auch tausende gepanzerte Fahrzeuge, nur halt nicht die, die man braucht. Mit Cougar und Buffalo betreibt man dort derzeit genauso Stückwerk-Management wie hierzulande mit Dingo2, Mungo und Konsorten (der direkte Vergleich bietet sich bei den genannten Fahrzeugen nur teilweise an).

Kurzum: aus den Depots ist da nichts zu holen, da das ganze Konzept inzwischen ein etwas anderes ist. Neue Fahrzeuge müssens sein und dafür ist im ausreichenden Maß kein Geld da.
Hmmm, danke für die Erklärung.

Was das Thema Geld angeht - ist schon verwunderlich. Man würde für 325 Millionen Euro beispielsweise 500 Dingos bekommen (ob's bei so etwas noch Mengenrabatt gibt, weiß ich nicht). Für uns Normalsterbliche sicherlich eine riesen Summe, aber wer die Mentalität unserer Volksvertreter etwas näher kennt, weiß das solche Summen in der Kategorie "Erdnüsse" rangieren. Zumal es ja zur Rechtfertigung vor dem Steuerzahler ja die beiden Totschlagsargumente "unsere Jungs brauchen Schutz" und "der Dingo sichert und schafft heimische Arbeitsplätze" gibt. Und die Folgekosten für Betrieb und Instandhaltung werden ja traditionell innerhalb des Fachbudgets verschoben (werden halt ne paar Wehrpflichtige mehr nicht gezogen). Sprich: Es fehlt der politische Wille. Und das unter einer Schwarz/Roten-Regierung.

Da fragt man sich schon auf was das alles hinaus läuft. Das unsere Regierung aus dem ISAF-Einsatz raus will, bezweifle ich stark. Dazu waren in diversen Talkshows zu viele Minensucher aus der zweiten Reihe zu sehen, die schon mal ausgelotet haben, wie es mit einem erweiterten Einsatz in den Kampfzonen aussieht.

Naja, wir werden's sehen.
Wenn sich die Bundeswehr unter den gegenwärtigen Vorraussetzungen an einem erweiterten Einsatz im Süden Afghanistans beteiligt, dann sehe ich eigentlich nur zwei Möglichkeiten: A) Wir blamieren uns (diesmal wirklich) vor den Alliierten, weil Einsatzkonzept nach deutscher Vorstellung und Einsatzwirklichkeit endgültig nicht mehr vereinbar wären oder B) Es werden viele Särge in die Heimat verschickt.

Würde man dann wollen, dass alles prima läuft, dann müssten sich grundlegende Dinge ändern: Die Bundeswehr darf nicht als Haufen bewaffneter Sozialarbeiter verstanden werden und es muss begriffen werden, dass die heutige Realität keine Friedensdividente rechtfertigt, ganz im Gegenteil.

Leider wären das für die deutsche Sozialkultur von heute derart gravierende Einschnitte, dass man gut nachvollziehen kann, warum um die Sache so herumgetanzt wird und aus Berlin keine handfesten Ideen kommen.
Zitat:Turin postete
Die Bundeswehr darf nicht als Haufen bewaffneter Sozialarbeiter verstanden werden
Wenn ich mich recht entsinne, hat zumindest eine überwiegende Mehrheit der Deutschen beide Kriege und den Libanon-Einsatz unterstützt. Die Deutschen sind vielleicht nicht mehr so Kriegsgeil wie '14 und '39, aber anscheinend durchaus bereit auch Kampfeinsätze mitzutragen. Allerdings sollte man ihnen einen guten Grund nennen, wieso Deutsche Soldaten in Zukunft den Hintern hinhalten müssen (und damit meine ich nicht nur Afghanistan). Denn das Märchen, daß wir in Krisenregionen die Jahrzehnte des Krieges und der Armut hinter sich habe, mal eben eine Transformation wie Deutschland nach '45 hinbekommen, dürfte mit jedem Tag weniger Gläubige haben. Sprich: "Die Deutschen retten die Welt" wird auf Dauer nicht ziehen. Die Regierung wird uns andere Gründe liefern müssen, wieso gerade die Deutschen nach Afghanistan, in den Kongo oder nach Hintertupfigen müssen.

Zitat:Turin postete
und es muss begriffen werden, dass die heutige Realität keine Friedensdividente rechtfertigt, ganz im Gegenteil.
Das ist meiner Meinung nach das kleinere Problem. OK, die Bevölkerung ist sicherlich nicht scharf darauf, neues Kriegsspielzeug zu finanzieren, aber sobald es die Runde macht, daß schließlich unsere Waffenindustrie und damit deutschen Arbeitnehmer davon profitieren, dürfte eine grundlegende Zustimmung durchaus drin sein.

Zitat:Turin postete
Leider wären das für die deutsche Sozialkultur von heute derart gravierende Einschnitte, dass man gut nachvollziehen kann, warum um die Sache so herumgetanzt wird und aus Berlin keine handfesten Ideen kommen.
Naja, bis '99 war es auch undenkbar, daß wir Deutschen noch mal in den Krieg ziehen würden. Und dann auch noch unter Rot/Grün! Ich denke mal, daß da die Deutschen unterschätzt werden. Wie oben schon gesagt - solang es einen guten Grund gibt, werden auch wir Friedensgermanen wieder in den Krieg ziehen.

Fazit: Es hängt an unseren Politikern sich a) nicht auf jedes Abenteuer einzulassen, nur weil es gerade auf internationaler Ebene chic ist, sondern erst einmal den konkreten Sinn und die "Siegeschancen" zu hinterfragen und b) ein ordentliches Konzept für die Zukunft der deutschen Wehrpolitik zu erarbeiten. Und zwar abseits von all den Vorstellungen und Ideologien der Parteien. Sein es nur die ewigen Weltverbesserer der Grünen oder irgendwelche Stahlhelm-Fans der CDU, die die Bundeswehr hauptsächlich als Super-Nanny sehen, die die ganzen verlausten Hippies während ihres Wehrdienstes endlich mal auf Vordermann bringt.