Sechster Nahostkrieg
Sollte der Iran die Einschätzung teilen, dass Israel und die USA ohnehin einen offenen Schlagabtausch als neuen Weg aus oder in ein neues Dilemma bevorzugen, dann wäre eine erste angemessene Antwort eine offizielle und gern überwachte Erhöhung der Urananreicherung auf 90% so im Umfang von pro Woche eine A-Bombe. Offiziell für einen zivilen Atomantrieb für die Arktis-Erkundung. Die Arktis gehört allen. Es gibt kein wirtschaftlich-politisches Sanktionspotential mehr, nicht mal mehr gültiges Vertragswerk (interessiert das noch?), um hier irgendetwas anderes als einen militärischen Hebel entgegen zu stellen. Wenn der denn eh gezogen wird.... Dann kann man zumindest technisch offiziell sicherstellen, dass man das nicht alleine verlieren wird. Gleichzeitig würde man Israel aus der Reserve locken, vorzeitig Farbe zu bekennen. Fatalistische Sichtweisen sind interessant und ist ausgesprochen spannend, dass Israel das Schicksal seines eigenen Kriegsverlaufs vertrauensvoll in die Hände Dritter legt. Seien es Freunde oder Feinde. Irritierend sind die Vorgänge in jedem Fall.
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(03.04.2024, 12:02)KheibarShekan schrieb: Sollte der Iran die Einschätzung teilen, dass Israel und die USA ohnehin einen offenen Schlagabtausch als neuen Weg aus oder in ein neues Dilemma bevorzugen, dann wäre eine erste angemessene Antwort eine offizielle und gern überwachte Erhöhung der Urananreicherung auf 90% so im Umfang von pro Woche eine A-Bombe.

Damit ginge man das Risiko ein einen nuklearen Angriff Israels zu riskieren. Angesichts des Verhaltens des Irans und dem bestreben des Irans Israel auszulöschen geht entweder Israel das Risiko ein und akzeptiert iranische Atomwaffen oder wenn nicht sorgt dafür, dass der Iran keine hat oder es keinen Iran mehr gibt.

Ansonsten bin ich auch der Meinung, dass der Angriff auf die iranische Botschaft in Syrien als Grund die öffentliche Provokation des Irans hatte. Was genau Israel damit bezweckt ist mir aber nicht klar. Einen Gegenreaktion durch die Hisbollah die einen Angriff auf den Libanon rechtfertigt? Durch die dauernden Angriffen auf Israel hat man eigentlich schon genug Grund.
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(03.04.2024, 13:15)Kos schrieb: (...)
Ansonsten bin ich auch der Meinung, dass der Angriff auf die iranische Botschaft in Syrien als Grund die öffentliche Provokation des Irans hatte. Was genau Israel damit bezweckt ist mir aber nicht klar. Einen Gegenreaktion durch die Hisbollah die einen Angriff auf den Libanon rechtfertigt? Durch die dauernden Angriffen auf Israel hat man eigentlich schon genug Grund.

Ich vermute in Israel ist man schon länger zu dem Entschluss gekommen, dass man an einer direkten Auseinandersetzung mit dem Iran nicht mehr vorbei kommt. In Bezug auf den Iran kämpft Israel ja tatsächlich um die eigene Existenz, der Iran hat die Auslöschungs Israels zur Staatsraison erhoben.

Wenn also, so die Logik Israels, diese direkte Auseinandersetzung früher oder später kommen muss, dann ist es besser sich präemptiv einen Vorteil zu verschaffen. Genau so einen Vorteil bietet die "Enthauptung" von Teilen der iranischen Führungsoffiziere der Widersacher Israels, der Hezbollah.
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Im israelischen Kriegskabinett gab es kurz nach Beginn des Krieges ernsthafte Diskussionen darüber einen Präventivschlag gegen die Hisbollah auszuführen. Die Geschichte variiert je nach Quelle etwas, vor allem aber wollte Gallant den Angriff und wurde dabei von der IDF Führung und wohl auch Ron Dermer unterstützt. Eizenkot war dagegen, Gantz eher abgeneigt bis neutral, Netanyahu war dagegen. Eine Variante lautet, das er die Entscheidung solange verzögert, bis er Gantz und Eizenkot und damit eine Mehrheit gegen den Angriff ins Kriegskabinett bekommen hat.
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Werter Nightwatch:

Zitat:wenn es sich so verhält, dass die Iraner da nicht auf offiziellen Botschaftsgelände getroffen wurden wäre es ein Angriff auf syrisches Staatsgebiet. Das ist dann wirklich nur die Fortführung dessen, was dort in Syrien seit mehr als zehn Jahren als iranisch-israelischen Kleinkrieg stattfindet.

Es ist aber nach allen Quellen ein Angriff auf offizielles Botschaftsgelände gewesen. Das kann man nun einach leugnen, aber dann kann man einfach alles leugnen.

Und wie schon geschrieben: wozu überhaupt irgendetwas begründen oder solche Konstruktionen wie: das war kein Botschaftsgelände herbei zaubern, wo Israel sich weder zu dem Angriff bekannt hat, noch es Beweise gibt, dass die Israelis es tatsächlich waren. Denn das die Israelis es tatsächlich waren ist aktuell nur eine Vermutung die weniger bewiesen ist als dass es ein Botschaftsgelände war.

Zitat:Ansonsten grundsätzlich, der Bruch eines Waffenstillstandabkommens begründet keinen neuen Krieg, es stellt dann lediglich die Fortführung eines Krieges dar, der legitim oder illegitim sein kann. Der Bruch bzw. auch Aufkündigung eines Waffenstillstandsabkommens selbst kann genauso legitim oder illegitim sein, hieraus ergeben sich aber keine Rechtsfolgen für den unterliegenden Krieg an sich.

Dem ist völkerrechtlich nicht so. Sieh die beiliegende Studie des Bundestages welche ich vernetzt habe. Man kann eben nicht nach Belieben einen Waffenstillstand einfach wiederrufen und dann den Krieg weiter fortführen, insbesondere nicht wenn der Krieg schon seit langem vorbei ist. Entsprechend wäre auch eine Fortführung des Krieges in Korea völkerrechtswidrig, wenn keine Selbstverteidigung als Grund anführbar ist.

Das Brechen des Waffenstillstandes ist daher nur zur Selbstverteidigung statthaft. Und dazu muss die Bedrohung nachgewiesen sein. Und welche konkrete unmittelbare Bedrohung ging hier von der iranischen Botschaft aus ?! Und eine bloße allgemeine diffuse Bedrohung (welche zweifelsohne gegeben ist, reicht hier eben nicht).

Ursächlich sind hier weniger irgendwelche rechtlichen Bedenken, als das es dadurch für das Gegenüber einfacher ist auf eskalierende Gegenreaktionen zu verzichten und trotzdem das Gesicht zu wahren.

Wenn das ernsthaft der Gedanke dabei sein sollte, dann könnte nichts weniger funktionieren. Denn der Gegenüber rechnet absolut jede Aktion dort Israel zu (auch wenn es dann in Wahrheit tatsächlich mal andere waren) und bauscht jedwede Handlung Israels dort maximal auf. Nein, dass kann kaum die israelische Strategie sein, wenn man sich die tatsächlichen realen Aktionen der Feinde seit vielen Jahren dazu ansieht. Folglicherweise halte ich rechtliche Bedenken für viel wahrscheinlicher als Ursache und insbesondere natürlich dass damit Israel selbst sein Gesicht gegenüber den "lieben westlichen Partnern" wahrt. Meine These ist, dass man sich wegen der "westlichen Wertegemeinschaft" nicht zu diesen Angriffen bekennt, und zwar vor allem anderen.

Zitat: Der Punkt ist eher, dass man in Jerusalem halt kalkuliert, dass der Iran aus diversen sicherheits- und geopolitischen Gründen nicht größer eskalierend reagieren wird. Mit der Einschätzung kann man falsch liegen aber ich neige dem zuzustimmen.

KheibarShekan sieht es anscheinend ebenfalls so, und auch meiner Ansicht nach ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Iran keine massive Vergeltung dafür ausüben wird. Eventuell greift man ein paar US Stützpunkte im Irak über Proxies an und dergleichen. Denkbar halte ich auch einen Terroranschlag irgendwo anders auf der Welt gegen Juden / jüdische Einrichtungen.

Zitat:Im Übrigen würde ich in dem skizzierten Szenario hinter den Gegenangriff mit Nuklearwaffen ein großes Fragezeichen setzen.

Das habe ich so nicht skizziert. Eine etwaige Nukleare Reaktion Israels auf bestimmte Entwicklungen hat hier Kos angeführt.

Nun zum wesentlichsten Punkt:

Ich sehe aber nicht wie man den einschränkenden Einfluss des Westens ernsthaft bestreiten könnte?! Die US Administration stand ab Tag 1 des Konflikts nur auf der Bremse, verzögerte ohne Ende, wollte überhaupt gar keine Invasion, drängten sofort auf Verhandlungen und kam mit irgendwelchen Luftschlössern als vermeidliche Lösungen daher. Es vergingen kaum zwei Wochen Bodeninvasion und es wurde schon gemahnt die Aktion doch bitte zurückzufahren und einzuschränken und bloß nicht in Rafah einzumarschieren und die Aktion abzuschließen. Das ist doch eine Tatsache die man nicht leugnen kann!

Doch das tue ich. Mal abgesehen davon, dass man nach zwei Wochen noch nicht ansatzweise vor Rafah stand (ich weiß), und obwohl natürlich die "westliche Wertegemeinschaft" von Anfang an gebremst hat, hat sich meiner Ansicht nach Israel von diesem Bremsen nicht oder kaum einschränken lassen. Stattdessen hat man schlicht und einfach militärisch versagt und zwar von Anfang an.

Wir haben das ja schon beide mehrfach hier angeführt, dass wir beide diesen Krieg von Beginn an vollständig anders, viel schneller und viel härter geführt hätten. Nun ist dein Argument, dass dies aufgrund des hemmenden Einflusses westlicher Länder so nicht geschehen ist und ich sage, dass ist vorgeschoben um die eigene Unfähigkeit damit zu verdecken. Denn Israel hätte gerade in der Anfangsphase diese westliche Bremserei zum einen Unterlaufen können wenn man nur schnell genug gewesen wäre, denn die setzte eben keineswegs sofort ein. Und zum anderen hätte es sie auch anfangs viel eher ignorieren bzw. teilweise ignorieren können. Stattdessen hat man in Gaza ziemlich viel gestümpert. Und das gegen einen Feind der keineswegs so stark ist. Und nun ist es mehr als bequem die Schuld für die eigene Inkompetenz einfach abzuwälzen. Israel hätte diesen Krieg vor allem direkt anfangs vollständig anders führen müssen und vor allem anderen: es hätte ihn anders führen können ! Und dann wäre die Lage hier und jetzt eine vollständig andere.

Zitat: Es vergingen kaum zwei Wochen Bodeninvasion und es wurde schon gemahnt die Aktion doch bitte zurückzufahren und einzuschränken

Allein in diesen zwei Wochen hätte man immens viel mehr erreichen können. Und wenn man schon andere für das eigene Versagen beschuldigen will: die innenpolitischen Rücksichten auf die Familien der Geiseln und das ganze Tamtam um diese herum haben Israel mehr gehemmt als jedweder westliche Staat dies getan hat.

Zitat:Seit jetzt zwei Monaten prasselt es von allen Seiten auf Israel ein bloß nicht nach Rafah zu gehen und die Sache abzuschließen. Das geschieht nicht und nun ist in deinen Augen wieder allein Israel schuld weil man der internationalen Gemeinschaft nicht den Mittelfinger zeigt und es trotzdem macht (was dann wohl auch nicht passen würde..)?

Der Krieg dauert aber nicht zwei Monate, sondern jetzt schon 6 Monate. Und was hat man also die 4 Monate davor getan ?! Zeit verschwendet und versagt. Und wie bequem: daran sind nun die anderen Schuld, weil man ja auf sie gehört hat......

Zitat:Das ist genau das Argumentationsmuster das wir hier schon hatten als du Netanyahu vorgeworfen hast gegen die Hamas nicht früher vorgegangen zu sein.

Ein Vorwurf der auch und gerade in Israel erhoben wurde und wird. Wenn Israel Chancen zum Handeln nicht ergreift, zu langsam ist, nicht entschlossen genug handelt, dann liegt die Schuld dafür nicht bei den "lieben westlichen Partnern" die einen lähmen und negativ beeinflussen, sondern sie liegt allein im Versagen der Regierung Netanyahu. Und es ist eben einfach nur eine bequeme Ausrede, dieses Versagen von Netanyahu dann der "westlichen Wertegemeinschaft" zuschieben zu wollen.

Zitat:Die These aber, dass der Westen hier keinen negativen Einfluss gehabt hätte ist genauso hanebüchen wie von einem militärischen Versagen in Gaza zu sprechen.

Ist die Hamas in Gaza vollständig zerschlagen? Hat man Gaza vollständig eingenommen? Hat Israel nach 6 Moanten Krieg auf einem Winzgebiet dass man vorher Jahrelang im Detail ausspionieren und aufklären konnte gesiegt ? Nein ?! Dann ist es nur recht von einem militärischen Versagen zu sprechen. Und dass will man nun den "negativen Einflüssen des Westens" zuschieben. Die flächendeckende Zerstörung von Gaza spricht eine völlig andere Sprache. Nicht einmal die eigenen Streitkräfte des Westens hatten seit Dekaden je dermaßen freie Hand gehabt, nicht mal in Falludscha und andernorten. Da kommen wir nicht zusammen. Meiner Ansicht nach hat Israel militärisch versagt, und will für dieses Versagen nun irgendwie andere beschuldigen.

Ergänzend damit meine Haltung gegenüber Israel vielleicht etwas klarer wird:

Zitat:Gegenwärtig finden am laufenden Band Raketenangriffe der Hisbollah auf zivile Ziele in Israel statt. Zehntausende sind deswegen in Israel seit vielen Monaten auf der Flucht. Seit Kriegsbeginn gab es über 1.000 Angriffe der Hezbollah.

Und was habe ich schon mehrfach in diesem Strang und auch andernorten geschrieben ?! Das Israel gegenüber der Hisbollah ein Recht auf Selbstverteidigun hat und dass ein Krieg gegen die Hisbollah rechtlich absolut möglich ist und praktisch so bald wie möglich geführt werden sollte. Das Israel die Hisbollah jetzt angreifen und so weitgehend wie möglich zerschlagen sollte, habe ich mehrfach explizit geschrieben. Dies nur der Vollständigkeit halber.

Zitat:Ich hätte anders gehandelt (und wäre noch viel, viel aggressiver und vor allem schneller vorgegangen)

Und ich wäre nochmal sehr viel schneller, und extrem viel härter vorgegangen. Und das wäre möglich gewesen, auch wenn du das schon mehrfach hier von dir gewiesen hast. Das ist alles eine Frage der Geschwindigkeit. Der Krieg ist da heute ein Race to the Swift.
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Angriff auf vermeidliches Botschaftsgelände:

Mal abgesehen davon, dass es auch durchaus ‚Quellen‘ gibt, die die israelische Version abbilden – es ist nun wirklich nicht das erste mal in diesem Krieg, dass das antiisraelische Narrativ dankbar übernommen und unreflektiert in den Äther geblasen wird. Und während es hinsichtlich des Fallouts sicherlich keinen Unterschied (mehr) macht, welchen Status das Gebäude nun genau hatte, können wir das hier ungeachtet der Mehrheitsmeinung diskutieren.

Ich habe hier eine (oppositionelle) Syrische Quelle die ein Paar Brotkrummen dazu liefert:
https://english.enabbaladi.net/archives/...-damascus/
Daraus:
Zitat: the property had not been identified as a consulate like other Iranian diplomatic properties in Latakia and Aleppo, which had been officially identified in maps or in publications of the Iranian Ministry of Foreign Affairs as consulates […]
A source close to one of the families living in the targeted building confirmed to Enab Baladi that “the building consists of four floors, the first floor of which is occupied by the Iranians,” explaining that the building includes a private elevator directly connected to the neighboring Iranian embassy building, and that there are two underground floors used by the embassy, according to another source from the area’s residents for Enab Baladi. The same source added that “there are also Iranians living on the second floor, while two Syrian families live on the third and fourth floors of the targeted building, and Iran had tried to buy them out or rent them, but their owners refused to sell them. […]
The source close to one of the families residing in the building informed Enab Baladi that during the moment of the bombing, one of the two Syrian families residing in the building was outside, while the other was inside and an elderly woman and her grandson died.

Das liest sich für mich nach wie vor nicht so als sei das eindeutig ein Botschaftsgebäude gewesen. Das war halt ziviles Gebäude an die Botschaft drangebaut in das sich die Iraner ausgebreitet haben ohne sich um den diplomatischen Status zu kümmern.

Ansonsten wie schon geschrieben, ich kann nicht nachvollziehen wo du mit dem Vorwurf, dass die Israelis nichts zugeben hinwillst. Wie erörtert, dass ist Standard. Man räumt kaum je irgendwelche Angriffe offiziell mit eine Pressemitteilung ein. In aller Regel geschieht genau das was hier geschehen ist: Man rennt zu irgendwelchen (US) Medien und bestätigt das man es gewesen ist. Der Grund ist, um mich zu wiederholen, schlicht, dass man dem Gegenüber damit die Möglichkeit einräumt das Gesicht zu wahren. Offiziell unbekannte Angreifer sind besser als eine öffentliche Bloßstellung. Der israelische Verweis, dass es sich nicht mal um ein offizielles Botschaftsgebäude gehandelt hat kann da auch als weiteren Versuch werden den Iranern eine Brücke zu bauen um nicht eskalieren zu müssen. Nach dieser Lesart verschärft die unreflektierte Übernahme der antiisraelischen Position die Situation nur noch, es wäre in der internationalen Rezeption klüger gewesen zu betonen, dass der Status des Gebäudes unklar sei. Aber im antiisraelischen Bias denken viele Player halt nicht von Zwölf bis Mittags.

Dein Vorwurf an dieser Stelle, dass dieser Ansatz nicht funktionieren kann deckt sich nach meiner Wahrnehmung nicht mit der Realität. Die israelische Ambiguität funktioniert in meinen Augen sehr offensichtlich seit etlichen Jahren sehr gut, der Iran hat sich bislang eben nicht zu größeren Vergeltungsaktionen hinreißen lassen, auch nicht nachdem man ihnen ihre Assets in Syrien ziemlich strukturiert weggebombt hat. Wir werden sehen wie die Reaktion jetzt ausfällt, aber bislang ist man damit gut gefahren.

Hinsichtlich rechtlicher Bedenken im Hinblick auf die westliche Wertegemeinschaft; meiner Wahrnehmung nach interessierten sich die lieben westlichen Partner in den letzten Jahren nun wirklich nicht größer dafür, wen oder was Israel da in Syrien oder sonstwo mal wieder bombardiert. Das ist einfach eingepreist nachdem man die Resolutionen gegenüber der Hisbollah auch nicht durchsetzen kann bzw. will. Die Reaktion jetzt ist halt ob der Gesamtumstände und der durchaus eskalativen Natur des Angriffs etwas hysterischer. Aber daraus lassen sich keine Motivationen für Verhalten der Akteure vor dem Krieg ableiten.


Völkerrecht und Waffenstillstand:

Mal abgesehen davon, dass die Meinung des wissenschaftliche Dienst des Bundestages halt nur eine Meinung und diversen juristischen Lesarten ist – ich habe doch geschrieben, dass der Bruch oder die Aufkündigung eines Waffenstillstandsabkommens je nach den vorherrschenden Umständen legitim oder illegitim sein kann. Meine weitergehende Aussage ist (lediglich), dass aus der rechtlichen Einordnung des Ende eines Waffenstillstandes nicht folgt, dass sich der Rechtscharakter des zugrundeliegenden Krieges ändert. Es wäre insofern eine separate Rechtsfrage. Verkürztes Beispiel aus dem realen Leben: Wenn ich einen Einbrecher erschieße ändert die rechtliche Bewertung der Tötung (egal wie sie ausfällt) nichts an der rechtliche Bewertung des Einbruchs.

Hinsichtlich des konkreten Vorfalls nun: Es ist rechtlich gesehen mitnichten so, dass nach zehn Jahren fortgesetzter militärischer Auseinandersetzungen mit, in und um Syrien jeder einzelne Angriff dezidiert der Selbstverteidigung im Sinne einer unmittelbaren Bedrohung entsprechen muss. Das Selbstverteidigungsrecht Israels gegenüber dem was sich da in Syrien anspielt ergibt sich nicht jeweils aus einer einzelnen Aktivität, sondern aus dem Gesamtumstand, dass mit dem Iran eine feindliche Macht in einem feindlichen Territorium Basen errichtet, teilreguläre Verbände zum Angriff auf Israel aufstellt, die Hizbollah über Syrien mit Waffen versorgt und Israel über drei Proxies mittlerweile täglich angreift. Finden dann israelische Angriffe dieses Komplexes statt, gilt dies als vollumfängliche Selbstverteidigung. Inwieweit nur ein einzelner Angegriffener Akteur oder technisches Asset eine unmittelbare Bedrohung verkörpert ist nicht relevant. Kommt in einem Krieg ja auch niemand auf die Idee nur auf die Panzer schießen zu dürfen die die Grenze überqueren (außer man heißt Biden und macht der Ukraine seltsame bis hanebüchene Vorschriften).


Verlauf der Bodeninvasion:

Wir wissen schlicht nicht, wie die israelische Offensive ohne westliche Einflussnahme ausgesehen hätte. Deine Mutmaßung, dass sie nicht viel anders ausgesehen hätte weil die Israelis die westliche Bremserei im Zweifelsfall halt hätten ignorieren können müsste erstmal begründet werden. Aber um dir da entgegenzukommen: Ich bin keinesfalls der Ansicht, dass der Verlauf der Israelischen Offensive bis ~ Dezember allzu groß davon geprägt gewesen ist, dass der Westen hier auf die Bremse getreten ist. Dieser Bremseffekt war vorhanden, aber zur frühen Phase des Einmarsches noch nicht entscheidend. Später dagegen schon. Ausnahme in der frühen Phase könnte Rafah sein, dass man da nicht am Anfang reingegangen ist. Aber seis drum. Gleichzeitig bin ich nicht der Ansicht, dass das israelische Vorgehen in Gaza bis ~ Dezember irgendwie ‚stümperhaft‘ gewesen ist. Ja, ich wäre da noch ganz anders reingegangen, aber so wie dort tatsächlich agiert haben überstieg das selbst meine optimistischeren Erwartungen deutlich. Die Probleme begannen nach meiner Wahrnehmung sehr parallel zu dem Punkt an dem man in Washington angefangen hat ob der Brutalität des Vorgehens (und es war brutal) regierungsseitig zu protestieren.

Es passierte dann das was ich mir bis dato nicht vollumfänglich und wenn überhaupt nur eingedenk des westlichen Drucks erklären kann: Man ging verfrüht und überhastet zur kolportierte ‚zweite Phase‘ der Invasion über und reduzierte die Truppenpräsenz in Gaza außerhalb von Khan Yunis auf ein absolutes Minimum, demobilisierte die Reserveverbände, lies die verbleibenden Hamas-Kräfte im Zentrum des Streifens weitgehend unbehelligt und trat in die diplomatischen Zankereien um Rafah ein. Das ist für mit der entscheidende Bruch in diesem Krieg. Die vorangegangene Operationen im Schwerpunkt nördlicher Gazastreifens waren gut bis vorbildlich und wären allemal geeignet gewesen den Krieg siegreich bis ~ Februar zu beenden wenn man nicht nach der Einnahme von Gaza-Stadt voll auf die Bremse getreten wäre.

Es ist ja nicht so, dass man mit dem Vorgehen dort wo man agiert hat ineffektiv gewesen ist. Die Verbände und Assets der Hamas sind in den Operationsgebieten weitestgehend zerschlagen, die eigenen Verluste waren verglichen mit den Erwartungen winzig. Das Problem ist schlicht, das man auf dreiviertel Strecke stehen geblieben und die Hamas immernoch im Zentrum und vor allem im Süden des Streifens mit einen Bruchteil ihrer Kräfte aber halt mit Geiseln und Führungskadern sitzt. Die Ursache dafür für mich wie gesagt ein großes Fragezeichen. Man kann das jetzt Inkompetenz und Versagen nennen, aber dieser Anwurf kann diesen offensichtlichen Bruch in der Operationsführung und die Zusammenschmelzung der Aktivitäten von Korpsgröße auf gerade einmal eine Division (und jetzt noch weniger) nicht erklären. Da muss es Gründe dafür geben und einer der gewichtigsten wird der internationale Druck sein.

Ansonsten grundsätzlich: Es ist und bleibt furchtbar billig, Israel/Netanyahu vorzuwerfen den Westen nicht noch mehr vor den Kopf zu stoßen als man es eh schon tut und gegen die vereinigte diplomatische Front der Weltgemeinschaft (und wesentlicher Teile der Opposition im Land) proaktiv gegen die Hamas vorzugehen oder jetzt in Rafah einzumarschieren. Das Problem ist hier nicht, dass Israel nach Möglichkeit einen diplomatischen Amoklauf doch vermeiden möchte wenn es irgendwie geht, sondern dass seitens der lieben westlichen Partner dieser Druck überhaupt erst aufgebaut wird!

Und random noch ein Punkt; Geschwindigkeit. Ich weiß nicht ob die in den Raum gestellt schnellere Operationen möglich gewesen wären. Ich habe das zwar auch geschrieben, aber ich hatte die Monate mal irgendwo eine Quelle zur Hand wonach die Offensive im Norden des Streifens langsamer von statten ging als vorher kalkuliert wurde. Womöglich war das dann auch wenigstens mitverantwortlich dafür, dass man zu früh die Luft rausgenommen hat, weil man die Reservisten trotzdem nach dem vorher festgelegten Zeitrahmen abgezogen und demobilisiert hat. Spekulation wie gesagt. Springender Punkt: Das Problem ist weniger die Geschwindigkeit des Vorgehens bis Dezember sondern vielmehr, dass man danach das Operationstempo krass heruntergefahren und bis heute nicht wieder intensiviert hat. Hätte es man im Januar und Februar unvermindert durchgezogen wäre die Geschichte schon vorbei.
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Werter Nightwatch:

Bleibe ich mal beim rein militärischen Bereich des ganzen:

Zitat:Und random noch ein Punkt; Geschwindigkeit. Ich weiß nicht ob die in den Raum gestellt schnellere Operationen möglich gewesen wären. Ich habe das zwar auch geschrieben, aber ich hatte die Monate mal irgendwo eine Quelle zur Hand wonach die Offensive im Norden des Streifens langsamer von statten ging als vorher kalkuliert wurde.

Ja richtig, dass hatte ich auch gelesen, dass der Angriff viel langsamer verläuft / verlief als geplant. Meiner rein persönlichen Meinung nach lag das daran, dass man zu langsam und zu zögerlich / vorsichtig vorgegangen ist. Man hat - so mein Eindruck - auf Nummer Sicher gekämpft um möglichst niedrige eigene Verluste zu haben. Und die Zielsetzung die eigenen Verluste auf einem für die Umstände historisch beispiellosen Tiefstand zu halten ist ja auch durchaus ehrenwert gegenüber den eigenen Soldaten und sie wurde zumindest erreicht. Die israelischen Verluste waren sehr viel niedriger als ich es vorher für möglich gehalten hätte.

Aber genau darin sehe ich das Problem: man hat zu sehr so agiert, dass man extremst niedrige eigene Verluste hat. Nun schreibt es sich leicht ein risikoreicheres, aggressiveres, sehr viel schnelleres Vorgehen zu fordern, wenn man selbst nicht von den Folgen desselben - zwingend höheren eigenen Verlusten - betroffen ist. Aber ich in der Überzeugung, dass exakt dies strategisch notwendig gewesen wäre. Es hätte auch das Bild des Konfliktes weltweit geändert.

Meine These ist, dass eine sehr viel schnellere und sehr viel härtere Offensive möglich gewesen wäre, aber dies hätte naturgemäß deutlich höhere eigene Verluste zur Folge gehabt. Andererseits hätte man so meiner Meinung nach schon im Dezember den Krieg vollständig beenden können. Womit die ganze Versorgungsproblematik für die Zivilbevölkerung ebenfalls nicht so eskaliert wäre.

Zitat:Springender Punkt: Das Problem ist weniger die Geschwindigkeit des Vorgehens bis Dezember sondern vielmehr, dass man danach das Operationstempo krass heruntergefahren und bis heute nicht wieder intensiviert hat. Hätte es man im Januar und Februar unvermindert durchgezogen wäre die Geschichte schon vorbei.

Sehe ich ebenso. Obwohl man zu langsam und vor vorsichtig vorgengangen ist, hätte man die Sache trotzdem zu Ende bringen müssen und bringen können. Stattdessen gab es den von dir beschriebenen Bruch im Operationstempo, der auch meiner Ansicht nach der nächste schwerwiegende Fehler war (nach dem Fehler nicht gleich von Beginn an sehr viel schneller und risikoreicher vorzugehen). Nun ist deine These dazu, dass dieser Bruch durch westlichen Einfluss / Einfluss der Weltgemeinschaft verursacht wurde. Aber es gab schon vor diesem Bruch diesen Einfluss und wurde allgemein herumgeheult, dass die Israelis doch ach so böse sind und es jetzt gut sei usw. Warum also hörten sie dann genau zu diesem Zeitpunkt plötzlich darauf? Was soll sich exakt da geändert haben? Meiner Meinung nach ist deine These, dass andere für diesen Bruch im Vorgehen verantwortlich sind auch nur eine Spekulation. Möglich, denkbar, aber auch nicht schlussendlich bewiesen.

Meist sind es ja ganze Faktorenbündel die zu etwas führen, und deshalb würde ich die Gründe für den Bruch im Vorgehen nicht so stark auf nur einen Faktor - externer Einfluss anderer Staaten - reduzieren.

Aber das Wesentlichste ist meiner Meinung nach, dass sehr wohl die zu geringe Geschwindigkeit des Vorgehens bis Dezember das wesentliche Problem darstellt. Exakt das war das Problem und ist der Grund warum man gescheitert ist. Und ich halte es eben für falsch zu erklären, dass diese zu geringe Geschwindigkeit vor Dezember vor allem das Verschulden des Einflusses westlicher Staaten ist, dass man vor Dezember zu langsam war, weil westliche Staaten die ganze Zeit gebremst hätten.

Fakt ist, man war zu langsam und ging zu vorsichtig vor, und das war ein Fehler. Man hätte sofort im Oktober / November viel schneller vorgehen müssen. Nun ist im Nachhinein immer jeder Fahnenjunker Feldmarschall, aber ich habe auch schon im Oktober nichts anderes geschrieben. Und meiner Wahrnehmung nach sind die beiden primären Faktoren warum man eben nicht so vorgegangen ist, wie es notwendig gewesen wäre: 1. der innenpolitische Druck wegen der Geiseln (Familien der Geiseln etc) und 2. das krampfhafte Vermeiden eigener Verluste.

Demgegenüber war der damalige Druck westlicher Staaten et al meiner Meinung nach als Faktor in diesem Zeitraum noch zu gering und hätte in diesem Zeitraum noch ignoriert werden können.

Eine sehr viel höhere Geschwindigkeit hätte zudem die mediale Darstellung durch den Feind, welche ja auch eine gewisse Zeit braucht um sich auszubreiten und einzusickern behindert. Und auch das langsame, zu zögerliche, zu sehr Verluste vermeidende Vorgehen wurde ja dann ganz genau so medial ausgeschlachtet durch Paliwood und es wäre nicht anders ausgeschlachtet worden, wenn man sehr viel schneller und sehr viel härter vorgegangen wäre. Die Propaganda des Feindes sähe exakt gleich aus. Und der Druck westlicher Staaten wäre auch kein anderer gewesen.

Folglich hat man schon vor Dezember und dem von dir beschriebenen Bruch militärisch versagt. Weil man zu langsam war. Und selbst wenn es der Druck westlicher Staaten gewesen sein sollte, selbst dann war die zu niedrige Geschwindigkeit vor Dezember ein militärischer Fehler.

Als einzig positives kann man davon mitnehmen, dass die israelische Armee für einen Kampf in einem solchen Urbanen Megakomplex historisch beispielslos geringe Verluste hatte.
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Kann es sein, dass Israel auch deshalb das "Tempo der Offensive" rausgenommen hat und einen großen Teil der Reservisten demobilisiert hat weil ansonsten die Wirtschaft mehr oder weniger auf Jahre hinaus geschädigt worden wäre? Oder dass man einen "Vietnam-Effekt" vermeiden wollte, nämlich, dass ein Großteil der eigenen Bevölkerung bei im Vergleich zu den Weltkriegen verschwindend geringen Zahlen an Verlusten "von der Fahne geht"?

Beides wäre für eine westliche, moderne Demokratie, die i.w. auch Israel ist, typisch und verständlich.

Wenn es so wäre, dann wäre Israel aber auch u.U. nicht mehr in der Lage einen Krieg größeren Ausmaßes und längerer Dauer, wie wir ihn gerade gegen die Hezbollah im Südlibanon erwarten, entschlossen zu führen und sogar zu gewinnen.

Und dann stünde die Existenz Israels als Staat tatsächlich auf dem Spiel.

Das Israel von heute ist nicht mehr das der 1960er Jahre...
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Quintus Fabius schrieb:Meine These ist, dass eine sehr viel schnellere und sehr viel härtere Offensive möglich gewesen wäre, aber dies hätte naturgemäß deutlich höhere eigene Verluste zur Folge gehabt. Andererseits hätte man so meiner Meinung nach schon im Dezember den Krieg vollständig beenden können. Womit die ganze Versorgungsproblematik für die Zivilbevölkerung ebenfalls nicht so eskaliert wäre.
Dezember kann man diskutieren, ich halte Dezember für deutlich zu ambitioniert und die Opfer dann auch nicht wert. Ich sehe da vielmehr schlicht keinen zwingenden Grund den Krieg nicht über Dezember hinaus in hoher Intensität fortzuführen. Konkret: Die 252. Division zog Ende Dezember aus Beit Hanun ab. Bis Mitte Januar war dann auch den Abzug (regulärer) Verbände aus Gaza-Stadt in vollen Gange. Vom Höhepunkt Mitte Dezember bis Ende Januar verringerten sich die Zahl der aktiven Brigaden in Gaza von 20 auf 6(!).

Es hätte in meinen Augen ohne Weiteres die Möglichkeit bestanden, wenigstens einen Teil dieser freiwerdenden Kräfte gegen Rafah zu schicken. Man hätte diese Truppen sogar mit den Deckungstruppen im Norden oder Verbänden aus der Westbank rotieren können. Es gab da einfach keinen zwingenden militärischen Grund es nicht zu tun, auch wenn die Operationen im Norden ein paar Wochen länger gedauert haben als veranschlagt.

Hinsichtlich Versorgungsproblematik der Zivilbevölkerung – diese unsägliche Thematik kam einerseits ja gerade erst aufgrund der irgendwo im Raum stehenden Offensive auf Rafah ins öffentliche Blickfeld. Eine fortgezogene Offensive hätte daran nichts geändert. Und andererseits aufgrund der tatsächlich existierenden Versorgungsschwierigkeiten im Norden aufgrund durch die Kampfhandlungen und Evakuierungen zusammengebrochenen öffentlichen Ordnung. Ein schnelleres Vorgehen hätte daran auch nichts geändert.

Ein wesentlicher Punkt (und das ist wirklich Kritikwürdig) warum die Offensive überhaupt erst Ende Oktober begonnen hat und nicht schneller nach dem 07. Oktober war (neben auch wieder der Verzögerungen an der diplomatischen und politischen Front), dass die IDF keine aktuellen Offensivpläne für Gaza hatte. Wenigstens nicht in der angedachten Größenordnung. Da mussten noch einiges an operativer Planung nachgeholt werden und ich vermute, dass hier auch der amerikanische Einfluss für die grandiose Idee mitverantwortlich ist, nicht zunächst nach Rafah zu gehen und vor allem die Fluchttunnel in den Sinai abzuschneiden. Ich hätte das eher genau anders herum gemacht und dabei selbstverständlich auch die Grenze zu Ägypten für die Zivilbevölkerung geöffnet.

Zitat: Nun ist deine These dazu, dass dieser Bruch durch westlichen Einfluss / Einfluss der Weltgemeinschaft verursacht wurde. Aber es gab schon vor diesem Bruch diesen Einfluss und wurde allgemein herumgeheult, dass die Israelis doch ach so böse sind und es jetzt gut sei usw. Warum also hörten sie dann genau zu diesem Zeitpunkt plötzlich darauf? Was soll sich exakt da geändert haben? Meiner Meinung nach ist deine These, dass andere für diesen Bruch im Vorgehen verantwortlich sind auch nur eine Spekulation. Möglich, denkbar, aber auch nicht schlussendlich bewiesen.


Der Abzug der Truppen fällt halt mit der wachsenden Kritik zusammen. Natürlich gab es vor und nach dem Waffenstillstand im November und über den Dezember hinweg schon irgendwelche Kritik. Nur dann hieß es vermehrt: ‚was immer ihr da treibt, übertreibt es nicht und ewig Zeit habt ihr auch nicht‘ und entscheidend zu Rafah plötzlich ‚auf keinen Fall, untersteht euch‘. Und genau das passierte halt auch, bzw. passierte dann halt tatsächlich nicht. Das Operationstempo wurde im Einklang mit den amerikanischen Forderungen deutlich zurückgefahren und ein Angriff auf Rafah ist bis heute nicht erfolgt und auch nicht unmittelbar in Sicht.

Das kann von mir aus alles Zufall sein, aber es deckt sich nun mal. Hier ein Artikel aus der Zeit, der recht gut verköpert was damals seitens der Biden Admin gepusht wurde: https://www.bbc.com/news/world-middle-east-67788359
Unter anderem
Zitat: So January will be a crucial test of whether the administration can convince Israel to alter the dynamic of the war. It's pushing the Israelis to "de-intensify" military operations in Gaza and transition to more targeted tactics that produce fewer civilian casualties than the bombing-and artillery-driven campaign.
Das war die Forderung, das Ergebnis dann: https://twitter.com/2023gazawar/status/1...81/photo/1

Sicher wird es noch andere Faktoren geben (etwa die Truppen brauchen auch mal eine Pause), aber ich habe nach wie vor keine andere Erklärung dafür, dass man den Rest des Gazastreifens nicht auch noch aufgeräumt hat, als das es der internationale (bzw. US-amerikanische) Druck verhindert hat.

Darüber hinaus wird im letzten Monat auch der Punkt dazugekommen sein, dass man intern wohl auch ernsthaft mit einem weiteren Waffenstillstand und Geiselaustausch gerechnet hat und im Ramadan auch ohne Waffenstillstand keine neue Offensive starten wird. Bleibt halt die Frage offen ob es dann jetzt in zwei, drei Wochen weitergeht nachdem die Hamas überhaupt keine Verhandlungsbereitschaft mehr erkennen lässt. Bislang gibt es dafür leider keine Anzeichen.

“Hinnerk2005“ schrieb:Kann es sein, dass Israel auch deshalb das "Tempo der Offensive" rausgenommen hat und einen großen Teil der Reservisten demobilisiert hat weil ansonsten die Wirtschaft mehr oder weniger auf Jahre hinaus geschädigt worden wäre? Oder dass man einen "Vietnam-Effekt" vermeiden wollte, nämlich, dass ein Großteil der eigenen Bevölkerung bei im Vergleich zu den Weltkriegen verschwindend geringen Zahlen an Verlusten "von der Fahne geht"?
Die Bevölkerung fordert querschnittlich eher ein härteres Vorgehen und die Moral war bzw. ist hoch, genauso die Zustimmung zum Krieg sich. Das kann kein Faktor sein.

Wirtschaftliche Schäden gab eh schon. Die hatten einen Einbruch des BIPs im letzten Quartal um knapp 20% IIRC. Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass die Schäden so unfassbar viel schlimmer gewesen wären wenn man das Gros der Reservisten noch zwei, drei Monate länger unter Waffen gehalten hätte. Zuletzt hat ja auch die Corona-Zeit gezeigt, dass die Wirtschaft sich schnell von erheblichen Einschränkungen erholt. Und Israel hat eine vergleichsweise sehr geringe Gesamtverschuldung (zuletzt auch stark fallend), die Kreditwürdigkeit ist hoch genug, da hätte man durchaus noch zwei, drei Monate wirtschaftlichen Stillstand über die Druckerpresse lösen können.
Und zuguterletzt, es hing ja nicht allein an den Reservisten. Das Gros der regulären Armee wurde abgezogen und in den Norden verlegt. Diese abgezogenen Kräfte allein hätten ohne weiteres ausgereicht um Rafah zu nehmen, auch wenn es sicherlich an die psychische und physische Substanz der Soldaten gegangen wäre, da die aktiven Truppenteile eh schon die Hauptlast der Kämpfe getragen haben und entsprechende Ausfälle (va halt auch viele Verwundete) hatten.
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(04.04.2024, 14:04)Nightwatch schrieb: (...) Ich hätte das eher genau anders herum gemacht und dabei selbstverständlich auch die Grenze zu Ägypten für die Zivilbevölkerung geöffnet. (...)

Das ist naturgemäß in einem derart asymmetrischen Konflikt nicht möglich. Hamas-Kämpfer und Sympathisanten können sich so unter die Zivilbevölkerung mischen und entkommen.

Alle vorgeschlagenen Mittel dies zu verhindern, wie Absonderung, einzelne Befragung, geheimdienstliche Ausforschung usw. funktionieren aus zwei wesentlichen Gründen nicht:

1. Das dauert für 2,5 Mio Menschen zu lange.

Zwei Sätze gelöscht, QF

Der inneren Logik des Konflikts folgend, gab und gibt es für Israel in der Lage nach dem 7. Oktober keine Gewinnerstrategie. Und das war, so vermute ich, von Anfang an das Kalkül der Hamas.
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Und über die Tunnel in den Sinai entkommen sie nicht?
Es ist doch egal ob dann da irgendwelche sekundären Kräfte entkommen. Logischerweise kontrolliert die Truppen die Übergänge nach Ägypten und screenen nach den top hundert Leuten. Verdächtige (das kann je nach Lage auch schon Männer im kampfähigen Alter heißen) werden abgewiesen.

Das dauert auch nicht zu lange. Frauen und Kinder lässt man ungeprüft durch, Verdächtige werden halt mit Datenbanken abgeglichen. Das ist ein Prozess der nicht mehr als wenige Minuten in Anspruch nimmt, man kann da ohne Weiteres pro Tag mehrere Tausend Verdächtige clearen wenn man das möchte. Frauen und Kinder kann man in unbegrenzter Anzahl ausreisen lassen.
In den jetzt über 150 Kriegstagen hätte man so leicht mehrere Hunderttausend Personen nach Ägypten ausreisen lassne können. Inwieweit die Ägypter dort Kapazitäten hätten bereit stellen können ist natürlich eine separate Frage.

Die Ausreise erfolg natürlich freiwillig. Die Bilder von den Flüchtlingsbewegungen gab es tatsächlich ja auch, ohne das die einen gesonderten Effekt gehabt hätten. Wenn am Ende dann die IDF nach Ägypten ausreisen lässt wäre die Rezeption in meinen Augen auch nicht viel anders.
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Jedwede solche Vergleiche oder Äußerungen in Richtung Ausschwitz, Warschauer Ghetto usw. unterlassen wir hiermit bitte und ich bin gezwungen das sofort zu löschen. Das nützt niemamden, führt nirgendwohin und es schadet nur der Diskussion weil es politisch wie auch emotional viel zu aufgeladen ist.
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Allgemein:

Ein Artikel über das Versagen der israelischen Regierung:

https://warontherocks.com/2024/04/dereli...october-7/

Zitat:[Hamas had been preparing for Oct. 7 for a long time, yet the most extreme government in Israel’s history supplied it with a remarkable opportunity. The Netanyahu government’s “judicial overhaul” and other steps to weaken and erode the Israeli democracy created deep divides among the Israeli public. This fracture created an image of systemic weakness and a vulnerability to a multi-front assault (including by Hizballah and Iran, and forces in the West Bank), which will ultimately leave Israel devastated or defeated.

Netanyahu’s government, of course, will try (and already tries) to deflect the blame onto the mass protests against the government. Yet it is clear that the blame lies with Netanyahu, who initiated moves to change the state’s regime fundamentally and ignored the alerts of many senior officers in the Israeli security establishment.

High-ranking officers in the military, even including Minister of Defense Yoav Gallant, tried to alert Netanyahu of the security threat that an eroding Israeli democracy posed. The prime minister refused to discuss the issue and even tried to fire Gallant after he aired the threat publicly. Netanyahu and his coalition partners are culpable for this blunder.

Zitat:While the Kibbutzim and towns of the Western Negev were desperately waiting for hours for the military to save them from the brutal and massive assault from Hamas, the Israeli Air Force was elsewhere, already attacking targets in Gaza. To be clear, fighters and bombers are not tools with which to fight an invasion in your own territory. But it is still telling that within hours of the attack, only two attack helicopters (under the air force command in the Israel Defense Forces) were available to protect Israeli territory while a forceful bombardment of Gaza was already happening.

The Israeli government during all of Netanyahu’s years as prime minister prioritized the West Bank over the border with the Gaza Strip. This trend has dramatically accelerated since the establishment of the current government in 2022, under which this priority is clearly expressed in resource allocation.

Zitat:Slowly, investment in the Gaza Division and its defense of Western Negev has deteriorated. The civil emergency squads in the border villages were also perceived as a nuisance and not a defensive asset. As a result, they were deprived of weapons and training. The underground barrier that Israel built under the fence separating it from Gaza has increased the illusion of security provided by the military and the government. Many of these resources were redirected to the West Bank, where increasing settler provocations and attacks on Palestinians necessitated a larger force to prepare for an expected backlash. On Oct. 7, one weakened and neglected division stood unprepared in front of a large, well-armed, well-prepared, and flexible Hamas force. At the same time, settlements in the West Bank were safe and sound.

Systemic dysfunction of the Israeli state was evident in the days immediately following the attack: abandoning the hostages and going to war without clear political goals. Yet an initial analysis of such multi-layered and multi-systemic failures of Oct. 7 shows that Israel cannot wait until the end of the war to learn from these blunders. Many of the principal causes behind these blunders continue to erode the basic interests of the state. Israel should examine the core assumptions of its security establishment and completely overhaul its leadership.


Werter Nightwatch:

Zitat:Ich sehe da vielmehr schlicht keinen zwingenden Grund den Krieg nicht über Dezember hinaus in hoher Intensität fortzuführen

Da sind wir beide ja einer Meinung. Der operative Umbruch war abgesehen von dem Versagen der Regierung Netanyahu und allgemeiner militärischer Inkompetenz davor ja der größte Fehler der gemacht wurde. Gar keine Frage, man hätte unbedingt den Krieg vollumfänglich fortführen müssen, ja man hätte ihn sogar intensivieren können.

Zitat:Hinsichtlich Versorgungsproblematik der Zivilbevölkerung – diese unsägliche Thematik kam einerseits ja gerade erst aufgrund der irgendwo im Raum stehenden Offensive auf Rafah ins öffentliche Blickfeld.

Man hätte Rafah aber früher stürmen können. Und es ist eigentlich ganz einfach: die Zivilbevölkerung dort hat Vorräte und im Gebiet verfügbare Lebensmittel für eine bestimmte Zeit. Wenn ich also mit meinem militärischen Vorgehen innerhalb dieser Zeit weiter komme oder dieses sogar abschließe bevor diese vorhandenen Vorräte zu Ende gehen, dann habe ich bereits das Ziel erreicht (weitestgehend) bevor eine Versorgungsproblematik entsteht.

Entsprechend hat man immer ein Zeitfenster bevor tatsächlich eine Versorgungskrise entsteht. Und dieses hat die israelische Armee nicht schnell genug exploriert:

Zitat:Ein wesentlicher Punkt (und das ist wirklich Kritikwürdig) warum die Offensive überhaupt erst Ende Oktober begonnen hat und nicht schneller nach dem 07. Oktober war (neben auch wieder der Verzögerungen an der diplomatischen und politischen Front), dass die IDF keine aktuellen Offensivpläne für Gaza hatte. Wenigstens nicht in der angedachten Größenordnung. Da mussten noch einiges an operativer Planung nachgeholt werden und ich vermute, dass hier auch der amerikanische Einfluss für die grandiose Idee mitverantwortlich ist, nicht zunächst nach Rafah zu gehen und vor allem die Fluchttunnel in den Sinai abzuschneiden. Ich hätte das eher genau anders herum gemacht und dabei selbstverständlich auch die Grenze zu Ägypten für die Zivilbevölkerung geöffnet.

Und exakt das meine ich und exakt darauf wollte ich hinaus. Das ist es, was ich meine, wenn ich von miliärischer Inkompetenz schreibe. An dem Tag als der Terrorangriff Israel traf und direkt in den darauf folgenden Tagen hatten wir beide schon genau das geschrieben: dass man zuerst im Süden einen Vorstoß entlang der Grenze ans Meer durchführen muss, Rafah nehmen muss und die Grenze zu Ägypten unter Kontrolle bringen muss. Das war so offensichtlich und ist immer noch so offensichtlich, dass selbst meine Wenigkeit es sofort unmittelbar auf die Anschläge folgend und noch bevor die Israelis mit der Offensive begonnen hatten exakt so geschrieben habe.

Erst einkesseln - dazu muss man im Süden die Grenze sichern und besetzen - erst dann kann man den Rest aufräumen.

Und warum ist dies nicht geschehen ? Und warum hat man nicht sofort losgeschlagen ? Ich wäre noch am 7 Oktober direkt in den Gazastreifen eingedrungen um die Hamas dort in Gefecht zu verwickeln und sie damit durch Simultanität an möglichst vielen Stellen zu binden um dann schnellstmöglich im Süden entlang der Grenze durchzustoßen.

Wir beiden haben das schon kurz nach dem Terrorangriff so geschrieben.

Stattdessen hat man gezögert und gezögert und noch mehr gezögert und ist dann erst stochernd übervorsichtig etwas vorgerückt und dann noch ein wenig, hat hier probeweise angesetzt, dann dort, ist dann wenige hundert Meter vorgedrungen und erst mal wieder Tagelang stehen geblieben und erst dann rollte die Offensive an.

Und das nenne ich: militärische Inkompetenz.

Und wenn der primäre Grund dafür tatsächlich der sein sollte den du hier nennst: dass man keine vollständig ausgearbeiteten Pläne für eine Offensive in Gaza hatte (!), dann nenne ich das erst recht militärische Inkompetenz und dann ist das ein Versagen der israelischen Führung und nichts anderes.

Man kann doch nicht ernsthaft in einem solchen Umfeld keine aktuellen Offensivpläne in der dort immer zwingend notwendigen Größenordnung haben ?! Das ist doch irreal !

Und nun will man, so meine These, von diesem eigenen Versagen ablenken, indem man die Schuld primär den lieben westlichen Partnern und deren politisch-diplomatischen Bremsen zuschiebt. Aber selbst dieses Bremsen benötigt einige Zeit um anzulaufen und um zu wirken. Wäre man sofort, unmittelbar, so massiv wie möglich nach Gaza hinein gegangen, hätte dieses Bremsen nicht einmal Zeit gehabt zu wirken.

Denn dann wäre man ja bereits allenorten in massive Kämpfe verwickelt gewesen und dann hat das eine Eigendynamik in welcher irgendwelches diplomatische Bremsen keinen Effekt mehr hat. Das Race to the Swift ist heute gerade eben auch deshalb notwendig, um dem negativen politischen Einfluss zuvor zu kommen, Fakten zu schaffen bevor dieser wirken kann und alle bereits vor vollende Tatsachen zu stellen, noch bevor sie dazu überhaupt irgendeinen Einfluss nehmen können.

ich habe nach wie vor keine andere Erklärung dafür, dass man den Rest des Gazastreifens nicht auch noch aufgeräumt hat, als das es der internationale (bzw. US-amerikanische) Druck verhindert hat.

Kann gut sein, und hier und heute bestreite ich ja gar nicht, dass dieser Druck ein Problem darstellt. Aber in den ersten Wochen des Oktober war dieser Druck so meiner Überzeugung nach noch nicht wirksam und damit bleibe ich bei meiner Feststellung, dass man diesem hemmenden / bremsenden / negativen Einfluss der "westlichen Wertegemeinschaft" hätte zuvor kommen können.

Und dann stellt sich mir die Frage, warum man dies nicht getan hat. Und die einzige Antwort dazu ist für mich, dass man keinen wirklichen Plan hatte wie man das tun soll und dass man vor allem die eigenen Verluste so niedrig wie möglich halten wollte, zudem wollte man weiter Kräfte auf der Westbank, sollte es dort auch aufgehen und schließlich die Geiseln noch irgendwie befreien usw usf, kurz und einfach, man war zu zögerlich, man war zu langsam, man war inkompetent.

Mein Aussage ist ja nicht, dass es diesen negativen westlichen Einfluss nicht gäbe, sondern dass er anfangs so noch nicht gewirkt hat (dafür braucht er eine gewisse Anlaufzeit) und dass Israel diese Anlaufzeit verschwendet hat aus Inkompetenz und dass man nun den zweifelsohne vorhandenen negativen Einfluss des Westens als Ausrede für das Versagen bevor dieser Wirkung zeigte benutzt.

Man war zu langsam, zu zögerlich, und damit das Momentum verschenkt. Und jetzt sollen die anderen daran schuld sein. Und die sind zweifelsohne an den ganzen fatalen Fehlentwicklungen die im Moment stattfinden hochgradig mitschuldig, aber nur weil sie hier und jetzt daran Schuld sind, heißt das nicht, dass man sie gleichermaßen für das Versagen der IDF zu Kriegsbeginn verantwortlich machen kann. Und deshalb bezeichne ich dies als eine bequeme Ausrede für die Regierung Netanyahu.
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Mir geht das Gefühl voraus, daß dieses Retardieren, das mitunter als langsam, entschleunigt oder zögerlich wahrgenommen wird, einen durchaus plausiblen, aber nicht offensichtlichen Zweck haben könnte. Indem die überlegene Kriegspartei den Truppenvorschub absichtlich verlangsamt, entsteht nämlich ein gedehntes Zeitfenster zwischen Planung, Ansatz und tatsächlicher Durchsetzung. In diesem Zeitfenster findet die größte nachrichtendienstlich verwertbare Musterveränderung statt. Darin bilden sich plötzlich erkennbare Kommunikationsknoten und eindeutige Signalwege heraus.
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Quintus Fabius schrieb:Man kann doch nicht ernsthaft in einem solchen Umfeld keine aktuellen Offensivpläne in der dort immer zwingend notwendigen Größenordnung haben ?! Das ist doch irreal !
Es hieß dazu, dass ist anscheinend Pläne für beschränktere Aktionen im Rahmen dessen hatten, was die zehn Jahre zuvor stattfand, aber keinen strukturierten Ansatz, die komplette Armee mit dem Ziel der vollständigen Zerschlagung der Hamas dort einzusetzen. Da musste man Nacharbeiten, weil es plötzlich um Räume ging bei denen man annahm dort eh nie operieren zu können. Man hatte im Vorfeld in den Planungsstäben nicht ausreichend personelle Ressourcen und hat sich daher auf Szenarien konzentriert die wahrscheinlich erschienen. Sprich wohl hauptsächlich den Norden.
Hinzu kam dann noch, dass die US Admin meinte sich direkt in den Planungsprozess mit einmischen zu müssenund zu diesem Zweck auch einiges an Beratern entstand hat (die dann auch prompt viel Unsinn verzapft haben). Das hat den Start auch noch mit verzögert.

Unterm Strich aber, ich sehe nach wie vor nicht, inwieweit es viel geändert hätte, wenn man zu bzw. vor Beginn ein bis zwei Wochen mehr Zeit herausgeholt hätte. Auch nicht damit, dass man in den zwei, drei Wochen im November vor dem Waffenstillstand noch schneller (und härter) agiert hätte. Vielleicht wäre man so mit Gaza-Stadt in der ersten Dezemberwoche fertig gewesen anstatt real zwei, bis drei Woche später. Die Truppen wären aber auch um einiges abgekämpfter gewesen und die Umgruppierungen für eine Offensive auf Rafah hätten sich wohl weiter verzögert als wie es real der Fall gewesen wäre wenn man es angegangen hätte. Und politisch bzw. diplomatisch hätte man doch auch nichts gewonnen. Die Kritik an der israelischen Operation im Dezember erwuchs ja nicht aus dem Umstand heraus, dass die Israelis zu lange brauchen, sondern dass die Kämpfe in der westlichen Wahrnehmung viel zu intensiv geführt und mit viel zu großen Zerstörungen und zivilen Opfern einhergingen. Und va das man in Rafah nicht das sehen wollte was Israel mit Gaza-Stadt gemacht hat. Wenn man da in einem alternativen Szenario idealerweise irgendwann schon ab Mitte Oktober losschlägt und sich noch intensiver und umfassender durch Gaza kämpft, wäre die internationale Reaktion auch schon früher auf dem Level angekommen wo sie dann in der Realität im Dezember gewesen ist. Ich sehe daher den Faktor Geschwindigkeit vor dem operationellen Bruch nach der Einnahme des Nordens nicht als groß relevant an.

Wohl eher eben das es falsch war nicht von Anfang an bzw. zuerst überhaupt nach Rafah zu gehen. Warum man das nicht gemacht hat ist halt die Frage. Inkompetenz zu vermuten ist mir zu einfach. Ein Faktor könnte gewesen sein, dass Ägypten hier Druck gemacht hat und sich die Amerikaner voll dahinter gestellt haben. Ein anderer Grund könnte sein, dass man den Norden aufgrund des Raketenterrors priorisiert hatte und man erst die primären Abschussgebiete besetzen wollte. Auch könnte schlicht sein, dass man sich die härteste Aufgabe (Gaza Stadt) zuerst vornehmen wollte, weil man davon ausging, das der internationale Druck die Stadt doch zu verschonen schnell zu groß werden würde. Oder man sah sich nicht willends oder in der Lage die Flüchtlingsströme irgendwo anders hinzulenken als nach Rafah bzw. sie dort zu kontrollieren. Womöglich könnte gerade auch wieder in diesem Punkt die US Administration gedrängt haben.

Aber wieder, der entscheidende Punkt ist, dass nichts davon entscheidend gewesen ist. Die Sache lief trotz aller vermeidlichen oder tatsächlichen Fehlplanungen und Verzögerungen bis zur Einnahme von Gaza-Stadt gut genug bis hervorragend. Dann wurde aus für mich jenseits amerikanischen Drucks unerfindlichen Gründen auf die Bremse getreten und 4 Monate später stehen wir immernoch am gleichen Punkt.
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