Sechster Nahostkrieg
(29.04.2024, 05:19)Schneemann schrieb: Nein, das ist falsch wiedergegeben. Der Iran unterstützt die Palästinenser durchaus, aber eben nur mit Geld und Waffen (oder Proxies), um einen Konflikt voranzutreiben oder am schwelen zu halten oder um ihn notfalls eskalieren zu lassen.

Welche iranischen Waffen in den Händen der Hamas meinst Du konkret? Davon lese ich häufiger, aber so sind die denn? Welche Waffen sollen das sein? Wir haben hunderte Videos der Hamas gesehen, aber keine iranischen Waffen. Sowieso: Mehr als AK47 und selbst gebaute RPG und "Grad" scheinen die gar nicht zu besitzen. Und der Sprengstoff, die Rohe, die Maschinen dafür kommt zu gut 90% aus Israel. Ebenso das ganze Geld, der politische und mediale Nährboden, die Existenz. ;-)

Im Übrigen ist die Hamas gar nicht Irans first choice in Palästina. Die Hamas ist traditionell eng verbündet mit den Muslimbrüdern, aus Türkei, aus Ägypten, aus Katar. Weil die Hamas insbesondere sich auch auf ihre arabisch-sunnitische Identität in sektiererischerweise gegen Schiiten, Alewiten und auch Christen gewendet hat, war das Verhältnis zum Iran, Syrien, Hisbollah usw jahrelang eher feindschaftlich. Beziehungen wurden aufgenommen, als die Hamas bereit die Herrschaft im Gazastreifen übernommen hatte und während des syrischen Bürgerkrieges auch nicht. Also bestand insofern über Hälfte des bisherigen Existenzzeitraumes der Hamas zum Iran gar kein Verhältnis. Die Darstellung die Hamas sei in heraushebender Form mit dem Iran assoziiert oder gar kontrolliert ist sowas von unehrlich, weil sachlich danebengegriffen.

Irans "Proxy" in Palästina ist viel eher der "Islamische Dschihad" https://en.wikipedia.org/wiki/Palestinian_Islamic_Jihad
Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an Scheich Jassin den alten Mann im Rollstuhl. Die sind zwischen Fatah und Hamas eher die Underdogs in der Region.
Der Islamische Dschihad ist die Nr 3. in diesem Trio aus PLO/Fatah (Frankreich/USA) und den dazu in Opposition jeweils stehenden Hamas (Katar/Ägypten/Türkei). Israel versucht nach dem Teile und Herrsche, die Fraktion der Fatah und die Fraktion der Hamas jeweils in Waage und unter Kontrolle am Leben gehalten zu haben. So wie man Rockergruppen oder Familienclans kontrolliert ihre Geschäfte weiter machen lässt.

Wenn die Hamas wegfällt, ist ebenso wenig schlimm, wie wenn sie abhängig wird. Das sehen wahrscheinlich alle so.

Israel selbst hat alternativ auch überhaupt gar kein Interesse daran, dass zivilpolitische Strukturen in den Palästinensergebieten entstehen. Das ist die Grundlage dieses Ökosystems, des Terrariums. Wo welcher Dollar oder Shekel in den Palästinensergebieten in welche Richtung fließt, weiß Israel besser als jeder andere bzw. als die Palis selbst wahrscheinlich. Big Grin

Zitat:Wenn diese Strategie dann zum Leidwesen der Palästinenser eskaliert, so wie nach dem 7. Oktober, kommt aber nicht mehr viel.

Was auch immer Du damit meinst, was vom Iran, der Türkei, Katar, Ägypten oder wen Du auch immer konkret in die Verantwortung für das Geschehen ziehen möchtest, denn Deinerseits für Hilfshandlungen vermisst werden? Es ist nicht so als wäre ein Lebensmittelmangel oder Mangel an Zelten oder Medikamenten auf Seiten des militärisch in alle Richtungen das Gebiet beherrschenden Besatzungsmacht vorherrschen würde, die man vom Iran oder Türkei aus technisch-politisch überhaupt bedienen könnte. Wenn dort ein Pier steht, wäre ich gespannt ob iranische Hilfsschiffe dort überhaupt anlanden dürften. Die stünden wahrscheinlich sowieso unter Sanktion. Was genau erwartest Du von wem?

Vielleicht entgeht auch nur Deiner Wahrnehmung die tagtägliche Diplomatie, die im Kontext Gaza auf allen Ebenen (SCO, BRICS, NAM, UN) vom Iran, Türkei, Südafrika im Sinne der Palästinenser betrieben wird- Die fadenscheinigen Abwürfe von Schokolade durch (UK, US, F, D) sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass eben diese Staaten auf internationaler Bühne gegen die Mehrheit der Weltbevölkerung jeden Druck von Israel nehmen, welches aber technisch ursächlich für die Mangel-/Flüchtlingssituation ist. Ich kann nicht ein paar hundertausend Bewohnern sagen, sie sollen ein Gebiet räumen, die Infrastruktur zerballen und dann keine Unterkünfte und Nahrung für die vertriebene Bevölkerung bereitstellen. Das ist so nicht legal, nicht legitim und ursächlich. Und dafür soll man jetzt den idiotischen Pier vor Gaza und die A400M Schokolade in den Klee loben? Diese oben genannten Platitüden der USA/UK/F/D auf internationaler Bühne erweisen sich tatsächlich als Glücksfall für den Iran, was die Zustimmungswerte innerhalb der arabischen Bevölkerungen angeht und auch den Zusammenhalt, auch in organisatorischer Form, innerhalb der Islamic Resistance ebenfall zusätzlich stärkt.

Und zum Thema Suppe anderer auslöffeln. Der Iran und die Türkei haben Millionen von Flüchtlingen aufgenommen und erheblichen Blutzoll dafür an den Grenzen bezahlt, durch die US Kriege in Irak und Afghanistan und die salafistischen Experimente ihrer Proxies aus VAE & Saudi Arabien entstanden sind.

Zitat:Denn das hieraus resultierende Leid vor Ort ist wiederum eine fast so starke Waffe (oder gar international betrachtet eine stärkere?) als jeder Bombenanschlag in Tel Aviv oder Katjuscha-Beschuss aus dem Südlibanon.

Leid wird dort vorort in Palästina/Israel/Libanon/Syrien/Jemen tatsächlich als Waffe seit Jahrzehnten systematisch eingesetzt. Die Frage wäre tatsächlich mal sehr interessant zu klären, wer hier welches Leid mit welchen Mitteln verursacht.

Zitat:Die Türkei ist Teil der NATO. Ein Anruf in Brüssel oder in Washington und man könnte sich ohne Probleme an den jetzigen Operationen beteiligen. Mir wäre aber keine Initiative dahingehend bekannt. Und wenn unter den Care Paketen keine RPGs gelagert sind, dann würden vermutlich auch iranische Hilfsgüter über den Roten Halbmond akzeptiert werden.

Hätte, hätte Fahrradkette oder gibt es hier konkrete Zusagen? Überhaupt Versorgungspläne die bestimmte Länder, Organisationen ein oder ausschließen? Wer bestimmt das? Oder war nicht vielleicht von Anfang an der Plan die Lebenssituation unmöglich zu machen und die Bevölkerung auf den Sinai zu verschicken? Und die USA bieten hier gerade den abstrusesten Plan B auf eigene Kosten an, der mir seit der Berliner Luftbrücke so pauschal in Erinnerung ist. Ich dachte Israel exportiert Lebensmittel und Medikamente und ist im Katastrophenschutz führend? Sie sind Besatzer. Organisator der Verschickung der aus den Kampfgebieten vertriebenen Bevölkerung. Und spontan geht der Fingerzeig in Richtung Türkei und Iran. Daran soll es sicher nicht scheitern. Mit großem Tamtam auch. Aber wie?

Zitat:Als Amerikaner hast du es eben nicht leicht. Unterstützt du die Israelis, bist du schon einmal "böse". Baust du den notleidenden Palästinensern einen Versorgungshafen, dann bist du zudem auch noch "doof". Die Welt ist halt einfach ungerecht. Rolleyes

Wenn etwas völlig unnötig ist, weil der politische Wille des eigenen Proxy oder Verbündeten (Israel) fehlt und er damit schon völkerrechtlich in Treibsand watet, dann ist das tatsächlich - "doof", ja! Das ist so.
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Zitat:Welche iranischen Waffen in den Händen der Hamas meinst Du konkret? Davon lese ich häufiger, aber so sind die denn? Welche Waffen sollen das sein?
Beispielsweise die Fajr-3 (https://en.wikipedia.org/wiki/Fajr-3). Auch die Fajr-5 soll mittlerweile in Gaza aufgetaucht sein. Aber es geht nicht nur um die "greifbare" Waffe vor der Kamera, es geht auch um umfangreiche finanzielle Unterstützungen. Zwar sind diese nach 2011 und mit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges - nach einem starken Zulauf von 2006 bis 2011 - zunächst zurückgegangen, da die Hamas bzw. ihre ideologischen und fundamentalistisch-religiösen Wurzeln konträr zum syrischen Verbündeten Teherans standen und stehen, aber das hat den Iran nicht davon abgehalten, nach grob 2017 diese Unterstützung wieder auszubauen.
Zitat:Im Übrigen ist die Hamas gar nicht Irans first choice in Palästina. Die Hamas ist traditionell eng verbündet mit den Muslimbrüdern, aus Türkei, aus Ägypten, aus Katar. Weil die Hamas insbesondere sich auch auf ihre arabisch-sunnitische Identität in sektiererischerweise gegen Schiiten, Alewiten und auch Christen gewendet hat, war das Verhältnis zum Iran, Syrien, Hisbollah usw jahrelang eher feindschaftlich.
Das ist richtig. Übrigens hatte ich hier im Forum schon öfters gerade darauf hingewiesen und den kaum überbrückbaren religiösen Gegensatz zwischen den sunnitischen Muslimbrüdern und ihren Ablegern und dem schiitisch-iranisch-alawitischen Achse skizziert. Ich hatte sogar mal geschrieben, dass ich es für denkbar halten würde, dass die recht überschaubare Unterstützung des Iran und seiner Proxies für die Palästinenser im aktuellen Konflikt ihre Ursache darin haben könnte, dass man in Teheran zwar die Hamas als nützliches "Schwert" gegen Israel ansieht, aber ihr auch keine Träne nachweinen würde, wenn die IDF sie in Gaza zusammenkartätscht - eben weil es ein religiöser Todfeind ist. Allerdings wurde mir dazu hier im Forum deutlich widersprochen (ist hier im Strang auch zu finden).

In gewisser Weise könnte man also zynisch sagen (meine eigene Meinung), dass der Iran sich gegenüber der Hamas so verhält, wie die USA gegenüber den Taliban. Im Grunde hasst man sich und vertritt absolut unvereinbare ideologische und religiöse Positionen, notfalls ist man aber bereit zusammenzuarbeiten, um einen Proxy gegen einen anderen Gegner am Leben zu halten bzw. um diesen zu "beschäftigen".
Zitat: Irans "Proxy" in Palästina ist viel eher der "Islamische Dschihad" https://en.wikipedia.org/wiki/Palestinian_Islamic_Jihad
Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an Scheich Jassin den alten Mann im Rollstuhl. Die sind zwischen Fatah und Hamas eher die Underdogs in der Region.
Das ist nun zu einfach dargestellt. Jassin hat seit Ende der 1960er Jahre - grob nach dem Sechstagekrieg - die Losung ausgegeben, dass sein Vorbild Hasan al-Bannā sei und dass alle religiöse Neuorientierung der Palästinenser sich auf die ägyptischen Muslimbrüder zu stützen habe - also auf jene Organisation, auf die die Hamas sich bezieht. Das kann man übrigens in Joseph Croitorus Buch zur Hamas (Hamas. Auf dem Weg zum palästinensischen Gottesstaat; dtv 2010, ab Seite 43) sehr gut nachlesen. Insofern halte ich wenig davon, dass man eine derart scharfe Trennlinie zwischen dem Islamischen Dschihad und der Hamas versucht zu ziehen, abgesehen davon, dass am 7. Oktober beide Organisationen auch Hand in Hand zusammengewirkt haben...
Zitat:Die fadenscheinigen Abwürfe von Schokolade durch (UK, US, F, D) sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass eben diese Staaten auf internationaler Bühne gegen die Mehrheit der Weltbevölkerung jeden Druck von Israel nehmen, welches aber technisch ursächlich für die Mangel-/Flüchtlingssituation ist. Ich kann nicht ein paar hundertausend Bewohnern sagen, sie sollen ein Gebiet räumen, die Infrastruktur zerballen und dann keine Unterkünfte und Nahrung für die vertriebene Bevölkerung bereitstellen.
Ich kann die Lage vor Ort nur aus der Distanz versuchen einzuschätzen, aber wenn ich diesen Abschnitt lese, so verstehe ich die Logik nicht. Alle Beobachter sagen, dass die Lage vor Ort zumindest "problematisch" ist, deswegen finden auch die Abwürfe und der Hafenbau statt. Und du machst es lächerlich bzw. goutierst es zumindest mit einem lächerlichen Unterton. Bzw. verknüpfst die Meinung, die die "Weltöffentlichkeit" zum israelisch-palästinensischen Konflikt hat, mit der Einschätzung bzgl. der Notwendigkeit, ob man nun Nahrungsmittel liefern soll oder nicht. Das ist nicht logisch, weil nur deswegen, weil man ggf. Israel unterstützt, heißt das im Umkehrschluss nicht, dass ich keine Nahrung für notleidende palästinensische Zivilisten bereitstellen sollte.
Zitat:Und dafür soll man jetzt den idiotischen Pier vor Gaza und die A400M Schokolade in den Klee loben?
Es geht nicht um "loben", es geht darum, dass diejenigen, die gerne dafür kritisiert werden, dass sie Israel "kritiklos" unterstützen würden, nun versuchen, irgendwie für die Palästinenser die Nahrungsversorgung sicherzustellen. Und es geht auch darum, dass diejenigen, die normal gerne Waffen liefern an die radikalen Palästinenser und die den Konflikt so befeuern oder zumindest für die palästinensische Sache argumentieren, entweder völlig im Splitterschutz sind oder allenfalls wohlfeile Worte finden.

Um es überspitzt zu sagen: Die Palästinenser haben eigentlich nur eine Option - sie müssen sich mit den Westmächten und auch den (teils) verhassten Israelis arrangieren, denn wenn sie sich auf ihre "Gönner" im nahöstlichen Raum oder auch in Moskau verlassen, dann sind sie verlassen.
Zitat:Leid wird dort vorort in Palästina/Israel/Libanon/Syrien/Jemen tatsächlich als Waffe seit Jahrzehnten systematisch eingesetzt. Die Frage wäre tatsächlich mal sehr interessant zu klären, wer hier welches Leid mit welchen Mitteln verursacht.
Das kann man durchaus, und die Übersicht ist ebenso eindeutig wie frustrierend. Der israelisch-arabische Konflikt hat seit 1948 bzw. in rund 75 Jahren wohl 130.000 Tote gefordert. Alleine in Syrien starben seit 2011 vermutlich 500.000 Menschen, selbst der seit 2015 tobende Bürgerkrieg im Jemen (um auch dieses Bsp. aufzugreifen) hat - so weit überhaupt erfassbar - ca. 300.000 Opfer gekostet. Und während in Gaza irgendwann in nächster Zeit wohl mit einem Waffenstillstand zu rechnen ist, sehe ich das im Jemen oder in Syrien nicht mal ansatzweise.
Zitat:Hätte, hätte Fahrradkette oder gibt es hier konkrete Zusagen? Überhaupt Versorgungspläne die bestimmte Länder, Organisationen ein oder ausschließen? Wer bestimmt das? Oder war nicht vielleicht von Anfang an der Plan die Lebenssituation unmöglich zu machen und die Bevölkerung auf den Sinai zu verschicken? Und die USA bieten hier gerade den abstrusesten Plan B auf eigene Kosten an, der mir seit der Berliner Luftbrücke so pauschal in Erinnerung ist.
Ich verstehe die Häme nicht. Meine Güte, wenn die USA diesen "abstrusen Plan" haben und einen Hafen auf eigene Kosten bauen, um Gaza zu versorgen - wieso bitteschön sollen sie es nicht machen?

Schneemann
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Die finanziellen und materiellen Zuflüsse der Hamas sind, wie bereits geschrieben, mehreren Quellen zuzuordnen. Die Hamas war schon bereits durch die Hilfe Dritter an die Macht gekommen in Gaza, bevor Beziehungen mit dem Iran aufgenommen wurden. Die Hamas wurde idiologisch und organisatorisch von anderen Quellen aufgebaut. Darüber herrscht soweit Einigkeit verstehe ich.

Nicht dass die Führung in Teheran hier ansatzweise ein Problem damit hätte, sich mit solch Lorbeeren zu schmücken. Ursache und Wirkung in diese Richtung zu deuteln ist Bestandteil der israelischen Lesart. Aus meiner Sicht eine Ablenkungskampagne, die von der eigenen Förderung (kontrolliertes an der Leine führen) der Hamas ablenken soll und gleichzeitig auch alle anderen zweifelhaften "Verbündeten" aus Ägypten, der Türkei und Katar aus der Schusslinie nimmt, die mit der Hamas kooperieren.

Das Siedlungskonzept ist meiner Meinung nach im Kern auf rassistisch getriebene Konfrontation ausgelegt. Israel muss solche Feinde haben, sonst kann es in der jetzigen politisch-ideologischen Form nicht existieren die eigene Staatsphilosophie und Deutung argumentieren, sondern müsste sich politisch-ideologisch massiv wandeln, alle gleichwertig integrieren. Das war aber nie der Ansatz. Und die Hamas ist ein Reptil innerhalb des von Israel geschaffenen Terrariums mit dem von Israel künstlich geschaffenen Klimas.

Dass Artillerieraketen und ein paar Mio $ an dem Setting oder am Gemisch in irgendeiner Form zu Israels Ungunsten signifikant verändern, was Israel nicht problemlos im Griff hätte, halte ich für ein gern wiederholtes Gerücht. Für die Relevanz der Unterstützung, ist das Geheule darüber zwar ohrenbetäubend laut... aber auch für alle Seiten letztlich zielgruppenorientiert von Vorteil. Israel hält alle diese Gruppierungen an der langen oder kurzen Leine und weiß über fast jeden Handgriff hinreichend bescheid.

Übrigens war es Israel, welches mit den Muslimbrüdern, insbesondere mit den sektiererischen Elementen in Syrien Verbündete gefunden hatte. Ist das nicht eine mindestens ebenso große Ironie, wie wenn Schiiten und Sunniten sich unterstützen?

Zitat:Das ist richtig. Übrigens hatte ich hier im Forum schon öfters gerade darauf hingewiesen und den kaum überbrückbaren religiösen Gegensatz zwischen den sunnitischen Muslimbrüdern und ihren Ablegern und dem schiitisch-iranisch-alawitischen Achse skizziert.

Diese Sektiererei zwischen den Religionsgruppen ist nicht im Interesse des politischen und religiösen Iran, in Teheran und Ghom. Das macht politisch einsam wenn man selbst zur Minderheit gehört. In diesem Kontext ist die versuchte Annäherung and die Muslimbrüder aus Ägypten, der Türkei und Katar auch zu verorten. Damals unter der Regierung Ahmadinejad vor dem Hintergrund eines vermeintlichen Machtwechsels durch die gewonnen Wahl von Mursi in Ägypten zusätzlich befeuert. Auch Erdogan-Türkei steht den Muslimbrüdern sehr nahe. Daher gibt es keinen Weg an ihnen vorbei. Die Hamas ist nur ein kleiner Finger an dieser Hand und auch nur eine Spielkarte auf dem geo-/regionalpolitischen Parkett.

Zitat:Ich hatte sogar mal geschrieben, dass ich es für denkbar halten würde, dass die recht überschaubare Unterstützung des Iran und seiner Proxies für die Palästinenser im aktuellen Konflikt ihre Ursache darin haben könnte, dass man in Teheran zwar die Hamas als nützliches "Schwert" gegen Israel ansieht, aber ihr auch keine Träne nachweinen würde, wenn die IDF sie in Gaza zusammenkartätscht - eben weil es ein religiöser Todfeind ist.

In Teheran und Ghom vermeidet man es eigentlich, aus rein religiösen Gründen einen Feind zum Todfeind zu erklären. Todfeinde werden stets, auch aus dem klerikalen Lager heraus, durch weltliche Umstände begründet. Besonders gerne und am liebsten zeigt man sich öffentlich mit jüdischen, christlichen und sunnitischen Religionsgelehrten zum interreligiösen Dialog. Sektiererei dient nicht den eigenen Interessen, insofern ist die Unterstützung einer sunnitischen, arabischen Gruppe auch nicht grundsätzlich abzulehnen aus Teherans Sicht.

Die politisch-strategische Landkarte des Iran ist aufgrund seiner geografischen Lage auch einfach größer als nur Nahost/Israel. Bestandteil einer größer angelegten Strategie ist es, die Beziehungen zu den relevanten und nützlichen Gruppierungen anderer Religionen und Regionen zu intensivieren, sofern die jeweiligen grundsätzlichen Ziele strategischer Natur hinreichend deckungsgleich sind.

Zitat:In gewisser Weise könnte man also zynisch sagen (meine eigene Meinung), dass der Iran sich gegenüber der Hamas so verhält, wie die USA gegenüber den Taliban. Im Grunde hasst man sich und vertritt absolut unvereinbare ideologische und religiöse Positionen, notfalls ist man aber bereit zusammenzuarbeiten, um einen Proxy gegen einen anderen Gegner am Leben zu halten bzw. um diesen zu "beschäftigen".

Ja und nein. Gelder sind erst dann wieder an die Hamas geflossen, als die Muslimbrüder eine weitestgehende Einigung mit Assad in Syrien gefunden haben. Das waren keine isolierten Ereignisse.

Zitat:Ich kann die Lage vor Ort nur aus der Distanz versuchen einzuschätzen, aber wenn ich diesen Abschnitt lese, so verstehe ich die Logik nicht. Alle Beobachter sagen, dass die Lage vor Ort zumindest "problematisch" ist, deswegen finden auch die Abwürfe und der Hafenbau statt. Und du machst es lächerlich bzw. goutierst es zumindest mit einem lächerlichen Unterton.

Es ist ja auch lächerlich, dass es einfacher ist, dieses Bauwerk aus dem Nichts zu errichten, also um eine neue Versorgungslinie über das Meer nach Gaza hinein zu organisieren, als den eigenen Proxy Israel an seine völkerrechtlichen Pflichten zu erinnern, die (Land-)Versorgung zu öffnen. Selbst wenn Israel nicht hinreichend Kapazitäten besitzen würde (das ja ist aber gar nicht das Problem) die humanitäre Katastrophe alleine gerade zu ziehen, dann könnte man für ausländische Hilfsgüter doch bestehende israelische Häfen und Infrastruktur nutzen. Geht aber nicht. Daher dieses abstruse Bauwerk. Treten die USA jetzt als Blockadebrecher auf?

Dass es am Ende für den betreffenden Teller egal ist, wo das Pfund Mehl herkommt ist mir schon auch klar und humanitär mehr als begrüßenswert.
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