Luftmobilität
#13
Helios:

Zitat:Es geht dabei insbesondere um die notwendigen CSAR-Missionen sowie um Kommandooperationen kleiner und leichter Trupps, mit oder ohne ungeschützten Fahrzeugen. Für diese erscheinen die schweren Transporthubschrauber auf den ersten Blick überdimensioniert, allerdings ist das ein Trugschluss, der aufgrund der fehlenden Berücksichtigung des Schutzniveaus (auch der Redundanz) sowie der Umwelt- und damit Einsatzbedingungen entsteht.

CSAR sowie Kommando-Operationen sind meiner Meinung nach mit dem NH-90 deutlich besser bedient. Für den Voll-Aufwand eines einzigen schweren Transporthubschraubers kann ich leicht mehrere NH-90 schicken, welche dann insgesamt nicht nur das Risiko auf mehrere Einheiten verteilen, sondern insgesamt sogar mehr transportieren können. Und (absetzbare) Fahrzeuge werden meiner Ansicht nach eben nicht dafür benötigt, denn die Helikopter selbst sind diese Fahrzeuge. Deshalb benötigt man keine solchen Boden-Fahrzeuge zusätzlich bei solchen Aufträgen. Natürlich kann man Szenarien konstruieren, wo Boden-Fahrzeuge dann doch der ausschlaggebende Vorteil wären, aber um den Spruch: Wer alles defendieren will defendiert am Ende gar nichts hierfür abzuwandeln: wer absolut jede noch so unbedeutende Eventualität abdecken will, hat am Ende nirgends mehr eine ausreichende Befähigung. Die Breite wird dann so groß und die Tiefe so gering, dass es keinen Sinn mehr macht.

Man braucht Schwerpunkte. Wenn dann dadurch irgendein unbedeutendes Feld nicht beackert werden kann, so ist das ein notwendiges Opfer für den Schwerpunkt.

Zitat:Diese Erfahrung hat dazu geführt, dass das USMC sehr viel mehr Einsätze in Afghanistan fliegen musste als eigentlich vorgesehen war

Insgesamt zeigt der Afghanistan-Einsatz wie immens wertvoll Hubschrauber sind und wie immens viel diese eingesetzt wurden. Die Heeresflieger der USA sind in Afghanistan im Prinzip eine der am meisten eingespannten Truppen gewesen und haben überproportinal viele Verbände abgestellt die überproportional viele Einsätze absolvierten. Das betraf alle Typen von Hubschraubern und Hubschrauber-Verbänden gleichermaßen.

Es belegt meiner Meinung nach den Wert der Luftmechanisierung an sich. Aber wie oft wurden in Afghanistan tatsächlich leichte Panzer verlegt und wie oft war dies tatsächlich wirklich notwendig? So weit es mir bekannt geworden ist, waren dies immer sehr spezielle Ausnahmefälle, und hätte man diese auch anders abarbeiten können.

Zitat:Für mich ist diese Argumentation willkürlich, wenn auf der einen Seite deiner Ansicht nach die Jäger bewusst auf Masse verzichten sollten um eine maximale Mobilität zu erreichen,

Dann hast du mich da extrem missverstanden: ich will gerade eben bei den Jäger-Verbänden sehr viel mehr Infanteristen, einen viel höheren Anteil tatsächlich einsetzbarer Jäger (prozentual). Jedes Bataillon hätte bei mir schon viel mehr real einsetzbare Jäger als dies heute der Fall ist und nach oben hin gäbe es reine Jäger-Regimenter mit entsprechend erneut sehr viel mehr einsetzbarer Infanterie als dies Bundeswehr-Verbände heute haben. Wie ist das möglich? Höchst einfach: indem man auf die Fahrzeuge verzichtet. Gerade durch den Verzicht auf die Fahrzeuge erlangen Jäger die Masse welche für den Kampf leichter Infanterie notwendig ist.

Durch den bewussten Verzicht auf gepanzerte Fahrzeuge / Fahrzeuge aller Art erreiche ich nicht nur eine maximale Mobilität, sondern zugleich auch Masse ! Ich bin da von der Doktrin her sehr stark von Uhle-Wettler beeinflusst.

Zitat:während auf der anderen Seite auf die Verlegung durch die Luft und damit höchste Mobilität verzichtet werden soll, um die maximale Masse ins Feld zu führen.

Auf die Verlegung von leichten Panzern oder anderen Fahrzeugen durch die Luft sollte verzichtet werden. Nicht auf die Verlegung durch die Luft an sich. Und bei der Verlegung durch die Luft sind die Hubschrauber selbst die Fahrzeuge, so dass man eben keine weiteren solchen benötigt. Meiner Auffassung nach sollte es drei primäre Gruppen von Infanterie geben: (echte) Leichte Infanterie, Luftsturm-Infanterie, Panzergrenadiere. Wobei letztere meiner Auffassung nach keine Infanterie mehr sind sondern den Panzern zuzurechnen wären, aber da sie üblicherweise als Infanterie verstanden werden nehmen ich sie hier mal dazu. Leichte Infanterie und Luftsturm müssen etwas verschieden voneinander aufgestellt und ausgerüstet werden. Dafür sollte man im Gegenzug auf Fallschirmjäger komplett verzichten, und Fähigkeiten für den Gebirgskampf durch spezialisierte kleinere Hochgebirgseinheiten als Befähiger anderer Infanterie-Einheiten bereit stellen (analog zu den Hochgebirgs-Bataillonen im WK2). Die Masse der Infanterie wird dabei durch leichte Infanterie gestellt.

Zitat:Ich sehe auch nicht, wie Spezialaufgaben, also beispielsweise CSAR-Missionen oder Kommandoeinsätze von mehr Masse irgendwie profitieren würden.

Nur mal als Beispiel: mehr Masse bedeutet hier mehr Kommando-Einsätze, bedeutet dass diese mehr Wirkung entfalten und man damit dem Gegner irgendwann erheblich zusetzen kann statt ihm nur Nadelstiche zu setzen. Zugleich werden CSAR Einsätze leichter weil immer genug Ressourcen dafür zur Verfügung stehen und solche Einsätze daher nicht verhindern, dass andere Formen von Einsätzen von den entsprechenden Sondereinheiten ebenfalls noch durchgeführt werden können. Zudem sind die Verluste zu bedenken: in einem ernsthaften Kriegsgeschehen bluten solche Einheiten rasant aus. Noch darüber hinaus macht selbst innerhalb eines solchen Einsatzes Masse erheblich viel aus, da im Infanterie-Kampf (und darum wird es bei solchen Einsätzen primär gehen) Quantität ein erheblicher Faktor ist.

Zitat:In meinen Augen ist der Gedanke fatal, sich zu sehr auf eine Variante der Kriegsführung zu konzentrieren, nur weil diese die höchste Kampfkraft verspricht.

Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen aber: ich will im Prinzip auf Einheiten hinaus die generell ein weites Feld abdecken während du doch explizit von spezialisierten Fähigkeiten und speziellen Aufträgen sprichst. Mir geht es doch gerade eben darum Generalisten zu haben, welche in möglichst vielen Szenarien einen Mehrwert versprechen.

Ein TIGER ist in Osteuropa wie in Mali wie in Afghanistan immens nützlich. Er leistet dort überall einen erheblichen Beitrag und stellt erhebliche Kampfkraft gleichgültig welches der drei Einsatzgebiet und Szenarien man hier andenkt. Ein schwerer Transporthubschrauber / mit leichten Panzern kann ebenfalls in einem solchen Szenario nützlich sein, ist dies aber nicht immer und überall. Gerade auch weil es eine spezialisierte Fähigkeit ist, der Nutzen also nicht so allgemein und breit ist, lehne ich solche Spezial-Kombinationen ab.

Zitat:Dadurch wird man nicht nur berechenbar, auch die Reaktionsfähigkeiten des Gegners können sich darauf konzentrieren, und im schlimmsten Fall mit einem Schlag ein Großteil der Kampfkraft eingebüßt werden.

Gerade ein solches Pearl Harbour Szenario befürchte ich mehr als alles andere und daher liegen wir bei diesem Gedanken vollständig auf einer Linie. Das ist auch ein Grund warum ich Heeresflieger für absolut relevant einschätze, den sie können viel leichter abseits der begrenzten und damit schlagbaren Militär-Infrastruktur operieren, können große Strecken schnell zurück legen und damit schneller als alle anderen Schwerpunkte verschieben und gerade dies ist die Fähigkeit welche wir bei einer Entwicklung der Streitkräfte Richtung Osteuropa vor allem anderen benötigen (wieder Stichwort Infrastruktur). Wozu aber die Heeresflieger mit zu transportierenden Fahrzeugen belasten?

Viel sinnvoller wären hier schwere Transporthubschrauber - wenn man sie den haben will / hat - die für den Betrieb von Feldflugplätzen notwendigen Mittel zu transportieren um so schnell wie möglich disloziert und an wechselnden Standorten die für die Kampfhubschrauber notwendige Assets bereit zu stellen. Sozusagen luftverlegbare Feldflugplätze. Das wäre beispielsweise meiner Meinung nach eine Aufgabe im militärischen Kontext für solche schweren Transporthubschrauber.

Zitat:auch wenn ich den Sinn von leichten Panzern als temporären Schutz kleiner Infanterieeinheiten in einem Einsatzumfeld ohne schwere Waffen durchaus noch gegeben sehe

Das Gelände selbst ist der einzige sinnvolle Schutz für kleine Infanterie-Einheiten. Zudem kann man auch Helikopter gegen leichte Schützenwaffen panzern und mit Hardkill-Systemen ausrüsten.

Zitat:Interessant fände ich auch deine Meinung zu der Verlegung von Feldhaubitzen, wie die Briten es regelmäßig exerzieren. Ziel ist es bei Gegnern ohne eigene Artillerie schnell und günstig viel Kampfkraft einsetzen zu können.

Gezogene Rohrartillerie ist meiner Ansicht nach überkommen. Zudem ist die Reichweite und Präzision selbst von Rohrartillerie heute so groß, dass es dieser Verlegung im Prinzip nicht einmal mehr bedarf. Spezifisch in Bezug auf eine Kombination mit Helikoptertransport ist meiner Meinung nach der Aspekt wesentlich, dass Rohrartillerie nicht in einer bestimmten kurzen Zeitspanne die gleiche hohe Feuerdichte wie Raketenartillerie erreichen kann. Gerade in Bezug auf eine Verlegung per Heli ist aber die Frage der Feuerdichte meiner Ansicht nach wesentlich. In möglichst kurzer Zeit sollte möglichst viel Feuerkraft entwickelt werden können. Das spricht daher für leichte Raketenartillerie - in Form von leichten Mehrfachwerfern. Der Stellungswechsel per Helikopter ist zudem mit gezogener Rohrartillerie schwieriger (aufwendiger, zeitaufwendiger) als bei einem Mehrfach-Raketenwerer. Nun gibt es solche Mehrfach-Raketenwerfer die per Heli verlegt werden könnten heute de facto nicht, bzw. die Bundeswehr hat keine leichte Raketenartillerie mehr, was meiner Einschätzung nach eine Fähigkeitslücke ist. Gerade im Grenzbereich von Panzerjägern großer Reichweite (bspw Spike NLOS) und echter Raketenartillerie könnte ein derartiges System sehr wirksam sein und würde insbesondere auch die Fähigkeiten von Kampfhubschraubern in Richtung Panzerbekämpfung, Bekämpfung feindlicher Luftabwehr (insbesondere Nahbereichs-Luftabwehr) und Konterbatteriefeuer perfekt ergänzen. Gerade in den beiden letztgenannten Aspekten sehe ich hier die Aufgabe.

Heute gibt es zudem die Option von Loitering Munition, welche sich insbesondere auch in den beiden letztgenannten Aspekten besonders bewährt hat (siehe Berg-Karabach). Solche Loitering Munition könnte ebenfalls mit Hubschraubern verlegt und von diesen aus eingesetzt werden. Wenn man ohnehin an einen Verbund von Drohnen und Hubschraubern denkt, so würden dann entsprechende Transporthubschrauber welche solche Loitering Munition einsetzen können genau in diese Richtung gehen und man würde hier die gleichen grundlegenden Schnittstellen benutzen bzw in die gleiche grundlegende Richtung gehen. Man hätte dann Kampfhubschrauber, Drohnen, Transporthubschrauber und von diesen aus eingesetzte Loitering Munition. Ein solcher Einsatz von Helis aus würde die effektive Reichweite dieser Wirkmittel deutlich erhöhen, es Heeresfliegerverbänden ermöglichen aus eigener Kraft heraus feindliche Luftabwehr niederzukämpfen und dann alles andere und es würde die Richtung aus der solche Munition kommen kann drastisch erweitern und den Feind damit vor erhebliche Probleme in der Frage der Eigensicherung stellen und ihn deutlich verlangsamen um diese auch nur ansatzweise zu gewährleisten.

Zusammenfassung: ich bin daher gegen eine Verlegung von Rohrartillerie durch Helikopter, aber ich wäre durchaus für eine Neu-Einführung leichter Raketenartillerie welche von Helis aus eingesetzt wird und insbesondere für die Nutzung von Loitering Munition als eine neue Form der Artillerie und mit dem Primärziel von SEAD und Konterbatteriefeuer.
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Luftmobilität - von Quintus Fabius - 29.11.2020, 22:13
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