EU vs. Türkei
(11.11.2023, 08:37)Quintus Fabius schrieb: Wenn ich mich recht entsinne müssten allein in der Türkei noch um die 50 Atomwaffen der USA in Incirlik liegen.
Ich kann mich natürlich irren, habe aber in Erinnerung, dass es schon vor Jahren hieß, dass die dort vermutlich gar nicht mehr liegen, weil den Amerikanern Erdogan zu unsicher geworden war. Ich meine, das war im Zusammenhang mit dem S400-Streit.
Zitat:Was geschieht eigentlich in diesem Kontext in Bezug auf die nukleare Teilhabe bei einem Krieg eines NATO Staat gegen einen anderen NATO Staat?
Und für NATO-internen Konflikt könnte die nT nur dann eine Relevanz haben, wenn die USA auf einer Seite des Krieges mit einsteigen, da sie letztendlich die Verfügungsgewalt haben.
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Letzendlich bestimmen die USA über den Einsatz bei der nuklearen Teilhabe. Bei den in Incirlik stationierten Atombomben handelt es sich um Bomben des Typs B-61. Hierbei handelt es sich um freifallende Bomben mir nuklearen Sprengsatz, modernere Varianten können wie die JDAM eine Lenkung besitzen.

Um bei dem Szenario zu bleiben, so ist zu erwähnen das die ungefähr 50 Bomben des Typs B-61 als Waffe der letzten Stunde so gut wie keinen Sinn ergibt. Taktische sprengkörper in ballistischen Raketen, AShM oder in Torpedos wären weit sinnvoller.

Würden letztendlich die B-61 eingesetzt werden(können), so wäre der militärische nutzen das es sich überwiegend um einen Luft und Seekrieg handelt mehr als nur fragwürdig. Der Gegenschlag hätte wiederum eine Vernichtung der Türkei zur folge.

Wenn wir schon die Thematik Atomwaffen ansprechen, wäre bei großen Verlusten an Schiffen seitens der EU oder im Fall dessen das es der Türkei gelingen würde z.B den Flugzeugträger Charles De Gaulle zu versenken eine nukleare Antwort Frankreichs möglich ?

Anzumerken ist das d es seitens der Briten im Falklandkrieg in erwägnenung gezogen wurde wegen Verluste an Kampfschiffen, die argentinische Stadt Cordoba mit einer Atombombe anzugreifen.
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(11.11.2023, 15:56)Skywalker schrieb: Wenn wir schon die Thematik Atomwaffen ansprechen, wäre bei großen Verlusten an Schiffen seitens der EU oder im Fall dessen das es der Türkei gelingen würde z.B den Flugzeugträger Charles De Gaulle zu versenken eine nukleare Antwort Frankreichs möglich ?

Unabhängig von der nuklearen Frage: Wäre ein Einsatz der CdG in solch einem Konflikt überhaupt zu erwarten? Warum sollte man, statt die griechischen, zypriotischen, rumänischen und bulgarischen Flugfelder zu nutzen, einen Flugzeugträger gefährden? Das käme mir nur für einen Kampf auf Zypern sinnvoll vor oder in einer späten Phase, nach Ausschaltung der türkischen Flotte. Im Vorfeld käme er natürlich als Machtprojektion zum Einsatz, aber sobald es knallt, müsste der sich doch schnell in Sicherheit begeben.


Apropos: Zypern.
Wie seht Ihr die Rolle der Insel in einem solchen Konflikt?
Wir gehen zwar von einem Luft- und Seekrieg aus, aber auf Zypern haben wir defacto eine Frontlinie zu Lande, wenn auch UN-gepuffert und eigentlich auch nicht mit der Türkei selbst. Könnte die UN-Pufferzone in einem EU/Türkei-Konflikt Bestand haben und wäre es für die EU überhaupt eine militärisch akzeptable Option, den Nordteil der Insel nicht umgehend zu besetzen aufgrund der großen militärischen Präsenz der Türkei dort und der sich daraus ergebenden Gefährdungen für Südzypern sowie alle EU-Operationen im östlichen Mittelmeer?
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Zitat:Unabhängig von der nuklearen Frage: Wäre ein Einsatz der CdG in solch einem Konflikt überhaupt zu erwarten?

Ja, weil es eine Insel nationaler Souveränität ist. Sobald es knallt sind die Rafale M in der Luft, aber auch die Scalps FK der Begleitflotte. Abgesehen von den SNAs, da wird es eher mehr ales ein UBoot in der Gegend geben.

Mein grundsätzliches Problem ist eher, wird es eine einheitliche europäische Aktion geben. Da habe ich Zweifel; Spanien will ja zB gerade (aus industriepolitischen Gründen) einen neuen (Drohnen??) Träger mit der Türkei bauen

Zitat:Könnte die UN-Pufferzone in einem EU/Türkei-Konflikt Bestand haben und wäre es für die EU überhaupt eine militärisch akzeptable Option, den Nordteil der Insel nicht umgehend zu besetzen aufgrund der großen militärischen Präsenz der Türkei dort und der sich daraus ergebenden Gefährdungen für Südzypern sowie alle EU-Operationen im östlichen Mittelmeer?

Wie Kalingrad, aus militärischer Sicht eindeutig ja, aus politischer ???
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@Broensen

Zitat:Apropos: Zypern.
Wie seht Ihr die Rolle der Insel in einem solchen Konflikt?
Wir gehen zwar von einem Luft- und Seekrieg aus, aber auf Zypern haben wir defacto eine Frontlinie zu Lande, wenn auch UN-gepuffert und eigentlich auch nicht mit der Türkei selbst. Könnte die UN-Pufferzone in einem EU/Türkei-Konflikt Bestand haben und wäre es für die EU überhaupt eine militärisch akzeptable Option, den Nordteil der Insel nicht umgehend zu besetzen aufgrund der großen militärischen Präsenz der Türkei dort und der sich daraus ergebenden Gefährdungen für Südzypern sowie alle EU-Operationen im östlichen Mittelmeer?

Vergiss nicht das der Südteil Zyperns sich in Reichweite der ballistischen und MLRS Raketenartillerie der Türkei befindet die vom türkischen Festland verschossen werden können. Alleine die nötigen Truppen für eine schnelle Besetzung des Nordteil müssten erst mal verschifft und eingeflogen werden. Alleine der amphibische Verband benötigt den Schutz von Trägern, AAW & ASW Schiffen,etc.
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(11.11.2023, 17:20)voyageur schrieb: Ja, weil es eine Insel nationaler Souveränität ist.
Und das rechtfertigt, die Gefahr in Kauf zu nehmen, den einzigen Träger und seine Besatzung zu verlieren, obwohl man auch von Festlandflugplätzen aus hätte agieren können? Ist die Symbolwirkung einer solchen Versenkung nicht viel dramatischer als die Symbolkraft dieser "Insel nationaler Souveränität"?
(11.11.2023, 17:44)Skywalker schrieb: Vergiss nicht das der Südteil Zyperns sich in Reichweite der ballistischen und MLRS Raketenartillerie der Türkei befindet die vom türkischen Festland verschossen werden können. Alleine die nötigen Truppen für eine schnelle Besetzung des Nordteil müssten erst mal verschifft und eingeflogen werden. Alleine der amphibische Verband benötigt den Schutz von Trägern, AAW & ASW Schiffen,etc.
Deswegen frage ich ja. Meine Annahme wäre, dass man bei einer sich abzeichnenden Spannungslage seitens der EU bereits im Vorfeld massiv Truppen und Material nach Zypern verlegen müsste, eben weil man das nach Beginn von Kampfhandlungen nicht mehr im notwendigen Umfang durchführen könnte und die türkische Militärpräsenz auf der Insel eine nicht hinnehmbare Gefährdung in solch einem Konflikt darstellen würde.

Übrigens wäre natürlich gerade auf Zypern die Frage einer britischen Parteinahme oder Konfliktbeteiligung entscheidend.
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Zitat:Und das rechtfertigt, die Gefahr in Kauf zu nehmen, den einzigen Träger und seine Besatzung zu verlieren, obwohl man auch von Festlandflugplätzen aus hätte agieren können? Ist die Symbolwirkung einer solchen Versenkung nicht viel dramatischer als die Symbolkraft dieser "Insel nationaler Souveränität"?
Einen Träger muss man erst mal finden, einen Festlandflughafen eher nicht. Und dann kommen die Abwehrmaßnahmen. Wenn es wirklich rund geht, werden potentiell alle Möglichkeiten genutzt. Alles ist eine Risiko/Nutzenanalyse.
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Zitat:Deswegen frage ich ja. Meine Annahme wäre, dass man bei einer sich abzeichnenden Spannungslage seitens der EU bereits im Vorfeld massiv Truppen und Material nach Zypern verlegen müsste, eben weil man das nach Beginn von Kampfhandlungen nicht mehr im notwendigen Umfang durchführen könnte und die türkische Militärpräsenz auf der Insel eine nicht hinnehmbare Gefährdung in solch einem Konflikt darstellen würde.

Übrigens wäre natürlich gerade auf Zypern die Frage einer britischen Parteinahme oder Konfliktbeteiligung entscheidend.

Sehr wahrscheinlich das die Türkei darauf mit einem Präventivschlag reagiert
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(11.11.2023, 18:55)Skywalker schrieb: Sehr wahrscheinlich das die Türkei darauf mit einem Präventivschlag reagiert

Mal unabhängig davon wäre die Frage ob ein türkischer Überraschungsangriff auf Zypern erfolgreich sein könnte. Aktuell hat man schon ca. 40.000 Soldaten dort stationiert, die stehenden Hilfstruppen Nordzyperns mitgerechnet. Ob die zypriotische Nationalgarde auf einen plötzlichen Schlaf vorbereitet wäre wage ich zu bezweifeln.
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(11.11.2023, 19:19)lime schrieb: Mal unabhängig davon wäre die Frage ob ein türkischer Überraschungsangriff auf Zypern erfolgreich sein könnte. Aktuell hat man schon ca. 40.000 Soldaten dort stationiert, die stehenden Hilfstruppen Nordzyperns mitgerechnet. Ob die zypriotische Nationalgarde auf einen plötzlichen Schlaf vorbereitet wäre wage ich zu bezweifeln.


Es würde in dem Fall darum gehen einen Aufmarsch von EU Truppen auf der Insel zu verhindern, der das Ziel einer Eroberung Nordzypern hat zu verhindern.
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Meiner Ansicht nach unterschätzt man in der EU die Kriegsbereitschaft der Türkei bzw. das Potential für einen bewaffneten Konflikt zwischen EU und Türkei.

Ein Aspekt der dabei auch immer viel zu wenig Beachtung in der EU findet, in der Türkei aber sehr hochgehalten wird ist der Vetrag von Lausanne - der aber im Denken europäischer Politiker praktisch keine Rolle spielt - so mein Eindruck.

https://www.mfa.gov.tr/die-wichtigen-fra...eis.de.mfa
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(11.11.2023, 20:13)Quintus Fabius schrieb: Meiner Ansicht nach unterschätzt man in der EU die Kriegsbereitschaft der Türkei bzw. das Potential für einen bewaffneten Konflikt zwischen EU und Türkei.
Denke ich auch. Für mich ist das klar die zweitwahrscheinlichste Variante einer Bündnisverteidigung. Nummer eins ist NATO/Russland, Nummer zwei EU/Türkei. Ansonsten gibt es eigentlich absehbar nur Szenarien, die keine direkte Bedrohung des Bündnisgebietes (ohne Übersee-Gebiete) beinhalten, also bspw. NATO/Iran oder Westen/China.
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(11.11.2023, 20:13)Quintus Fabius schrieb: Meiner Ansicht nach unterschätzt man in der EU die Kriegsbereitschaft der Türkei bzw. das Potential für einen bewaffneten Konflikt zwischen EU und Türkei.

Ein Aspekt der dabei auch immer viel zu wenig Beachtung in der EU findet, in der Türkei aber sehr hochgehalten wird ist der Vetrag von Lausanne - der aber im Denken europäischer Politiker praktisch keine Rolle spielt - so mein Eindruck.

https://www.mfa.gov.tr/die-wichtigen-fra...eis.de.mfa

Abgesehen von dem Konflikt mit Griechenland gibt es auch noch andere Bruchzonen, zu nennen wäre:

- Konflikt mit YPG/PKK
- Libyen
- Armenien/Aserbaidschan

Die EU hat 2020 als der Bürgerkrieg zwischen der Regierung und Haftar tobte, eine Blockade gegen Libyen verhängt die verhindern sollte das Waffen in das Land gelangen. Dabei gab es Zwischenfälle bei denen mit EUSchiffen die die Blockade überwacht haben und der türkischen Marine.

Ich stelle mir die Frage ob die Konflikte das Potential für einen bewaffneten Konflikt zwischen EU und der Türkei haben ?
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Zitat: Meiner Ansicht nach unterschätzt man in der EU die Kriegsbereitschaft der Türkei bzw. das Potential für einen bewaffneten Konflikt zwischen EU und Türkei.

Schon alleine wenn die Urlauber aus Europa ausbleiben würden wäre das wirtschaftlich eine Katastrophe für die Türkei.
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Das wäre auch sonst wirtschaftlich eine Katastrophe für die Türkei und könnte sogar zum Zerfall der Türkei in eine Resttürkei und einen Kurdenstaat führen. Aber das ist nicht der Punkt - Staaten führen durchaus Kriege obwohl dies für sie wirtschaftlich nur nachteilig ist. Und Kriege werden nicht immer nur aus sinnvollen Gründen geführt. Und genau das ist mMn der primäre Fehler im Westen TM, dass man zu sehr von einem logisch / rational agierenden Gegner ausgeht, dessen Handlungen überwiegend von wirtschaftlichen Motiven gelenkt sind. Unser Denken ist zu sehr von der Vorstellung des Homo Ökonomikus verseucht. Und deshalb werden wir wieder und wieder davon überrascht werden, dass andere zu ihrem Schaden und trotz erheblicher finanzieller Nachteile handeln.
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