Polen
Zitat:Vor ein paar Jahren hatte ich einen Polen auf der Arbeit, er war Zeuge Jehovas und war nicht positiv auf die Pis zu sprechen. Er hatte u.a gemeint das die Partei versucht hat die Justiz zu vereinnahmen.

Ja hat sie versucht. Und sie ist damit gescheitert und sie wurde abgewählt. Das ist beispielsweise einer der entscheidenden Unterschiede zwischen Polen und Ungarn.

Es gibt in Polen übrigens eine politisch faszinierende Eigenheit: die Parteien werden dort (mehrheitlich) erstaunlich oft genau entlang der früheren Grenze gewählt, mit der Polen zwischen Russland, Habsburg und Preußen geteilt war. Dabei sind die Gebiete die früher von Habsburg kontrolliert wurden am konservativsten und noch katholischer als der Rest des Landes. Die PiS war und ist dahingehend die erste Partei, die bei jungen Wählern in ganz Polen gut ankam und ankommt, also über diese alten Grenzen hinweg. Umgekehrt kann die PO vor allem in den Gebieten Punkten, die früher Preußisch kontrolliert waren. Kurios, wie sehr sich solche Grenzen auch nach langer Zeit noch auswirken.

Auch kurios (für uns): in Polen sind 21 Parteien parlamentarisch vertreten. Davon sind 13 Parteien als Rechts einzustufen und 3 als Rechtsextrem. Richtig Linke Parteien gibt es hingegen nur 2, die aber beide bedeutungslos sind und jeweils nur einen Parlamentarier stellen.

Und noch eine interessante Randnotiz: seit kurzem gehört Polen zu den 20 wirtschaftsstärksten Ländern der Welt. Und es geht weiter, dass Wirtschaftswachstum wird dieses Jahr um die 3,4% erreichen.

Noch ein paar Randnotizen die man nicht so auf dem Schirm hat, wenn man an Polen denkt:

In Polen steht inzwischen der höchste Wolkenkratzer Europas. Nicht nur werden aktuell mehrere neue AKW gebaut, sondern auch ein komplett neuer Flughafen in Warschau und dies im Rekordtempo. Die Digitialisierung des Staates ist deutlich weiter voran geschritten als in dieser Bundesrepublik. Die Verbrechensraten sind niedrig, die Polizei arbeitet gut. Polen hat sehr viele Flüchtlinge aufgenommen, verweigert sich jedoch jedweder muslimischen Einwanderung (die Flüchtlinge sind in weiten Teilen Ukrainer, aber auch christliche Syrer, christliche Iraker usw. relevant ist die Religion und weniger die Ethnizität). Wenn man alles mit einrechnet gibt Polen jetzt dann 5% seines BIP für die Aufrüstung aus, dass ist der höchste Wert in der gesamten NATO. Es werden neue Autobahnen gebaut und die Schieneninfrastruktur wird gerade erneuert.

Kurz und einfach, es sieht sehr gut aus für Polen.
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Zitat:Warschau streicht Privilegien für ukrainische Flüchtlinge
Polen beendet seine Sonderbehandlung ukrainischer Flüchtlinge. Präsident Nawrocki unterzeichnet letztmals Hilfsgesetz. Droht im März 2026 das Chaos?

Author - Harald Neuber
Harald Neuber
16.11.2025 , 09:36 Uhr





Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukraine im polnischen Przemysl.
IMAGO/Jakub Porzycki
Die Hilfe für Ukrainer in Polen wird neu geregelt: Der polnische Präsident Karol Nawrocki hat angekündigt, das geänderte Gesetz zur Unterstützung ukrainischer Bürger ein letztes Mal unterzeichnet zu haben. In Zukunft sollen Ukrainer wie andere nationale Minderheiten in Polen behandelt werden, so Nawrocki laut Berichten der polnischen Zeitung Gazeta.pl und des Portals European Pravda.



Bei einer Massenveranstaltung in Minsk Mazowiecki erklärte der Präsident, er werde kein weiteres Gesetz zur Hilfe für Ukrainer unterzeichnen, es sei denn, ein neuer Ansatz werde vereinbart. Das derzeitige Gesetz stelle polnische Bürger mit Staatsangehörigen eines anderen Landes auf eine Stufe, was er als ungerecht empfinde.

https://www.berliner-zeitung.de/news/war...i.10005824
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Macht ja auch Sinn. Polen hat mehr für ukrainische Flüchtlinge getan als jeder andere Staat weltweit.

Im übrigen vertritt Polen zwar eine Anti-Einwanderungs-Politik, und sieht Flüchtlinge kritisch, aber ironischerweise ist Polen zugleich besser darin Flüchtlinge zu integrieren:

https://www.spiegel.de/ausland/migration...6fe63b76e4

Da besteht natürlich ein Zusammenhang: wenn ich eine rigide Anti-Flüchtlingspolitik betreibe, dann funktioniert genau dadurch auch die Integration besser. Nichts desto trotz ist die polnische Leistung was die Integration angeht deutlich besser als die in dieser Bundesrepublik.
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Diese Entwicklung in Polen ist sehr interessant. Ich habe zwar über Polen recht viel gelesen, auch teils ältere Texte, aber ich glaube, dass ich Polen dennoch nie so richtig verstanden habe. Es ist faktisch das mittelosteuropäische Bindeglied zwischen Ost- und Mitteleuropa, zugleich aber eines mit einer völlig eigenen und sehr speziellen Psyche.

Und bei dieser habe ich das Gefühl, dass sie ständig hin- und hergerissen ist. Und dieser aktuelle Kampf zwischen Rechtsnationalismus und bürgerlichen Kräften (wobei diese im Kern auch eher konservativ sind) ist einer, der auch nicht neu ist. Man denke an den Konflikt zwischen Dmowski und Pilsudski. Was man sagen kann, so mutmaße ich, ist, dass das Land insgesamt konservativ ist, zumindest deutlich konservativer und auch gläubiger als wir in Deutschland oder auch sonstwo in Westeuropa - und das im Kern konservative Kräfte unterschiedlicher Ausprägung um die Mehrheit kämpfen.

Das riskante Kippelement in dieser Konstellation, zumindest wenn man Davies und Hoensch bemüht, ist jedoch, wenn sich einerseits der polnische Nationalismus und andererseits der Katholizismus ungefiltert und unkritisch vermengen zu einer postsarmatischen Ideologie des nationalkatholischen "Klerikal-Polentums". Im Rahmen dieser Phase(n) - es gab sie ja schon -, die zunächst gesellschaftlich und wirtschaftlich stabilisierend wirkten (und sein können), können dann ungute Entwicklungen im Nachgang aufbrechen - bis hin zu religiöser Intoleranz (Protestanten, Juden) und imperialen Phantasien. Wohin die Reise aber aktuell gehen wird, ist sehr schwierig zu deuten.

Schneemann
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Die religiöse Intoleranz richtet sich heute aber eher gegen Muslime (zwei Drittel der Polen aufwärts wollen keine solchen im Lande) und gegen die LGBTQIA+wasweissich Bewegung (Stichwort LGBTQIA+ freie Zonen). Was will man sich heute über einen Protestanten aufregen wenn es Demos gibt die Gays for Gaza skandieren ?!

Im weiteren ist der nach außen gerichtete aggressive National-Katholizismus in Polen aktuell rückläufig ! Der aktuelle Nationalismus richtet sich gerade bei den jüngeren Polen eher nach Innen und hat keine außenpolitische Aggression inne. Es gibt auch zunehmende offene Kritik an der katholischen Kirche von allen Seiten (auch von Rechts) was ein Novum in Polen darstellt. Das heißt nicht, dass die nicht überzeugte Christen wären, sondern dass sie Missstände in der Kirche beseitigen und diese verbessern wollen.

Vor allem sieht man sich als Schild und Schwert Europas, dies aber in einer defensiven, verteidigenden Stellung. Und aus dieser Haltung heraus gibt es in Polen heute ein erhebliche Islamophobie, gerade auch unter jungen Polen, aber keine aggressive oder gar imperialistische Haltung welche auf frühere polnische Herrschaftsansprüche abzielen würde.

Die Islamophobie in Polen ist dahingehend interessant, dass es in Polen fast keine Muslime gibt (aktuell unter 0,1 Prozent der Bevölkerung). Die größte Gruppe unter diesen sind zudem die Lipka Tataren, welche ja alteingesessen sind. Dennoch ist Polen aktuell das Land in Europa, dessen Bevölkerung den Islam in allen Varianten am schärfsten ablehnt und wo eine absolute Mehrheit der Bevölkerung keinerlei Muslime im Land auf Dauer tolerieren will.

62% der Polen erklären, es würden bereits zu viele Muslime in Polen leben, was angesichts der realen Zahlen geradezu witzig ist. 2017 gab es eine umfangreiche Befragung unter Schulkindern und jungen Studenten die ergab, dass praktisch die absolute Mehrheit Islamophob ist und in der Vertreibung der Muslime aus Europa (!) die wesentliche Aufgabe der Zukunft sieht. Und selbst linke und liberale Polen verlangen, dass das Tragen des Schleiers für Frauen verboten wird u.ä. und sehen den Islam in jeder Weise als unvereinbar mit linken und liberalen Werten.

In Warschau wurde die erste Moschee erst 2015 eröffnet und muss seitdem ständig von der Polizei von Übergriffen geschützt werden. Es wurden regelmäßig Schweineköpfe darauf gesprüht, echte Schweineköpfe davor abgelegt und auch schon scharf auf die Moschee geschossen. 2021 wollte ein paar Nationalkatholische Polen die Moschee mit Sprengstoff in die Luft jagen. Die Reaktion der Mehrheit der Polen darauf war und ist, dass die Muslime halt mit ihrer Moschee provozieren würden und wenn sie verschwinden würden, dann hätten sie auch keine Probleme mehr.

Das interessanter aber ist, dass die Kritik am Islam in Rechten wie Linken Kreisen in Polen gleichermaßen scharf ist. Man will keine Muslime in Polen und genau genommen in ganz Europa nicht. Es gibt regelmäßig große Demonstrationen gegen die Islamisierung Europas etc. Das geht so weit, dass im Fernsehen auf dem Sender TVP der Koran auch schon mal ganz offen als Buch des Teufels geschmäht wird, dass als satanisches Werk nur Gewalt hervorrufen würde.

Die Schärfe der Äußerungen wäre hier in dieser Bundesrepublik unvorstellbar. Nicht mal rechte Kreise der AfD würden sich so äußern, wie das in Polen selbst von gemäßigten Kreisen gang und gäbe ist.
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Noch was interessantes zu Polen:

Ein Politikum ersten Grades in Polen sind die Jugendämter in dieser Bundesrepublik. Wenn Polen heute Anti-Deutsche Einstellungen haben, ist ein wesentlicher Aspekt dafür oft das Treiben der Jugendämter in diesem Land. Familie ist in Polen sehr viel weitergehender als hierzulande Privatsache und geht den Staat nichts an. Entsprechend wird das Eingreifen der sogenannten Jugendämter in Polen extrem scharf verurteilt.

Nationalkatholische Kreise greifen das auf und hetzen damit gezielt gegen Deutschland. Man spricht davon, dass auf diese Weise sich die Bundesrepublik gesunde polnische Kinder aneignen will um diese zu Zwangsgermanisieren und Nachschub für Pädophile und Schwule sicherzustellen usw. usf. Da laufen im ganz normalen Fernsehen regelmäßig geradezu verblüffend scharfe Sendungen in welchen finsterste Verschwörungstheorien verbreitet werden. Seit die PiS nicht mehr an der Macht ist, hat es nachgelassen, ist aber immer noch ein Thema dass fortwährend Empörung erzeugt.

Man muss allerdings korrekterweise einräumen, dass das Handeln der Jugendämter in dieser Bundesrepublik teilweise wirklich nur extrem negativ ist. Und in Polen gibt es umgekehrt gar keine Jugendämter, allein die Existenz einer solchen Behörde stößt auf scharfe Ablehnung.

Das ganze ist übrigens auch schon seit vielen Jahren ein Thema und führt zu immer mehr Verbitterung in Polen über "die Deutschen".

https://www.europarl.europa.eu/doceo/doc...36_EN.html

https://ordoiuris.pl/en/press-newsdesk/p...to-poland/

Und da ist durchaus etwas dran. Der Staat ist hierzulande einfach zu übergriff geworden. Ich habe mehrfach von Polen (in Polen!) gehört, dass sie massivsten bewaffneten Widerstand leisten würden, sollte der Staat bei ihnen das treiben, was hierzulande einfach hingenommen wird. Übertrieben in die andere Richtung, aber es gibt definitiv eine rassistische Benachteiligung polnischer Familien durch die Jugendämter in dieser Bundesrepublik.
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Polen:

https://www.youtube.com/shorts/ke7HvxvQkWU

Bundesrepublik:

https://www.youtube.com/shorts/O5OSo5d8JUY
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(17.11.2025, 22:20)Quintus Fabius schrieb: Polen:

https://www.youtube.com/shorts/ke7HvxvQkWU

Bundesrepublik:

https://www.youtube.com/shorts/O5OSo5d8JUY

Die Polen nehmen Russland geschichtlich bedingt als direkte Bedrohung war, dass ist ein wichtiger fundamentaler Unterschied zu Deutschland und Polen grenzt an der Enklave Kaliningrad direkt an Russland. Ebenfalls grenzt Polen an Weißrussland, dass eng mit Russland verbündet ist. Die deutsche Geschichte, gerade im Hinblick auf die NS-Vergangenheit wirkt als Bremse für den Patriotismus. Wir haben auch nicht mehr die Situation das wie im kalten Krieg wo die Sowjets an der innerdeutschen Grenzen standen. Viele Deutsche selbst wollen lieber ihren Wohlstand genießen, als für übergeordnete Ziele Opfer zu bringen. Das Problem liegt nicht nur in der Politik, sondern auch in der Mentalität der Menschen.
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jetzt muss ich doch meinen Senf dazu geben:

1.
Polen war seit dem frühen Mittelalter das "Verbindungsglied" oder der "westeuropäische Vorposten" in Osteuropa. Schon in der Frühzeit (so um die erste Jahrtausendwende) war Polen zwischen den Warägern oder Kiewer Rus und dem fränkischen Kaiserreich die "ausgleichende Macht".
Mit der deutschen "Ostkolonisation" ist Polen eine enge kulturelle Verbindung zum westlichen Europa eingegangen, hat zugleich aber seine politische Macht bis weit in die heutige Ukraine ausgedehnt.
Die "westliche Orientierung" der heutigen Ukraine geht auch auf diesen gesellschaftlich-politischen Einfluss Polens zurück.
Andererseits legen viele polnische Adelige, die als Lipka-Tataren bezeichnet wurden, großen Wert auf ihre tartarische Herkunft. Diese Gruppe siedelte sich im 14. Jahrhundert im Gebiet des Großfürstentums Litauen an und diente dem polnisch-litauischen Staat über Jahrhunderte treu. Sie waren Teil des polnischen Adelsstands (Szlachta), der neben Magnaten auch aus einem weit verbreiteten Kleinadel bestand, wobei viele tatarische Familien für ihre Dienste in Kriegen geadelt wurden.

2.
Allerdings gab es in der jüngeren Geschichte die "polnischen Teilungen". Die katholische Kirche war im Zeitalter des aufkommenden Nationalismus das einzige "nationale Bindeglied" zwischen den protestantischen Preußen oder Schweden und den orthodoxen Russen.
Die katholische Kirche hat zugleich in ihrem Bestreben, sich nicht vom preußisch-protestantischen Staat vereinnahmen zu lassen (Kulturkampf), die "polnische Identität" am Leben erhalten.
Diese Phase der Unterdrückung hat sich unter dem österreichischen Kunstmaler aus Braunau ja bis fast zur Mitte des letzten Jahrhunderts direkt nochmal wiederholt - und damit die Nation tief geprägt.

3.
Und letztendlich: es war diese katholische Kirche, die nach dem zweiten Weltkrieg die antikommunistische Opposition stärkte - ich erinnere an den "polnischen Papst" als Identifikationsfigur und ab 1980 die Unterstützung der Gewerkschaft Solidarność. Das war die erste unabhängige Gewerkschaft im Ostblock und sie entwickelte sich zu einer der größten Freiheitsbewegungen des 20. Jahrhunderts, die maßgeblich zum Ende des Kommunismus in Polen und Osteuropa beitrug.

Solche Phasen prägen die Gesellschaft nachhaltig, weil sie tief im kulturellen Ethos verankert werden.

4.
Und ja, es ist ein Unterschied, ob ein Land seine Freiheit erst zurück erlangt hat und dann die Eigenständigkeit entwickeln möchte, oder seit Jahrzehnten dem "American way of life" ausgesetzt ist.
Und es ist ein Unterschied, ob man im weiten Land von der konservativen Umgebung geprägt wird, oder in der weltoffenen Großstadt mit Studenten aus aller Herren Länder aufwächst und merkt, dass irgendwelche irren Typen in ihren tuntigen Verkleidungen gar nicht so gefährlich sind.

Letztendlich mein ceterum censio:
Polen und viele andere Bewohner osteuropäischer Staaten möchten unsere Solidarität gegen eine Bedrohung, die sie im Osten sehen. Dann müssen sie aber auch solidarisch gegenüber den Westeuropäern sein.
Und das schließt das Bekenntnis zu freiheitlich-demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen genauso mit ein wie die daraus folgende solidarische Fürsorge und Verantwortung gegenüber Personen, die etwa aus ethnischen oder politischen Gründen verfolgt werden.

[Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/c...ga.svg.png]
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Zitat:Polen und viele andere Bewohner osteuropäischer Staaten möchten unsere Solidarität gegen eine Bedrohung, die sie im Osten sehen. Dann müssen sie aber auch solidarisch gegenüber den Westeuropäern sein.
Und das schließt das Bekenntnis zu freiheitlich-demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen genauso mit ein wie die daraus folgende solidarische Fürsorge und Verantwortung gegenüber Personen, die etwa aus ethnischen oder politischen Gründen verfolgt werden.
Da ist durchaus auch was dran: Polen hat zwar seine ureigene Geschichte und auch seine ureigene gesellschaftliche Philosophie - um es mal so zu nennen -, aber ist bewusst und gezielt auch der EU beigetreten, womit es sich gewissen Regularien unterworfen hat. Dass Deutschland gerade in Migrationsfragen nach 2015 zeitweise egozentrisch gemacht hat, was es will - und danach, nach seinem schlecht koordinierten und wirren Alleingang, wiederum die Gemeinschaft um Hilfe bat -, hat in Polen (und auch in anderen Staaten Osteuropas) berechtigterweise auch einigen Unmut hervorgerufen und die eigene Egozentrik mitbefeuert. Es entbindet allerdings Polen nicht von den eingegangenen Verpflichtungen innerhalb der EU.
Zitat:Polen war seit dem frühen Mittelalter das "Verbindungsglied" oder der "westeuropäische Vorposten" in Osteuropa
Ich würde den Gedanken vom Bindeglied später ansetzen, grob ab etwa der Renaissance. Man entsinne sich, dass der Deutsche Orden noch im 14. Jahrhundert und auch noch danach, also im Spätmittelalter, erbitterte Kriege gen Osten führte (man denke an Tannenberg 1410), die auch die Charakterelemente von Kreuzzügen hatten.

Das "goldene Zeitalter Polens" - auch bzgl. religiöser Toleranz (das Land wurde auch als "Land ohne Scheiterhaufen" bezeichnet) - begann dann im 16. Jahrhundert, wobei dieses aber dann später in den Strudel von Reformation und Gegenreformation sowie der Adelskämpfe geriet und im 17./18. Jahrhundert zu Ende ging.

Schneemann
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Zitat:Es entbindet allerdings Polen nicht von den eingegangenen Verpflichtungen innerhalb der EU.

Und welche dieser Verpflichtungen hält Polen nicht ein? Noch darüber hinaus ist es recht wohlfeil, Polen hier Verpflichtungsverstöße vorzuhalten, beispielsweise in der Aufnahme von Flüchtlingen und Polen dafür zu schmähen, dass die polnische Bevölkerung keine Islamisierung wünscht, und zugleich Polen Fördermittel, Stacheldraht und Überwachungstechnik für die Grenzsicherung zu schicken und als die Polen die Flüchtlinge aus Weissrussland von der Grenze weggeprügelt haben heimlich Unterstützung zu gewähren.

Ich finde ich Verlogenheit und Heuchelei der Bundesrepublik in dieser Frage viel schlimmer und schädlicher für die Europäische Unition als alles andere. Im übrigen hat Polen mehr Ukrainer aufgenommen als Deutschland, es gibt Unmengen von Flüchtlingen in Polen, nur halt so gut wie keine Muslimischen "Flüchtlinge" aus Algerien die dann behaupten sie wären Syrer etc.

Ich sehe es eher so, dass die Bundesrepublik die Europäische Union verrät. Nicht de jure, aber de facto.

Zitat:Man entsinne sich, dass der Deutsche Orden noch im 14. Jahrhundert und auch noch danach, also im Spätmittelalter, erbitterte Kriege gen Osten führte (man denke an Tannenberg 1410), die auch die Charakterelemente von Kreuzzügen hatten.

Der Deutsche Orden kam auf die explizite Einladung der Polen nach Osten und seine Kriege richteten sich anfangs gegen die damals noch heidnischen Balten, insbesondere die Prussen und Litauer. Mit den Polen war man hingegen anfangs eng verbündet, seine ersten Ländereien erhielt der Deutsche Orden aus polnischer Hand, von polnischen Adeligen. Und in den ersten Jahrzehnten dienten auch etliche polnische Adelige im Deutschen Orden oder im Schwertbrüderorden von Livland etc.

Das Zerwürfnis kam erst, als die Litauer auch Christen wurden und der litauische König die polnische Krone erlangte. Gerade in den ersten Jahrzehnten des Deutschen Ordens im Baltikum waren Polen und Deutscher Orden gerade eben über die Katholische Kirche eng verbunden und verbündet.

Gegen die Mongolen kämpften polnische und deutsche Ritter in der Schlacht von Liegnitz 1241 gemeinsam !

Wer schon mal am 09.04. in Legnickie Pole war, der weiß, dass die allermeisten Polen diesse Anfänge zurück wünschen, auch und gerade wegen der Russen als "Erbe" der Mongolen im Osten.
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(18.11.2025, 07:29)Quintus Fabius schrieb: Das Zerwürfnis kam erst, als die Litauer auch Christen wurden und der litauische König die polnische Krone erlangte. Gerade in den ersten Jahrzehnten des Deutschen Ordens im Baltikum waren Polen und Deutscher Orden gerade eben über die Katholische Kirche eng verbunden und verbündet.

Gegen die Mongolen kämpften polnische und deutsche Ritter in der Schlacht von Liegnitz 1241 gemeinsam !
Das "Zerwürfnis" war eigentlich keines. Nationale Sichtweisen sind hier weitgehend anachronistisch.

In der berühmten Schlacht von Tannenberg—im 19. Jahrhundert fälschlicherweise von polnischen und deutschen Autoren zum Kampf der Nationalitäten hochstilisiert—kämpften ethnische Deutsche und Polen auf beiden Seiten. Der polnische Nationalheld Zawisza "der Schwarze" Czarny stand selbst eine Zeitlang im Dienst des Ordens (und diente danach dem römisch-deutschen König Sigismund).

Unser modernes Verständnis von Nationalität spielte damals keine große Rolle, man unterschied einander zuallererst nach der Religion, dann nach der Sprache (was sich z.B. in der Gliederung vieler Universitäten und geistlicher Orden in sog. Zungen widerspiegelt).

Ausgangspunkt des Krieges waren Streitigkeiten innerhalb des Ordensstaates, bzw. das Unvermögen des Ordens, die Zeichen der Zeit zu erkennen und die Landstände an der Herrschaftsausübung zu beteiligen.

Der Landadel war weitgehend von wichtigen Ämtern ausgeschlossen (es sei denn, er trat dem Orden bei), und schloss sich im Unmut darüber zum sogenannten Eidechsenbund zusammen. Den Handelsstädten, allen voran Danzig, war die Tatsache ein Dorn im Auge, dass der Orden selbst Handel trieb, also im Wettbewerb zu seinen Untertanen stand, sich aber durch seine Landesherrschaft Wettbewerbsvorteile verschaffen konnte. Der Eidechsenbund war deutsch dominiert, die städtischen Eliten waren durchweg deutsch.

Beide Fraktionen traten, nach den Gepflogenheiten der Zeit, an den polnischen König Wladyslaw II. heran und boten ihm an, sich seiner Herrschaft zu unterstellen, wenn er ihnen dafür die Rechte gewähren wollte, die der Orden ihnen vorenthielt.

Da sagte der natürlich nicht nein.

Das Aufbegehren der Städte konnte der Orden 1410 noch niederschlagen, doch führten seine erfolglosen Versuche, die anschließenden Gebietsverluste umzukehren, zu einer hohen Steuerlast, die die Städte nicht mehr mittragen wollten. Deswegen gründeten sie den (deutschen) Preußischen Bund, erklärten dem Orden den Krieg und unterstellten sich, diesmal endgültig, der polnischen Krone.

Letzten Endes waren die Deutschordenskriege ab dem 15. Jahrhundert deutsch-deutsche Bürgerkriege, in die Polen auf Bitten einer Partei eingriff.
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Danke für die ergänzende Detaillierung. Genau darauf wollte ich ja mit meiner Aussage hinaus, dass eben keine Feindschaft zwischen Polen und Deutschen in dieser Zeit per se bestand. Als Erwiederung auf die Aussage von Schneemann, dass der Deutsche Orden ja Kriegszüge im Osten führte - den diese richteten sich fast die gesamte Zeit dort nicht gegen Polen, sondern gegen die Balten und spezifischer dann gegen Litauen.

Und um deine Detaillierung noch zu detaillieren:

Es gab durchaus auch zwischen dem polnischen Adel / der polnischen Krone und dem Orden Zwistigkeiten, in Form von Gebietskonflikten. Dass die polnische Krone dann gegen den Orden Krieg führte, also in das von dir durchaus nicht unrichtig als deutsch-deutschen Konflikt benannte Geschehen Eingriff, hatte also Gründe, und zwar schon länger andauernde Gebietsstreitigkeiten, insbesondere um die Pomerellen, welche beide Seiten beanspruchten.

Desweiteren beanspruchte die polnische Krone auch die Neumark, welche dann dem Orden zugesprochen wurde und über die Personalunion mit Litauen geriet Polen halt dann in den schon lang andauernden Litauisch-Deutschen Konflikt, denn die Kriege des Deutschen Ordens waren ja durchwegs vor allem gegen Litauen gerichtet. Im Spätmittelalter waren die Litauer-Züge eine Veranstaltung an welcher Adelige aus ganz Europa (auch aus Polen) teilnahmen.

1409 kam es dann zum Litauen aus inszenierten Aufstand der Schamaiten gegen die Ordensherrschaft (das war also keine deutsch-deutsche Angelegenheit) und die polnische Krone (welche zu dieser Zeit ein Litauer trug) intervenierte zugunsten der Schamaiten, und genau dadurch kam es dann zum Krieg zwischen Polen und dem Orden.

Daraufhin invasierte der Orden das Dobriner Land welches Teil Polens war, während umgekehrt der Schiedspruch des böhmischen Königs der die Schamaiten dem Orden zusprache auf Druck der Litauer von Polen nicht akzeptiert wurde. Und so kam es zum Krieg zwischen Polen und Deutschland, der 1410 eben kein Deutsch-Deutscher Bürgerkrieg war, sondern ein klassischer Territorialkrieg, dessen primäre Ursache die Übernahme der polnischen Krone durch die Litauer war. Der Deutsch-Deutsche Konflikt in den Ordensgebieten kam dann da noch dazu.

Und der Deutsch-Deutsche Konflikt in den Ordensgebieten spitzte sich dem folgend auch erst nach 1410 zu, so wurde beispielsweise der Preußische Bund erst 1440 gegründet. Und erst 1454 verbündeten sich dann die Deutschen Adeligen / Stände / Städte mit den Polen gegen die Herrschaft des Ordens, was zum dreizehnjährigen Krieg zwischen Polen und dem Orden führte, und dass war, wie du es richtig dargelegt hast eher ein Deutsch-Deutscher Bürgerkrieg mit polnischer Intervention zugunsten der Deutschen Stände.

1466 leistete der Hochmeister des Ordens deshalb dem polnischen König den Lehenseid, wodurch West-Preußen de facto polnisch beherrschtes (kulturell und sozial aber natürlich weiterhin deutsches) Gebiet wurde.

Das nur als Detaillierung deiner Detaillierung, die natürlich dessen ungeachtet absolut richtig und wesentlich ist.

Insbesondere was den Punkt angeht, dass auf beiden Seiten Deutsche und Polen kämpften und dass nach 1410 der Anteil der Deutschen in den polnischen Heeren sogar fortwährend zunahm, insbesondere in den sogenannten Reiter Einheiten, welche für die polnischen Heere als Ergänzung der Hussaria wesentlich waren. Das kann man nur betonen.
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(17.11.2025, 15:35)Quintus Fabius schrieb: Die Islamophobie in Polen ist dahingehend interessant, dass es in Polen fast keine Muslime gibt (aktuell unter 0,1 Prozent der Bevölkerung). Die größte Gruppe unter diesen sind zudem die Lipka Tataren, welche ja alteingesessen sind. Dennoch ist Polen aktuell das Land in Europa, dessen Bevölkerung den Islam in allen Varianten am schärfsten ablehnt und wo eine absolute Mehrheit der Bevölkerung keinerlei Muslime im Land auf Dauer tolerieren will.

Aktuell? Tatsächlich finden sich keine Zahlen nach 2004 zur Anzahl der Muslime in Polen.

Ich war in den letzten Jahren drei Mal in Polen im Urlaub. Davon 2x auch in Großstädten, zum Beispiel Warschau und Danzig. Und da kommen Zahlen von 0,1% der Bevölkerung sicherlich nicht hin. Sah mir eher nach 5-10% aus. Aber kann natürlich sein dass es sich auch größtenteils um Touristen oder Durchreisende nach Mittel- und Westeuropa handelte.
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In Warschau sind es "mehr", richtig, aber ich sprach ja vom ganzen Land. Und es gibt durchaus aktuelle Zahlen. Muslimische Verbände in Polen benannten erst dieses Jahr (Stand Mai 2025) eine Zahl von gesamt 60.000 Muslimen in ganz Polen (und das ist hoch geschätzt, realistischer sind 45.000 bis 50.000). Das wären dann ungefähr / maximal 0,15% der Bevölkerung und das konzentriert sich natürlich dann auch noch sehr in einige wenige Großstädte.

In diesem Kontext müsste man betonen, dass noch vor ungefähr 10 Jahren gerade mal 10.000 Muslime in Polen lebten. Die Zahl hat sich also dort in einer Dekade ungefähr versechsfacht. Und genau das ist der Grund, warum so viele Polen inzwischen sehr negativ auf diese Entwicklung reagieren und die aktuelle Regierung trotz ihrer wirtschaftlichen Erfolge in der Kritik steht. Wehret den Anfängen heißt es da allenorten.
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