Türkei
(20.11.2022, 20:07)Venturus schrieb: Auch mir kamen da sofort Verdachtsmomente. Aber wir werden die Wahrheit wohl nicht erfahren. Mir stellt sich aber die Frage, wie weit Erdogan gehen würde, um seine Macht zu erhalten. Und die Antwort, die mir kommt, gefällt mir nicht.

Der südöstliche Rand Europas hat aus meiner Sicht das Potenzial, der nächste Krisenherd zu werden. So sehr ich den Ukrainern die Marder gegönnt hätte, könnten die in Griechenland vielleicht noch einmal nützlich werden.

Wenn man sieht welche Probleme die russische Armee in der Ukraine hat dann kann man davon ausgehen dass die türkische Armee in Nordostgriechenland auch keinen Durchmarsch macht. Vermutlich könnte die Türkei aber erfolgreich einige mehr oder weniger wichtige Inseln besetzen und versuchen die Sache auszusitzen, wie es schon mal bei Nordzypern geklappt hat. Vor Sanktionen bräuchte die Türkei jedenfalls aktuell wenig Angst haben, da ein Großteil der Gasversorgung der EU nun über türkisches Gebiet verläuft.
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(20.11.2022, 21:28)lime schrieb: Vor Sanktionen bräuchte die Türkei jedenfalls aktuell wenig Angst haben, da ein Großteil der Gasversorgung der EU nun über türkisches Gebiet verläuft.

Und deswegen soll also die EU einen Eroberungskrieg gegen ihr Territorium einfach hinnehmen??? Ich hoffe doch schwer, dass nicht.
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(20.11.2022, 22:24)Broensen schrieb: Und deswegen soll also die EU einen Eroberungskrieg gegen ihr Territorium einfach hinnehmen??? Ich hoffe doch schwer, dass nicht.

Wer wäre denn überhaupt aus der EU in der Lage Griechenland effektiv zu unterstützen? Vielleicht Frankreich und mit abstrichen noch Italien und Spanien und ob die Letzteren daran überhaupt Interesse haben. Wenn die Türkei zum Beispiel die Dodekanes Gruppe besetzt die nah an der türkischen Küste liegt sehe ich kaum eine Möglichkeit für Griechenland mit oder ohne EU diese zurückzuerobern.
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Griechenland ist nicht nur EU-Mitglied sondern auch NATO-Mitglied.

D.h.
  • die wirtschaftliche Supermacht EU + die wirtschaftliche Supermacht USA gg. die türkische Wirtschaft
  • die militärische Großmacht EU + die militärische Supermacht USA gg. das türkische Militär

IMHO wäre das absoluter Wahnsinn für Erdogan bzw. die Türkei so was zu versuchen.
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(20.11.2022, 23:49)Kos schrieb: Griechenland ist nicht nur EU-Mitglied sondern auch NATO-Mitglied.

D.h.
  • die wirtschaftliche Supermacht EU + die wirtschaftliche Supermacht USA gg. die türkische Wirtschaft
  • die militärische Großmacht EU + die militärische Supermacht USA gg. das türkische Militär

IMHO wäre das absoluter Wahnsinn für Erdogan bzw. die Türkei so was zu versuchen.

Da die Türkei Mitglied der NATO ist dürfte es unwahrscheinlich sein dass sich NATO-Staaten direkt in den Krieg einmischen würden.
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Zitat:Artikel 5
Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird...

Da steht nichts davon, dass es einen Unterschied machen würde, ob der Angreifer selbst Mitglied der NATO ist. Artikel 5 gilt auch, wenn die Türkei Griechenland angreift.
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(21.11.2022, 00:31)Broensen schrieb: Da steht nichts davon, dass es einen Unterschied machen würde, ob der Angreifer selbst Mitglied der NATO ist. Artikel 5 gilt auch, wenn die Türkei Griechenland angreift.

Die Beschlüsse des Nordatlantikrates müssen einstimmig sein. Außerdem wird die Türkei sicher nicht offiziell den Krieg erklären, sondern es würde dann sicher Einer auf den Anderen schieben, wer denn zuerst angegriffen hat. Allein dies zu klären dürfte sehr lange dauern.
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Im Falle eines türkischen Angriffes auf Griechenland wird Frankreich eingreifen. Und vielleicht nicht einmal alleine (außerhalb der EU)

Auszug aus der Rede von Macron

In Toulon stellt der Präsident der Republik die Nationale Strategische Überprüfung vor.

Zitat:Wir müssen auch neue Partnerschaften mit Italien, Griechenland und mehreren Partnern, mit denen wir kürzlich wichtige Abkommen geschlossen haben, wie Kroatien, eingehen und Osteuropa, den baltischen Staaten und den nordeuropäischen Ländern, die in dieser Hinsicht auf neue Formen der Zusammenarbeit warten, vorschlagen, anbieten und vorantreiben können, auch hier natürlich kapazitätsbezogen, aber operativ und strategisch. Es wird unsere Aufgabe sein, im Rahmen der durchzuführenden Übungen diese innovativen Formen der Zusammenarbeit vorzuschlagen. Und ich glaube sagen zu können, dass wir uns natürlich auf unsere eigene Stärke, unsere Glaubwürdigkeit, aber auch, um nur einen Teil davon zu nennen, unsere derzeitigen Einsätze in Rumänien wie auch in Estland stützen. Alle diese Länder, ob Verbündete oder nicht, wissen, dass sie auf Frankreich zählen können
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Raketenbeschuss auf die Türkei aus Syrien heraus...
Zitat:Three killed in Turkey after rockets fired from Syria

Suspected Kurdish fighters fired rockets at the border town of Karkamis after Turkey had hit YPG positions in Syria. [...] Three people have been killed after rockets hit the Turkish district of Karkamis, near the Syrian border, according to the country’s interior minister, Suleyman Soylu.

Five rockets were reportedly fired on Monday, one of them hitting a school, leaving six people injured, two of them seriously. [...] Images on Anadolu showed shattered windows at a school as well a truck in flames. On Sunday, rockets fired from Syria wounded six policemen and two soldiers when they struck a border crossing.

Kurdish fighters are suspected of firing the rockets from northern Syria, after the Turkish air force conducted air attacks on positions in Syria held by the Kurdish People’s Protection Units, or the YPG, on Sunday.
https://www.aljazeera.com/news/2022/11/2...ired-syria

Schneemann
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(20.11.2022, 15:18)Broensen schrieb:
Zitat:Das türkische Militär hat in der Nacht zu Sonntag kurdische Stellungen in Nordsyrien und im Nordirak angegriffen. ...
(21.11.2022, 14:21)Schneemann schrieb: Raketenbeschuss auf die Türkei aus Syrien heraus...

Und schon haben wir einen Angriff auf NATO-Territorium provoziert... Confused
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Zitat:Im Falle eines türkischen Angriffes auf Griechenland wird Frankreich eingreifen. Und vielleicht nicht einmal alleine

Ein Krieg zwischen der Türkei und Griechenland wird meiner Meinung nach in den nächsten Jahren stattfinden.

Das wird dann ein erhebliches Problem für das Französisch-Deutsche Verhältnis, hat sich diese Bundesrepublik nicht nur höchst einseitig Pro-Türkisch ausgerichtet, sondern darüber hinaus auch noch in den Massen der hier ansässigen Türken eine erhebliche Problemstellung bezüglich der inneren Sicherheit.
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Ich glaube nicht, dass ein Krieg zwischen Griechenland und der Türkei für eine der Seiten lohnenswert erscheint. Insofern wird es auch in absehbarer Zeit keinen Krieg geben.
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Ein spannendes, durchaus sehr enges Ergebnis. Ich hatte zwar vermutet, dass Erdogan sich nochmals halten wird können - trotz autokratischer Allüren, Vetternwirtschaft, Inflation und Erdbebenkatastrophe -, allerdings ist das Ergebnis knapper ausgefallen als ich vermutet hatte (ich schätzte ca. 40% zu 60%).

Wenn man sich das Ergebnis aber anschaut, und hierbei noch berücksichtigt, dass die türkischen Nationalisten vor einigen Tagen zur Wahl Erdogans aufgerufen hatten (also er deren Stimmen auch bekommen haben sollte) und die Regierung eine massive Medienübermacht besitzt, so ist das Ergebnis von 48% zu 52% faktisch eine Schlappe für Erdogan, auch wenn er der knappe Sieger ist.

Leichter wird es für ihn allerdings nicht werden...
Zitat:Wahlsieger Erdogan steht vor Herkulesaufgaben [...]

Aus der EU, von der NATO, aus Kiew und Moskau erreichen ihn Glückwünsche. [...]

Der 69 Jahre alte Erdogan hatte am Sonntag die Stichwahl gegen Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu für sich entschieden. Erdogan erhielt nach vorläufigen Ergebnissen der Wahlbehörde rund 52 Prozent der Stimmen, Kilicdaroglu rund 48 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 85 Prozent. [...]

In Deutschland stimmten nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu rund 50 Prozent der Wahlberechtigten ab. Wie auch bei der ersten Runde sprach sich eine deutliche Mehrheit von ihnen für Erdogan aus. Beim Stand von rund 95 Prozent der ausgezählten Wahlurnen aus Deutschland kam der Amtsinhaber bei dieser Gruppe auf 67,4 Prozent der Stimmen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.

Der Wahlkampf galt insgesamt als unfair, unter anderem wegen der Medienübermacht der Regierung.
https://www.n-tv.de/politik/Wahlsieger-E...53546.html

Schneemann
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(29.05.2023, 08:07)Schneemann schrieb: Ein spannendes, durchaus sehr enges Ergebnis. Ich hatte zwar vermutet, dass Erdogan sich nochmals halten wird können - trotz autokratischer Allüren, Vetternwirtschaft, Inflation und Erdbebenkatastrophe -, allerdings ist das Ergebnis knapper ausgefallen als ich vermutet hatte (ich schätzte ca. 40% zu 60%).
Schneemann

Stimme vollkommen zu. In gewisser Hinsicht ist es für die Opposition sogar vorteilhaft dass jetzt Erdogan liefern muss. Diese Woche sind die Net Assets der Zentralbank wohl negativ gelaufen. Die türkische Wirtschaft wird dringend eine Kurskorrektur brauchen die durchaus sehr schmerzhaft sein wird für viele. Inklusive weiterer Abwertung der Lira und drastische Zinserhöhungen - die das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen werden.
Es ist gut dass Erdogan das auf die politische Kappe nehmen muss - wenn er es denn tut. Und sonst wird seine Politik die türkische Gesellschaft auf lange Sicht schwächen - Imam Hatip Schulen und Lehren über das Leben des Propheten Mohammeds werden in einer modernen Gesellschaft keine Gewinner hervorbringen.
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Ich sehe diese Wahl - entgegen allem medialen Gelästere - insgesamt auch als nicht unbedingt "für Erdogan" sprechend. Er hat mit Gewürge gewonnen, und hätte er nicht die Medienhoheit und die Unterstützung der Nationalisten - die übrigens nicht zwingend die islamistische AKP Linie vertreten, aber denen die Opposition schlicht zu schwächlich und diplomatisch wirkte -, dann hätte er sehr wahrscheinlich verloren.
Zitat:Und sonst wird seine Politik die türkische Gesellschaft auf lange Sicht schwächen - Imam Hatip Schulen und Lehren über das Leben des Propheten Mohammeds werden in einer modernen Gesellschaft keine Gewinner hervorbringen.
Ich bin mir nicht ganz sicher. Also bzgl. der Schulen ja, sie scheinen auch seit Jahren immer mehr an Qualität ab-, aber dafür an Rigidität aufzubauen. Gesellschaftlich ist das schwieriger einzuschätzen. Die religiösen Exegeten bilden immer noch, nach drei Jahrzehnten des Wachstums, eine gewichtige Säule im Land. Sie haben zwar Gegenwind und auch die arg geschundenen reinen Kemalisten - die allerdings auch nicht unbedingt Demokraten sein müssen - werden derzeit wieder stärker, aber dennoch hat die AKP ein gut ausgebautes Netz von Agitatoren und Pfründen und in vielen Bereichen haben sie den Staat stark durchdrungen. Und Sympathien hat sie auch noch sehr massive, trotz aller Unbilden.

Schneemann
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