Myanmar - Burma
Es macht keinen Sinn, den seit ca. drei bis vier Monaten bestehenden Aufruhr einer Gruppe von geschätzt (irgendwo schwanken die Zahlen zwischen 1.500 und 5.000) Militanten - die im Übrigen erst nach jahrelangen Übergriffen der Zentralregierung bzw. des Militärregimes sich radikalisiert haben und in den Untergrund gingen - zu nutzen, um eine seit Jahrzehnten bestehende Kampagne zu rechtfertigen, in deren Kontext hundertausende Menschen geflohen sind und hunderte Dörfer niedergebrannt wurden. Mit der gleichen "Logik" könnte ich von My Lai bis Oradour alles irgendwie rechtfertigen.

Schneemann.
Zitieren
(01.10.2017, 16:18)Schneemann schrieb: Es macht keinen Sinn, den seit ca. drei bis vier Monaten bestehenden Aufruhr einer Gruppe von geschätzt (irgendwo schwanken die Zahlen zwischen 1.500 und 5.000) Militanten - die im Übrigen erst nach jahrelangen Übergriffen der Zentralregierung bzw. des Militärregimes sich radikalisiert haben und in den Untergrund gingen - zu nutzen, um eine seit Jahrzehnten bestehende Kampagne zu rechtfertigen, in deren Kontext hundertausende Menschen geflohen sind und hunderte Dörfer niedergebrannt wurden. Mit der gleichen "Logik" könnte ich von My Lai bis Oradour alles irgendwie rechtfertigen.

Schneemann.

Die Frau eines Freundes von mir kommt aus Birma. Und diese erzählt eine ganz andere Version. Es würde sich um illegale Einwanderer aus Kolonialzeiten handeln und Terroranschläge gäbe es schon seit vielen Jahrzehnten. Unabhängig von deren Schilderungen sind doch nicht die Militanten das Hauptproblem, sondern die vermutlich sehr große Menge ihrer klammheimlichen Unterstützer und Sympathisanten. Und bisher liefen doch eigentlich die meisten Kriege genau wie du es beschreibst ab. Rakka zum Beispiel wird doch aktuell völlig plattgebombt und mit Mörsern bearbeitet, eben weil sich dort ein paar hundert IS-Terroristen aufhalten. Ob dabei auch Zivilisten drauf gehen spielt doch für die US-Koalition wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle.
Zitieren
Zitat:Die Frau eines Freundes von mir kommt aus Birma. Und diese erzählt eine ganz andere Version.
Soll dies nun eine ernsthafte Aussage sein? Entschuldige, aber so kommen wir nicht weiter, wenn wir nun noch den Onkel vom Schwager meiner Tante dritten Grades...
Zitat:Es würde sich um illegale Einwanderer aus Kolonialzeiten handeln und Terroranschläge gäbe es schon seit vielen Jahrzehnten...
Nein. Muslime in Myanmar bzw. Burma und in den Vorgängerstaaten gibt es schon seit vielen Jahrhunderten. Lediglich der Name "Rohingya" bzw. dessen Etymologie ist unklar bzw. umstritten, ebenso streiten die Wissenschaftlter, ab wann man diesen Namen für eine bestimmte Volksgruppe nutzen oder nicht nutzen sollte.
Zitat:Unabhängig von deren Schilderungen sind doch nicht die Militanten das Hauptproblem, sondern die vermutlich sehr große Menge ihrer klammheimlichen Unterstützer und Sympathisanten.
Ja. Und? Das ist genau genommen kein Argument. Nur weil Militante irgenwann immer irgendwo Unterstützer haben - das dürfte in fast jedem asymmetrische Krieg der Fall sein -, kann ich nicht wegen einer Handvoll durch den Wald irrlichternder Untergrundkämpfer (die man sich im Falle Burmas zudem durch eine eigene, jahrzehntelang bestehende Gewaltherrschaft des Militärs selbst gezüchtet hat) hunderttausende Menschen vertreiben und wahllos Dörfer niederbrennen.
Zitat:Rakka zum Beispiel wird doch aktuell völlig plattgebombt und mit Mörsern bearbeitet, eben weil sich dort ein paar hundert IS-Terroristen aufhalten. Ob dabei auch Zivilisten drauf gehen spielt doch für die US-Koalition wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle.
Das ist ein moskowitisches Propagandaspielchen, das in den Syrien-Strang gehört.

Schneemann.
Zitieren
Rakka war doch nur ein Beispiel. Zivilisten haben immer darunter zu leiden, wenn sich reguläre Truppe, Milizen oder Terroristen in bewohnten Gebieten verstecken oder ihnen eben dort von den Zivilisten sogar wissentlich Unterschlupf gewährt wird. Das hat nichts mit russischer Propaganda zu tun, sondern jeder globale oder regionale Akteur würde da ähnlich handeln, egal ob Rußland, die USA oder sonst wer. Burma hat in Sachen Bombenkrieg nur eben nicht die Kapazitäten wie die Großmächte. Ob man einen Ort bombardiert, so daß die Zivilbevölkerung fliehen muss oder sie am Boden zur Flucht zwingt bleibt doch im Resultat das Selbe.
Zitieren
Zitat:Das hat nichts mit russischer Propaganda zu tun...
Genau genommen schon, weil es von der eigenen, massiven (und wahlloseren) Bombenkampagne und der Unterstützung für Assad ablenkt. Aber wie gesagt: Bei Bedarf haben wir hierfür den Syrien-Strang.
Zitat:Burma hat in Sachen Bombenkrieg nur eben nicht die Kapazitäten wie die Großmächte.
Nur weil die Kapazitäten nicht vorhanden sind oder man sie nicht einsetzt, heißt dies nicht, dass keine Kriegsverbrechen begangen werden oder dass es Rechtfertigungsgrundlagen (Anschläge etc.) für das Agieren der Armee in Burma gibt (wie eingangs deinerseits formuliert). Viele Vertreibungen, ethnische Säuberungen etc. finden sogar eher vor dem Hintergrund einer eher bescheidenen Feuerkraft statt und spielen sich im Kontext von brutal geführten Boden- bzw. Kleinkriegen ab, wo im Kern irgendwelche mit Kleinwaffen ausgestatteten Privattruppen, selbsternannten Clans oder Milizen agieren.

Schneemann.
Zitieren
Es wird wieder einmal geputscht in Burma:

FAZ
Zitieren
(01.02.2021, 10:06)Vanitas schrieb: Es wird wieder einmal geputscht in Burma:

FAZ

Das Militär stellte dort faktisch sowieso die Herrschaft und nun hat man es mal wieder "offiziell" gemacht.
Zitieren
Gleich und gleich gesellt sich gern:
Zitat:Russia said it was seeking to deepen ties with Myanmar’s military junta as its deputy defence minister held talks with the country’s commander-in-chief, Min Aung Hlaing, who led the coup against the democratic government last month.

In the most high-profile visit to the country by a foreign power since Aung San Suu Kyi’s government was overthrown, Alexander Fomin on Friday said Moscow was “committed to a strategy aimed at bolstering relations between the two countries.”

Quelle: https://www.ft.com/content/c023ae3a-b667...e6875053f0

Ist natürlich super für die Russen: Nach jahrelanger Öffnung Myanmars hin z.B. zum westlichen Tourismus kann man sich jetzt gleich als neuen Freund und Partner positionieren. Die pöhsen Westmächte mit ihrer lästigen Kritik an spontaner Autokratisierung können dann mal schön hinten anstehen.

EDIT: Im schlimmsten Fall ensteht ein zweites Syrien. Und wie man damit zugunsten der Diktatur umgeht, haben die Russen ja schon unter Beweis gestellt.
Zitieren
(26.03.2021, 22:56)hunter1 schrieb: Gleich und gleich gesellt sich gern:

Quelle: https://www.ft.com/content/c023ae3a-b667...e6875053f0

Ist natürlich super für die Russen: Nach jahrelanger Öffnung Myanmars hin z.B. zum westlichen Tourismus kann man sich jetzt gleich als neuen Freund und Partner positionieren. Die pöhsen Westmächte mit ihrer lästigen Kritik an spontaner Autokratisierung können dann mal schön hinten anstehen.

EDIT: Im schlimmsten Fall ensteht ein zweites Syrien. Und wie man damit zugunsten der Diktatur umgeht, haben die Russen ja schon unter Beweis gestellt.

Tja der Westen ist doch selbst schuld. Er hat sich offensiv gegen Suu Kyi gestellt wegen den Rohingya und ihre Position somit stark geschwächt und die komplette Machtübernahme des Militärs damit erst ermöglicht bzw. zumindest begünstigt. Und nun ist das Gejammer wieder groß. Man hätte sich vielleicht erst einmal genau über die Rohingya informieren sollen. Indien fährt inzwischen auch eine harte Kampagne gegen Rohingya Flüchtlinge, weil viele aus deren Reihen mit islamistischen (Terror)Organisationen sympathisieren. Aber ich bin mir sicher dass zumindest ein Teil der EU-Staaten sie mit offenen Armen empfangen wird.
Zitieren
Zitat:Tja der Westen ist doch selbst schuld. Er hat sich offensiv gegen Suu Kyi gestellt wegen den Rohingya und ihre Position somit stark geschwächt und die komplette Machtübernahme des Militärs damit erst ermöglicht bzw. zumindest begünstigt.
Suu Kyi hat die Wahlen gewonnen, von Schwäche kann da keine Rede sein. Das Militär verteidigt seine Machtsstellung und damit seine Pfründe, die es durch die Demokratisierung nach und nach verloren hätte. Der Westen konnte nur geringen Einfluss bei der Öffnung geltend machen (gesehen über die lange Zeit, die es dauerte). Das müsste sich jetzt mit einer UNO-Intervention ändern. Wird es aber kaum, wir haben zurzeit ganz andere Probleme. Profiteure sind dann halt Drecksstaaten, die sich einen Dreck um Demokratie scheren.

Das grosse Problem ist, dass das Beispiel Myanmar Schule machen könnte: Man kommt zurzeit ungeschoren davon, wenn man einen Militärputsch macht. Zur Not holt man sich Russland oder ein ähnliches Konstrukt an die Seite.
Zitieren
Das Gemetzel setzt sich fort...
Zitat:Soldaten schießen auf Kinder

Myanmars Militär im Blutrausch

Allein am Samstag wurden in Myanmar mindestens 114 Menschen getötet. Soldaten schossen auch auf Kinder. Nach dem Putsch haben die Militärs offenbar die letzten Skrupel abgelegt. US-Präsident Biden kündigte Sanktionen an. [...]

Doch nicht einmal vor der Trauer der Menschen hatten die Sicherheitskräfte Respekt, wie der myanmarische BBC-Mitarbeiter Kyi Whi Tan berichtet: Bei einer Beerdigung etwa 60 Kilometer nordwestlich von Yangon tauchten plötzlich Sicherheitskräfte auf und schossen auf die Trauernden. "Ich kann nicht sagen, ob es Tote oder Verletzte gab, aber sie schossen, und dann wurden 40 Trauernde dort abgeführt." [...]

114 Menschen kamen an einem Tag ums Leben. Im Karen Staat im Südwesten des Landes, der von der bewaffneten ethnischen Karen National Union kontrolliert wird, warfen myanmarische Kampfflugzeuge sogar Bomben. Die Junta hat offenbar die letzten Skrupel abgelegt und scheint fest entschlossen, den Protest mit allen Mitteln niederzuschlagen, wie blutig auch immer. Neuwahlen und die Rückkehr zur Demokratie hatten die Miltärs versprochen, jetzt wollen sie offenbar nur noch Friedhofsruhe im Land erzwingen.
https://www.tagesschau.de/ausland/myanmar-459.html

Schneemann.
Zitieren
(29.03.2021, 10:08)Schneemann schrieb: Das Gemetzel setzt sich fort...
https://www.tagesschau.de/ausland/myanmar-459.html

Schneemann.

Der Artikel ist mal wieder schlecht recherchiert, denn nur weil die Provinz übersetzt Karen-Staat heißt ist sie kein eigener Staat und wird auch nicht von der Karen Rebellengruppe kontrolliert. Diese hält maximal ein paar dutzend Dörfer in den Bergen. Das lässt bei mir dann auch Zweifel an den restlichen Behauptungen im Artikel aufkommen, auch wenn ich der Junta dort durchaus zutraue in der Art gegen Aufständische vorzugehen.
Zitieren
Ja, das ist ein sicherlich berechtigter Kritikpunkt. Wobei allerdings ein solcher Fehler, der eher marginalerer Natur sein dürfte angesichts der Ereignisse, hier m. M. n. nicht allzu schwer wiegt. Dass das Militär vor Ort ein Gemetzel anrichtet und auch Kinder erschießt, wurde darüber hinaus nicht nur alleine von der Tagesschau gemeldet, sondern auch von anderen Medien. Insofern glaube ich mal, dass wir es hier trotz geographischer Unzulänglichkeit mit einem massenweisen Niederschießen von Demonstranten zu tun haben - was am eigentlichen Vorwurf nichts ändert...

Schneemann.
Zitieren
lime schrieb:Der Artikel ist mal wieder schlecht recherchiert, denn nur weil die Provinz übersetzt Karen-Staat heißt ist sie kein eigener Staat und wird auch nicht von der Karen Rebellengruppe kontrolliert. Diese hält maximal ein paar dutzend Dörfer in den Bergen.
Zustimmung beim zweiten Punkt, der erste geht aber in Ordnung. In Myanmar gibt es diverse Staaten (z.B. Shan, Rhakine, Kachin). Staat ist hier ca. mit Teilstaat (Gebiet mit gewisser Autonomie) gleichzusetzen, nicht mit Nationalstaat.
Zitieren
Meiner rein persönlichen Einschätzung nach wird die Zahl der Toten sogar deutlich größer sein als das was da jetzt an die Medien dringt und wird es ingesamt mehr Massaker geben als hier jetzt genannt werden. Man kann ja von den Rohingya halten was man will, aber da kam dann auch erst im Laufe der Zeit raus, dass die Gewalt der Armee dort wesentlich umfangreicher und brutaler war als es anfänglich vermutet wurde. Und ganz allgemein neigt das Militär dort zu äußerst brutalem Vorgehen, und am Ende kam eigentlich immer heraus, dass die viel mehr getötet haben als man vorher befürchtete.
Zitieren


Gehe zu: