(Asien) Chinesische Armee - People’s Liberation Army (PLA)
In diesem Kontext: Ich habe mir kürzlich ein recht altes und auch vergleichsweise unbekanntes Werk von Scholl-Latour gekauft: Der Wahn vom Himmlischen Frieden - Chinas langes Erwachen von 1990 (Siedler Verlag). (https://www.amazon.de/Wahn-vom-Himmlisch...3886803678) Ich bin noch nicht ganz durch, grob die Hälfte.

Es ist eine Momentaufnahme von vor 35 Jahren. Aber sehr empfehlenswert, aber der Leser sollte zumindest grob mit Begriffen wie KMT, KpCH, Mao und Chiang Kai-Shek und Tenno umgehen können bzw. diese einordnen können sollen. Vor allem - im hiesigen Kontext bzgl. PLA - lesenswert sind die Seiten 170 bis 184 ("Die Macht aus dem Gewehrlauf"). Je mehr ich von dem alten Hasen lese, desto mehr bewundere ich ihn.

Schneemann
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(05.09.2025, 22:00)Schneemann schrieb: Da triffst du durchaus einen realen bzw. wahren Kern. Gleichwohl lässt sich in der Historie nachweisen, dass "China" (bewusst in Anführungszeichen) über die Jahrtausende nach Phasen des Aufblähens wieder in sich zusammenfiel.
Das mag so sein, aber wenn China in *hundert Jahren* wieder zusammenfällt werden wir das nicht mehr erleben. Entsprechend ist das für uns nicht bedingt relevant.
Stattdessen durchleben wir jetzt schon den Beginn einer Phase, die sich noch über Jahrzehnte erstrecken wird und sich dadurch auszeichnet, dass Chinesische Macht rasant zunimmt, während wir mit zunehmender Geschwindigkeit erodieren.
Langfristig sind die Chinesen genauso demographisch tot wie der Rest Fernasiens und Europa - und sogar etwas schneller als die USA. Sie werden viel zu schnell altern als das sie ihren Platz an der Sonne länger als einen Moment genießen könnten. Aer das nutzt uns halt herzlich wenig, wenn sie *bis 2050* einen Krieg gegen uns führen, den wir nicht mehr gewinnen können.

Zitat:Nichtsdestotrotz: Die westliche Hemisphäre muss zwingend (wieder) zusammenfinden - wie ich schon öfters schrieb -, und wenn sie dies tut, notfalls auch unter Ablehnung der versteinerten und teils pervertierten UN-Hierarchie, dann sehe ich gute Chancen dieser Bedrohung einen Riegel vorschieben zu können. Zwischen dem Kukunor und Warschau ist es bekanntlich ein weites Stück Weg.

Und (frei nach de Gaulle): Irgendwann merken die Russen auch, dass sie Weiße sind...
Die strukturellen Probleme, die dazu geführt haben, dass uns die Chinesen den Rang ablaufen sind viel zu grundsätzlich als das wir sie durch engere Kooperation lösen könnten.

Ich habe irgendwo unlängst einen Satz gelesen der es auf den Punkt bringt: In China regieren die Ingenieure, im Westen die Juristen.
Sprich, wir sehen gerade, dass eine staatskapitalistische Autokratie im globalen Wettstreit der liberalen Demokratie den Rang abläuft. Dieses System ist alles andere als perfekt und generiert haarsträubende Friktionen, aber es generiert auf der Nationalen Ebene ein technologisches und produktionswirtschaftliches Potential, gegen das wir in einer militärischen Auseinandersetzung nicht bestehen werden. Und in einem Kalten Krieg der Systeme auch nicht.
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@Nightwatch
Zitat:Langfristig sind die Chinesen genauso demographisch tot wie der Rest Fernasiens und Europa - und sogar etwas schneller als die USA. Sie werden viel zu schnell altern als das sie ihren Platz an der Sonne länger als einen Moment genießen könnten. Aer das nutzt uns halt herzlich wenig, wenn sie *bis 2050* einen Krieg gegen uns führen, den wir nicht mehr gewinnen können.
Die Fragen wären doch eher, was für ein Krieg geführt wird und wer in führt?

Eine "Invasion" Chinas und ein größerer Landkrieg dort wären völlig illusorisch, weder hat irgendwer die Truppen noch die Lust dazu, ein Riesenland mit mehr als einer Mrd. Menschen zu erobern. Zumal rein von der Truppenanzahl es faktisch nicht möglich wäre, einen Sieg in einem Landkrieg zu erringen. Die Argumentation erscheint mir also nicht ganz treffend, denn ein Sieg in einem "klassischen" Landszenario wäre so oder so außerhalb des machbaren. Bleibt also der Blick auf das Umland, und hier fällt dieser v. a. auf Taiwan. Und in ein Krieg um diese Insel wiederum wäre ein Krieg, der sich auf Marine und Luftwaffe stützt und wo ein Millionenheer nicht entscheidend ist. Und in diesem Kontext sehe ich durchaus Chancen für einen Sieg, zumindest denke ich nicht, dass die Chinesen in der Luft und zur See derart überlegen sind (wäre aber ein Thema für andere Stränge).

Darüber hinaus wäre zu klären, gegen wen China Krieg führt? Gegen die USA? Zumindest denkbar im Taiwan-Kontext. Gegen Europa und Ozeanien? Tendenziell auch möglich im Falle Taiwans, aber mit schwer abwägbaren Grauzonen verbunden, zumal Europa auf der anderen Seite der Erdkugel sitzt.

Eher wahrscheinlicher sind Konflikte in Asien, in die sich Amerikaner und Europäer einbringen, um regionale Partner zu unterstützen, egal ob nun Taiwan, Japan, Südkorea, die Philippinen oder auch, etwas weiter gestrickt, Malaysia, Indien oder auch das kommunistische Vietnam. D. h. die Länder, die Chinas Ambitionen kritisch beäugen, sind nicht nur in Europa oder Nordamerika zu finden, sondern vorzugsweise in Asien selbst. Es wäre also sehr wahrscheinlich kein 1-zu-1-Szeanario Peking vs. Washington, sondern ein umfassenderer asiatischer Krieg, der aber a) geographisch dennoch relativ regional eingegrenzt blieb und der b) relativ zügig eine Luft- und Seeherrschaft der Verbündeten mit sich bringen würde, während die PLA umgekehrt eben drohend am Ufer des Südchinesischen Meeres stehen würde und eben auch nicht besiegt werden könnte. Irgendwann würden dann ein Patt und ein Waffenstillstand à la Panmunjeom folgen.

Schneemann
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Hm interessante Diskussion. Aber meine Wahrnehmung ist, hier (im Forum) wird immer noch viel zu straff zwischen Land, See und Luft unterschieden, diese Sicht ist bzgl der chinesischen Modernisierung und Verflechtung der Streitkraefte inzwischen mindestens seit einem Jahrzehnt ueberholt, zumindest konzeptionell. Daher halte ich auch Thesen wie "Die Alliierten wuerden schnell Luft-/Seeherrschaft erringen." fuer relativ kontrovers angesichts des gegenwaertigen Sachstandes.

Zum Thema allgemein vielleicht noch zwei Literatur-Empfehlungen:
Evan A Feigenbaum - China's Techno-Warriors, Stanford 2003.
Joel Wuthnow, Phillip C Saunders - China's Quest For Military Supremacy, Polity 2025.

Beide geben einen m.E umfassenden, ergaenzenden Ueberblick sowohl ueber die strukturelle Logik der technologischen und militaerischen Erneuerung Chinas aus dem Kalten Krieg in die 1990er, und der aktuellen politischen, strategischen und taktischen Auslegung der PLA, und den Implikationen fuer die chinesische Wahrnehmung von nationaler Sicherheit.
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Schhneemann schrieb:Bleibt also der Blick auf das Umland, und hier fällt dieser v. a. auf Taiwan. Und in ein Krieg um diese Insel wiederum wäre ein Krieg, der sich auf Marine und Luftwaffe stützt und wo ein Millionenheer nicht entscheidend ist. Und in diesem Kontext sehe ich durchaus Chancen für einen Sieg, zumindest denke ich nicht, dass die Chinesen in der Luft und zur See derart überlegen sind (wäre aber ein Thema für andere Stränge).
Die Chinesen rüsten seit wenigstens der Dritten Taiwankrise für genau für ein Szenario Pazifik. Wir, bzw. die Amerikaner und ihre Verbündeten in Asien tun das nicht mit in Ansätzen vergleichbarer Konsequenz.

Wir können sicherlich darüber diskutieren wie genau die Kräfteverhältnisse heute sind, viel spannender aber ist die Frage, wie sie morgen sein werden, wenn man die Trendlinien fortschreibt. Und da wird es wenigsten in meinen Augen in absehbarer Zeit zappenduster.

Wenn wir die USA betrachten (von Europas Expeditionsfähigkeiten am anderen Ende der Welt brauchen wir garnicht erst anfangen) ist es unter den gegebenen fiskalpolitischen Realitäten effektiv so, dass die US Luft- und Seestreitkräfte nicht mehr wachsen werden und eine qualitative Verbesserung an der einen Stelle mit einer qualitativen Stagnation oder quantitativen Schrumpfung an anderer Stelle einhergeht. Man führt hier und dort modernere Systeme ein, wird aber in der Breite bestenfalls das bisherige Niveau halten.

Oder weniger verklausuliert gesagt: Die US Navy wird weiter schrumpfen und die Flotte altern, schlicht weil die Ressourcen für einen Erhalt oder auf Ausbau nicht mehr vorhanden sind und aus ganz diversen Gründen auch nicht mehr herbeigezaubert werden können. Die US-Luftwaffe wird in der Spitze diverse (erhoffte) Gamechanger einführen, wird aber in der zulaufenden Generation nicht in der Lage sein in der Breite ein Flottenupgrade durchzuführen oder quantiative Einschitte hinnehmen zu müssen. 100+x B-21 bleiben da genauso Fantasie auf Kosten des restlichen Flugparks wie es 1700 F-35A gewesen sind. Für die F-47 ergeht man sich sinnigerweise garnicht mehr in Stückzahlangaben.

Und die Chinesen? Die haben die Produktionskapazitäten geschaffen um Jahr für Jahr mehr das doppelte an Kriegsschifftonnage zu bauen als der Rest der Welt zusammengenommen. Die Resultate mögen technologisch zehn, zwanzig, dreißig Prozentpunkte schlechter sein als was die USN in der Spitze aufbieten kann, aber am Ende spielt das keine Rolle, wenn auf jede alternde Burke im AO zwei oder drei 052D oder 055 kommen. Vor allen Dingen aber spielt es keine Rolle, wenn dahinter gigantische Produktionskapazitäten für Schiffsraketen aller Art stehen während wir nur minimale Arsenale vorhalten und ansonsten kaum mehr als Manufakturbetrieb betreiben.
Man kann über so einige Faktoren diskutieren, aber wenn man die bisherigen Rüstungsbemühungen fortschreibt wird die PLAN schon bis 2040 über Wasser mit der USN insgesamt gleichziehen. Man kann sich dann damit trösten, dass man sicherlich noch mehr Flottenträger hat, aber eine Auseinandersetzung mit China wird eben auch im geographischen Vorgarten stattfinden müssen und nicht irgendwo im leeren Raum zwischen Hawaii und Midway.

Überhaupt geographische Realitäten. Der Nachteil der den Angloamerikanischen Kräften dadurch entsteht wird völlig unterschätzt. Womöglich weil wenigstens hier in Europa kaum jemand eine wirkliche Vorstellung davon hat wie wahnsinnig weit der pazifische Raum ist. Die Entfernung Guam - Hawaii sind 2700km. Das sind 200km mehr als die Entfernung Paris – Moskau. Über derartige Entfernungen Krieg führen zu wollen wenn der Gegenüber Strecken von wenigen hundert Kilometern haben wird und seine Luftdoktrin offensichtlich darauf auslegt Tankerflugzeuge angreifen und die viel zu wenigen und obendrein unbefestigten Luftwaffenstützpunkte niederhalten zu wollen wird extrem schwierig.

Ich gebe dir schon recht, dass man hier jetzt und heute wohl noch relativ zügig so etwas wie Lufthoheit wird erringen können, zumindest wenn man all in geht und den Krieg tatsächlich auch als eine Auseinandersetzung zwischen Bejing und Washington begreift und die Affäre vorbei ist bevor Produktionsfaktoren relevant werden würden (good luck). In zehn, zwanzig Jahren habe ich dagegen immense Zweifel wenn ich mir ansehe was auf beiden Seiten in der Pipeline ist. Wobei, um ehrlich zu sein schließe ich es eigentlich aus.

Wir werden uns dann in einer Situation wiederfinden in der wir den Chinesen die Vorherrschaft im Westpazifischen Raum überlassen müssen, weil wir einen Krieg selbst mit unbedingtem Wehrwillen (den wir nicht haben) verlieren werden. Im Zuge dessen wir in meinen Augen auch Taiwan wieder an die Chinesen fallen, wahrscheinlich friedlicher als wir das annehmen. Und wir werden nur hoffen können, dass die Chinesen nicht ganz bewusst einen Krieg mit uns führen wollen und sich mit unserer geräumten Vormachtstellung zufrieden geben werden. Darauf wetten würde ich aber nicht.
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Äußerst interessant zu lesen. Danke dafür!

Und nur, weil sich da ein Zahlendreher reingeschlichten hat:

(06.09.2025, 19:52)Nightwatch schrieb: .... kaum jemand eine wirkliche Vorstellung davon hat wie wahnsinnig weit der pazifische Raum ist. Die Entfernung Guam - Hawaii sind 2700km. Das sind 200km mehr als die Entfernung Paris – Moskau.

Die Luftlinie zwischen Guam und Hawaii beträgt mehr als 6000 Kilometer.
Die Luftlinie zwischen Paris und Moskau beträgt knapp 2500 Kilometer.
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@Nightwatch
Zitat:Die Chinesen rüsten seit wenigstens der Dritten Taiwankrise für genau für ein Szenario Pazifik. [...] Wir werden uns dann in einer Situation wiederfinden in der wir den Chinesen die Vorherrschaft im Westpazifischen Raum überlassen müssen...
Bezüglich des Rüstungsungleichgewichtes und der Kapazitäten gebe ich dir unumwunden recht. Indessen jedoch denke ich nicht, dass wir Peking die Vorherrschaft im westpazifischen Raum zwingend überlassen müssten.

In gewisser Weise - nehmen wir mal eine Eroberungsabsicht Chinas an - hat China ein ähnliches Problem wie das deutsche Kaiserreich vor dem Ersten Weltkrieg. Es ist eine Landnation, und die maritimen Ambitionen sind an recht enge geographische Bedingungen gebunden. Ähnlich, wie die mit großem Aufwand gebaute deutsche Hochseeflotte nach 1914 nicht wirklich aus dem "nassen Dreieck" Nordsee herauskam, haben auch die Chinesen geographische Hürden vor sich. Sie werden sicher ohne Probleme das ost- und das südchinesische Meer beherrschen und vielleicht auch erfolgreich Taiwan einnehmen können, danach jedoch versperren ihnen die beiden großen Landriegel Japan und die Philippinen (im Süden auch noch Borneo) den Weg.

Beide Länder sind Peking nicht sonderlich wohlgesonnen, ja hegen ein tiefes Misstrauen, und gelten als weitgehend sichere US-Verbündete. D. h. die mächtige chinesische Flotte wird die "nassen Dreiecke" ost- bzw. südchinesisches Meer beherrschen, aber der weitere "Ausbruch" in den West- oder Südwestpazifik wird ihnen so nicht gelingen. Und da helfen auch keine Manöver von Trägergruppen, wie aktuell geschehen, in der Philippinensee oder sonstwo in den pazifischen Weiten oder ausgebaute und raketenstarrende Inselstützpunkte auf den Spratleys etc. weiter. Um ein sicheres Sprungbrett in den Westpazifik zu haben, gesetzt den Fall, es gibt eine solche Ambition, müssten die Philippinen und Japan unter chinesischer Kontrolle sein, dann wäre der Westpazifik mit Sicherheit "verloren" oder zumindest stärkstens bedroht, aber ich erachte es als unwahrscheinlich, dass beide Archipele eingenommen werden.

Hinzu kommt, dass die Chinesen nicht wirklich nennenswerte Stützpunkte jenseits der island chain haben. Auch der Ausbau von Häfen in Ostafrika hilft da nicht wirklich, die sind ähnlich exponiert wie es das alte Tsingtau unter deutscher Kontrolle war und dürften recht rasch Gegenmaßnahmen zum Opfer fallen bzw. wären nach Attacken und Blockaden neutralisiert (Einnahme nicht unbedingt), ähnlich wie abgeschnittene japanische Inselgarnisonen im Zweiten Weltkrieg.

Insofern: Ein wirklicher Sieg im Sinne eines Niederwerfens Chinas und einem Truppenaufmarsch auf dem Platz des Himmlischen Friedens steht außerhalb der Möglichkeiten und ist völlig illusorisch, das Land ist zu groß, die Armee ist zu groß und es gibt schlicht zu viele Einwohner. Und Peking wird sein maritimes Vorfeld sehr stark absichern und als kaum einnehmbar gestalten. Auch die Verteidigung Taiwans muss als sehr unsicher gelten. Aber sobald der chinesische Drache versuchen sollte über die Philippinen und Japan in den Westpazifik (oder Südwestpazifik) hinaus auszugreifen, wird die Strategie langfristig scheitern - einerseits wären es zu viele Gegner, andererseits würden die logistischen Grundlagen fehlen und zudem würden die Vorstöße immer wieder von allen Seiten attackiert werden, egal ob es nun ein australisches oder japanisches U-Boot, eine philippinische BrahMos oder eine US CSG ist. Spätestens in der Philippinensee, in der Straße von Malakka oder in der Javasee wäre die Sache zu Ende. Es würde dann ein langwieriges Gezerre folgen, und am Ende bleiben die Carrier der Chinesen in den Häfen und es würde - wie schon mal geschrieben - eine Art leidigen Waffenstillstand im Sinne Panmunjeoms geben.

Und propagandistisch würde man es aufbauschen, dass man ja dadurch, dass man nicht verloren hat, gewonnen hat. Oder so ähnlich. Aber ein wirklicher Sieg wäre es nicht, für keine Seite.

Schneemann
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(06.09.2025, 23:08)Pogu schrieb: Und nur, weil sich da ein Zahlendreher reingeschlichten hat:


Die Luftlinie zwischen Guam und Hawaii beträgt mehr als 6000 Kilometer.
Die Luftlinie zwischen Paris und Moskau beträgt knapp 2500 Kilometer.
Gemeint war tatsächlich auch Guam - Taiwan.

Der Punkt hier ist einfach, dass es die US Luftwaffe sehr schwer haben wird, im chinesisichen Operationsraum mit relevanten Kräften zu operieren. Die Entfernungen sind so groß, dass es ausgedehnten Tanker-Support benötigt um mit taktische Kampfflugzeuge mit relevanter Verweildauer und Waffenlasten *über Taiwan* (oder sonstwo in der First Island Chain) agieren zu können.

Das wäre so schon komplex genug und würde die alternde Tankerflotte maximal belasten, gleichzeitig ist es klar, dass die Chinesen an Systemen und Strategien arbeiten um die Tanker selbst anzugreifen.
J-20 mit VLRAAM ist schon jetzt ein Problem, in zehn Jahren werden wir ihre neue '6th Gen' (in Wahrheit 5th+ Long Range Strike&Command) gepaart mit LR VLO Drohnen sehen.

Hinzu kommen ihre stetig wachsenden Möglichkeiten selbst weit entfernte Flugplätze mit ballistischen und alsbald hypersonischen Systemen anzugreifen. Unnötig zu erwähnen, dass man auf angloamerikanischer Seite vllt ein paar Shelter für Kampfjets haben wird, aber sicherlich keine für Tankflugzeuge.

Was müsste man tun? Neben Räumung der Basen innerhalb der First Island Chain (Okinawa) und konsequenter Befestigung der wenigen Flugplätze wäre eine militärische Ertüchtigung ziviler Flughäfen und Landepisten in der Breite essentiell. im Japanischen Raum liegt hier immmen viel Potential brach. Man bräuchte auch eine Vervielfachung der eigenen Raketenabwehr um Basen innerhalb des chinesischen Feuergürtels halten zu können. Es bräuchte völlig neue VLO Tankerflugzeuge in relevanten Stückzahlen. Stichwort KC-Z. Es benötigt Plattformen mit hoher Reichweite, die im Zweifelsfall in verteidigten Räumen ohne Tankersupport operieren können. Stichwort PCA. Es bräcuhte Großraumdrohnen die im Verbund mit B-21 taktische Kampfflugzeuge ersetzen. Stichwort MQ-L.

Es wären hier grundsätzlich verschiedene Wege denkbar, der Punkt aber ist, dass davon kaum etwas in der nächsten Dekade passieren wird. Das USAF Budget ist mit den (zumeist auf Sparflamme laufenden) Programmen ausgerzeit, ein strategischer Flottenumbau ist fiskalpolitisch nicht zu machen. Und ansonsten anscheinend auch nicht, wenn sich Boeings 6th Gen Canard-Konzeption in Erinnerung ruft.

Schneemann schrieb:In gewisser Weise - nehmen wir mal eine Eroberungsabsicht Chinas an - hat China ein ähnliches Problem wie das deutsche Kaiserreich vor dem Ersten Weltkrieg. Es ist eine Landnation, und die maritimen Ambitionen sind an recht enge geographische Bedingungen gebunden. Ähnlich, wie die mit großem Aufwand gebaute deutsche Hochseeflotte nach 1914 nicht wirklich aus dem "nassen Dreieck" Nordsee herauskam, haben auch die Chinesen geographische Hürden vor sich. Sie werden sicher ohne Probleme das ost- und das südchinesische Meer beherrschen und vielleicht auch erfolgreich Taiwan einnehmen können, danach jedoch versperren ihnen die beiden großen Landriegel Japan und die Philippinen (im Süden auch noch Borneo) den Weg.
War es nicht auch mit ein wesentlicher Grund für den Eintritt des Britischen Empires in den ersten Weltkrieg, dass man im Wettrüsten mit den Kaiserreich zwar noch vorne lang, es sich längerfristig aber nicht mehr hätte leisten können?

Ich kann deine Argumentation ansonsten nicht ganz nachvollziehen. Die Chinesischen Ambitionen liegen doch hauptsächlich auf der First Island Chain. An eine Eroberung der Phillipinen oder territoriale Expansion in die Tiefe des Zentralpazifiks (wohin denn, da ist doch nichts) denken sie doch nicht. Auch nicht um einen Krieg gegen die USA über den ganzen Pazifik. Es geht den Chinesen jenseits der Territorialfragen in der First Island Chain um die Beherrschung des Großraumes. Sie möchten die USA als vorherrschende Macht in der Region ablösen. Und dazu muss man den jetzigen Hegemon vertreiben. Wenn nötig durch Krieg, besser aber (wonach es aussieht) durch Selbstaufgabe. Im Nachgang werden sich dann auch die Akteure in Südostasien unter Abwesenheit des alten Hegemons USA an Bejing orientieren müssen. Im Prinzip eine neue Greater East Asia Co-Prosperity Sphere nur langsamer und weniger brachial (hoffentlich).

Das ist die im zeitlichen Horizont Mitte des Jahrhunderts für uns relevante Bedrohung bzw. Herausforderung. Darüber hinaus wird man sehen. Die Chinesen sind geduldig und wir denken zu kurzfristig. Wenn es ihnen gelingt ihre Ziele in Bezug auf die First Island Chain zu erreichen (sei es mit Krieg oder ohne) werden sie in den folgenden Jahrzehnten im Bezug auf den weitergehenden Pazifik neue Ziele definieren und verfolgen.

Welche Systeme und Axiome dann relevant sein werden steht in den Sternen. Ich würde aber davor warnen wollen sich darauf zurückzuziehen, dass die Chinesische Marine mit Trägergruppen heute nicht so agieren kann wie die USN. Vor zehn Jahren hatten sie noch überhaupt keine Trägergruppen, im zehn Jahren werden sie (wenn sie wollen) so viele haben wie die USN im Pazifik (freilich immernoch deutlich weniger schlagkräftig) und immens viel Blue Water Erfahrung gewonnen haben. In zwanzig Jahren? Wenn sie es darauf anlegen bauen sie bis dahin zwei Dutzend und operieren sie bis zur Jahrhundertwende. Spannend an dieser Stelle dann die Frage, wie viele Trägergruppen die USN bis dahin noch operieren wird.

Ihre größte Schwäche btw ist ihre Abhängigkeit von weltweiten Handelsströmen. Sie würden ein gehöriges Problem bekommen, wenn sich die USA im Rahmen einer militärischen Konfrontation zu einem kompromisslosen Handelskrieg entscheidend würden und alle Chinesischen Importe über den Seeweg militärisch stoppen. Längerfristig würde das zu massiven Mängeln in der chinesischen Wirtschaft führen. Wie realistisch das vor dem Hintergrund wäre, dass ein totaler Handelskrieg auch den Untergang der westlichen Volkswirtschaften bedeutet kann man sich aber denken.
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(07.09.2025, 08:48)Schneemann schrieb: Sie werden sicher ohne Probleme das ost- und das südchinesische Meer beherrschen und vielleicht auch erfolgreich Taiwan einnehmen können, danach jedoch versperren ihnen die beiden großen Landriegel Japan und die Philippinen (im Süden auch noch Borneo) den Weg.

Schneemann

Wenn die PLA Taiwan nehmen kann (extrem grosses WENN), dann bricht Japan's Konzept von containment gegenueber der PLA und speziell PLAN/PLAAF komplett zusammen. Das wird einem auch immer wieder bestaetigt, wenn man sich mal mit relevanten Offiziellen unterhaelt. Es ist vollkommen egal, ob im Sueden oder Norden dann noch Elemente sperren, der Zugang zum Pazifik ist offen, und die Flanken Japans und der Philippinen verwundbar.

Das ist prinzipiell auch der Grund, warum man in Japan keine Illusionen darueber hat, dass eine Taiwan-Invasion sehr schnell zu einem Kriegseintritt Japans fuehren kann, aufgrund der Dynamik auf beiden Seiten (PLA/JSDF).
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Programmhinweis: Die Analyse der chinesischen Militärparada von Torsten Heinrich ist jetzt allgemein verfügbar:

Fast 50 NEUE Waffen: Chinas Militärparade ANALYSIERT!
https://www.youtube.com/watch?v=8MbAdbEXdOU

Unterstreicht das bereits Geschriebene, selbst wenn man den gewollten propagandistischen Effekt der Veranstaltung ausblendet ist die Geschindigkeit und die Breite ihrer Rüstung ist absolut wahnsinnig. Systeme über die im Westen nachgedacht und ein wenig rumentwickelt wird stehen bei den Chinesen in Rekordtempo und in relevanten Stückzahlen auf dem Hof.
Das ist erst der Anfang, es wird mit der nächsten Entwicklungsgeneration nur schmerzhafter werden, wenn sie uns nicht einholen sondern überholen wollen und werden.
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@Nightwatch
Zitat:War es nicht auch mit ein wesentlicher Grund für den Eintritt des Britischen Empires in den ersten Weltkrieg, dass man im Wettrüsten mit den Kaiserreich zwar noch vorne lang, es sich längerfristig aber nicht mehr hätte leisten können?
Naja, nicht ganz. Zu Lande war Westminster die Rüstungsbestrebung des Kaiserreiches gar nicht so unrecht, so lange es sich gen Osten richtete. Zur See hingegen war der Vorsprung faktisch für die Deutschen nicht einholbar, auch wenn sie qualitativ durchaus hochwertige, teils sogar überlegene Systeme hatten. Zumal man auf der Insel auch genau wusste, dass der Reichstag wegen der exorbitanten Flottenausgaben immer renitenter wurde und weitere Novellen im Tirpitz'schen Sinne nicht durchgegangen wären.

Um wieder die Kurve zu China zu kriegen: Die zentrale Frage ist aber weiterhin, was genau die Chinesen wollen? Wozu betreiben sie die Rüstungsanstrengungen? Du schreibst, sie blickten vorzugsweise auf die island chains, das hieße aber dann, dass wir uns über irgendwelche größenwahnsinnigen Eroberungsabsichten bis Guam oder Ceylon keine Sorgen machen müssten. Wozu dann aber diese enorme Aufrüstung? Nur um Uncle Sam von den island chains fernzuhalten? Um den Sturm auf Taiwan abzusichern? Vielleicht. Vielleicht auch nicht, denn das Antäuschen, sich wahlweise schwächer oder stärker zeigen, ist eine der große Spielideen Sun Tzus und in der PLA übrigens auch heute noch ein Kernelement.

Schneemann
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(Gestern, 14:12)Schneemann schrieb: @Nightwatch
Naja, nicht ganz. Zu Lande war Westminster die Rüstungsbestrebung des Kaiserreiches gar nicht so unrecht, so lange es sich gen Osten richtete. Zur See hingegen war der Vorsprung faktisch für die Deutschen nicht einholbar, auch wenn sie qualitativ durchaus hochwertige, teils sogar überlegene Systeme hatten. Zumal man auf der Insel auch genau wusste, dass der Reichstag wegen der exorbitanten Flottenausgaben immer renitenter wurde und weitere Novellen im Tirpitz'schen Sinne nicht durchgegangen wären.

Um wieder die Kurve zu China zu kriegen: Die zentrale Frage ist aber weiterhin, was genau die Chinesen wollen? Wozu betreiben sie die Rüstungsanstrengungen? Du schreibst, sie blickten vorzugsweise auf die island chains, das hieße aber dann, dass wir uns über irgendwelche größenwahnsinnigen Eroberungsabsichten bis Guam oder Ceylon keine Sorgen machen müssten. Wozu dann aber diese enorme Aufrüstung? Nur um Uncle Sam von den island chains fernzuhalten? Um den Sturm auf Taiwan abzusichern? Vielleicht. Vielleicht auch nicht, denn das Antäuschen, sich wahlweise schwächer oder stärker zeigen, ist eine der große Spielideen Sun Tzus und in der PLA übrigens auch heute noch ein Kernelement.

Schneemann
@Schneemann
warum kommt immer nur Taiwan ins Gespraech?Ich wuerde da mal nach Nordosten schauen,China will die alten Grenzen wieder herstellen.Da denke Ich an den von Russland anektierten Teil der Manschurei,vielleicht unterstuetzt China deshalb Russland im Ukrainekrieg um Russland nachhaltig zu schwaechen,ist halt nur meine Ueberlegung.
petermeier55
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