Luftmobilität
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(23.12.2020, 17:13)Quintus Fabius schrieb: Da hätte ich selbst dran denken können, zumal mir diese Art der Aufnahme von Lasten insbesondere aus dem Vietnamkrieg eigentlich im Detail bekannt ist. Und man hat in Vietnam wie auch schon davor (erste Versuche dazu gab es bereits im WK2) durchaus auch Lebendtransporte so durchgeführt

Ich kannte primär die Versuche der Briten dazu vor/im Zweiten Weltkrieg, und die haben sich für Lebenstransporte als (euphemistisch gesprochen) nicht ideal herausgestellt, weshalb man dazu überging, entsprechende Rückholaktionen mit Kurzstartflugzeugen (primär Westland Lysander) durchzuführen. Je mehr ich über das Fulton-System lese, desto eher dämmert mir da was, aber wirklich präsent ist mir das dann doch nicht. Insofern hat sich der kleine Exkurs ja gelohnt Smile

Zitat:Ich kann dir hier also beschließend durchaus zustimmen, dass schwere Transporthubschrauber sinnvoll sein können, aber: meiner Überzeugung nach müsste man dann eben auch sehr intensiv darüber nachdenken für was man sie alles verwenden kann und dies nicht zu sehr auf Logistik und CSAR / San reduzieren. Die Fragestellung sollte sein, was schwere Hubschrauber (und ich streiche mal bewusst das Wort: Transport im weiteren raus) über diese Themenfelder hinaus für die Kampfkraft leisten können. Wie man sie also offensiver, aggressiver, als Plattform für Waffen etc verwenden kann. Weniger Logistik, mehr Raid - wäre beispielsweise meiner Ansicht nach ein starkes Argument für schwere Hubschrauber.

Da bin ich durchaus bei dir, aber wie erwähnt der falsche Ansprechpartner. Das gleiche gilt auch für die Frage nach einer Lösung für mehr Konstanz und einer klareren Linie hinsichtlich der Ausrichtung der Bundeswehr, losgelöst von dem ewigen Wechselspiel der Prioritäten. Bei der Betrachtung der Situation sind wir uns einig, bei der Lösung des Problems aber ebenso gemeinsam ratlos. Im übrigens sehe ich das mit Blick auf die Goldrandlösungen ähnlich und halte deshalb auch die immer wieder propagierten Käufe "von der Stange" mit dem Ziel, damit etwas gleichermaßen günstiges, dauerhaftes und funktionierendes zu erhalten, als singuläres Argument für sinnlos. Näheres dazu habe ich ja auch schon im Tiger-Thema geschrieben.

Zitat:D'ac·cord. Exakt was ich ja auch schon geschrieben hatte. Verbleibt die Frage der Kosten. Zitat: Weit mehr als 5,6 Milliarden Euro Zitat Ende - sind eine immense Menge Geld. Zweifelsohne sind schwere Hubschrauber ein hervorragendes Universalwerkzeug, aber kann sich diese Bundeswehr wie sie zur Zeit aufgestellt ist dieses Unverisalwerkzeug leisten? Das ist die Frage die ich seit etlichen Einträgen ja primär stelle. Und damit meine ich nicht die rein theoretische Finanzierbarkeit im Rahmen des Wehretats, sondern dass zur Zeit in dieser Bundeswehr wie sie ist so extreme Lücken in absoluten Grundfähigkeiten klaffen, dass man meiner Meinung nach eben zwingend zuerst diese angehen müsste bevor man sich schwere Hubschrauber heran wagt.

Stimmst du mir nicht zu, dass die Bundeswehr so wie sie heute dasteht sich in den wesentlichsten Kernfähigkeiten in einem katastrophalen Zustand befindet ?

Natürlich stimme ich dir zu, allerdings ist die relevante Frage, woran es genau liegt? Meines Erachtens geben wir nicht zuviel Geld für "unsinnige" Technik aus (unsinnig im Sinne von "wäre schön wenn, aber es gibt wichtigeres"), sondern zu viel Geld für die Verwaltung, Strukturen, und so weiter. Deshalb ist mir deine Argumentation hin zu mehr Kampfkraft und mehr kämpfendem Personal absolut schlüssig, weil auch ich hier das größte Defizit sehe. Wenn man sich die Etatentwicklung anschaut, und die realistischen Beschaffungs- und Betriebskosten der verschiedenen Systeme, dann bin ich durchaus der Meinung, dass wir sie uns leisten könnten - wenn die Strukturen tatsächlich sehr deutlich reformiert würden.
Jetzt kommt aber der andere Aspekt: denn genau da sind wir wieder an dem Problem, um das es mir hinsichtlich der Einordnung dieses Themas ging. Wenn wir jetzt nicht von einer Idealreform ausgehen, sondern die Frage hier und jetzt in der Realität stellen, müsste die Gegenfrage lauten: wenn wir sie nicht beschaffen, verändert und verbessert sich dadurch etwas in die von dir angedachte und von mir unterstützte Richtung? Ernüchternd muss ich da feststellen, dass das nicht der Fall ist. Insofern ist mir die Beschaffung dann selbst in den jetzigen Strukturen sympathischer, weil sie vermutlich sogar eher noch verhindert, dass das Geld für noch unsinnigere Dinge ausgegeben wird.

Zitat:Eine solche doppelte Transportkapazität ist ja nicht verloren und steht leer im Raum rum. Sie kann für alles mögliche andere verwendet werden. Sei es um damit eine Jäger-Einheit irgendwohin zu verlegen, sei es für logistische Aufgaben, sei es für die Vorverlegung eines Feldflugplatzes für die Kampfhubschrauber und dessen Versorgung, seit es für die Evakuierung, Zivilschutzaufgaben, für den Transport von Minen, für das Abwerfen von Bomben, für den Transport von Drohnen und den Einsatz von Drohnen aus der Luft und insbesondere auch zur Kompensierung von Verlusten. Den ein zu eng gestrickter Ansatz in der Anzahl der Helis führt schnell dazu, dass die Verluste den Verband seiner bewegungsfähigkeit berauben. In Vietnam hat sich das klar gezeigt, dass man immer mehr Helis benötigt als vorher gedacht.

Es geht mir ja nicht darum, die Stückzahl insgesamt zu reduzieren, sondern nur um die Zuordnung zu den jeweiligen Einheiten. Für mich stellt der reguläre Einsatz unter den hauptsächlichen Einsatzbedingungen zur Landes- und Bündnisverteidigung der Maßstab für die Bestückung mit entsprechenden Hubschraubern dar. Wie geschrieben halte ich die von mir genannten Stückzahlen für völlig ausreichend.
Weitere Hubschrauber werden deshalb in einer eigenen Brigade bereit gehalten, die dazu dient:
- eine Umlaufreserve bereit zu halten für größere Wartungs- und Modifikationsarbeiten
- Verluste schnell auszugleichen
- Mehrbedarf zu bedienen
- sonstige Aufgaben zu übernehmen

Durch die Konzentration dieser Mittel für alle Luftsturm-Brigaden reduziert sich das Risiko einseitiger Belastungen oder durch andere Aufgaben gebundener Mittel, zudem kann die Gesamtstückzahl reduziert werden. Diese Struktur lässt sich auch auf andere Einheiten ausweiten, sofern diese mit entsprechendem Standardgerät ausgerüstet ist. In eine ähnliche Organisation würden die schweren Transporthubschrauber fallen, ohne natürlich die Notwendigkeit einer Umlaufreserve oder dem schnellen Ausgleich von Verlusten.

Für die schweren Transporthubschrauber halte ich die Konzentration in einer eigenen Einheit und damit die flexible Zuordnung je nach Bedarf für die bessere Variante, gerade weil man damit ohne eine übermäßige Stückzahlerhöhung eine größere Zahl an Luftsturm-Brigaden unterstützen kann. Eine tiefere Integration ergibt für mich umgekehrt nur dann Sinn, wenn diese zum Hauptmittel dieser Luftsturm-Brigaden werden würden. Das würde aber wiederum mit einer deutlichen Reduktion der mittleren Transporthubschrauber einhergehen, weil diese dadurch in der von mir angedachten primären Transportaufgabe obsolet werden würden. Denn ihre Kampffähigkeiten lassen sich mit geringerem Aufwand auch durch eine Mischung der sonstigen Mittel herstellen.

Aus diesem Grund habe ich auch ein Verständnisproblem mit diesem Punkt:

Zitat:Die Luftsturm-Grenadiere sind zudem eine Einheit, welche sozusagen den Hubschraubern zuarbeitet. Die Hubschrauber dienen nicht dazu diese Infanterie einzusetzen, sondern diese Infanterie verstärkt die Kampfkraft der Hubschrauber, vor allem im Bereich Panzerabwehr, Drohnenabwehr, Flugabwehr, Aufklärung. Primäres Ziel dieser Infanterie sind im Gegensatz zu Jägern etc eben nicht andere Infanteristen, wobei der Gesamtverbund aufgrund seiner Kampfkraft sich auch problemlos gegenüber Infanterie durchsetzen würde.

Ich kann schlicht nicht erkennen, wie die Infanterie abgesehen von der Aufklärung eine wirkliche Steigerung der Kampfkraft der Hubschrauber herbeiführen sollte? Für mich liegen die Stärken einer solchen Einheit darin, die individuelle Kampfkraft von Infanterie und Hubschraubern durch die Zusammenarbeit zu multiplizieren. Dabei kommt den Transporthubschraubern aber primär die Aufgabe des Transports und maximal einer leichten Feuerunterstützung während des Absetz- und Aufnahmevorgangs zu, während die Hauptkämpfe von der Infanterie und den Kampfhubschraubern getragen wird. Deswegen auch meine klare Trennung von transportierenden und kämpfenden Einheiten. Innerhalb dieser Struktur wären dann mittlere und schwere Transporthubschrauber tendenziell austauschbar, je nach den unterschiedlichen Anforderungen (wobei ich das Potenzial der schweren Transporthubschrauber im Bereich der Nahunterstützung für größer halte).

Zitat:Klingt auch sehr gut und wäre vermutlich sogar noch eher machbar als meine Struktur. Warum aber die Kampfhubschrauber und schweren Hubschrauber von der Struktur her davon trennen? Geht es dir dabei um mehr Flexibilität bei einer Verwendung als selbstständige Einheiten ? Also um eine modularere Lösung welche es leichter erlaubt diese Einheiten auch anderen Verbänden zuzuordnen ? Meiner Meinung nach spricht viel dafür alle solchen Drehflügler dem Heer zu unterstellen (also explizit nicht der Luftwaffe wie aktuell) und sie alle in eigenen Großkampfverbänden organisch zusammen zu schließen. Warum siehst du eine Trennung als besser an?

Auf der einen Seite ist es die Flexibilität, auf der anderen Seite sehe ich die Stärken der Kampfhubschrauber auch nicht in der unmittelbaren Zusammenarbeit mit den Luftsturm-Einheiten, vielmehr wäre dies für mich nur eine weitere Aufgabe neben den Primäraufgaben des mobilen Multifunktionswerkzeugs und der bewaffneten Aufklärung. Bei den Amerikanern auch noch Penetrationseinsätze gegen gehärtete Ziele. Für die schweren Transporthubschrauber gilt, dass ich diese tendenziell eher als Haupttransportmittel ansehen würde, schlicht weil sich dadurch die tatsächlich ins Feld zu führende Zahl der Hubschrauber deutlich reduzieren ließe. Statt mit 50 NH90 würde das Transportbataillon dann mit 14 CH-53K und 4 NH90 für Verbindungsaufgaben ausgestattet, der NH90 käme sonst nur noch in der Aufklärungsrolle zum Einsatz:
14 CH-53K
12 NH90
44 H145M
32 VTOL-UCAV

Auf dieser Basis gäbe es dann sowohl für den NH90 wie auch für den CH-53K eine entsprechende Zahl in der separaten Brigade mit den gleichen Aufgaben wie zuvor beschrieben.

Mir erscheint eine solche Struktur aufgrund der geringeren Zahl an Luftfahrzeugen (und entsprechenden Besatzungen) für Transportaufgaben sinnvoller, weil sie die Abläufe bis hin zur Missionsplanung deutlich vereinfacht. Bei vier Luftsturm-Brigaden plus zwei separate Hubschrauberbrigaden für die Transporthubschrauber, die entsprechend der oben beschriebenen Aufgaben zur Verfügung stehen, erscheinen mir die Zahlen nicht grundsätzlich übertrieben:

84 CH-53K
72 NH90
176 H145M
128 VTOL-UCAV
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