Leichte Infanterie
Nelson:

Zitat: ausgezeichnet sind die Südkoreaner, die für jeden deutschen Sicherheitspolitiker ein ständiger Dorn im Auge sein müssten: Sie beweisen, dass man auch mit niedrigerem Budget eine Armee aufstellen kann, die in so ziemlich allen Bereichen nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ deutlich besser aufgestellt ist als die Bundeswehr.

Angesichts seiner Lage und seines unmittelbaren Nachbarn kann sich Südkorea eben keine Inkompetenz erlauben. Die militärische Leistung resultiert in Südkorea aber nicht zuletzt auch aus der konfuzianischen Sozialkultur, der dort tatsächlich noch uneingeschränkten Kultur der allgemeinen Wehrpflicht und der de facto korporativen Rüstungsindustrie, welche den gleichen Wirkmechanismen unterliegt wie einem autoritären Korporatismus ohne dass es dafür zwingende gesetzliche Grundlagen gäbe, einfach aufgrund ungeschriebener Gesetze der Sozialkultur dort.

Aber auch Japan zeigt beispielsweise bei vergleichbaren Grundlagen (Wehretat, Berufsarmee, vergleichbare Lohn- und Technologiekosten etc) dass man bei gleichem Aufwand wesentlich mehr militärische Leistung erzielen kann. Und das obwohl Japan sehr viel in die Marine investiert und Kriegsschiffe kosten nun einmal immens viel. Entsprechend müsste Deutschland bei schwacher Marine eigentlich in der Luft wie an Land deutlich stärker sein.

Zitat:Ich habe absolut nichts gegen das Schweizer Miliz-System, allerdings wirken die Israelis auf mich "kompletter".

Insgesamt kann ich dir zustimmen, zumal Israel auch noch Atommacht ist usw usf, aber spezifisch in Bezug auf Infanterie und im Besonderen noch in Bezug auf leichte Infanterie kann ich dir versichern, dass Schweizer Infanterie deutlich leistungsfähiger und kompetenter ist als israelische Infanterie jedweder Art. Was ich von Schweizern allein schon an Schießleistungen mit eigenen Augen gesehen habe geht schon ins Abstruse. Von der körperlichen Leistungsfähigkeit mancher Schweizer Gebirgs Einheiten noch ganz zu schweigen.

Zitat:Ich bin ein großer Freund der "spezialisierten" Truppe, jedenfalls wenn es um Gebirgsjäger, Fallschirmjäger und Marineinfanterie geht.

An dieser Stelle möchte ich den Wert von Luftlandetruppen für die zukünftige Kriegsführung allgemein in Frage stellen. Ob wir tatsächlich noch Fallschirmjäger benötigen bzw. ernsthaft einsetzen können ist höchst zweifelhaft. Ebenso ist die Frage, ob wir nicht bewusst auf Marineinfanterie verzichten sollten um diese Fähigkeit durch andere europäische Verbündete stellen zu lassen. Verbleiben die Gebirgsjäger, welche aber von einer echten Jäger-Truppe im Prinzip nicht weit weg sind. Im Zweiten Weltkrieg bereits konnte im realen Kampfeinsatz de facto kein Unterschied zwischen Gebirgsjägern und Jägern festgestellt werden, außer in besonders außergewöhnlichen Hochgebirgs-Situationen. Um normale Jäger-Verbände auch in diesen Situationen einsetzen zu können stellte man die sogenannten Hochgebirgs-Bataillone auf.

Allgemein aber (konzeptionell) sind wir da ungeachtet meiner Ausführungen durchaus einer Meinung: dass Spezialisierung sinnvoll bzw. gar zwingend notwendig ist, dass sie aber nur dann Sinn macht, wenn man größere Mengen der jeweils spezialisierten Infanterie hat. Und im Prinzip will ich ja auf eine spezialisierte Infanterie hinaus, welche sich extrem von den Panzergrenadieren unterscheidet, während man heute de facto alle Infanterie mehr oder weniger zu de facto Panzergrenadieren rüstet.

Zitat:Angesichts der teilweise absurd niedrigen Beschaffungszahlen westlicher Armeen (die Franzosen forderten schon für die Bombardierung Lybiens deutsche Vorräte an) dürfte die "Granatenkriese" des 1. Weltkriegs geradezu harmlos wirken. Das Problem dabei: Wir müssten die einmal beschaffte Munition natürlich so lagern, dass nicht die zweite russische Marschflugkörpersalve den halben Bestand in die Luft jagt.

Und aus genau diesem Grund wäre eine zahlenmässig starke leichte Infanterie so wertvoll, da sie viel weniger als jede andere Truppengattung auf die Munitionsvorräte angewiesen ist und man ihre Munitionsvorräte viel leichter als die jeder anderen Truppengattung so lagern und dislozieren kann, dass sie einem Pearl Harbour Szenario am wenigsten zum Opfer fällt. Und gerade deshalb auch Kugelwaffen / Sturmgewehre für die leichte Infanterie und dies nicht unbedingt in einem exotischen neuartigen Kaliber sondern eher in einem gängigen Jagd- und Sportschützenkaliber und/oder in einem Kaliber des Feindes.

Zitat:Das Problem ist aber schon der Anmarsch ins Kampfgebiet.

Zu welchem Zeitpunkt wir welche Truppen wohin in Osteuropa bewegen wird für die Frage wie ein Krieg dort ausgehen wird von alles entscheidender Bedeutung sein. Eventuell wird es noch möglich sein Truppen ohne Beeinträchtigung dorthin transportieren zu können, eventuell nicht. Das ist auf der strategischen Ebene im Prinzip die Schlüsselfrage. Wenn wir erst anfangen uns zu bewegen wenn der Krieg bereits ausgebrochen ist, dann wird dieser verloren sein bevor er ausgefochten wird. Deshalb erachte ich den Anmarsch in das Kampfgebiet primär als strategisches Problem, nicht einmal als operatives.

Zitat:Bei der Gewässerüberquerungen wäre ich sehr vorsichtig, denn a) sind die Fließgeschwindigkeiten vieler "kanalisierter" Flüsse wesentlich höher als früher und b) wird so eine Operation immer von der Jahreszeit und dem Wetter abhängen.

Die Russen legen ja genau deshalb einen so hohen Wert auf die Schwimmfähigkeit möglichst vieler ihrer Fahrzeuge und Südkorea hat vorgemacht, dass man selbst schwerere und besser gepanzerte Schützenpanzer (K-21) schwimmfähig machen kann. Dessen ungeachtet kann eine Infanterie ohne Fahrzeuge jeder Art Gewässer eigentlich immer leichter überqueren als eine Truppe die auf Panzerfahrzeuge abgestützt ist. Das Problem ist hier viel eher, dass Flüsse perfekte Linien für die Überwachung darstellen und man dort viel eher von feindlicher Sensorik ausgemacht wird, zudem die ganze Querung Zeit kostet und damit einen höchst angreifbar für feindliche Abstandswaffen macht.

Flüsse sind als offene Linien ohne Deckung primär aus Gründen der Eigensicherung ein Problem - und weniger als Geländehindernis.

Zitat:Dreißig Kilometer pro Tag bekommst du mit einer größeren Einheit dauerhaft nur auf guten Straßen hin, wenn deine Leute aus vorbereiteten Depots versorgt werden oder es eine ausreichend dichte zivile Besiedlung gibt, bei der Lebensmittel requiriert werden können.

Ich versichere dir, dass diese Strecke absolut jeden Tag und querfeldein zurück gelegt werden kann, abseits von Straßen und ohne vorbereitete Depots (Versorgung bei der Zivilbevölkerung jedoch vorausgesetzt, insbesondere in Bezug auf Lebensmittel). Wenn man so etwas über Jahre aufbaut und geeignete und sinnvolle Ausrüstung hat, dann kann da wirklich jeder erstaunliche Leistungen vollbringen, noch über die 30 km hinaus. Ich beschäftige mich seit Jahren beispielsweise mit dem sogenannten Ultraleicht-Trekking, da ich nach meiner aktiven Zeit Probleme mit den Knien bekommen habe und seitdem habe ich nicht nur keine Knie-Probleme mehr, ich laufe länger, weiter und schneller als ich es mir je hätte vorstellen können. Auf keinen Fall soll das folgende jetzt bitte so verstanden werden, das sich mich da irgendwie produzieren will, aber auf Straßen mit guter Versorgung marschiere ich dir mit 15 kg Gesamtgewichtsbelastung aus dem Stand ohne Vorbereitung am Tag jederzeit 60 km und bin danach immer noch voll einsatzfähig. Und dass heißt jetzt nicht dass ich irgendwie besonders fit wäre, dass kann wirklich jedem antrainiert werden. 60 km pro Tag kann man über mehrere Tage hinweg durchhalten, ohne Probleme. Das ist primär eine Frage des Trainings und ob man die daraus resultierende Konstitution aufrecht erhält. Und es hängt natürlich sehr sehr stark von der Frage der Ausrüstung ab. Wenn ich mit dem ganzen über-schweren Ballast den heutige Infanterie mit sich schleppt und in schlechten klobigen schweren unpassenden Stiefeln marschiere, dann geht das nicht bzw. nicht über mehrere Tage hintereinander. Beispielsweise stelle ich hier mal die These auf, dass absolut jeder gesunde junge Mensch sogar in vergleichsweise kurzer Zeit dazu trainiert werden kann in unter 24 Stunden 100 km weit zu marschieren. In der Schweiz muss dass übrigens jeder junge Offizier tatsächlich leisten, mit Waffe und vollem Gepäck.

Und früher ist Infanterie auch wesentlich mehr und länger marschiert als jedweder heutige Infanterieverband. Hier mal ein paar Zahlen aus dem Zweiten Weltkrieg vom Balkan (Gebirgig, schlechte Infrastruktur)

11.04.1941 Marschleistung 28km, 12.04.1941 Marschleistung 35km, 13.04.1941 Marschleistung 25km
14.04.1941 Marschleistung 38km, 15.04.1941 Marschleistung 36km, 17.04.1941 Marschleistung 33km
18.04.1941 Marschleistung 38 km, 19.04.1941 Marschleistung 28km, 20.04.1941 Marschleistung 14km
21.04.1941 Marschleistung 28km, 22.04.1941 Marschleistung 38km, 23.04.1941 Marschleistung 45km-
24.04.1941 Rasttag in Farsalos, 25.04.1941 Marschleistung 43km, 29.04.1941 Marschleistung 36km
30.04.1941 Marschleistung 33km

Im übrigen fanden an einigen der genannten Tage auch noch Kampfhandlungen statt.

Alternativ hier die Marschleistungen des Gebirgsjägerbataillons 94 im Juli/ August 1942 aus der Miiusstellung in den Kaukasus, 784km in 35 Tagen (davon mehrere Tage mit Kampfhandlungen) macht einen Schnitt von 27 km pro Tag. Die höchste Marschleistung waren 44km, die niedrigste 11km, das ganze größtenteils in wasserloser Steppe bei 40 Grad Celsius im Schatten. (A. Buchner: Vom Eismeer bis zum Kaukasus)

Im übrigen habe ich diese beiden Beispiele gewählt, weil sie eben nicht entlang von Straßen verliefen. Bei guter Versorgung, kühlem Wetter und entlang von Straßen hat ganz gewöhnliche deutsche Infanterie im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg reihenweise durchaus noch sehr viel höhere Marschleistungen vollbracht. Da marschierten dann ganze Verbände Einzelfallweise an einem einzigen Tag mehr als 70 km und üblicherweise wurden immer mehr als 30 km gerissen.

Und das übrigens bei ungefähr 25 kg Gewichtsbelastung pro Mann. Deshalb übrigens mein Beharren auf 15 kg für alles - dann sind noch 10 kg frei für eine Zusatzausrüstung / Zusatzwaffe - beispielsweise einen Raketenwerfer (10 kg), denn es gilt heute wie seit jeher, dass 25 kg das absolute Maximum dessen sind was ein Mensch länger über längere Zeiträume zur Fuß bewegen kann. Dazu sollte aber der Körper nicht mit Schutzwesten und anderen Nicht-Atmungsaktiven Hüllen behindert werden, weil dadurch die Dehydrierung, Mineralstoffmangel, Überhitzung und Überanstrengung einfach zu sehr befördert werden. Mit der aktuellen Schutzausrüstung ist natürlich eine solche Marschleistung völlig ausgeschlossen, selbst bei kühlem Wetter. Dafür verliert man einfach bereits zu viel Wasser und Mineralien weil man derart eingepackt ist (wortwörtlich). Die Bekleidung wie das Schuhwerk müssen leicht und luftig sein.

Erfahrungsbericht der Feld-Ersatz-Division C

in 7 Tagen 230km mit An- u.Abmärschen zu u. von den Ortsbiwaks
in 9 Tagen 260km mit An- u.Abmärschen zu u. von den Ortsbiwaks
in 10 Tagen 290km mit An- u.Abmärschen zu u. von den Ortsbiwaks
in 11 Tagen 320km mit An- u.Abmärschen zu u. von den Ortsbiwaks
in 12 Tagen 350km mit An- u.Abmärschen zu u. von den Ortsbiwaks
in 17 Tagen 475km mit An- u.Abmärschen zu u. von den Ortsbiwaks
in 21 Tagen 580km mit An- u.Abmärschen zu u. von den Ortsbiwaks
in 35 Tagen 850km mit An- u.Abmärschen zu u. von den Ortsbiwaks
anschließend bei Brijansk 15 Tage Ruhe,
in 45 Tagen 1050km mit An- u.Abmärschen zu u. von den Ortsbiwaks
in 50 Tagen 1140km mit An- u.Abmärschen zu u. von den Ortsbiwaks
in 53 Tagen 1220km mit An- u.Abmärschen zu u. von den Ortsbiwaks

Im Zweiten Weltkrieg galten 30 km am Tag für ganze Infanterie-Divisionen übrigens noch als mittlere Marschleistung. Es hat schon seinen Grund warum ich genau diese Zahl und Strecke nannte. Dies allerdings ohne Feindberührung. Bei Gefechtshandlungen und gegenüber feindlichem Widerstand galten um die 10 km als normale mittlere Marschleistung.

Wenn echte leichte Infanterie in Kämpfe verwickelt ist, kann sie aber so oder so nicht marschieren. Allenfalls sickern und infiltrieren. Das wäre natürlich dann sehr viel langsamer.

Zitat:Zur Beweglichkeit in requirierten Fahrzeugen gebe ich die nicht eben üppige Treibstofflage zu bedenken. Nach einer Kriegswoche dürften die meisten Raffinerien entweder zerstört sein oder für rein staatliche Zwecke produzieren, weshalb die Wahrscheinlichkeit, noch Zivilfahrzeuge mit einem vollen Tank anzutreffen, wohl tatsächlich am ehesten bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen gegeben ist. Damit reduziert sich der mögliche Fuhrpark dann doch schon sehr erheblich.

Das gilt aber ja genau so für alle anderen Einheiten. Und dann möchte ich im Gegenzug zu bedenken geben, dass eine Infanterie welche ohnehin konzeptionell darauf hin ausgerichtet und hochspezialisiert ist ohne Fahrzeuge zu agieren hier noch viel besser verlegbar ist als jede andere Einheit die auf Fahrzeuge angewiesen ist und dann auch keinen Sprit mehr hat. Sobald der Sprit aus geht entlastet leichte Infanterie weil sie keine Fahrzeuge hat die mechanisierten Einheiten und kann der Sprit bei Kampfpanzern etc konzentriert werden. Gerade weil Treibstoff im nächsten konventionellen Krieg ein Problem werden wird ist die Vollmechanisierung / Vollmotorisierung der Landstreitkräfte ein Fehler.
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