Irak
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Zitat:Die schwierige Irak-Mission der Japaner
Tokio will sich militärisch normalisieren - trotz der starken pazifistischen Kräfte im Land

Angela Köhler
Die Bilder gingen um die Welt: Im Parlament in Tokio kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, als die Regierung ein kontroverses Gesetz zur Entsendung von Truppen in den Irak durchpeitschte. Japans Opposition leistete ebenso verzweifelt wie vergeblich Widerstand und kritisierte die "sklavische Unterstützung der USA".

Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg soll jetzt ein größeres Militär-Kontingent im Ausland zum Einsatz kommen. Eine solche Mission war in Japan jahrzehntelang unmöglich, beinahe undenkbar. Im August soll nun ein Vortrupp die Lage in Irak sondieren. Premierminister Junichiro Koizumi sicherte zu, man werde den Zeitpunkt der Entsendung wie die Einsatzorte genau auf die Sicherheit und potenzielle Risiken prüfen. Kein Japaner soll sich in Gefahr begeben müssen.

Damit hält sich der Regierungschef noch völlig offen, wann wie viele Soldaten wo stationiert werden - und ob letztlich überhaupt. In Tokio gehen deshalb viele Beobachter davon aus, dass vor den möglichen Neuwahlen am Jahresende kein Soldat nach Irak geschickt wird. Selbst Militärbefürworter im konservativen Regierungslager rechnen mit empfindlichen Niederlagen, sollten Japaner in diesem Krisengebiet angegriffen oder gar getötet werden. In einer Umfrage sprachen sich mehr als 50 Prozent der befragten Japaner gegen die Entsendung der Soldaten aus.

Bei einem Irak-Einsatz würden auch erstmals Mitglieder der Selbstverteidigungskräfte, wie Japans Armee offiziell heißt, in ein Land geschickt, in dem noch geschossen wird. "Unter diesen Umständen könnten die Truppen in Gefechte verwickelt werden, in denen sie Waffen zur Selbstverteidigung oder bei Auseinandersetzungen an der Seite der Alliierten gebrauchen müssen", fürchtet die dem Außenamt nahe stehende Zeitung "Japan Times". Das widerspreche der Verfassung, die Krieg als Mittel zur Beilegung internationaler Konflikte untersage.

Trotz der "Friedens-Verfassung" und des starken Widerstands gegen den Irak-Einsatz wagen sich inzwischen jedoch die Advokaten einer stärkeren militärischen Präsenz Nippons im In- und auch im Ausland immer weiter aus der Deckung. Mehr als fünf Jahrzehnte, nachdem Japan durch die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zur Kapitulation im Zweiten Weltkrieg gezwungen wurde, sind selbst eigene Nuklearwaffen kein politisches Tabu mehr. Verteidigungsminister Shigeru Ishiba hat sich zudem bereits mehrfach für eine nationale Anti-Raketen-Abwehr ausgesprochen, die den amerikanischen Schutzschild über Japan eines Tages ersetzen könnte.

Konservative Parteikollegen weisen zunehmend darauf hin, dass die Verfassung, die jeden Einsatz in bewaffneten Konflikten verbietet, nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA diktiert wurde. Heute herrschten völlig neue internationale Bedingungen. Japan müsse endlich ein "normales Land" werden, das auch militärisch seine freien Entscheidungen treffen könne, verlangt Kazuo Tanigawa, Chef des Strategiekomitees der regierenden Liberal-Demokratischen Partei.

Politische Munition für diese Debatte liefert vor allem Nordkorea. Noch immer sitzt der Schock tief über eine Rakete aus Pjöngjang, die im August 1998 Japan überquerte. Auch wenn Pazifisten im Land argumentieren, Japans Regierung beute die nordkoreanische Bedrohung für eigene Aufrüstungspläne aus, herrscht bei fast allen Japanern Angst vor einem Überraschungsangriff. So gab es kaum Widerspruch, als Verteidigungsminister Ishiba vor dem Parlament verkündete, wenn Nordkorea seine Raketen, die Japan innerhalb von zehn Minuten erreichen können, in Bewegung setze, "dann ist es Zeit für einen Gegenangriff".
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