Japan
Der Mord an Abe vor vier Wochen hat im japanischen Politalltag für eine gewisse Unruhe gesorgt, vor allem da (allem Anschein nach) durch die Ermittlungsbehörden selbst Informationen zum Motiv des Täters an die Medien weitergegeben wurden. Hierbei fokussierte sich die Aufmerksamkeit auch auf einen Aspekt, der seitens der Politik gerne etwas im Hintergrund belassen wurde - nämlich der mögliche Einfluss neureligiöser Organisationen auf die Parteienlandschaft. Ehrlich gesagt war mir dies bislang auch nicht geläufig...
Zitat:JAPAN NACH MORD AN ABE

Die Partei und die Sekte

Japans Ministerpräsident forciert eine Trennung zwischen seiner Regierungspartei und der religiösen Sekte der Vereinigungskirche. Denn seine Umfragewerte sind auf einem bisherigen Tiefstand. [...]

Mehr als 80 Prozent der Befragten erklärten gerade in einer Umfrage des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders NHK, dass die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) ihre Verbindungen zur religiösen Sekte der Vereinigungskirche, die sich heute Familienföderation für Weltfrieden und Vereinigung nennt, nicht hinreichend offengelegt hätte. Das Misstrauen der Bevölkerung sitzt tief. In den vergangenen drei Wochen fiel die Zustimmung zum amtierenden Ministerpräsidenten Fumio Ki­shida von 59 auf 46 Prozent. Zu der Unzufriedenheit tragen auch steigende Covid-Infektionen in der siebten Welle und die hohe Inflation bei. Ein so schlechtes Umfrageergebnis hatte Kishida, der seit Oktober regiert, noch nie. [...]

Der Täter gibt nach den Informationen, die von den Ermittlungsbehörden durchgestochen wurden, als Grund für die Tat seine Wut auf die religiöse Sekte an. Seine Mutter soll schon vor vielen Jahren 100 Millionen Yen (etwa 720.000 Euro) an die Sekte gespendet und die Familie in den finanziellen Notstand geführt haben. Auf Abe geschossen haben will der Täter, weil er über das Internet von einer Verbindung des einflussreichen Politikers zu der Sekte erfahren hatte. [...]

Als sei ein Schleier weggezogen worden, löste diese Information in Japan einen unerwarteten Fokus der Massenmedien auf die Beziehungen der Vereinigungskirche zur Politik aus. [...] Nach manchen Recherchen haben Dutzende führende Politiker der LDP und auch von einigen anderen Parteien Beziehungen zu der Sekte. Wieder und wieder versicherte der Generalsekretär der Liberaldemokraten, Toshimitsu Motegi, dass es keine systematischen Beziehungen der Partei zu der Sekte gebe und künftig nicht geben werde. [...]

Kishida versuchte am Mittwoch mit einer vorgezogenen Kabinettsumbildung einen Befreiungsschlag. Der Ministerpräsident beansprucht, dass er nach bestem Wissen selber keine Beziehungen zu der Vereinigungskirche unterhalte. Von den Ministern im neuen Kabinett verlangte er, dass sie mögliche Beziehungen untersuchten, offenlegten und künftig Vorsicht im Umgang mit „sozial problematischen“ Organisationen übten. Das hätten alle neuen Minister zugesichert. Ob das reicht, um das Misstrauen einzudämmen, ist fraglich. Die Opposition kritisierte, dass die versprochene umfassende Aufklärung ausgeblieben sei. [...]

Der Präsident der japanischen Sektion der Familienföderation, Tomihiro Tanaka, kritisierte es am Mittwoch vor Journalisten als „unglücklich“, dass Kishida die Bande zu Politikern kappen wolle. Tanaka verwies darauf, dass die Mitglieder der Föderation als Bürger das in der Verfassung garantierte Recht hätten, sich an Wahlen aktiv zu beteiligen. Die Föderation unterstütze keine spezifische Partei, doch seien wegen ihrer antikommunistischen Haltung mehr Schnittmengen mit Politikern der LDP gegeben.
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausl...34935.html

Schneemann
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