29.04.2007, 23:06
Erich schrieb:dass die UN, die sich immer gegen die US-Intervention ausgesprochen haben, nun die USA bitten würden zu bleiben kann ich mir - bei aller Erkenntnis, dass Politiker ihre Meinungen wechseln wie die Windrichtung in der Natur wechselt - nicht so recht vorstellen.
Zugegeben - es wäre für die UN nicht gerade Zucker, aber in der Not frisst der Teufel bekanntlich Fliegen. Und außer den Amis dürfte sich da derzeit keiner um den Job reißen.
Erich schrieb:Die wahrscheinlichste Entwicklung ist, dass der Irak in drei mehr oder weniger selbstständige regionale Kantone oder Bundesstaaten zerbricht, wobei der schiitische Teil mit Sicherheit nicht iranisches Staatsgebiet wird - das würde für die Anlieger und die USA nicht hinnehmbar sein.
Stimm ich dir absolut zu, aber was den schiitischen Teil angeht - der muss gar nicht in iranische Hand fallen. Solang dort gemacht wird, was die Mullahs sagen, ist es egal welche Fahne da weht.
Erich schrieb:Der schiitische Teil des Irak könnte vielmehr zu einem "Puffergebiet" werden, das sich sowohl gegenüber dem schiiitschen Iran wie auch gegen die arabischen Nachbarn der Neutralität verschreibt.
Damit würde keiner der beiden mächtigen Nachbarn einen Vorwand haben, in dieser Südprovinz aktiv zu intervenieren. Eine tatsächlich neutrale Südprovinz, die weder Iran noch SA aktiv unterstützt, wäre wohl für beide Nachbarn hinnehmbar.
Wäre eine vernünftige Lösung. Und genau da hakt's meiner Meinung nach. Derzeit sind USA und Iran derart auf Konfrontationskurs, daß ein derartiger Konsens nur schwer vorstellbar ist. Ist aber sicherlich eine Möglichkeit für die Zukunft, sobald sich der Wind wieder dreht und man nach einer gangbaren Lösung für beide Parteien sucht. Ist bloß die Frage was bis dahin im und um den Irak herum passiert (Stichwort "Iran-Krieg").
Erich schrieb:Auch der Kurdenteil könnte eine solche "Pufferzone" bilden, müsste aber - um Interventionen der Nachbarn auszuschließen - selbst extrem darauf achten, dass vom kurdischen Irak keine Unterstützung für kurdische Sezessionskämpfer in der Türkei und im Iran ausgeht - hier sehe ich auch die US-Truppen am längsten stationiert, möglicherweise noch über Jahrzehnte hin, schon alleine um PKK und ähnliche Gruppierungen unter Kontrolle und damit die Türkei von einer Intervention ab zu halten.
Seh ich ebenso, insbesondere da die Amis sich wenigsten einen Teil des irakischen Öls sichern könnten.
Erich schrieb:Problematisch ist das letzte Drittel - und auf der "Verlierseite" werden sich die sunnitischen Araber sehen, die von dne Erölvorräten am wenigsten mit bekommen. Das sind diejenigen, die am aktivsten gegen die US-Truppen vorgehen und sich inzwischen auch gegen Al Quaida wenden. Diese sunnitisch-arabische Provinz müsste auf dem hohen Bildungsniveau des alten Irak aufbauen, um wirtschaftliche Prosperität abseits der Ölvorkommen zu erhalten - dazu braucht es Ruhe und Frieden.
Und diesen Frieden wird es erst geben, wenn das Land kriegsmüde ist bzw. die ethnischen Säuberung abgeschlossen sind und die Koalitionstruppen sich zurückgezogen haben. Der Haken dabei - die intellektuelle Mittelschicht flieht jetzt schon. Bis zum Frieden wird das Bildungsniveau rapide absinken.
Erich schrieb:Ein (Teil-)Abzug der US-Truppen in diesem Gebiet würde wohl zu noch mehr Chaos führen - wenn nicht andere das Machtvakuum ausfüllen. Und dazu sind nach meiner Überzeugung nur arabische Staaten in der Lage, die auch der säkular-laizistischen Einstellung der ehemaligen Baath-Partei nahe stehen, also keine religiösen Hilfstruppen mit klar erkennbarem fundamentalislamischen (wahabitischem) Hintergrund.
Wie gesagt: Syrien und Ägypten (die beide über rigide Geheimdienste verfügen) könnten diesen Job machen und sich dazu noch von den Saudis finanzieren lassen - sozusagen: saudisch finanzierte Hilfstruppen unter dem Mantel einer panarabischen Friedenstruppe ... das könnte die Lösung sein.
Kenne die aktuelle Linie der beiden oben genannten Staaten nicht sonderlich, kann mir aber nicht vorstellen, daß die ein großes Interesse daran haben, dort reinzugehen. Ägypten ist bisher mit seiner neutralen Linie immer sehr gut gefahren und Syrien hat aktuell noch den Iran im Nacken. Zumal sich die Frage stellen würde, ob die Sunniten eine solche Friedenstruppe anerkennen oder schlichtweg als Besatzer einstufen würden.