09.06.2006, 12:20
@Hunter
Sicher hast du Recht, dass von heute auf morgen keine sunnitisch-schiitische Allianz sich bilden wird. Angesichts der fragmentierten politischen Szene auf beiden Seiten der konfessionellen Trennlinie ist dies auch mehr als unwahrscheinlich und gar unmöglich. Trotzdem würde ich den Punkt weiter betonen wie Bastian auch, dass zumindest die unmittelbare gefahr eines Bürgerkrieges abnehmen könnte. Sarkawi war eine Triebfeder des sunnitisch-schiitischen Bürgerkrieges und es waren doch letztlich die auch von dir erwähnten Anschläge auf die Moschee in Samara, die wohl auf seine Kappe gingen, die das Fass zum überlaufen brachten.
Mit dieser Strategie hatte er letztlich wohl fast jeden gegen sich aufgebracht:
Seine Al-Quaida Freunde aus Afghanistan wegen der Spaltung der Moslems, die einheimischen Aufständischen wegen des von ihnen nicht gewollten Bürgerkrieges und die Schiiten, weil sie den Kampf mit voller Härte aufnahmen gegen die Sunniten. Da er weg ist, dürften die bestehenden Reste der Al-Quaida Gruppen im Irak einerseits unter starken Druck der lokalen Clanchefs kommen, andererseits dürften wohl Osama Bin Laden und Zawahiri ihre Chance gekommen sehen, die Al-Quaida Abteilung im Irak zumindest etwas wieder mehr auf Linie bzw. unter Kontrolle zu bringen (soweit man bei einer solch dezentralisierten Organisationstruktur von Kontrolle reden kann, hier ist aber eher gemeint, dass der Kurs nun gerade in Sachen Schiiten moderater gestaltet werden sollte). Beide Einflußfaktoren müssen nicht zum Erfolg und zu einer Neutralisierung der antischiitischen Strategie führen. Aber da auch die Amerikaner wohl den Druck verstärken werden, könnte Al-Quaida durchaus im Irak sich wieder in die Front der Aufständischen einreihen. Gelingt ihnen das nicht, werden sie wohl weiter Unterstützung und Bedeutung verlieren. Immerhin stand hinter diesen Entwicklungen auch das große Ego von Sarkawi. Nun da er tot ist, könnte sich die Lage schrittweise verbessern.
Und man sollte nicht vergessen, dass zeitweise auch schiitisch-sunnitische Allianzen bestanden. Al-Sadr und seine Mahdi-Milizen sollen ganz gute Kontakte zu einheimischen Clanchefs haben und hier könnte der Nucleus liegen für weitergehende Zusammenarbeit. Denn auch innerhalb der Schiiten bestehen erhebliche Rivalitäten. Daher ist die wahrscheinlichkeit für überkonfessionelle Bündnisse zumindest gestiegen.
Ruhiger wird das sicher demnach nicht. Zivlisten könnten mittelfristig vielleicht sicherer leben, aber da nun die Möglichkeit offen ist, eine stärkere und einheitlichere Front gegen die Amerikaner zu formen, wird der Irak kaum ruhiger werden. Aber ich glaube eher nicht, dass viele neue Al-Sarkawis nachkommen werden. Die Zeit für ausländische Dhihadisten, die sich nur profilieren wollen und Privatkriege führen wollen, dürfte wohl nun langsam vorbei sein.
Die Amerikaner rekrutieren primär sehr sehr junge Menschen aus den sozioökonomischen Randlagen, die oft ansonsten gesellschaftlich starker Exklusion ausgesetzt wären, was auf deutsch heißt, sie holen sich blutjunge Landeier aus dem Nichts oder arme perspektivlose Minderheiten aus den Ghettos um williges Menschenmaterial zu habnen. Wolf hatte da auf der letzten Seite eine nur zu treffende Polemik dazu verfaßt, auch und gerade über die Reife dieser Leute, die in der Armee sicher alles tun müssen, nur nicht selbstständig denken. Alles ist reguliert usw.
Dann sollte man mal bedenken, aus welchen Randlagen diese Leute geholt werden. In Großbritannien ist das alles um eine deutliche Nummer entschärfter. Und - mag man als Argument bezweifeln - auf allen Fernsehbildern waren die Altersunterschiede zwischen Briten (Europäern allgemein) und Amerikanern mehr als augenscheinlich. Des weiteren; es ist ein großer Unterschied, wenn du schon mal in einer feindlichen Umgebung deinen Dienst abgeleitet hast, andere Mentalitäten besser kennen gelernt hast, als wenn du aus deinem Stützpunkt ohne Vorbereitung dann plötzlich ins kalte Wasser geworfen wirst. Das sidn sehr elementare sozialpsychologische Fragen.
Zur Ausbildung hat Wolf sich schon geäußert...
Nordirland mag heute kaum mehr in den Schlagzeilen sein, aber Frieden gibt es dort nicht. Unruhen und kleinere Eskalationen sind da auch an der Tagesordnung. Und wie gesagt, psychologisch sind solche Konflikterfahrungen als prägende und horizonterweiternde Erfahrungen enorm wichtig. Da sehen die Amerikaner oft total alt aus, zumal sie meistens kaum die elementaren kulturellen und sozialen Hintergründe erkennen und verstehen können. Bei den Briten bzw. Europäern ist dieses Verständnis eher ausgeprägt und wer in Nordirland weiß, was konfessioneller Fanatismus bedeuten kann...
Sicher hast du Recht, dass von heute auf morgen keine sunnitisch-schiitische Allianz sich bilden wird. Angesichts der fragmentierten politischen Szene auf beiden Seiten der konfessionellen Trennlinie ist dies auch mehr als unwahrscheinlich und gar unmöglich. Trotzdem würde ich den Punkt weiter betonen wie Bastian auch, dass zumindest die unmittelbare gefahr eines Bürgerkrieges abnehmen könnte. Sarkawi war eine Triebfeder des sunnitisch-schiitischen Bürgerkrieges und es waren doch letztlich die auch von dir erwähnten Anschläge auf die Moschee in Samara, die wohl auf seine Kappe gingen, die das Fass zum überlaufen brachten.
Mit dieser Strategie hatte er letztlich wohl fast jeden gegen sich aufgebracht:
Seine Al-Quaida Freunde aus Afghanistan wegen der Spaltung der Moslems, die einheimischen Aufständischen wegen des von ihnen nicht gewollten Bürgerkrieges und die Schiiten, weil sie den Kampf mit voller Härte aufnahmen gegen die Sunniten. Da er weg ist, dürften die bestehenden Reste der Al-Quaida Gruppen im Irak einerseits unter starken Druck der lokalen Clanchefs kommen, andererseits dürften wohl Osama Bin Laden und Zawahiri ihre Chance gekommen sehen, die Al-Quaida Abteilung im Irak zumindest etwas wieder mehr auf Linie bzw. unter Kontrolle zu bringen (soweit man bei einer solch dezentralisierten Organisationstruktur von Kontrolle reden kann, hier ist aber eher gemeint, dass der Kurs nun gerade in Sachen Schiiten moderater gestaltet werden sollte). Beide Einflußfaktoren müssen nicht zum Erfolg und zu einer Neutralisierung der antischiitischen Strategie führen. Aber da auch die Amerikaner wohl den Druck verstärken werden, könnte Al-Quaida durchaus im Irak sich wieder in die Front der Aufständischen einreihen. Gelingt ihnen das nicht, werden sie wohl weiter Unterstützung und Bedeutung verlieren. Immerhin stand hinter diesen Entwicklungen auch das große Ego von Sarkawi. Nun da er tot ist, könnte sich die Lage schrittweise verbessern.
Und man sollte nicht vergessen, dass zeitweise auch schiitisch-sunnitische Allianzen bestanden. Al-Sadr und seine Mahdi-Milizen sollen ganz gute Kontakte zu einheimischen Clanchefs haben und hier könnte der Nucleus liegen für weitergehende Zusammenarbeit. Denn auch innerhalb der Schiiten bestehen erhebliche Rivalitäten. Daher ist die wahrscheinlichkeit für überkonfessionelle Bündnisse zumindest gestiegen.
Ruhiger wird das sicher demnach nicht. Zivlisten könnten mittelfristig vielleicht sicherer leben, aber da nun die Möglichkeit offen ist, eine stärkere und einheitlichere Front gegen die Amerikaner zu formen, wird der Irak kaum ruhiger werden. Aber ich glaube eher nicht, dass viele neue Al-Sarkawis nachkommen werden. Die Zeit für ausländische Dhihadisten, die sich nur profilieren wollen und Privatkriege führen wollen, dürfte wohl nun langsam vorbei sein.
Zitat:auf der anderen seite wohl eher eine armee mit erfahrung in der aufstands- und partisanenbekämpfung aus den kolonien und nordirland. wieviele der soldaten haben denn in nordirland gedient? wahrscheinlich eine minderheit ... und ich bezweifle auch, dass das durchschnittsalter der briten so viel höher liegt als das der amerikanischen streitkräfte.Es ist das eine, wenn du beispielsweise als gut ausgebildeter Britte in deinen Mittzwanzigern und mit "Welterfahrung" plötzlich in ein fremdes, unbekanntes und feindliches Land kommst oder als knapp 20 Jähriger mit der Reife einer Wüstenmaus. Ich habe jetzt kein Datenmaterial, kann ergo das jetzt nicht belegen, aber rein intuitiv:
Die Amerikaner rekrutieren primär sehr sehr junge Menschen aus den sozioökonomischen Randlagen, die oft ansonsten gesellschaftlich starker Exklusion ausgesetzt wären, was auf deutsch heißt, sie holen sich blutjunge Landeier aus dem Nichts oder arme perspektivlose Minderheiten aus den Ghettos um williges Menschenmaterial zu habnen. Wolf hatte da auf der letzten Seite eine nur zu treffende Polemik dazu verfaßt, auch und gerade über die Reife dieser Leute, die in der Armee sicher alles tun müssen, nur nicht selbstständig denken. Alles ist reguliert usw.
Dann sollte man mal bedenken, aus welchen Randlagen diese Leute geholt werden. In Großbritannien ist das alles um eine deutliche Nummer entschärfter. Und - mag man als Argument bezweifeln - auf allen Fernsehbildern waren die Altersunterschiede zwischen Briten (Europäern allgemein) und Amerikanern mehr als augenscheinlich. Des weiteren; es ist ein großer Unterschied, wenn du schon mal in einer feindlichen Umgebung deinen Dienst abgeleitet hast, andere Mentalitäten besser kennen gelernt hast, als wenn du aus deinem Stützpunkt ohne Vorbereitung dann plötzlich ins kalte Wasser geworfen wirst. Das sidn sehr elementare sozialpsychologische Fragen.
Zitat:insiderinfo? es wäre mir neu, dass die reservisten mehr als 50% der truppen stellen ...Zunächst waren das Fragen meiner Person primär nach der geringen Truppenzahl. Des weiteren kann man sich aber fragen, warum so viele Reservisten (und 50% sind für mich nicht wenige.. gerade wenn noch vor enigen Jahren behauptet wurde seitens der Amerikaner man könnte ja mind. 2,5 mittlere Konflikte gelichzeitig behandeln)da bei sind und warum die Alterstruktur so ausssieht, wie sie aussieht.
Zur Ausbildung hat Wolf sich schon geäußert...
Zitat:Und ich verweise darauf, dass es bei den Briten ebenso zu Mißhandlungen, Fehlentscheidungen etc. kam.Zunächst, Dinge wie Hadith sind mir da nicht zu Ohren gekommen. Und Mißhandlungen usw. waren weder so systematisch durchgeführt gewesen,. noch derart von oben instruiert und sanktioniert. Das gebe ich zu Bedenken. Das die Umgebung der Briten eine andere ist, macht den Vergelich wiederum aber schwieriger..
Im übrigen ist Nordirland auch nicht mehr das, was es mal war, zynisch gesprochen.
Vor zehn oder zwanzig Jahren wäre das in der Tat eine andere Qualität gewesen
Nordirland mag heute kaum mehr in den Schlagzeilen sein, aber Frieden gibt es dort nicht. Unruhen und kleinere Eskalationen sind da auch an der Tagesordnung. Und wie gesagt, psychologisch sind solche Konflikterfahrungen als prägende und horizonterweiternde Erfahrungen enorm wichtig. Da sehen die Amerikaner oft total alt aus, zumal sie meistens kaum die elementaren kulturellen und sozialen Hintergründe erkennen und verstehen können. Bei den Briten bzw. Europäern ist dieses Verständnis eher ausgeprägt und wer in Nordirland weiß, was konfessioneller Fanatismus bedeuten kann...