12.07.2025, 11:00
(08.09.2024, 12:13)Schneemann schrieb: ...Die Frankfurter Rundschau befasst sich im Kontext mit den US-Zöllen gegen Brasiliens Exporte in die USA auch mit diesem Thema, das von DT als Begründung für seine "Strafzölle" herangezogen wurde, das aber durch die Entscheidung einer unabhängigen Justiz erfolgte und inzwischen wohl längst abgeheftet ist:
Sagen wir es so: Ich bin bekanntlich kein Freund von Twitter, einerseits - auch wenn es manchen verantwortungsvollen und interessanten Account gibt - weil es quasi mittlerweile ein kaum kontrollierbares Heißluftgebläse für Verunglimpfungen und Verschwörungstheorien geworden ist, andererseits auch, weil ich denke, dass man wirklich wichtige oder komplexere Themen nicht in zwei Sätzen ausdrücken kann. Und ja, auch der oberste Chef des Ladens verfolgt einen zumindest fragwürdigen politischen Kurs.
Dennoch erachte ich diesen Bann als den falschen Weg und sehe den Schritt als sehr bedenklich an, und es ist durchaus auch die Frage, ob Brasilien unter dem Sozialisten Lula hier nicht den Weg in eine illiberale, aber eben linke Pseudodemokratie beschreitet?
Schneemann
Zitat:...Trump "bestraft" Brasilien also, weil es ein Rechtsstaat mit unabhängigen Gerichten ist.
Brasilien durchlief letztes Jahr eine ähnliche Konfrontation, als ein Streit zwischen dem Tech-Mogul Elon Musk, dem Besitzer von X, und der brasilianischen Justiz ausbrach. Im Rahmen einer Untersuchung zu Online-Fehlinformationen ordnete der brasilianische Oberste Richter Alexandre de Moraes die Entfernung von Konten an, die seiner Meinung nach gegen die Redegesetze des Landes verstoßen hatten.
Musk lehnte ab. Moraes sperrte X. Beide Seiten sagten, sie würden nicht nachgeben, aber Musk tat es schließlich und stimmte zu, die Konten zu löschen. Trump bezog sich in seinem Brief am Mittwoch auf diese Kontroverse und behauptete, es gäbe „Hunderte von Geheimen und Rechtswidrigen Zensurbefehlen“. Dies ist ein anderer Kampf, und die Einsätze sind deutlich höher. Doch Lulas Berater sagten, die Regierung werde in Bezug auf Bolsonaros Strafverfolgung keine Kompromisse eingehen. ...
Und mit dem letzten Satz des zitierten Artikels komme ich zum eigentlichen Zweck meines Postings.
Wie sehr kann DT die Brasilianer mit dieser Zoll-Drohung unter Druck setzen?
Faktisch gar nicht, meint die Frankfurter Rundschau
Zitat:Brasilien, sein neuestes Zollziel, ist laut Analysten ein viel stärkerer Gegner und wird dem Druck aus Washington wahrscheinlich weniger nachgeben.
Brasiliens Wirtschaft stabil gegen Trumps Zölle: Handelspartner China beschränkt US-Einfluss
Lateinamerikas größte Nation hat eine relativ geschlossene Wirtschaft, die stärker als viele andere vor Schwankungen im Welthandel geschützt ist. China, nicht die USA, ist jetzt Brasiliens wichtigster Handelspartner, was Washingtons wirtschaftlichen Einfluss begrenzt.
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Die USA gelten hier als wichtiger Handelspartner - sie kauften 2024 Waren im Wert von 40 Milliarden Dollar - aber nicht als entscheidend. Exporte in die USA machen laut einem aktuellen Bericht von Moody‘s nur 1,7 Prozent der brasilianischen Wirtschaftsleistung aus.
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Beziehungen zu BRICS-Staaten ausgebaut: Brasilien reduziert Handel mit USA und EU
In den letzten Jahren hat Brasilien die Marktbeziehungen zu Partnerländern im BRICS-Block - ursprünglich bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika - auf Kosten des Handels mit westlichen Nationen gestärkt. 2023 war Brasiliens Handel mit dem Block laut Regierungsdaten, die CNN Brasil letztes Jahr berichtete, etwa 50 Prozent größer als mit den USA und Europa zusammen.
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Die Analyse von Goldman-Sachs war also nicht ganz unbegründet. Bereits die Wirtschaft der Gründungsmitglieder ergänzt sich so, dass die BRICS faktisch "sich selbst genügen können", ohne wirtschaftlich zerstört zu werden.
Brasilien hat das konsequent umgesetzt und den Handel mit den anderen BRICS-Staaten massiv ausgebaut (allerdings in absoluten Zahlen nicht zu Lasten der EU und der USA, sondern nur prozentual - s.u.).
Der Saldo der Handelsbilanz ist seit 2014 von einem (historisch gesehen auch überwiegend defizitären) Minus von knapp 20 Mrd. $ auf einen Überschuss von knapp 60 Mrd. $ in 2024 angewachsen. Wichtigstes Exportland war 2024 China mit fast 30 % - weit vor allen anderen Abnehmern.
Bemerkenswert dabei ist, dass der Zuwachs im Export wohl überwiegend den BRICS-Staaten und damit im Wesentlichen China geschuldet ist. Dieser Überschuss ermöglichte Brasilien dann auch, seine Importe aus anderen Ländern zu steigern, auch ohne dass die Exportquote in diese Länder gestiegen wäre:
Zitat: ...stellt das Statistische Bundesamt in der Pressemitteilung Nr. 352 vom 18. September 2024 explizit für Deutschland fest.
Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, nahmen die Exporte nach Brasilien in den ersten sieben Monaten des Jahres 2024 gegenüber dem gleichen Zeitraum des WM-Jahres 2014 um 24,5 % zu. Wurden in den Monaten Januar bis Juli 2014 noch Waren im Wert von 6,4 Milliarden Euro nach Brasilien exportiert, so waren es von Januar bis Juli 2024 Waren im Wert von 8,0 Milliarden Euro. Die Warenimporte aus Brasilien unterschieden sich dagegen in den ersten sieben Monaten des Jahres 2024 im Zehnjahresvergleich kaum. Von Januar bis Juli 2014 wurden Waren im Wert von 5,3 Milliarden Euro von Brasilien nach Deutschland eingeführt, im gleichen Zeitraum 2024 betrug der Wert 5,2 Milliarden Euro (-0,4 %).
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Und damit komme ich zu einer weiteren Kritik an DTs Zoll-Strategie im Allgemeinen und am Beispiel Brasiliens insbesondere:
Der Handel zwischen zwei Ländern wird von der DT-Administration nur zweidimensional gesehen. Das ist internationaler Austausch aber nicht. Internationale Handelsbeziehungen beschränken sich nicht nur auf zwei Länder, sondern schließen immer auch Drittländer mit ein. Handelsbeziehungen sind also "dreidimensional".
Dadurch, dass Brasilien insbesondere gegenüber China einen zunehmenden Exportüberschuss erzielt, hat Brasilien die Möglichkeit, diesen Überschuss in anderen Ländern auszugeben. Konkret ist das z.B. auch Deutschland.
Letztendlich profitiert also unsere deutsche Exportwirtschaft von dem Überschuss, den Brasilien mit anderen Ländern, insbesondere mit China, erzielt.
Dieser zunehmende Exportüberschuss ermöglicht Deutschland wieder, seinerseits selbst wieder in anderen Staaten mehr zu erwerben.
Deutschland wäre also "mit dem Klammeraffen gepudert", wenn es die Handelsbeziehungen zwischen den BRICS-Staaten behindern würde. Das liegt nicht im Interesse der deutschen (Export-)Wirtschaft. Und was für Deutschland gilt, gilt natürlich für die EU genauso.
Unser ureigenes Interesse muss vielmehr sein, auch die brasilianische Wirtschaft zu stabilisieren und zu stärken.
Im Prinzip gilt das genauso auch für die Interessen der USA - aber DT und andere einfach gestrickte Gemüter scheinen das nicht zu verstehen. Sie legen sich lieber mit der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas an und zeigen ungeschminkt, dass sie alle anderen lediglich als "Befehlsempfänger" statt als Partner sehen.
Bei Lula wird DT mit seiner erpresserischen Show auf Granit beißen. Ich zitiere nochmals aus der Frankfurter Rundschau:
Zitat: ...
Mit dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, der bei der Arbeit in einer Fabrik einen Finger verlor und durch seinen Kampf gegen die Militärdiktatur des Landes bekannt wurde, hat sich Trump mit einem Politiker angelegt, der schon lange politische Auseinandersetzungen genießt.
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Lula könnte laut seinen Beratern auch politisch von einem Streit mit den USA profitieren. Obwohl Lula historisch gesehen eine der beliebtesten Persönlichkeiten Brasiliens ist, ist seine dritte Amtszeit von wachsender öffentlicher Ernüchterung geprägt. Trotz erheblicher Bemühungen - einschließlich neuer Botschaften und eines überarbeiteten Kommunikationsteams - ist es Lula nicht gelungen, seine sinkenden Umfragewerte umzukehren, die auf historische Tiefststände gefallen sind.
Trumps Ankündigung am Mittwoch (9. Juli) hat laut Analysten die politische Dynamik des Landes verändert. Lula hat nun einen klaren Gegner und eine wirksame Angriffslinie gegen Bolsonaro oder jeden, der bei der Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr dessen politisches Erbe antritt. Er kann sie als mit einer feindlichen ausländischen Macht verbündet brandmarken.
„Lula will die Superreichen besteuern“, lautete eine virale politische Botschaft, die Lulas Anhänger am Mittwoch verbreiteten. „Bolsonaro will Brasilien besteuern.“ Am Mittwochabend (9. Juli) berief Lula laut seinen Beratern eine Dringlichkeitssitzung ein, um über Trumps Zoll zu diskutieren. Sie sagten, er wollte sofort klarstellen, dass Brasilien sich nicht vor den USA ducken würde.
Innerhalb weniger Stunden hatte Lula eine Erklärung veröffentlicht, die alle Punkte in Trumps Brief widerlegte - von Beschwerden über Brasiliens Handelstaktiken bis hin zu seiner harten Regulierung sozialer Medien - und wirtschaftliche Vergeltung androhte.
„Sie haben daraus Politik gemacht, und wir werden das Spiel mitspielen“, sagte ein Berater Lulas unter der Bedingung der Anonymität, um das Denken des Präsidenten zusammenzufassen. „Er wird keine Drohungen aussprechen oder auf Provokationen hereinfallen, aber seine Antworten werden entschieden und mutig sein.“
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