20.10.2024, 08:12
Bzgl. der Entstehung der Hamas:
Sie hat ja bekanntlich ihre Wurzeln in der ägyptischen Muslimbruderschaft. Es lässt sich bis in die 1930er Jahre hinein kein sonderlich großes Interesse der Bruderschaft an Gaza oder dem Nahostkonflikt erkennen. Erst nach dem Aufstand 1937 gegen die damalige britische Mandatsherrschaft kann eine zunehmende Aktivität - die sich aber zunächst gegen die Briten und nur sekundär gegen die Juden richtete - erkannt werden.
Zu diesem Zeitpunkt standen die Muslimbrüder in Ägypten selbst noch nicht unter Druck, ja pflegten sogar recht gute Kontakte zu den dortigen Offiziellen und sogar zum Militär unter Muhammad Nagib. Nach dem Gründungskrieg 1948 hielt dieser Umstand zunächst an, grob bis in die 1950er hinein. Nach dem Militärputsch in Ägypten 1952 und der Machtübernahme durch Nasser entwickelte sich jedoch ein zunehmender Gegensatz, zumal Nasser mit seinem säkularen arabischen Sozialismus im Kontext der Politik der Baath-Partei den Muslimbrüdern spinnefeind war. Nach Attentatsversuchen 1954 gegen Nasser folgte der unvermeidliche crack down des Regimes auf die Brüder, die in der Folge u. a. auswichen nach Gaza. Aber auch dort - Gaza stand bis 1967 unter ägyptischer Kontrolle - schlug das Regime in Kairo in den Folgejahren immer öfter zu.
So wurde dort im Jahr 1965 auch ein gewisser Ahmed Jassin verhaftet. Nachdem er - der sich 1952 bei einem Sportunfall eine Wirbelsäulenverletzung zugezogen hatte - beteuert hatte, dass sich sein Zorn vornehmlich gegen Israel richten würde (Jassins Familie war 1948 aus ihrem Dorf geflohen), ließen ihn die Ägypter wieder laufen, zumal man in Kairo so die Hoffnung hatte, den Kleinkrieg der Fedajin gegen die Israelis weiter am köcheln halten zu können. 1967 fiel Gaza dann an die Israelis. Jassin blieb dort, und gründete wohl um 1970 in al-Shati (einem Flüchtlingslager) einen ersten "islamischen Verein" (al-Jamaa al-Islamiya), weitere folgten bis 1972 in Nuseirat und in Bureidsch (beides Flüchtlingslager in Gaza). Nach Yom Kippur 1973 folgte der Aufbau eines sogenannten "islamischen Zentrums" (al-mudschama al-islami) in Zeytun. Vermutlich zu Beginn 1976 erfolgte die Gründung erster Koranschulen.
Die Israelis interessierten sich für diese Umtriebe zunächst nicht. Einerseits hatten sie das Beinahe-Desaster von Yom Kippur noch zu verdauen, andererseits stand der Ausgleich mit Kairo zunehmend im Vordergrund. Erste Hinweis bzgl. israelischer Hellhörigkeit an den Umtrieben in Gaza finden sich im Juni 1979, als der israelische Geheimdienst Hinweise sammelte, wonach die verstärkte Aktivität der PLO im Libanon "damit zusammenhängen könnte", dass die PLO in Gaza zunehmend an Boden gegenüber Muslimbrüderablegern verlieren würde.
Aber dabei blieb es, es geschah - nichts...
Dabei verdichteten sich nach und nach die Hinweise auf ungute Entwicklungen.
1980 warnte Itzhak Segev, von 1979 bis 1981 israelischer Militärgouverneur von Gaza, vor islamistischen Ausschreitungen. Im Zentrum von Gaza seien im Januar 1980 "kommunistische" und islamistische Palästinenser aneinander geraten, so der Gouverneur. Schnapsläden gingen in Flammen auf, Hotels wurden verwüstet, und auch eine Niederlassung des "roten Halbmondes" wurde angezündet, da man diese Institution seitens der Radikalen als Hochburg der palästinensischen Linken ansah. Israelische Sicherheitskräfte haben den Spuk dann beendet. Segevs Bericht wurde in Jerusalem aber als einzelnes Ereignis bewertet und ad acta gelegt.
Zu Mitte der 1980er Jahre warnte dann der israelische Brigadegeneral Ben-Eliezer - später Minister für Wohnungsbau unter Rabin, dann unter Peres - dass die Konzeptlosigkeit der israelischen Regierung langfristig verhängnisvoll sein könnte. Er bemängelte u. a. später, dass alle israelischen Regierungen, egal ob links- oder rechtsgerichtet, die islamistischen Umtriebe in Gaza nach (so sage ich es jetzt) "Kohl'scher Manier" schlicht aussitzen wollten. Sollen sich die Palästinenser doch eben mit Gott beschäftigen, dies sei besser, als wenn sie sich dem Terror und der Subversion hingeben! - so der Tenor in Jerusalem. Und wenn sie sich damit auch besser selbst verwalten können - umso besser, dann müssen es die Israelis nicht machen.
1994 konkretisierte Ben-Eliezer seine Vorwürfe: Die Annahme, dass Israel die Hamas gefördert und gepflegt habe, sei ziemlich unverschämt und verfälschend. Das Problem sei aber gewesen, dass die Islamisierung Gazas a) sehr langsam vonstatten ging (so dass es kaum wer richtig ernst nahm), dass b) man Hinweise auf die Islamisierung schlicht ignorant ausgesessen habe nach dem Motto Wenn uns daraus kein Ärger entsteht, sollen sie doch ihre Koranschulen aufbauen, Hauptsache sie lassen uns in Ruhe! und c) dass die israelischen Regierungen mit allen möglichen anderen Themen beschäftigt waren (Intifada, Golfkrieg, Oslo, Südlibanon etc.).
Die weitere Entwicklung spare ich mir hier, sie ist bekannt. Was man also sagen kann, ist, dass die Israelis eine gewisse Mitverantwortung für das Erstarken der Hamas haben. Aber nicht deswegen, weil sie die Islamisten hofiert oder gar gefördert hätten, sondern weil eine Mischung aus Desinteresse, Aussitzenwollen, Ignoranz und auch falschen Hoffnungen, wonach es schon "nicht so schlimm" werden wird, den Blick auf das entstehende Problem vernebelt hatte.
Schneemann
Sie hat ja bekanntlich ihre Wurzeln in der ägyptischen Muslimbruderschaft. Es lässt sich bis in die 1930er Jahre hinein kein sonderlich großes Interesse der Bruderschaft an Gaza oder dem Nahostkonflikt erkennen. Erst nach dem Aufstand 1937 gegen die damalige britische Mandatsherrschaft kann eine zunehmende Aktivität - die sich aber zunächst gegen die Briten und nur sekundär gegen die Juden richtete - erkannt werden.
Zu diesem Zeitpunkt standen die Muslimbrüder in Ägypten selbst noch nicht unter Druck, ja pflegten sogar recht gute Kontakte zu den dortigen Offiziellen und sogar zum Militär unter Muhammad Nagib. Nach dem Gründungskrieg 1948 hielt dieser Umstand zunächst an, grob bis in die 1950er hinein. Nach dem Militärputsch in Ägypten 1952 und der Machtübernahme durch Nasser entwickelte sich jedoch ein zunehmender Gegensatz, zumal Nasser mit seinem säkularen arabischen Sozialismus im Kontext der Politik der Baath-Partei den Muslimbrüdern spinnefeind war. Nach Attentatsversuchen 1954 gegen Nasser folgte der unvermeidliche crack down des Regimes auf die Brüder, die in der Folge u. a. auswichen nach Gaza. Aber auch dort - Gaza stand bis 1967 unter ägyptischer Kontrolle - schlug das Regime in Kairo in den Folgejahren immer öfter zu.
So wurde dort im Jahr 1965 auch ein gewisser Ahmed Jassin verhaftet. Nachdem er - der sich 1952 bei einem Sportunfall eine Wirbelsäulenverletzung zugezogen hatte - beteuert hatte, dass sich sein Zorn vornehmlich gegen Israel richten würde (Jassins Familie war 1948 aus ihrem Dorf geflohen), ließen ihn die Ägypter wieder laufen, zumal man in Kairo so die Hoffnung hatte, den Kleinkrieg der Fedajin gegen die Israelis weiter am köcheln halten zu können. 1967 fiel Gaza dann an die Israelis. Jassin blieb dort, und gründete wohl um 1970 in al-Shati (einem Flüchtlingslager) einen ersten "islamischen Verein" (al-Jamaa al-Islamiya), weitere folgten bis 1972 in Nuseirat und in Bureidsch (beides Flüchtlingslager in Gaza). Nach Yom Kippur 1973 folgte der Aufbau eines sogenannten "islamischen Zentrums" (al-mudschama al-islami) in Zeytun. Vermutlich zu Beginn 1976 erfolgte die Gründung erster Koranschulen.
Die Israelis interessierten sich für diese Umtriebe zunächst nicht. Einerseits hatten sie das Beinahe-Desaster von Yom Kippur noch zu verdauen, andererseits stand der Ausgleich mit Kairo zunehmend im Vordergrund. Erste Hinweis bzgl. israelischer Hellhörigkeit an den Umtrieben in Gaza finden sich im Juni 1979, als der israelische Geheimdienst Hinweise sammelte, wonach die verstärkte Aktivität der PLO im Libanon "damit zusammenhängen könnte", dass die PLO in Gaza zunehmend an Boden gegenüber Muslimbrüderablegern verlieren würde.
Aber dabei blieb es, es geschah - nichts...
Dabei verdichteten sich nach und nach die Hinweise auf ungute Entwicklungen.
1980 warnte Itzhak Segev, von 1979 bis 1981 israelischer Militärgouverneur von Gaza, vor islamistischen Ausschreitungen. Im Zentrum von Gaza seien im Januar 1980 "kommunistische" und islamistische Palästinenser aneinander geraten, so der Gouverneur. Schnapsläden gingen in Flammen auf, Hotels wurden verwüstet, und auch eine Niederlassung des "roten Halbmondes" wurde angezündet, da man diese Institution seitens der Radikalen als Hochburg der palästinensischen Linken ansah. Israelische Sicherheitskräfte haben den Spuk dann beendet. Segevs Bericht wurde in Jerusalem aber als einzelnes Ereignis bewertet und ad acta gelegt.
Zu Mitte der 1980er Jahre warnte dann der israelische Brigadegeneral Ben-Eliezer - später Minister für Wohnungsbau unter Rabin, dann unter Peres - dass die Konzeptlosigkeit der israelischen Regierung langfristig verhängnisvoll sein könnte. Er bemängelte u. a. später, dass alle israelischen Regierungen, egal ob links- oder rechtsgerichtet, die islamistischen Umtriebe in Gaza nach (so sage ich es jetzt) "Kohl'scher Manier" schlicht aussitzen wollten. Sollen sich die Palästinenser doch eben mit Gott beschäftigen, dies sei besser, als wenn sie sich dem Terror und der Subversion hingeben! - so der Tenor in Jerusalem. Und wenn sie sich damit auch besser selbst verwalten können - umso besser, dann müssen es die Israelis nicht machen.
1994 konkretisierte Ben-Eliezer seine Vorwürfe: Die Annahme, dass Israel die Hamas gefördert und gepflegt habe, sei ziemlich unverschämt und verfälschend. Das Problem sei aber gewesen, dass die Islamisierung Gazas a) sehr langsam vonstatten ging (so dass es kaum wer richtig ernst nahm), dass b) man Hinweise auf die Islamisierung schlicht ignorant ausgesessen habe nach dem Motto Wenn uns daraus kein Ärger entsteht, sollen sie doch ihre Koranschulen aufbauen, Hauptsache sie lassen uns in Ruhe! und c) dass die israelischen Regierungen mit allen möglichen anderen Themen beschäftigt waren (Intifada, Golfkrieg, Oslo, Südlibanon etc.).
Die weitere Entwicklung spare ich mir hier, sie ist bekannt. Was man also sagen kann, ist, dass die Israelis eine gewisse Mitverantwortung für das Erstarken der Hamas haben. Aber nicht deswegen, weil sie die Islamisten hofiert oder gar gefördert hätten, sondern weil eine Mischung aus Desinteresse, Aussitzenwollen, Ignoranz und auch falschen Hoffnungen, wonach es schon "nicht so schlimm" werden wird, den Blick auf das entstehende Problem vernebelt hatte.
Schneemann