Kontrafaktische Geschichte: Westfeldzug 1940
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(23.04.2022, 22:40)Quintus Fabius schrieb: Da habe ich aber andere Zahlen, beispielsweise von Kirkland und anderen. Die Franzosen schossen im Luftkampf mehr deutsche Flugzeuge ab als umgekehrt und zwar erheblich mehr. (...) Mir ging es also nur um Franzosen vs Deutsche im Luftkampf. Und da sah das Verhältnis 306 zu 733 aus, zugunsten Frankreichs.

Abschusszahlen und "Luftsiege" oder "Luftkämpfe", zumindest das was ich darunter verstehe, sind aber zwei verschiedene paar Schuhe, die völlig unterschiedlichen Einflussfaktoren unterliegen und somit auch unterschiedliche Rückschlüsse zulassen.
Die von dir genannten Zahlen mögen hinsichtlich der Abschüsse stimmen (auch wenn ich sie gerade nicht bestätigen kann), was mich nicht wundert, weil wesentlich mehr französische Flugzeuge am Boden oder durch die Flugabwehr zerstört wurden, während die deutschen Flugzeuge zu einem viel größeren Anteil durch feindliche Luftstreitkräfte zerstört wurden. Gerade in der Anfangsphase mit ihren sehr offensiven taktischen Bombardierungen sowie den Luftlandungen (40% der deutschen Transportflugzeuge und 30% der leichten und mittleren Bomber wurden dabei zerstört) gab es enorme Verluste der Luftwaffe, die primär aus operativen Gründen eintraten.
Umgekehrt boten die alliierten Luftstreitkräfte der deutschen Luftwaffe operativ wenig Möglichkeiten zum generieren hoher Abschusszahlen, weil man sich im wesentlichen dem Gefecht gegen feindliche Jagdflieger entzog, beispielsweise durch Tiefflugoperationen (zu Beginn) oder Nachtangriffe (im weiteren Verlauf). Über die tatsächlichen bzw. theoretischen Fähigkeiten sagen Abschusszahlen insgesamt wenig aus, wie ja auch die deutschen Abschusslisten über den Gesamtverlauf des Krieges beweisen (auch wenn die immer wieder als Überlegenheit deutscher Technik oder deutscher Piloten gedeutet werden, was absoluter Quatsch ist).

Wie bereits dargestellt, die Zahl der tatsächlichen Luftkämpfe war relativ gering, geringer als in den meisten anderen Phasen des gesamten Krieges, und während hier tatsächlich die französische Seite einige Erfolge feiern konnte (wie dargelegt), gab es keine auffälligen Missverhältnisse, die irgendwelche Rückschlüsse zuließen (und wenn dann vor allem den, dass die deutschen Piloten teils sehr überheblich reagierten und dafür unmittelbar Blutzoll entrichten mussten.

Zitat:Auch da hatte ich bereits konkrete Zahlen genannt, die von deinen hier zwar ebenfalls abweichen, aber von der Kernaussage her das gleiche aussagen.

Ja, meine Zahlen betrafen lediglich die erste Woche des Krieges, danach nach die generelle Zahl an Missionen (auf beiden Seiten allerdings) wieder ab, während das grundsätzliche Verhältnis ähnlich blieb. Einsätze von Bombern erfolgen typischerweise in deutlich geringerer Zahl (was verschiedene Ursachen hat), aber auch hier, wie du es darstellt, gab es ähnliche Verhältnisse.

Zitat:Nun merkst du korrekterweise an, dass hier die Koordination fehlte, aber man hätte auch ohne eine solche bei einem entsprechenden aggressiven Offensivgeist (der natürlich hier fehlte und fehlen musste - aufgrund der Doktrin), viel mehr Bomber gegen die deutschen Kolonnen in den Ardennen einsetzen können. Dazu hätte es keiner Koordination mit irgendwas bedurft, man hätte einfache freie Jagd auf Sicht erklärt, die Maschinen vorgejagt und alles angegriffen was da auf den wenigen bekannten Straßen im schleichenden Verkehr vor sich hin kroch. Allein das hätte schon die komplette Wende gleich zu Beginn bringen können.

Unwahrscheinlich, meiner Ansicht nach. Neben der Schwierigkeit, bei teils widrigen Wetterbedingungen (wenn ich das richtig im Kopf habe, korrigiere mich, wenn ich da falsch liege) tatsächlich Ziele auszumachen und zu bekämpfen, war ja nicht nur die Zielzuweisung ein Problem der Kommunikation und Organisation, sondern auch die Koordination mit anderen Einheiten der Armée de l'Air. Dies und die tatsächlichen Flugleistungen der Maschinen hätte also dafür gesorgt, dass man weitgehend ohne Jagdschutz einer koordinierten Verteidigung aus Flugabwehr und der Luftwaffe wehrlos ausgesetzt gewesen wäre. Die Verluste wären vermutlich enorm gewesen.

Zitat:Nehmen wir also mal im weiteren an, der Angriff sei deshalb so spät und in den Frühwinter hinein erfolgt, weil dies die deutsche Luftwaffe erheblich behindert (Wolken, Nebel, Regen, Schneeregen etc) und dass sei der Grund warum die Offensive dann startet. Das würde ganz gut passen zu deiner Aussage.

Ein typisches Herbst-/Winterwetter in der Region hätte jedenfalls die strategischen Luftoperationen auf beiden Seiten weitgehend aus der Gleichung heraus gezogen, taktisch müsste man das natürlich sehr lokal betrachten, aber auch da gäbe es entscheidende Einschränkungen. Die Frage ist allerdings, ob ohne Erkenntnisse über die Art der deutschen Vorgehensweise eine solche Feststellung vorteilhafter Bedingungen überhaupt erfolgt wäre, da man selbst ja relativ wenig Wert auf eine direkte Unterstützung des französischen Heeres legte. In Anbetracht so mancher Fehlentscheidung auf beiden Seite hätte es mich nicht gewundert, wenn die Armée de l'Air sehr deutlich gegen einen Einsatz bei so schlechten Witterungsbedingungen protestiert hätte (mit mir natürlich nicht bekannten Folgen).

(24.04.2022, 08:40)Schneemann schrieb: Es wäre die Frage, wie die Frage von Helios gemeint ist.

Quintus hat die Bedingungen ja inzwischen näher definiert, meine Frage war eher auf den größeren Rahmen bezogen, beginnend bei der politischen Betrachtung. Unter Daladier war ja das französische Kriegsziel eher ein repräsentativer Beistand und die angestrebte Rückkehr zum Status Quo, wie sahen die tatsächlichen Kriegsziele unter Reynaud aus? Als Vertreter einer offensiven, aggressiven Haltung gegen Deutschland ist er ja durchaus geeignet, eure Angriffspläne den nötigen Realismus zu geben, aber wäre die vollständige Vernichtung des Reiches das Ziel gewesen? Oder nur eine Aggressive Drucksituation, um den genannten Status Quo wiederherstellen zu können? Gäbe es womöglich einen größeren Dissens zwischen Großbritannien und Frankreich bei der Frage?
Und welche Ziele hätte Deutschland mit der Passivität verfolgt, wäre sie ein Versuch der Deeskalation im Westen gewesen, um so zu einer Vereinbarung zu kommen, die eine Fokussierung auf den Osten ermöglicht hätte? Warum sonst hätte man passiv bleiben sollen? Für mich hängt auch die militärische Aufstellung und fortlaufend die Betrachtung der vorhandenen und zu entwickelnden Fähigkeiten von diesen Punkten ab, die ihr, wenn mich nicht alles täuscht (vielleicht habe ich es in der Masse aber auch nur überlesen), kaum angesprochen habt.

Darauf aufbauend geht es dann natürlich auch um die anderen Nationen. Insofern war mit meinem Hinweis auf Italien beides gemeint (a und b), und ähnlich verhält es sich mit den anderen Nationen.

Quintus wird vielleicht anmerken, dass ich das alles zu stark verkompliziere Wink , aber ich meine es gar nicht als komplexe Studie, sondern eher als oberflächliche Festlegung der politischen Rahmenbedingungen, in denen euer militärisches Planspiel stattfinden soll.
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RE: Kontrafaktische Geschichte: Westfeldzug 1940 - von Helios - 24.04.2022, 12:25

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