22.04.2022, 11:41
Hallo zusammen,
als Überleitung aus unserer Diskussion im Kriegsphilosophie-Strang (https://www.forum-sicherheitspolitik.org...370&page=3) im Bundeswehrbereich (und um dort nicht völlig zwischen der Maas, Arras und Dünkirchen zu versinken
), wollte ich hier gerne einen separaten Strang eröffnen, wo wir uns über kontrafaktische Begebenheiten des Krieges in Westeuropa 1940, d. h. vorzugsweise dem deutschen Angriff im Westen bzw. auf die Beneluxstaaten und Frankeich, austauschen können.
Kern der Diskussion war auch die "Was wäre, wenn...?"-Frage, wie sich die Situation dargestellt hätte, wenn nicht Deutschland im Mai 1940 angegriffen, sondern wenn der sog. "Sitzkrieg" noch bis ca. Herbst 1940 angedauert hätte und dann Frankreich und Großbritannien das Deutsche Reich attackiert hätten. Jedweder Einwurf ist natürlich gewünscht - insofern: Auf eine rege Beteiligung.
Ich hatte eine Ausführung von Kollege Quintus leider falsch verstanden gehabt (bzw. unter falscher Annahme interpretiert), deswegen wollte ich nun hier nochmals antworten.
@Quintus
Indessen jedoch bin ich vom Gedankengang immer noch nicht überzeugt.
Gesetzt den Fall, der Sitzkrieg wäre bis Herbst 1940 gegangen, so hätte sich das Kräfteverhältnis nicht wesentlich geändert. Zwar müsste man von ausgehen, dass dann auf westalliierter Seite mehr Flugzeuge bereitgestanden hätten, aber es wäre dennoch immer noch eine relativ ausgeglichene Sache gewesen. Selbst wenn wir mal alle anderen Aspekte, außer dem Krieg gegen Polen 1939, wegnehmen, selbst auch die Kampagnen in Norwegen und im Mittelmeerraum, so sehe ich immer noch keine wirkliche Siegchance der Westmächte.
Sie müssten angreifen, sollten also zumindest relativ eine Übermacht besitzen. Rein bzgl. Kopfzahl und würde das knapp gelingen.
Aber...ich versuche, es nun mal aufzudröseln:
1.) In der Luft wäre eine deutliche Übermacht (zahlenmäßig) sicherlich zu erreichen gewesen, wobei aber die Zahl der modernen Flugzeuge, nicht überwogen hätte und zudem die Schlagkraft begrenzt gewesen wäre.
Die Zeit der schweren, viermotorigen Bomber wäre noch nicht gekommen gewesen, das meiste, was man hatte, waren bzgl. Großbritannien mittlere, zweimotorige Bomber vom Typ Whitley, Wellington, Hampden oder Blenheim (wobei die Blenheim auch teils als leichter Bomber firmiert). Bis auf die Wellington haben sie bekanntermaßen alle nicht sonderlich überzeugt, und selbst die Wellington wurde nach einigen Rückschlägen ab Ende 1939 fast nur noch nachts oder zur Seeüberwachung eingesetzt. Aber Nachtbomber helfen mir nun nicht wirklich, wenn ich tagsüber die Unterstützung für eine Großoffensive brauche. Und wirkliche CAS-Flugzeuge, wie etwa die späteren raketentragenden Typhoons, gab es auf britischer Seite noch nicht, allenfalls die alten Battle-Bomber, die aber faktisch Kanonenfutter waren. Insofern: Hinsichtlich Bombern unklar bis eher unsicher, da aber sehr wahrscheinlich auch mehr moderne Spitfires zulaufen würden, gibt es einen Pluspunkt für den Angreifer.
Bei den Franzosen gab es - neben manchen veralteten Typen - einige interessante Bombermodelle, etwa die mittlere Lioré & Olivier LeO 45 (von der aber nur rund 500 Stück gebaut wurden, ein Teil davon erst nach Sommer 1940 und unter deutscher Aufsicht). Und auch schwere Bomber gab es schon (etwa die Farman F-220, die übrigens - was viele nicht wissen - der erste schwere alliierte Bomber war, der als Nachtbomber 1940 Berlin erreichte und bombardierte), aber eben auch nur eine Handvoll. Und bei den restlichen Typen, etwa Potez-Modelle, war es ebenso, dass die existierenden Maschinen im Tageinsatz gegen Jäger einfach sehr schlechte Karten hatten (zu schwache Bewaffnung, zu geringe Geschwindigkeit). Darüber hinaus: Einen richtigen "Erdkämpfer" gab es auch bei den Franzosen nicht. Aber bedingt dadurch, dass man annehmen könnte, dass bis Herbst 1940 ggf. mehr Exemplare der Dewoitine 520 zulaufen (sie wurden ja später [1941] in Syrien eingesetzt von den Vichy-Kräften), wohl ca. 200 bis 300, gibt es nochmals einen Pluspunkt für den Angreifer.
Dem gegenüber hatten die Deutschen taktisch mit der Ju 87 einen klaren Vorteil. Ihre mittleren Bomber (und auch die Ju 87) waren gegenüber Jägern zwar durchaus ebenso anfällig, aber die Deutschen hätten zumindest im Herbst 1940 noch die moderneren Jäger bzw. eine größere Anzahl an modernen Jägern besessen (da die Verluste über Frankreich und später über England so nicht eingetreten wären). Zudem hatten sie insgesamt mehr Bomber, die oftmals auch größere Bombenlasten tragen konnten (die leichtere Do 17 nehme ich hier heraus). Und insofern ist von auszugehen, dass die alliierten Bomber über dem Reichsgebiet eine ähnliche Erfahrung hätten machen müssen wie deutsche Flugzeuge über dem Kanal bzw. dass die Deutschen ihre Bomber zugleich auch effektiver hätten schützen können und sehr kurze Anflugzeiten gehabt hätten. Ein Pluspunkt für den Verteidiger.
Hinzu kam, dass die deutsche Flak deutlich stärker ausgeprägt war als die der Alliierten. Die wenigen schweren Kanonen waren stationär in England oder um die größeren Städte in Frankreich (wobei in letzterem Fall "schwer" meistens das Kaliber 75 mm meint) verteilt. Und die leichte und mittlere Flak, so wie es etwa in der Wehrmacht die 2-cm- und 3,7-cm-Modelle gab, war 1940 bei den Alliierten quasi kaum vorhanden - einige wenige Modelle gab es zwar (bspw. Hotchkiss 25 mm, Oerlikon/Hispano 20 mm, Schneider 37 mm), aber sie wurden komischerweise nur in äußerst geringen Stückzahlen ausgegeben, quasi irrelevant. Das bittere Ergebnis war, dass die alliierten Soldaten dann deutsche Tiefflieger und Stukas wenig erfolgversprechend oft mit leichten MGs der Infanterie und Karabinern bekämpfen mussten. Insofern hätten die angreifenden alliierten Verbände hoffen müssen, dass ihre Luftwaffe(n) beständig einen Schutzschirm über sie stülpen, was wiederum zumindest zweifelhaft gewesen wäre. Abwehrpluspunkt für die Verteidigung.
2.) Hinsichtlich der Panzer waren die Alliierten den Deutschen in einigen Belangen eindeutig überlegen (von der reinen taktischen Führung einmal abgesehen). Bei den Franzosen waren die leichten Hotchkiss- und Renault-Modelle - mit 37-mm-Kanone versehen - den deutschen leichten Modellen I und II deutlich überlegen, der bewährte Somua S 35 nahm es mit dem Panzer III durchaus auf (und die Deutschen setzten später auch erbeutete Exemplare selbst ein) und schwere Panzer, etwa der Char B1, stach auch im direkten Duell den Panzer IV aus. Bei den Briten sah es dagegen mauer aus - das meiste war leichtes, dünngepanzertes Material, einzig der Matilda II war diesbezüglich durchaus brauchbar (aber auch langsam und zu schwach bewaffnet). Das war die Schuld eines internen Richtungsstreites in den 1930ern und des starren Fixierens auf a) den Infanterietank und b) den Cruiser Tank. Beides waren Fehlkonstruktionen. Insofern: Auf den ersten Moment und rein rechnerisch hatten die deutschen Panzer hier zumindest gegenüber den Franzosen einen Nachteil, aber eben nur auf den ersten Moment und im 1:1-Vergleich. Dennoch: Pluspunkt für den Angreifer.
Weiterhin: Bei der Bodenabwehr hatten die Deutschen den Vorteil, dass ihre Panzerabwehr wesentlich effektiver und mobiler war als die der Alliierten, namentlich auch die 8,8-cm-Flak im taktischen Erdeinsatz. In der Offensive war dieses Geschütz zwar nicht immer überall, aber in der Defensive, wenn es schwerpunktmäßig eingesetzt werden konnte und wenn man abriegeln musste, war es beinahe unüberwindlich für Tanks - noch 1942 in Afrika war es der "Fluch" der zahlenmäßig überlegenen britischen Panzerverbände, wo selbst bei Luftüberlegenheit einige wenige 8,8-cm-Geschütze einen Panzerangriff auffingen. Ein ähnliches Lied kann auch die Rote Armee singen. Eine vergleichbare Waffe gab es bei den Alliierten 1940 (noch) nicht. Ein Übersetzen über den Rhein und eine Offensive, die zwangsläufig anfangs kanalisiert gewesen wäre, wäre also ein verlustreiches Fiasko geworden. Pluspunkt für die Verteidigung.
3.) Artillerie: Auch hier sind die Deutschen tendenziell als Verteidiger im Vorteil. Zwar hatten die Alliierten zahlenmäßig wiederum mehr Geschütze, aber rund ein Drittel von diesen bestanden aus 75-mm-Kalibern (zumeist die berühmte Canon de 75 mm modèle 1897), deren Reichweite aber auf 7.000 bis 8.000 m begrenzt war. Und auch das BEF führte (auf Korps-Ebene!) oftmals nur 18-Pfünder mit sich (84 mm). Dabei gab es gute Entwürfe, etwa die britische 11,4-cm-Feldkanone oder die französische 12-cm-Kanone M 1931. Allerdings führte man diese Modelle aus mir nicht bekannten Gründen geradezu stiefmütterlich ein. Und ob schwerere Kanonen zulaufen hätten können bis Herbst 1940, ist unsicher, zumal der Schwerpunkt auf der Luftwaffenrüstung und dem Schiffbau (in GB) lag und die Artillerie, die bis dahin ausgeworfen wurde, oftmals aus Behelfskonstruktionen bestand. Jedenfalls war die deutsche Artillerie mit Kalibern 105 mm und 150 mm deutlich feuerstärker. Dazu kommt generell ein Übergewicht der Deutschen bei der schweren Artillerie (d. h. 210 mm und darüber). Wieder ein Pluspunkt für den Verteidiger, der aus größerer Distanz mehr Feuerkraft nach vorne bringen kann.
Wären also insg. 4:4 Punkte, also ausgeglichen - aber: Ich hatte bei der deutschen Luftrüstung nur die Bomber / Stukas berücksichtigt und gehe bei dieser Rechnung in der Annahme, dass die Zahl der deutschen Jäger (Bf 109 E) nicht signifikant ansteigt. Insofern: Es ist eine durchaus gewagte Rechnung, hier zwingend von einem westalliierten Erfolg auszugehen.
Schneemann
als Überleitung aus unserer Diskussion im Kriegsphilosophie-Strang (https://www.forum-sicherheitspolitik.org...370&page=3) im Bundeswehrbereich (und um dort nicht völlig zwischen der Maas, Arras und Dünkirchen zu versinken

Kern der Diskussion war auch die "Was wäre, wenn...?"-Frage, wie sich die Situation dargestellt hätte, wenn nicht Deutschland im Mai 1940 angegriffen, sondern wenn der sog. "Sitzkrieg" noch bis ca. Herbst 1940 angedauert hätte und dann Frankreich und Großbritannien das Deutsche Reich attackiert hätten. Jedweder Einwurf ist natürlich gewünscht - insofern: Auf eine rege Beteiligung.

Ich hatte eine Ausführung von Kollege Quintus leider falsch verstanden gehabt (bzw. unter falscher Annahme interpretiert), deswegen wollte ich nun hier nochmals antworten.
@Quintus
Zitat:Jetzt schreibst du aber an mir vorbei:Ja, das habe ich auch bemerkt, als ich deinen Beitrag nochmals gelesen habe.
WENN Deutschland gegenüber Frankreich Defensiv geblieben wäre, dann wäre Frankreich ja nicht erobert worden.
Indessen jedoch bin ich vom Gedankengang immer noch nicht überzeugt.
Gesetzt den Fall, der Sitzkrieg wäre bis Herbst 1940 gegangen, so hätte sich das Kräfteverhältnis nicht wesentlich geändert. Zwar müsste man von ausgehen, dass dann auf westalliierter Seite mehr Flugzeuge bereitgestanden hätten, aber es wäre dennoch immer noch eine relativ ausgeglichene Sache gewesen. Selbst wenn wir mal alle anderen Aspekte, außer dem Krieg gegen Polen 1939, wegnehmen, selbst auch die Kampagnen in Norwegen und im Mittelmeerraum, so sehe ich immer noch keine wirkliche Siegchance der Westmächte.
Sie müssten angreifen, sollten also zumindest relativ eine Übermacht besitzen. Rein bzgl. Kopfzahl und würde das knapp gelingen.
Aber...ich versuche, es nun mal aufzudröseln:
1.) In der Luft wäre eine deutliche Übermacht (zahlenmäßig) sicherlich zu erreichen gewesen, wobei aber die Zahl der modernen Flugzeuge, nicht überwogen hätte und zudem die Schlagkraft begrenzt gewesen wäre.
Die Zeit der schweren, viermotorigen Bomber wäre noch nicht gekommen gewesen, das meiste, was man hatte, waren bzgl. Großbritannien mittlere, zweimotorige Bomber vom Typ Whitley, Wellington, Hampden oder Blenheim (wobei die Blenheim auch teils als leichter Bomber firmiert). Bis auf die Wellington haben sie bekanntermaßen alle nicht sonderlich überzeugt, und selbst die Wellington wurde nach einigen Rückschlägen ab Ende 1939 fast nur noch nachts oder zur Seeüberwachung eingesetzt. Aber Nachtbomber helfen mir nun nicht wirklich, wenn ich tagsüber die Unterstützung für eine Großoffensive brauche. Und wirkliche CAS-Flugzeuge, wie etwa die späteren raketentragenden Typhoons, gab es auf britischer Seite noch nicht, allenfalls die alten Battle-Bomber, die aber faktisch Kanonenfutter waren. Insofern: Hinsichtlich Bombern unklar bis eher unsicher, da aber sehr wahrscheinlich auch mehr moderne Spitfires zulaufen würden, gibt es einen Pluspunkt für den Angreifer.
Bei den Franzosen gab es - neben manchen veralteten Typen - einige interessante Bombermodelle, etwa die mittlere Lioré & Olivier LeO 45 (von der aber nur rund 500 Stück gebaut wurden, ein Teil davon erst nach Sommer 1940 und unter deutscher Aufsicht). Und auch schwere Bomber gab es schon (etwa die Farman F-220, die übrigens - was viele nicht wissen - der erste schwere alliierte Bomber war, der als Nachtbomber 1940 Berlin erreichte und bombardierte), aber eben auch nur eine Handvoll. Und bei den restlichen Typen, etwa Potez-Modelle, war es ebenso, dass die existierenden Maschinen im Tageinsatz gegen Jäger einfach sehr schlechte Karten hatten (zu schwache Bewaffnung, zu geringe Geschwindigkeit). Darüber hinaus: Einen richtigen "Erdkämpfer" gab es auch bei den Franzosen nicht. Aber bedingt dadurch, dass man annehmen könnte, dass bis Herbst 1940 ggf. mehr Exemplare der Dewoitine 520 zulaufen (sie wurden ja später [1941] in Syrien eingesetzt von den Vichy-Kräften), wohl ca. 200 bis 300, gibt es nochmals einen Pluspunkt für den Angreifer.
Dem gegenüber hatten die Deutschen taktisch mit der Ju 87 einen klaren Vorteil. Ihre mittleren Bomber (und auch die Ju 87) waren gegenüber Jägern zwar durchaus ebenso anfällig, aber die Deutschen hätten zumindest im Herbst 1940 noch die moderneren Jäger bzw. eine größere Anzahl an modernen Jägern besessen (da die Verluste über Frankreich und später über England so nicht eingetreten wären). Zudem hatten sie insgesamt mehr Bomber, die oftmals auch größere Bombenlasten tragen konnten (die leichtere Do 17 nehme ich hier heraus). Und insofern ist von auszugehen, dass die alliierten Bomber über dem Reichsgebiet eine ähnliche Erfahrung hätten machen müssen wie deutsche Flugzeuge über dem Kanal bzw. dass die Deutschen ihre Bomber zugleich auch effektiver hätten schützen können und sehr kurze Anflugzeiten gehabt hätten. Ein Pluspunkt für den Verteidiger.
Hinzu kam, dass die deutsche Flak deutlich stärker ausgeprägt war als die der Alliierten. Die wenigen schweren Kanonen waren stationär in England oder um die größeren Städte in Frankreich (wobei in letzterem Fall "schwer" meistens das Kaliber 75 mm meint) verteilt. Und die leichte und mittlere Flak, so wie es etwa in der Wehrmacht die 2-cm- und 3,7-cm-Modelle gab, war 1940 bei den Alliierten quasi kaum vorhanden - einige wenige Modelle gab es zwar (bspw. Hotchkiss 25 mm, Oerlikon/Hispano 20 mm, Schneider 37 mm), aber sie wurden komischerweise nur in äußerst geringen Stückzahlen ausgegeben, quasi irrelevant. Das bittere Ergebnis war, dass die alliierten Soldaten dann deutsche Tiefflieger und Stukas wenig erfolgversprechend oft mit leichten MGs der Infanterie und Karabinern bekämpfen mussten. Insofern hätten die angreifenden alliierten Verbände hoffen müssen, dass ihre Luftwaffe(n) beständig einen Schutzschirm über sie stülpen, was wiederum zumindest zweifelhaft gewesen wäre. Abwehrpluspunkt für die Verteidigung.
2.) Hinsichtlich der Panzer waren die Alliierten den Deutschen in einigen Belangen eindeutig überlegen (von der reinen taktischen Führung einmal abgesehen). Bei den Franzosen waren die leichten Hotchkiss- und Renault-Modelle - mit 37-mm-Kanone versehen - den deutschen leichten Modellen I und II deutlich überlegen, der bewährte Somua S 35 nahm es mit dem Panzer III durchaus auf (und die Deutschen setzten später auch erbeutete Exemplare selbst ein) und schwere Panzer, etwa der Char B1, stach auch im direkten Duell den Panzer IV aus. Bei den Briten sah es dagegen mauer aus - das meiste war leichtes, dünngepanzertes Material, einzig der Matilda II war diesbezüglich durchaus brauchbar (aber auch langsam und zu schwach bewaffnet). Das war die Schuld eines internen Richtungsstreites in den 1930ern und des starren Fixierens auf a) den Infanterietank und b) den Cruiser Tank. Beides waren Fehlkonstruktionen. Insofern: Auf den ersten Moment und rein rechnerisch hatten die deutschen Panzer hier zumindest gegenüber den Franzosen einen Nachteil, aber eben nur auf den ersten Moment und im 1:1-Vergleich. Dennoch: Pluspunkt für den Angreifer.
Weiterhin: Bei der Bodenabwehr hatten die Deutschen den Vorteil, dass ihre Panzerabwehr wesentlich effektiver und mobiler war als die der Alliierten, namentlich auch die 8,8-cm-Flak im taktischen Erdeinsatz. In der Offensive war dieses Geschütz zwar nicht immer überall, aber in der Defensive, wenn es schwerpunktmäßig eingesetzt werden konnte und wenn man abriegeln musste, war es beinahe unüberwindlich für Tanks - noch 1942 in Afrika war es der "Fluch" der zahlenmäßig überlegenen britischen Panzerverbände, wo selbst bei Luftüberlegenheit einige wenige 8,8-cm-Geschütze einen Panzerangriff auffingen. Ein ähnliches Lied kann auch die Rote Armee singen. Eine vergleichbare Waffe gab es bei den Alliierten 1940 (noch) nicht. Ein Übersetzen über den Rhein und eine Offensive, die zwangsläufig anfangs kanalisiert gewesen wäre, wäre also ein verlustreiches Fiasko geworden. Pluspunkt für die Verteidigung.
3.) Artillerie: Auch hier sind die Deutschen tendenziell als Verteidiger im Vorteil. Zwar hatten die Alliierten zahlenmäßig wiederum mehr Geschütze, aber rund ein Drittel von diesen bestanden aus 75-mm-Kalibern (zumeist die berühmte Canon de 75 mm modèle 1897), deren Reichweite aber auf 7.000 bis 8.000 m begrenzt war. Und auch das BEF führte (auf Korps-Ebene!) oftmals nur 18-Pfünder mit sich (84 mm). Dabei gab es gute Entwürfe, etwa die britische 11,4-cm-Feldkanone oder die französische 12-cm-Kanone M 1931. Allerdings führte man diese Modelle aus mir nicht bekannten Gründen geradezu stiefmütterlich ein. Und ob schwerere Kanonen zulaufen hätten können bis Herbst 1940, ist unsicher, zumal der Schwerpunkt auf der Luftwaffenrüstung und dem Schiffbau (in GB) lag und die Artillerie, die bis dahin ausgeworfen wurde, oftmals aus Behelfskonstruktionen bestand. Jedenfalls war die deutsche Artillerie mit Kalibern 105 mm und 150 mm deutlich feuerstärker. Dazu kommt generell ein Übergewicht der Deutschen bei der schweren Artillerie (d. h. 210 mm und darüber). Wieder ein Pluspunkt für den Verteidiger, der aus größerer Distanz mehr Feuerkraft nach vorne bringen kann.
Wären also insg. 4:4 Punkte, also ausgeglichen - aber: Ich hatte bei der deutschen Luftrüstung nur die Bomber / Stukas berücksichtigt und gehe bei dieser Rechnung in der Annahme, dass die Zahl der deutschen Jäger (Bf 109 E) nicht signifikant ansteigt. Insofern: Es ist eine durchaus gewagte Rechnung, hier zwingend von einem westalliierten Erfolg auszugehen.
Schneemann