10.12.2020, 17:13
Zitat: Auch auf Armeeebene ist Taktik neuralgisch. Bedenke: Es gibt ja nicht nur Gefechtstaktik, sondern auch operative Taktik.
Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Wollte sagen: Je weiter oben in der Rangordnung die Fehler passieren, desto katastrophaler werden die Folgen in der Regel sein. Eines der Probleme dabei ist: Das Militär kann sich im Grunde nur um operative und taktische Fragen kümmern, während die wirklichen strategischen Fragen eigentlich in den Bereich der Politik fallen (müssen). Leider versteht es die europäische Politik ganz hervorragend, ihren diesbezüglichen Sachverstand (so vorhanden) ausgezeichnet zu verschleiern.
Zitat: Unter Napoleon gab es mehr als einmal die Besonderheit, daß Dragoner (berittene Infanterie) schwere Kavallerie-Attacken ritten - und zwar mit glänzendem Erfolg.
Die schwere Kavallerie (sie war auch die teuerste) war exklusiv dem Adel oder jedenfalls Abkömmlingen von Stand vorbehalten. Die sehr viel "billigeren" Dragoner waren geringeren Standes. Sie waren aber auch kampftüchtiger - eine Situation wie Du sie hier beschreibst. Und sie haben ohne entsprechende Ausbildung, ohne entsprechende Ausrüstung und ohne entsprechende Pferde erfolgreich Kavallerieattacken nach Art der schweren Kavallerie unternommen - erfolgreich. Warum? Man könnte salopp sagen: Weil sie es können. Sie wollten den Ruhm des triumphalen Durchbruchs nicht den "Schnöseln" überlassen. Waren diese doch nur materiell überlegen. Personell wäre die schwere Reiterei, so könnte man nun sagen, womöglich besser mit den hartgesottenen und naturverbundenen "einfacheren" Leuten besetzt.
Aber: Die Wirkweise der schweren Kavallerie ist eben nicht abhängig von dieser Art Menschentypus. Die so gefährliche schwere Kavallerie ist und bleibt gefährlich wegen vielem, aber bestimmt nicht maßgeblich von dem urigen Typ an Reiter.
Kürassiere hatten ihren Ursprung in der schweren Adelskavallerie und Dragoner sind aus berittener Infanterie hervorgegangen, völlig richtig. Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts waren Dragoner jedoch bereits in der Masse als Kavallerie einzusetzen und bildeten - etwa im britischen Heer - sogar ausschließlich die schwere Kavallerie. Der Unterschied zu Dragonern bestand vielerorts (außer in Preußen, wo er erst im Verlauf der Befreiungskriege wieder angelegt wurde) darin, dass Kürassiere eben einen Kürass trugen und vielleicht in geringem Maße mit noch etwas stärkeren Pferden und Rekruten versehen wurde als die Dragoner. Die Rekruten der Kavallerie konnten dabei sehr unterschiedlich sein, und es gibt schöne Berichte britischer Dragonerregimenter, in denen genug Mannschaften (teilweise in Gegenwart des Königs) mangels Reitkünsten von den Pferden plumpsten. Es gab nur extrem wenige Regimenter, die sich auch bei den Mannschaften ausschließlich aus gehobenen Schichten rekrutierten - bei den Franzosen etwa ab 1812 die wenig erfolgreichen Gardes d’honneur de la Garde impériale (leichte Kavallerie, nebenbei bemerkt). Das große Problem der Franzosen ab 1812 bestand ja gerade in einem Mangel an guter Kavallerie - weil diese sich eben nicht so schnell ergänzen ließ wie Infanterie. Hätte Napoleon 1813/1814 noch die Kavallerie von 1809 gehabt, so hieße meine Gegend wohl nach wie vor "Departement des Bouches de Weser".
Zitat: Scharfschützen und Fernaufklärer haben ebenfalls niemals den nötigen Bewegungsradius ... erst recht nicht, wenn der Gegner motorisiert ist. Nun könnte man einwenden, daß leichte Infanterie ja nicht einfach aus Scharfschützen und Fernaufklärern besteht. Aber an diesen beiden Gefechtsfeldrollen kann man eingängig zeigen, daß es um Einsatzweisen geht. Oder vielleicht noch eingängiger: Samurai gegen Ninja. Ein Samurai exponiert sich bewusst (deshalb auch die Rüstung), ein Ninja will grundsätzlich nicht wahrgenommen werden. Dies gilt für Gefechtsfeldaufgaben. Sollte leichte Infanterie aus irgendeinem Grund als Patrouilleure über weitläufiges Terrain fungieren müssen, sind diese für diese Aufgabe und während der gesamten Dauer mit entsprechenden Fahrzeugen inkl. Bordpersonal auszustatten. Es ist eine Zweckentfremdung, die aber sehr, sehr leicht erreichbar ist. Dann hat man etwa im Beispielland Mali so etwas wie die frühere südafrikanische Koevoet.
Zuzüglich zur Option einer ad-hoc - Motorisierung (grundsätzlich würde auch nichts dagegen sprechen, diese gleichfalls mit dem im Land vorhandenen Material wie z.B. Pickups durchzuführen - noch sind Führerscheine ja einigermaßen weit verbreitet, auch wenn selbst das bei vielen jungen Großstädtern schon bröckelt) bieten Drohnen natürlich die Möglichkeit, den Aufklärungs- und Schlagradius leichter Infanterie erheblich zu verbessern. Ein System wie die IAI Rotem wiegt mit sechs Kilogramm auch nicht mehr als ein Maschinengewehr oder ein leichter Mörser und kann sowohl zur Aufklärung als auch zum Angriff verwendet werden - mit optionaler Rückkehrfähigkeit. Ein derartiges System pro Zug sollte auch im Einsatz zu Fuß mitführbar sein, und sei es nur, um das Lagebild der Zugführung zu verbessern. Braucht man noch mehr Reichweite, so könnte man auf die IAI Green Dragon zurückgreifen - fünfundzwanzig Kilogramm Gewicht sind zwar nicht von Pappe (zumal das Steuerungsgerät sicherlich auch noch einiges auf die Waage bringt), aber im Rahmen des von Quintus angedachten Drohnen-Zuges könnte derartige Loitering Munition durchaus ihren Platz finden.