13.08.2007, 11:59
Thomas Wach schrieb:Allerdings sollte man mit dem Rausschmiss vielleicht doch noch etwas warten, denn was passiert wohl, wenn die US-Truppen weg sind? Dann gibt es eben statt amerikanischer Tote noch mehr irakischer Tote...Ein Reporter vor Ort hat da ne klare Meinung zu:
Zitat:Er ist einer der dienstältesten und erfahrensten Kriegskorrespondenten. Pulitzerpreisträger John F. Burns beobachtet in Bagdad den Irak-Krieg. Die Lage sei düster. Aber der hoch dekorierte Journalist sieht auch Anlass zur Hoffnung.<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.weltwoche.ch/artikel/?AssetID=17062&CategoryID=62">http://www.weltwoche.ch/artikel/?AssetI ... egoryID=62</a><!-- m -->
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Wenn nun der Kongress und die Vereinigten Staaten klarmachen würden, dass die USA auf zwei oder drei Jahre hinaus mit den gegenwärtigen Truppenbeständen im Irak bleiben, würde dies einer politischen Lösung förderlich sein?
Leider ist die Antwort darauf wahrscheinlich: nein. General Casey, General Petraeus und Botschafter Crocker sind in dieser Beziehung auf der Hut. Sie sind sich bewusst, dass man unter den Füssen der irakischen Führer so etwas wie ein Feuer anzünden muss, um sie zum Handeln zu zwingen. Es ist dies wirklich ein kaum lösbares Rätsel. Das Letzte, was man tun sollte, ist, dass man die irakische Führung, die ohnehin zu Passivität neigt, glauben lässt, die Frist für den Abzug sei um drei Jahre zurückgesetzt. Man sollte der irakischen Führung sagen: «Wenn ihr euch zusammenrauft und an diesen Benchmarks arbeitet, dann werden wir euch weiter militärisch unterstützen.» Nur scheint der amerikanische Kongress die Geduld verloren zu haben. Die Stimmung im Kongress, wie ich sie von Bagdad aus einschätze, ist so, dass mindestens diejenigen Abgeordneten, die den Vorstoss für einen raschen Truppenabzug anführen, nicht mehr an Fortschritten der irakischen Regierung interessiert sind. Sie sind zum Schluss gekommen, dass der Krieg verloren ist und es Zeit ist abzuziehen. Und sie können sich in dieser Lesung der Lage auf starke Argumente stützen.
Glauben Sie, dass der Krieg verloren ist?
Nein, ich glaube es eigentlich nicht. Ich glaube, dass der Krieg nahe daran ist verlorenzugehen, aber ich glaube nicht, dass alle Hoffnung vergeblich wäre. Ich glaube auch, wie viele meiner Kollegen in den Medien hier in Bagdad, dass ein beschleunigter früher Abzug amerikanischer Truppen, der darin münden würde, dass die Kämpfe in den Städten und deren Umgebung den Irakern überlassen würden, sehr, sehr rasch zu einem offenen, totalen Bürgerkrieg führen würde. Die Leute, die für einen solchen raschen Abzug eintreten, sollten sich dies vor Augen halten.
Sie haben von vielen Kriegsschauplätzen aus berichtet, aus Sarajevo, aus Afghanistan. Wenn Sie von einem erdbebenartigen Bürgerkrieg sprechen, was meinen Sie damit? Wie würde sich ein Bürgerkrieg nach einem amerikanischen Abzug mit andern Kriegen vergleichen lassen?
Niemand weiss, wie viele Leute im Irak bisher gestorben sind. Ich würde schätzen, was die Zivilbevölkerung anbelangt, dass es zwischen 100000 und 150000 sind. Die Zahl könnte auch höher sein, aber kaum 700000, wie gewisse Schätzungen behaupten. Ich weiss, dass unter hohen amerikanischen Beamten und Militärs hier, die sich über die Folgen eines amerikanischen Truppenabzugs und eines totalen Bürgerkriegs Gedanken gemacht haben, die Zahl von einer Million irakischen Toten genannt wird. Natürlich ist dies hypothetisch. Wie können sie dies wissen? Aber man darf die Möglichkeit nicht ausschliessen. Und dann stellt sich die Frage, ganz abgesehen von den katastrophalen Folgen, die ein solcher Bürgerkrieg für den Irak und die Region haben würde, welches die Auswirkungen für die amerikanische Glaubwürdigkeit, für die amerikanische Macht auf der Welt und für das amerikanische Selbstverständnis sind. Dies sind extrem schwierige Fragen, und ich, der ich hier in Bagdad sitze, habe keine klugen Antworten darauf. Glücklicherweise bin ich als Reporter nicht dafür bezahlt, weise Ratschläge zu geben, sondern nur zu beobachten. Manchmal danke ich Gott, dass ich nicht im Senat oder im Repräsentantenhaus sitze und die Verantwortung habe, in dieser Frage meinen Stimmzettel in die Urne zu legen.
Der ganze Artikel ist lesenswert.