Sechster Nahostkrieg
Aus meiner Perspektive gibt es hier wenig Potenzial. Der ganze Diskurs verläuft im Tenor in einer derartig kalt menschen- und rechtsverachtenden Weise, dass ich mich davon distanzieren will, statt teilzuhaben. Und damit das nicht mißverstanden wird: Da beziehe ich ausdrücklich diejenigen, die sich "moderat" wähnen, mit ein. Die mit technischen Vokabeln euphemisierende Sprache, die gelegentlich vorgeschützt wird, macht es nicht besser; im Gegenteil.

Auch bezieht sich das nicht nur auf dieses Forum, sondern auf den größten Teil der, wenn ich sie mal so nennen möchte, deutschsprachigen "Sicherheitsszene". Ich sage ehrlich: Angesichts dessen, was aktive und ehemalige Soldaten, auch Offiziere im o.g. Spektrum öffentlich kundtun, wächst bei mir zusehends die Scham darüber, jemals eine deutsche Uniform getragen zu haben. Und das, obwohl ich im Bekanntenkreis lange Zeit jemand war, der die deutschen Streitkräfte gegen Kritik zu verteidigen suchte.
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Ich fände es sehr schade, wenn du gehst, gerade eben weil du hier eine völlig andere Position hast. Ganz im Gegenteil, wäre deine Perspektive ja wesentlich um dem was du hier kritisierst eine menschlichere Gegenposition entgegen zu stellen. Das meine ich aufrichtig ernst !

Und meiner Überzeugung nach verstehst du mich falsch ! Beispielsweise gehöre ich zu denen hier, die seit Jahren für die Palästinenser einen eigenen Staat fordern etc. Die Maßnahmen welche du hier offenkundig als gegen die Palästinenser gerichtet siehst, sind im Gegenteil allesamt dazu gedacht die palästinensische Zivilbevölkerung zu schützen.

Und dazu gehört unter anderem, dass die Hamas vollständig ausgeschaltet und zerschlagen werden muss, weil diese eine Terrorgruppe ist, die vor allem anderen auch die palästinensische Zivilbevölkerung terrorisiert und unterdrückt. Es wurden über die Jahre eventuell mehr Palästinenser von der Hamas ermordet als Juden. Diese Terrorgruppe ist gerade eben für die Palästinenser katastrophal, viel mehr als für Israel.

Zitat:Zwangsverbringung von Millionen von Zivilisten in Internierungslager in der Wüste

Was ist die Alternative ?! In Gaza sind inzwischen insgesamt 60 bis 70 % aller Gebäude zerstört, die Wasserversorgung ist unzureichend und wird in Kürze in weiten Teilen gar nicht mehr funktionieren, dass Grundwasser reicht nicht, die Lebensmittel sind so knapp, dass man vom Beginn einer Hungersnot ausgehen muss und Israel will dennoch keinerlei Verantwortung für die Zivilbevölkerung dort übernehmen !

Was soll also aus den Zivilisten in Gaza werden? Wie sollen diese überleben? Sollen sie weiter der militärischen Gewalt dort ausgesetzt sein? Wie lange?

Man müsste angesichts der extremen Umstände in Gaza meiner Einschätzung nach nicht einmal Zwang anwenden, die Menschen würden stattdessen dort sofort jede Fluchtoption nutzen.

Zitat:"Aussortierung" von "Hamas-Angehörigen" (und dann? Lebenslange Haft für diese Zugehörigkeit? Sonderbehandlung?)

Ein Gerichtsverfahren und eine entsprechende Strafe, und falls gar nichts vorliegt als nur die Zugehörigkeit wegen Zugehörigkeit in einer terroristischen Vereinigung. Die bloße Mitgliedschaft in der Hamas kann selbst nach deutschem Strafrecht mit bis zu 10 Jahren Haft bestraft werden, nur mal so am Rande.

Zitat:Marionettenregime für diejenigen Zivilisten (wobei als Zivilisten nur diejenigen gelten, von denen die Besatzungsmacht keinen Widerstand erwartet), denen die Rückkehr erlaubt wird - aber mit strikter Kontrolle des Lebensnotwendigen durch Besatzungsmacht.

Nein, eben kein Marionettenregime - wie es beispielsweise die Fatah im Westjordanland ist. Und du lässt hier mal einfach weg, dass ich explizit die Anerkennung eines freien Staates Palästina zunächst mal auf dem Gebiet des Gazastreifens gefordert habe.

Und die Israelis sind eigentlich rechtlich dazu verpflichtet das Lebensnotwendige für die Zivilisten zur Verfügung zu stellen und sie tun dies eben nicht !

Zitat:Extralegale Hinrichtungen von wiederum allein durch die Zugehörigkeit zu Hamas definierten Staatsfeinden, völkerrechtswidrig auf dem Territorium anderer Staaten.

Solches Feindstrafrecht ist LEIDER zwingend notwendig, sonst wird man auf Dauer gegen jedweden inakzeptablen Feind verlieren und die Folgen davon werden wesentlich drastischer sein. Wenn man die Hintermänner, Finanzleute, Führungskader usw. nicht ausschaltet, wird die Lage auf Dauer noch wesentlich schlimmer und sind Folgekriege unvermeidlich, in denen dann nur noch sehr viel mehr Menschen sterben werden.

Und es ist keine extralegale Hinrichtung im Krieg die Verantwortlichen des Feindes zu töten wenn dieser nicht kapituliert und sich in Kriegsgefangenschaft begibt und in Bezug auf Terrorgruppen schon gleich mehrfach nicht, weil das gesamte Recht welches Kombattanten und Zivilbevölkerung schützt für diese nicht gilt.

Und Israel ist im Krieg mit der Hamas, so einfach ist das. Und wer hindert die Hamas daran zu kapitulieren ?! Außer ihren Führern welche vor allem anderen Gelder veruntreuen, veruntreute Milliardenbeträge im Ausland horten und sich in Katar und Dubai ein Luxusleben gönnen während die Zivilbevölkerung in Gaza nicht einmal mehr genug Wasser hat ? Die sollen also davon kommen und weiter im Luxus schwelgen ?!

Weil das moralischer ist die Schuldigen nicht zu bestrafen und die Unschuldigen beliebig weiter leiden zu lassen ?


Allgemein:

Die Zivilisten im Gazastreifen steuern aktuell auf eine humanitäre Katastrophe sondergleichen zu. Und wenn Israels seine absurd dumme Militäroperation einfach so verblödet wie bisher weiter führt, mit der gleichen Hybris und Ignoranz wie bisher, dann ist dies zweifelsohne ein Verstoß gegen die rechtlichen Pflichten welche Israel hier als Kriegspartei gegenüber der Zivilbevölkerung hat. Und wenn die Israelis hier nicht selbst in die Gänge kommen, stünde es wenigstens Europa gut zu Gesicht auf dem Gebiet Israels entsprechende Auffanglager für die Zivilbevölkerung zu errichten, damit diese dort versorgt werden kann, damit diese dort in Sicherheit ist vor der militärischen Gewalt und damit sie nicht weiter im Gazastreifen den ununterbrochenen Kriegshandlungen ausgesetzt wird.

Das Hauptproblem ist diese unerträgliche Inkompetenz und Arroganz der Israelis in Bezug auf ihre Strategie. Die ja überhaupt erst zu der aktuellen Katastrophe geführt hat.

Israel hat keinerlei Plan, ja nicht mal irgendeine Absicht überhaupt einen Plan aufzustellen, was nach dem Krieg geschehen soll und die militärischen Operationen sind mehr von bloßer Rache getrieben ala Caesarea als von irgendeiner sinnvollen politisch-militärischen Strategie. Und damit ist alles was Israel hier treibt größtenteils sinnlos und wird schlussendlich in einem Sieg der Hamas münden. Auf Kosten der palästinensischen Zivilisten.

Der Sieg der Hamas in diesem Krieg aber wird Israel langfristig gesehen noch so richtig schaden, mehr als jedwede Kosten die man jetzt hätte wenn man wenigstens versuchen würde irgendeine halbwegs sinnvolle Strategie umzusetzen.

Kürzest und einfach:

Israel verliert gerade diesen Krieg - und wird daher, genau deshalb schon in naher Zukunft weitere Kriege führen müssen, und existenziellere Kriege !
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(02.03.2024, 23:10)Quintus Fabius schrieb: ...
Solches Feindstrafrecht ist LEIDER zwingend notwendig, sonst wird man auf Dauer gegen jedweden inakzeptablen Feind verlieren und die Folgen davon werden wesentlich drastischer sein. Wenn man die Hintermänner, Finanzleute, Führungskader usw. nicht ausschaltet, wird die Lage auf Dauer noch wesentlich schlimmer und sind Folgekriege unvermeidlich, in denen dann nur noch sehr viel mehr Menschen sterben werden.
...
Du unterschätzt den Wert, den "westliche Werte" wie die Rechtsstaatlichkeit gegenüber anderen Kulturen ausüben.
Wer sich auch im Krieg an seine eigenen humanistischen Grundsätze hält, der gewinnt letztendlich.

Nimm als Beispiel den WK II:
westliche Alliierte (USA) sind ganz anders und viel humaner mit dem Gegner und den gefangenen Wehrmachtssoldaten umgegangen als östliche Aliiierte (UdSSR).
Das Ergebnis war, dass der Widerstand im Westen zusammen gebrochen ist während im Osten "bis zur letzten Patrone" Widerstand geleistet wurde. Wer es machen konnte, wollte sich lieber den Westfeinden ergeben als der sowjetischen Seite.

Und auch in den letzten Jahrzehnten hat diese "humanistische Handlungsweise" das globale Weltgeschehen dominiert, während die Nachfolger von Stalins Gewaltherrschaft letztendlich vor den Scherben dieser Herrschaft stehen.
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Man könnte nun die Frage stellen, wie humanistisch die westliche Kriegsführung in Korea war, wie sie in Vietnam war, wie humanistisch man mit den Irakern in Falludscha umgegangen ist die man mit weißem Phosphor aus ihren Wohnhäusern heraus gebrannt hat und vieles mehr, aber dessen mal völlig ungeachtet:

Die Hamas ist kein Staat der ebenfalls nach den Regeln spielt sondern eine extremst verbrecherische Terrororganisation deren Taten sie außerhalb jedweden Rechtes gestellt haben.

Ihre Rechtlosigkeit ergibt sich daraus, dass sie selbst kein Recht einhält. Die Kombattanten der Hamas haben daher ihren geschützten Status durch ihre Handlungen selbst verwirkt und das ist Rechtsstaatlich so ganz eindeutig geregelt. Das ist Rechtsstatlichkeit.

Zuvorderst und noch vor allem anderen aber muß eine Lösung für die palästinensische Zivilbevölkerung her. Und Israel zeigt ganz klar auf, dass es weder eine Lösung will noch Interesse daran hat überhaupt irgendeinen Plan für die Zivilbevölkerung auch nur mit zu entwickeln. Und das ist hier vor allem anderen das Problem.
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(02.03.2024, 23:10)Quintus Fabius schrieb: Ich fände es sehr schade, wenn du gehst,
Ich nicht, und ich habe keine Lust, als Feigenblatt herzuhalten. Wenn ich einen Begriff wie "Feindstrafrecht" für Meuchelmord schon höre, kommt mir die Galle hoch. "Feindstrafrecht" wendet Hamas auf Israelis auch an - die sind nur nicht so gut darin, ihr Mördertum zu verschwurbeln.
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Gegenteilige Meinungen sind deshalb relevant, damit man die eigene Position überhaupt erst mal hinterfragen kann und Gegenargumente hört. Das hat rein gar nichts mit Feigenblatt etc zu tun!

Stichwort Argumente: Wie soll den deiner Ansicht nach das Problem dort gelöst werden? Wie die Zivilbevölkerung welche gerade eben (hier und jetzt) verhungert in den nächsten Wochen überleben? Wie soll sie vor weiterer militärischer Gewalt geschützt werden? Wie sollen die Verantwortlichen der Hamas sonst zur Rechenschaft gezogen werden?

Oder was wäre dein Plan sonst? Siehst du kein Problem darin, dass die Hamas einfach weiter besteht, praktisch gesehen siegt auf Kosten ihres eigenen Volkes, nur um dann weitere Folgekriege vom Zaun zu brechen? Hast du überhaupt irgendwelche Ideen diesbezüglich, außer alle dort als Mörder zu bezeichnen?

Und inwiefern löst moralische Entrüstung das Problem dort und inwiefern rettet emotionales Unbehagen dort das Leben palänstinensischer Zivilisten? Was nämlich mein ausdrückliches Ziel wäre !

Was für praktische Vorschläge hättest du, um dort irgend etwas besser zu machen als es jetzt ist ?
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Die Siedlerbewegung in Israel zündelt nun auch im Gazastreifen herum:

https://taz.de/Krieg-in-Gaza/!5993272/

Zitat:Ende Januar nahm rund ein Drittel des Kabinetts, einschließlich Mitgliedern von Netanjahus Partei Likud, an einer Konferenz zur Wiederbesiedlung des Gazastreifens teil. Die Organisatoren hatten sie „Siedlungen bringen Sicherheit“ genannt.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte zwar mehrfach, sein Land habe „nicht die Absicht, den Gazastreifen dauerhaft zu besetzen oder die Zivilbevölkerung zu vertreiben“. ­Dennoch gelang es in dieser Woche Dutzenden Aktivisten der Siedlerbewegung, die Grenze zum Gazastreifen zu durchbrechen und einen halben Kilometer in den Küstenstreifen vorzudringen, bevor sie von der Armee gestoppt und zurückgebracht werden.

Aufgewachsen sind die Frauen in Kerem Atzmona, einem bis zu seiner Räumung selbst nach israelischem Recht illegalen Außenposten der national-religiösen Siedlerbewegung in Gaza. Er lag neben der palästinensischen Stadt Chan Junis, in der in diesen Tagen israelische Soldaten operieren. „Das israelische Volk muss jetzt verstehen, dass das Land dort uns gehört“, sagt Hodaya. „Es kann keinen Sieg geben, ohne dass wir nach Gaza zurückkehren. Und wir sind bereit.“ Die Palästinenser könnten „auch in die Türkei oder nach Ägypten oder in ein anderes islamisches Land gehen“, sagt sie.

Die Zufahrt zum Grenzübergang Kerem Schalom auf halbem Weg zwischen Bnei Netzarim und Rafah ist durch einen Militärcheckpoint versperrt. Dennoch gelingt es Mitgliedern religiös-nationalistischer Gruppen regelmäßig, in die Nähe des Übergangs vorzudringen und Hilfslieferungen zu blockieren. Die Aktivisten gehören zum rechten Rand der Gesellschaft, doch ihre Forderung, die humanitäre Hilfe einzustellen, bis die Geiseln freigelassen wurden, tragen laut einer Umfrage des Israel Democracy Institute 68 Prozent der jüdischen Israelis mit.

Und noch eine Abstrusität am Rande:

https://www.tagesschau.de/ausland/amerik...d-100.html

Zitat: Weil Deutschland Israel politisch und militärisch unterstützt und UNRWA-Gelder gesperrt hat, hat Nicaragua die Bundesrepublik vor dem Internationalen Gerichtshof verklagt. Der Vorwurf: Begünstigung zum Völkermord.

Das mittelamerikanische Nicaragua hat Klage vor dem höchsten UN-Gericht gegen Deutschland eingereicht. Es wirft der Bundesrepublik "Begünstigung zum Völkermord" im Gazastreifen vor. Das autoritär regierte Land begründete seinen Schritt mit der politischen, finanziellen und militärischen Unterstützung Israels durch Deutschland und der Streichung der Mittel für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA, wie der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag mitteilte.

Billige Retourkutsche wegen der EU Sanktionen gegen Nicaragua welche aufgrund von Menschenrechtsverletzungen durch diese Diktatur erlassen wurden. Am einfachsten wäre es nun Nicaragua wegen seiner Unterstützung Russlands zu verklagen.
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(03.03.2024, 00:28)Quintus Fabius schrieb: Wie soll den deiner Ansicht nach das Problem dort gelöst werden?
Netanjahu und sein gesamtes Kabinett erschießen. Desgleichen alle höheren Offiziere der IDF. Für den Anfang.
(Ich warte btw hier nur noch darauf, dass mein Account gelöscht wird und dieses Trauerspiel ein Ende hat.)
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Da es dein ausdrücklicher Wunsch ist hiermit für dich getan.
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Zitat: Die Zivilisten im Gazastreifen steuern aktuell auf eine humanitäre Katastrophe sondergleichen zu.
Naja, eine humanitäre Katastrophe ist das für die Zivilbevölkerung schon seit wenigstens November.
Das es aber jetzt unmittelbar zu einer deutlichen Verschärfung der humanitären Lage kommt und die Zivilisten dort in Massen verrecken werden sehe ich nicht.

Die Lage ist für die Zivilisten dort zweifellos alles andere als erträglich, man könnte durchaus (medienwirksam) noch mehr tun, aber das Bild das hier aktuell durch NGOs und Medien im wohlkoordinierten Konzert gezeichnet wird verzerrt die Realität doch zusehends.

Ein Beispiel. Spiegel-Artikel von heute morgen:
https://www.spiegel.de/ausland/us-nahrun...c0e14f9968
Zitat: Vor dem Krieg hat Israel am Grenzübergang von Kerem Schalom durchschnittlich etwa 500 Lastwagen pro Tag inspiziert und in das abgeriegelte Gebiet passieren lassen. Seit Kriegsbeginn ließ Israel im besten Fall knapp 200 Laster pro Tag in die Enklave, an manchen Tagen waren es nur vier oder neun – während die Not der Menschen mit Zehntausenden Kriegsversehrten und der kaputten Infrastruktur dramatisch zugenommen hat. Es wären somit weit mehr als 500 Laster pro Tag erforderlich.

In 2022 erreichten 74.000 Lastwagenladungen aus Israel den Gazastreifen. Aus Ägypten waren es nur 32.000. Das sind aus Israel 200 pro Tag, zieht man Sonn- und Feiertage ab irgendetwas knapp über 300. Jedenfalls nicht 500.
Von diesen (zusammen) über 100.000 Lastwagenlieferungen vor dem Krieg entfielen dann ledilgich 25% auf Nahrungsmittel und 6% auf andere Vebrauchsgüter. 50% entfielen auf Baumaterial ... ...
Entsprechend lag die Quote der Überlebenswichtigen Güter vor dem Krieg bei vielleicht einem Drittel, 35.000 Lastwagenladungen pro Jahr oder vielleicht 100 pro Tag.
Nun ist es freilich so, dass der Bedarf an Überlebenswichtigen Gütern höher ist als vor dem Krieg, gleichzeitig geht es aber 'nur' darum das Überleben der Zivilbevölkerung zu sichern, nicht darum ein viel- und reichhaltiges Angebot zu Verfügung zu stellen.
Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds erreichten zwischen Oktober und Anfang Februar durchschnittlich 94 Lastwagenladungen pro Tag den Gazastreifen.
Ich würde auch sagen, dass das strukturell zu wenig ist, aber die jetzigen Hilfslieferungen liegen durchaus in den größenordnung die nötig ist um ein Überleben der Zivilbevölkerung zu ermöglichen.

Das eigentliche Problem sind dann nicht, dass Israel Lieferungen überlebenswichtiger Güter blockiert, sondern das die zivile Ordnung weitgehend zusammengebrochen ist und die UN schlicht nicht die Kapazitäten hat, die freigegebenen Hilfsgüter zu verteilen.
Das liegt auch an absurden Situationen wie das die Zivilbevölkerung selbst in Gebieten in denen die IDF nicht operiert Lastwagen mit Hilfsgütern angreift. Zum Teil forciert das die Hamas auch noh, da sie eine sich verschärfende Lage gegen Israel ausspielen können.

Rein praktisch was man vor allen Dingen tun müsste: Eine Lösung für den Norden finden. Die (wenigen) verbliebenen Menschen dort können aus dem Süden nicht erreicht werden. Es wäre sinnvoll bzw. geboten hier aus Israel direkt in den Norden Hilslieferungen zu schicken. Genauso ist hier aber auch die Versorgung aus der Luft geeignet für relative Entspannung zu sorgen.

Mittelfristig wird es sowieso zu einem mehrwöchigen Waffenstillstand kommen mit dem sich die Situation wenigstens lokal weiter entspannen wird.

https://www.ochaopt.org/content/movement...-gaza-2022
https://twitter.com/PalestineRCS/status/...ef_src=tws
https://twitter.com/visegrad24/status/17...9316783182
https://twitter.com/MarinaMedvin/status/...1055209895
https://www.jpost.com/israel-hamas-war/article-789216
https://www.timesofisrael.com/israel-sla...perations/
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Werter Nightwatch:

Zitat:Die Lage ist für die Zivilisten dort zweifellos alles andere als erträglich, man könnte durchaus (medienwirksam) noch mehr tun, aber das Bild das hier aktuell durch NGOs und Medien im wohlkoordinierten Konzert gezeichnet wird verzerrt die Realität doch zusehends.

Ich weiß nicht so recht. Mein rein persönlicher Eindruck ist, dass die Lage der Zivilisten zunehmend inakzeptabel ist. Meiner Meinung nach wäre es aus einer ganzen Reihe von Gründen besser, sie aus dem Gazastreifen zunächst mal zu evakuieren. Oder als mindestes im Norden (wo teilweise über 70% der Häuser zerstört sind) entsprechende Auffanglager zu etablieren. Das hat nicht nur den Sinn, die Zivlisten zu retten, sondern auch sie unter kontrollierten Bedingungen von unter ihnen getarnten Hamas-Angehörigen zu befreien.

Meiner Meinung nach tut Israel zu wenig und hat keinen wirklichen Plan wie es mit dem Gaza Streifen überhaupt weiter gehen soll. Und da ganz offenkundig keine auswärtige Macht hier mit ernsthaft reinreden und handeln will, wäre es halt die Aufgabe Israels sich darum zu kümmern. Ich verstehe schon warum man dies nicht tun will, aber ich sage es ganz offen: die aktuelle israelische Strategie ist kurzsichtig und falsch. Sie ist schlicht und einfach dumm und zu sehr von Rache geprägt und zu wenig von nüchternen strategischen Überlegungen.

Israel hat hier meiner Meinung nach versagt und das wird noch dazu führen, dass die Hamas praktisch gesehen siegt.


KongoErich:

Mir ist noch ein Vergleich eingefallen, spezifisch in Bezug auf 2WK und die Westalliierten. Wie gingen diese mit Angehörigen des Werwolf um?! Hat man Werwolf Angehörige also nach heutigen Maßstäben behandelt ?!


Allgemein:

Ich bin der Überzeugung, dass die Niederkämpfung der Hamas - mit einer gleichzeitigen Anerkennung eines freien (!) Staates Palästina im Gazastreifen dazu führen könnte, dass sich hier etwas nachhaltig ändert. Damit hätte ein Staat Palästina in Gaza vor allem anderen Hoheitsgewässer und wäre damit eben nicht so abgeriegelt wie es der Gaza Streifen durch die israelische Blockade zu Land, in der Luft und auch zur See jahrelang war und ist. Nur so könnte man dort überhaupt eine funktionierende Gemeinschaft und Gesellschaft etablieren.

Die Isrealis und ihre Apologeten weisen das natürlich immer zurück, aber ihr Fatalismus und ihre völlige Resignation sind auch keine Lösung. Und sie machen es sich schon sehr bequem in ihrem Fatalismus: Geht nicht, wird nie gehen, also müssen wir auch gar nichts tun. Das ist eine Logik welche schlussendlich die überlebensfähigkeit von Israel in Frage stellt.
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Die Situation is an verschiedenen Stellen des Gazastreifens sehr verschieden. Im Süden bei Rafah ist die Lage angesichts der Umstände akzeptabel. Genauso in der Mitte des Streifens, an der Küste oder in Ortschaften und Stadtbezirken in denen bislang nicht operiert wurde. Im unmittelbaren Kampfgebiet um Khan Yunis ist die Lage erwartbar schlecht. Und im Norden ist sie zunehmend katastrophal. Die dortige Zivilbevölkerung hatte allerdings auch Monate Zeit das Gebiet zu verlassen und hat sich selbst nach vielen Warnungen und dann dort ebentauch extremen Zerstörungen der Infrastruktur geweigert, in intaktere Abschnitte des Gazastreifens zu flüchten.
Entsprechend leiden sie jetzt unter den Folgen dieser Entscheidung. Man kann nun natürlich Israel kritisieren die dort verbliebene Bevölkerung nicht besser zu versorgen. Das ist ein Stück weit legitim. Allerdings gilt auch: Die Israelis sind mitnichten verpflichtet (schon garnicht unilateral wenn sich die Hamas dem auch noch verweigert) in allen Regionen des Gazastreifens für auskömmliche Verhältnisse für die Zivilbevölkerung zu sorgen. Es ist in einem Krieg absolut statthaft von der Zivilbevölkerung zu verlangen, gewisse Abschnitte eines Kampfgebietes zu räumen und dort dann auch keine Versorgung zu ermöglichen oder selbst aktiv durchzuführen. Zumindest solange der Zivilbevölkerung halt andere Abschnitte zum ausweichen angeboten werden, was ja der Fall ist.
Insofern ist das Wehklagen darüber, dass Israel in den vernichteten Bezirken von Gaza-Stadt keine Versorgung gewährleistet, nachdem die Bevölkeruzng bereits vor Monaten angewiesen wurde das Gebiet zu verlassen ziemlich platt.

Ansonsten, deine beständige Forderung nach irgendwelchen Lagern - der Vorschlag hat handwerklich sicherlich seine Berechtigung, aber damit würden sie sich in der internationalen Arena nur noch schneller ihren Kredit verspielen.
Da hieße es dann, dass die IDF den Gazastreifen ethnisch säubert und die Palästinenser in irgendwelche Konzentrationslager steckt. Die Bildern die entstehen wenn das Militär die Zivilbevölkerung einsammelt und gewaltsam über die Grenze treibt wären verheerend.
Natürlich wäre es politisch klug ein paar Zeltstädte auf der israelischen Seite der Grenze aufzubauen und die Bevölkerung dort auf freiwilliger Basis zu versorgen bzw. durch Hilfsorganisationen versorgen zu lassen. Schlicht weil es sich auch medial gut auschlachten lässt. Aber eine Entnazifizierung lässt sich damit nicht betreiben, dazu wären Größenordnungen nötig die eben nicht umsetzbar sind.
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Werter Nightwatch:

Meiner Meinung nach verspielt Israel so oder so zur Zeit erheblich politisches Kapital und Kredit bei seinen Verbündeten. Zudem finde ich es keineswegs platt zu erklären, dass die israelische Armee für die Versorgung der Zivilbevölkerung zuständig ist, denn die Hamas ist eine verbrecherische Terrogruppe und Israel sollte sich zuvorderst als ein Befreier der Palästinenser von dieser Terrorgruppe verstehen und auch so präsentieren. Das tut man aber nicht, ganz im Gegenteil scheint man überhaupt keinen Plan zu haben der über primitive Rachegelüste hinaus geht (das Konzept von Caesarea 2.0 sozusagen). Ich finde es hingegen wohlfeil sich hier auf einen überspitzten Legalismus zurück zu ziehen und zu erklären, dass Kriegsvölkerrecht sehe wortwörtlich exakt dies oder jenes vor und mehr müsse man nicht tun. Die Bevölkerung hatte zudem in sehr vielen Fällen überhaupt keine Chance zu fliehen ohne sich ebenso einem extremen Risiko auszusetzen und es sind ja auch viele auf der Flucht getötet worden. Das ist keine Strategie, dass ist einfach mal gar nichts. Damit werden die Zerstörungen in Gaza weitgehend sinnlos, insbesondere wenn man es langfristig betrachtet.

Und sollte dein Fatalismus so zutreffen wie du es darlegst, dann gewinnt meiner Ansicht nach die Hamas diesen Krieg (im Sinne ihrer Zielsetzung).

Im übrigen finde ich deine Darstellung, dass es ja Ortschaften gäbe wo noch nicht operiert worden sei oder dass die Lage in der Mitte des Streifens akzeptabel sei etwas verfälschend. Es sind auch dort in immensen Umfang Zerstörungen durchgeführt worden. Die Lage ist eher katastrophal, und von dort ausgehend noch schlechter. Meiner Meinung nach unterschätzt du die Situation der Zivilbevölkerung dort.

Deine Kritik bezüglich der medialen und propagandistischen Ausschlachtung von Lagern kann ich jedoch nachvollziehen. Dann müssen solche eben im Gazastreifen selbst errichtet werden. Und natürlich darf man sie auf gar keinen Fall Lager nennen - sondern halt Zeltstädte und eingangs macht es auch Sinn dort alles auf freiwilliger Basis laufen zu lassen.

Und die Zivilbevölkerung würde dann auch sofort freiwillig in diese de facto Lager strömen, man muss sie halt mal zunächst als offene Zeltstädte zur Errettung der Unschuldigen deklariern. Denn die Lage ist derart katastrophal, dass die jede Hilfe, auch die von Juden annehmen würden. Allein schon der Vorfall mit den Lkw und den vielen Toten jetzt im Süden zeigt auf, dass selbst dort die Situation zunehmend außer Kontrolle gerät.

Und das wird ebenso ganz genau so propagandistisch / medial ausgeschlachtet. Landauf Landab wird das Vorgehen der IDF im Gazastreifen in allen muslimischen Ländern und noch in vielen weiteren Staaten bereits jetzt aktuell ständig nur noch als Genozid / Holocaust / schlimmstes Verbrechen der Geschichte usw bezeichnet. Von daher würden de facto Lager hier die Situation nicht schlimmer machen, wenn hier und heute schon die Brasilianer, Nicaragua oder Vietnam und viele weitere von Genozid faseln, und zwar auf offizieller Ebene der Regierung.

Es wäre dermaßen wesentlich, dass man als Befreier der Palästinenser von der Hamas auftritt - so wie die Westalliierten als Befreier der Deutschen auftraten. Und man benötigt irgendeine Perspektive wie es politisch mit den Palästinensern dort weiter gehen soll und sie einfach wieder der hochkorrupten diktatorischen Fatah auszuliefern wäre ebenso nur schlecht.

Kurz und einfach: man vertut seitens Israel aus Arroganz / Hybris / Ignoranz / blindem Rachedurst / Kurzsichtigkeit und fehlender politisch-strategischer Konzepte DIE Chance jetzt überhaupt mal etwas nachhaltig zu verbessern.

Wie schon mehrfach in unseren Diskussionen teile ich deinen Pessimismus und Fatalismus in Bezug auf die palästinensische Zivilbevölkerung so nicht.

Es wäre einfach viel mehr möglich. Und man tut es nicht - aus Planlosigkeit und weil man überhaupt keinerlei Vision der Zukunft mehr hat. Und aus Hybris weil man sich dem Feind in Wahrheit unendlich überlegen fühlt.

Aber der sich abzeichnende Sieg der Hamas wird langfristig noch wesentlich teurere Folgen nach sich ziehen, statt die Chance auf einen Neuanfang zu nutzen und aufzuzeigen, dass es auch eine andere Zukunft geben könnte.

Stattdessen lässt man sich selbstgefällig auf Legalismus und Fatalismus zurück fallen und geht davon aus, dass alles immer so weitergehen wird und weitergehen kann wie bisher und sieht nicht, wie auch noch die letzten Chancen die man noch hätte einem davon gleiten.

Beschließend:

Das Ziel müsste es sein, die Palästinenser von der Hamas zu befreien.

Stattdessen treibt man sie stärker den je der Hamas zu und überlässt sie in naher Zukunft dann erneut der Hamas.

Und als nächstes wird dann das Westjordanland fallen, gleichgültig wie sehr man die Fatah dort unterstützt und die Palästinenser dort niederhält.

Und dazu kommt der Krieg im Norden. Der meiner Meinung nach ausgehend vom Status Quo gerade unvermeidbar wird.

usw. usf.
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Es gibt ja einen "Plan" der Israelis für die Zeit nach dem Krieg, ohne dass überhaupt je wirklich definiert wurde, wie dieser Krieg endet und wie man aus ihm aussteigt. Stattdessen faselt Netanjahu den ich immer noch für einen der Verantwortlichen für dieses Desaster halte davon, dass man bis zum vollständigen Sieg kämpfen wird, was auch immer das sein soll. Aber allein schon der vorgestellte Plan für die Zeit nach dem Krieg spricht Bände:

https://www.nzz.ch/international/israel-...ld.1773001

Zitat:«Die Bewohner des Gazastreifens sind Palästinenser, daher werden palästinensische Organe die Verantwortung übernehmen – unter der Bedingung, dass es keine feindlichen Handlungen oder Drohungen gegen den Staat Israel gibt», sagte Gallant. Israel werde nicht für zivile Angelegenheiten verantwortlich sein. Gleichzeitig werde Israel die militärische Kontrolle über die Grenzen des Gebiets sowie das Recht behalten, weiterhin sicherheitspolitische Massnahmen zum Schutz des eigenen Landes zu ergreifen.

Also weiter Blockade und rigide Kontrolle des Zugangs, zu Land, zu See und in der Luft. Und gerade die ständige Einschränkung des Seezuganges hat jedwede wirtschaftliche und sonstige Möglichkeiten in Gaza zunichte gemacht und wird dies auch in Zukunft tun. Eigene Hoheitsgewässer für einen Staat Palästina mit der Möglichkeit frei Zugang zum Meer zu haben wären für die Zukunft wesentlich, genau dies wird von Israel verwehrt unter dem Hinweise auf die Sicherheit. Es gibt aber keine Sicherheit für Israel und diese wird auch so nur fortwährend immer weiter erodieren.

Zitat:Eine multinationale Truppe soll die Verantwortung für die Verwaltung ziviler Angelegenheiten und den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Gazastreifens übernehmen. Unter Führung der USA sollen sich daran auch europäische und moderate arabische Staaten beteiligen.

Israel übernimmt also weder Verantwortung noch will es die Kosten tragen. Andere sollen also für Israel bezahlen. Man übt die weiter eine totale Kontrolle aus, aber man übernimmt keine Verantwortung. Was ein extrem egoistisches und vor allem dadurch schlechtes Konzept ist. Es beantwortet auch die Frage nicht, warum sich die anderen Staaten darauf einlassen sollten.

Zitat:Auch das Nachbarland Ägypten soll eine zentrale Rolle übernehmen, indem es in Zusammenarbeit mit Israel den Grenzübergang Rafah in den Gazastreifen sichert.

Übersetzung: damit es kein Schlupfloch nach Ägypten gibt, soll sich Ägypten an der weiteren zukünftigen Blockade wie bisher beteiligen.

Zitat:Israel selbst werde weiterhin die Wareneinfuhr in den Gazastreifen überwachen. Zudem werde das Land Informationen bereitstellen, um die Koordination der zivilen Operationen der multinationalen Truppe zu ermöglichen.

Israel hat die Kontrolle und die anderen bezahlen. Ein sehr wohlfeiler Plan der nur noch weiter jedwedes politische Kapital Israels verspielt.

Zitat:In den vergangenen Wochen wurde zudem immer wieder berichtet, dass Israel die Schaffung einer Pufferzone auf der palästinensischen Seite des Grenzzauns zu Israel plane.

Also werden die Menschen dort noch perspektivloser auf noch weniger Raum zusammen gedrängt. Und man glaubt auf israelischer Seite anscheinend wirklich, dass dies die Sicherheit Israels erhöht. Dabei wäre ohne schwerstwiegende Fehler auf israelischer Seite selbst der Angriff der Hamas jetzt eigentlich gar nicht möglich gewesen.

Und egal was Israel da anstellt, da dieser "Plan" nur dazu führt, dass die Hamas wieder in Gaza regiert, werden entsprechend wieder Raketen nach Israel fliegen und sich nichts ändern. Außer das Israel viel verloren hat um nichts zu erreichen.
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(03.03.2024, 22:13)Quintus Fabius schrieb: Also werden die Menschen dort noch perspektivloser auf noch weniger Raum zusammen gedrängt. Und man glaubt auf israelischer Seite anscheinend wirklich, dass dies die Sicherheit Israels erhöht.

In Hongkong, Singapur usw. bekommen die Menschen auch nicht 5-7 Kinder pro Frau, wenn man sowieso schon auf einem dicht besiedelten Landstrich wohnt. Dass dort kein Platz mehr ist kann man nicht Israel in die Schuhe schieben, sondern der über die letzten Jahrzehnte völlig verantwortungslosen Geburtenpolitik in Gaza.
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