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Ich denke mal, dass die Streitkräfte eine auf einzelne Bundesstaaten beschränkte bürgerkriegsähnliche Situation durchaus bewältigen könnten. Einen landesweiten Bürgerkrieg dürfte es so im "klassischen Sinne" nicht geben, von einigen Hinterwäldlern in den Appalachen oder den Wäldern Oregons abgesehen, die aber auch die lokale Polizei in den Griff kriegen würde. Zumindest hat bspw. die Nationalgarde massive Ausschreitungen, wie etwa die Rodney-King-Riots 1992 oder auch die Lage nach Hurrikan Katrina 2005, recht zügig in den Griff bekommen. Zudem sind von diesen 400 Mio. Feuerwaffen die meisten Pistolen oder Flinten und keine Kriegswaffen, d. h. auch wenn medienwirksam mit Sturmgewehren bewaffnete Milizen sich in der Öffentlichkeit sehen lassen, so ist dies wiederum nicht die "private Standardausstattung" im Wandschrank und die Feuerkraft würde zwar für einen Bandenkrieg, aber nicht für einen Bürgerkrieg gegen ein regulär ausgestattetes Militär ausreichen.
Das Risiko sehe ich dann, wenn zunehmend Militärwaffen ins Spiel kämen. Wenn also etwa Militärs selbst Waffen an die Fraktionen der Auseinandersetzung verkaufen oder wenn gar aus dem Ausland Waffen ins Land geschmuggelt werden (bspw. von Ländern, die den USA Schaden zufügen wollen, indem sie einen Bürgerkrieg befeuern). Interessant als Vgl. hierzu wäre z. B. die Entwicklung in Nordirland während der Troubles zu betrachten. Zunächst hatte das britische Militär die Lage relativ gut unter Kontrolle (und genügend Flinten und Pistolen gab es da schon im Land), nach der politischen Verhärtung der Lage - v. a. nach dem "Blutsonntag" 1972 - kamen indessen mehr und mehr Kriegswaffen ins Land, darunter per Schiff geschmuggelte M60-Maschinengewehre, 12,7-mm-DShK-MGs, Semtex und RPG-7. Einen Teil dieser Lieferungen, wobei da Libyen die Finger drin hatte, konnten u. a. die Franzosen abfangen, aber eben nicht alles.
Und ab diesem Zeitpunkt, grob Mitte der 1970er, kippte die Lage und die Briten verloren nach und nach die Kontrolle. Sicherlich konnten sie nicht voll zuschlagen, es wären ja quasi die eigenen Bürger und Städte gewesen (in den USA wäre es ja genauso, wenn es zu einem Krieg zwischen radikalen Gruppen käme), aber am Ende stand eben ein Friedensprozess, der nicht vom Militär erzwungen wurde, sondern der durch innenpolitischen Druck entstand, nachdem die verschiedenen Milizen und Terrorsplittergruppen sich durch sinnlose und blutige Bombenanschläge völlig desavouiert hatten unter den Menschen auf beiden Seiten des Konfliktes. Zudem hatten die Briten fast 800 Militärangehörige verloren, während die Verluste der radikalen Konfliktparteien (durch britische Waffenwirkung, nicht bei Kämpfen untereinander) sich bei wohl ca. 300 bis 400 Mann bewegten.
D. h.: Die US-Streitkräfte werden ähnlich wie die Briten die Lage in den Griff bekommen können, so lange sich nur übergewichtige Milizionäre mit ihren Poser-Halbautomaten im Gangsterstyle bekämpfen, sobald aber tatsächliche Kriegswaffen ins Spiel kommen, könnte die Lage tatsächlich kritisch werden, da schlicht nicht voll zugeschlagen werden kann in den eigenen Siedlungsgebieten. Hier könnte es dann so sein, dass nur eine Kriegsmüdigkeit und der Zorn der Bevölkerung auf die beiden Konfliktparteien einen Frieden wieder erzwingen könnte.
Schneemann
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Es zeigt sich, überspitzt ausgedrückt, dass nicht nur Waffenfreizügigkeit und Übergewicht problematisch sein können hinsichtlich "Lebenserwartung", sondern dass auch Ignoranz durchaus verheerende Folgen haben kann...
Zitat:People in Republican Counties Have Higher Death Rates Than Those in Democratic Counties
A growing mortality gap between Republican and Democrat areas may largely stem from policy choices. [...]
During the COVID-19 pandemic, the link between politics and health became glaringly obvious. Democrat-leaning “blue” states were more likely to enact mask requirements and vaccine and social distancing mandates. Republican-leaning “red” states were much more resistant to health measures. The consequences of those differences emerged by the end of 2020, when rates of hospitalization and death from COVID rose in conservative counties and dropped in liberal ones. That divergence continued through 2021, when vaccines became widely available. And although the highly transmissible Omicron variant narrowed the gap in infection rates, hospitalization and death rates, which are dramatically reduced by vaccines, remain higher in Republican-leaning parts of the country.
But COVID is only the latest chapter in the story of politics and health. “COVID has really magnified what had already been brewing in American society, which was that, based on where you lived, your risk of death was much different,” says Haider J. Warraich, a physician and researcher at the VA Boston Healthcare System and Brigham and Women’s Hospital in Boston.
https://www.scientificamerican.com/artic...-counties/
Aber ich erinnere mich da auch an einen (Dokumentar-)Film, in dem es um die Theorie einer Erdscheibe ging (was natürlich Schwachsinn ist), wo Vertreter dieser These in den USA anmerkten, sie würden es nicht glauben, dass ihnen die Beine fehlten, so lange sie nicht von einer Bombe weggerissen würden...
Schneemann
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Schneemann:
In Bezug auf einen Bürgerkrieg / den bewaffneten Kampf gegen die eigenen Bürger sind die Streitkräfte in den USA keineswegs allesamt so ausreichend loyal zur Zentralregierung, dass man davon ausgehen kann, dass die Befehle dieser Regierung allesamt befolgt würden. Bei der Nationalgarde ist dies noch wesentlich fragwürdiger. Entsprechende Spannungen traten bereits vor kurzem bei Manövern auf, als beispielsweise der Gouverneur von Texas die Nationalgarde dort anwies Truppen der US Army bei einem Manöver zu begleiten und engmaschig zu beobachten, weil das Manöver von ihm als eine Aggression und Drohgebärde (ernsthaft) gegen Texas dargestellt wurde.
Desweiteren ist es keineswegs so, dass der Gros der 400 Mio aufwärts an Waffen einfach nur Pistolen und Flinten wären. Es sind völlig ausreichend Militärwaffen, teilweise sogar Maschinengewehre im Umlauf. Ebenso unterschätzt zu meiner Ansicht nach sowohl das militärische Niveau als auch den Umfang von Milizen und anderen paramilitärischen Gruppen in den USA.
Im weiteren steht in den vernetzten Artikeln explizit, dass der nächste Bürgerkrieg eben keineswegs die Form einer offenen militärischen Auseinandersetzung zwischen "Streitkräften" hätte, sondern ein landesweiter Guerilla- / Partisanenkampf wäre. Diese Auffassung habe ich ebenso und exakt darauf bereiten sich die entsprechenden Gruppen vor. Die Annahme, dass die Streitkräfte der Zentralregierung mit hunderttausenden schwer bewaffneten Guerillas im eigenen Land fertig werden könnten ist darüber hinaus abenteuerlich. Man ist ja nicht mal mit ein paar wenigen tausend Taliban fertig geworden, deren Können und Bewaffnung deutlich schlechter waren.
Die US Streitkräfte werden die Lage also keineswegs in den Griff kriegen, sondern mit einer Ausweitung des Aufstandes / Partisanenkrieges in den USA werden sie in Teilen zunehmend zu einer Quelle für die Aufständischen / Partisanen werden. Dazu kommt noch das reale Problem der Sezession von Bundesstaaten. Es gibt bereits hier und heute mehrere Bundesstaaten in denen eine starke Sezessionsbewegung aktiv ist. Sollte diese dort überhand nehmen, würde die Nationalgarde dieser Staaten zu einer Quelle für die Aufständischen was Kämpfer und militärisches Material angeht. Dann würde der Bürgerkrieg sehr schnell noch ganz andere Formen annehmen.
Kurz und einfach: das von dir vorgetragene Bild übergewichtiger Milizionäre mit Poser-Halbautomaten könnte falscher nicht sein. In den USA ist man längst ganz woanders. Und keineswegs würden sich die Kämpfe auf irgendwelche abgelegenen Waldgebiete beschränken, ganz allgemein planen die meisten solchen Gruppen in den USA eine urbane Guerilla und die systematische Zerstörung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den Städten. Und keineswegs würde die lokale Polizei diese Dinge in den Griff kriegen, zumal es in manchen Ecken inzwischen immer weiter reichende Überschneidungen zwischen Polizeikräften und irgendwelchen lokalen Milizen gibt. Gerade die teilweise schwerst bewaffneten Sheriff-Departments (welche größtenteils Veteranen beschäftigen) sind hier ein zunehmendes Problem.
Kurz und einfach: die Lage ist wesentlich problematischer und labiler als dies hierzulande gemeinhin wahrgenommen wird.
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@Quintus
Zitat:Entsprechende Spannungen traten bereits vor kurzem bei Manövern auf, als beispielsweise der Gouverneur von Texas die Nationalgarde dort anwies Truppen der US Army bei einem Manöver zu begleiten und engmaschig zu beobachten, weil das Manöver von ihm als eine Aggression und Drohgebärde (ernsthaft) gegen Texas dargestellt wurde.
Ich bin mir nun nicht sicher, welches Ereignis du genau meinst bzw. wann es sich ereignet haben soll. Ich habe da ein wenig herumgesucht und letztlich nur ein Ereignis von 2015 gefunden, das aber in einem etwas differenzierteren Licht zu betrachten wäre, wenn man nachfolgenden Artikel liest:
Zitat:Hysteria over Jade Helm exercise in Texas was fueled by Russians, former CIA director says
Gov. Greg Abbott's decision in 2015 to ask the Texas State Guard to monitor a federal military exercise prompted significant criticism. A former CIA director said Wednesday that the move emboldened Russians to next target elections. (MAY 3, 2018) [...]
A former director of the CIA and NSA said Wednesday that hysteria in Texas over a 2015 U.S. military training exercise called Jade Helm was fueled by Russians wanting to dominate “the information space,” and that Texas Gov. Greg Abbott's decision to send the Texas State Guard to monitor the operation gave them proof of the power of such misinformation campaigns.
Michael Hayden, speaking on MSNBC’s Morning Joe podcast, chalked up peoples’ fear over Jade Helm 15 to “Russian bots and the American alt-right media [that] convinced many Texans [Jade Helm] was an Obama plan to round up political dissidents.” Abbott ordered the State Guard to monitor the federal exercise soon after news broke of the operation. [...] Jade Helm 15 was a planned military training exercise that became a fascination of conspiracy theorists before it even began. The exercise, which spanned several states, began in Texas in Bastrop County in 2015 and was described by federal officials as routine. But some conspiracy theorists speculated that the exercise was a covert effort to institute martial law. Hayden was not CIA director at this time.
Weeks before the exercise began, Abbott wrote a letter to the State Guard asking them to keep an eye on the operation so “Texans know their safety, constitutional rights, private property rights and civil liberties will not be infringed.” [...] Former state Rep. Todd Smith accused Abbott of "pandering to idiots."
https://www.texastribune.org/2018/05/03/...rmer-cia-/
Also wenn ich das so durchgehe, dann sehe ich da eher eine gewisse Informationswirrnis, gepaart mit dem gezielten, populistischen Versuch, sich seitens des Gouverneurs ggü. Obama irgendwie als Retter des Bundesstaates zu inszenieren vor dem "bösen" Washington, was aber nicht einfach auf die Gesamtheit der Menschen im Bundesstaat bzw. auf deren Selbstverständnis übertragen werden sollte. Zumindest kann man es nicht als Anzeichen einer Sezession oder dergleichen deuten.
Zitat:Desweiteren ist es keineswegs so, dass der Gros der 400 Mio aufwärts an Waffen einfach nur Pistolen und Flinten wären. Es sind völlig ausreichend Militärwaffen, teilweise sogar Maschinengewehre im Umlauf. Ebenso unterschätzt zu meiner Ansicht nach sowohl das militärische Niveau als auch den Umfang von Milizen und anderen paramilitärischen Gruppen in den USA.
Das kann man aber nicht auf die Bevölkerung direkt übertragen, denn die meisten Besitzer von feuerstärkeren Waffen haben mehr als eine dieser Waffen, im Schnitt sind es etwa acht Waffen pro US-Haushalt. Aber: 60% der US-Haushalte sind unbewaffnet. Wenn also nun der Schnitt bei acht Waffen je Haushalt liegt, aber 60% gar keine Waffen haben, haben also einige Haushalte (wobei ich da leider keine genauen Zahlen finden konnte) quasi eine kleine Lagerhalle mit dutzenden Waffen. Und die meisten übrigen Menschen, so sie denn eine Waffe haben, haben eben eine Pistole im Safe oder in der Handtasche oder vielleicht eine Flinte in der Scheune, aber eben keine Sturmgewehre.
Zitat:Im weiteren steht in den vernetzten Artikeln explizit, dass der nächste Bürgerkrieg eben keineswegs die Form einer offenen militärischen Auseinandersetzung zwischen "Streitkräften" hätte, sondern ein landesweiter Guerilla- / Partisanenkampf wäre. Diese Auffassung habe ich ebenso und exakt darauf bereiten sich die entsprechenden Gruppen vor.
Das hatte ich durchaus so verstanden.
Zitat:Die Annahme, dass die Streitkräfte der Zentralregierung mit hunderttausenden schwer bewaffneten Guerillas im eigenen Land fertig werden könnten ist darüber hinaus abenteuerlich. Man ist ja nicht mal mit ein paar wenigen tausend Taliban fertig geworden, deren Können und Bewaffnung deutlich schlechter waren.
Selbst wenn es wirklich hunderttausende Personen wären, so vermute ich sehr stark, dass diese sich alles andere als einig wären (anders als die Taliban). Es gibt eine große und doch unübersichtliche Zahl von von ziemlich undisziplinierten, ideologisch teils indoktrinierten Gruppen und Grüppchen, die sich teils überhaupt nicht mögen. Die meisten würden sich vermutlich gegenseitig an die Gurgel gehen, noch ehe der erste Humvee der Zentralregierung im Ort auftaucht - die Reste müssten dann eben von der Army noch aufgesammelt werden.
Zitat:Kurz und einfach: das von dir vorgetragene Bild übergewichtiger Milizionäre mit Poser-Halbautomaten könnte falscher nicht sein.
Das ist aber das Bild, das ich sehe. Und die Aufmärsche dieser Gruppen sehen fast alle gleich aus. Und ich denke mir dann immer: Wer von diesen sonnenbebrillten Rauschebartträgern mit den sechs Magazinen vor der Wampe könnte wohl aus dem Stand 200 oder 300 Meter sprinten? Naja, fünf bis zehn Prozent vermutlich...
Zitat:Und keineswegs würden sich die Kämpfe auf irgendwelche abgelegenen Waldgebiete beschränken, ganz allgemein planen die meisten solchen Gruppen in den USA eine urbane Guerilla und die systematische Zerstörung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den Städten.
Das kommt darauf an. Man würde vermutlich wohl anfangs beides haben, ja, in der Tendenz denke ich aber, wird man die Städte in jedem Falle nachfolgend verlieren. Denn der klassische Untergrundkämpfer braucht die Unterstützung der Menschen in den Städten, als Versorgungs-, Versteck- und Rückzugsoption. Wenn man aber in diesen urbanen Zentren den Kampf beginnt, was ziemliche Schäden verursachen wird, wird sich die Stimmung der Menschen, die ihren durchaus teils materialistischen Standpunkt dann massiv gefährdet sehen, sehr rasch gegen diese Gruppen wenden und sie werden die Ordnungskräfte unterstützen. Und ohne Unterstützung in den Städten selbst bzw. aus der Bevölkerung heraus, bleibt nur das Ausweichen in die Peripherie, d. h. in die abgelegeneren Regionen.
Schneemann
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Für einen Bürgerkrieg in den USA bräuchte es erst einmal eine signifikante Unterstützung seitens der Zivilbevölkerung für die "Rebellen". Und da sehe ich aktuell keine militante Gruppe in den USA die diese bekommen könnte. Rassistische weiße oder schwarze Milizen hätten vermutlich ein gewisses Potential an Sympathisanten aber dieses dürfte kaum für einen Aufstand reichen. Insofern sehe ich die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs in den USA gegen Null gehen, außer es würde vielleicht ein "Gamechanger"-Ereignis auftreten, zum Beispiel wenn die Versorgung aus welchen Gründen auch immer völlig zusammen brechen würde.
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lime:
Signifikant bedeutet im Kontext eines solchen modernen Krieges ausreichend, und ausreichend bedeutet in diesem Kontext durch eine Minderheit. Es ist ein sehr tpyischer Irrglaube, dass man für einen Sieg in einem Guerilla-Krieg die Bevölkerungsmehrheit auf seiner Seite haben muss, sondern ganz im Gegenteil: diese wird sich ganz von selbst den Aufständischen anschließen, sobald diese eine gewisse kritische Masse überschreiten (immer noch als Minderheit) und sobald sie bestimmte Kriegsziele erreichen. Die Minderheit treibt dann die Mehrheit in die von ihr gewünschte Richtung, sowohl direkt wie indirekt.
Auf einen weiteren Aspekt hat Schneemann schon hingewiesen: die unregistrierten leistungsfähigen Waffen sind in der Bevölkerung höchst ungleich verteilt. Die Mehrheit hat nicht einmal ernsthaft Waffen oder überhaupt Waffen. Entsprechend stehen hier schwerst bewaffnete Minderheiten einer de facto wehrlosen Mehrheit gegenüber, die sich entsprechend auf die fragwürdige Loyalität der Sicherheitskräfte, Nationalgarde usw. verlassen müsste und damit de facto verlassen ist.
Schneemann:
Zitat:Ich habe da ein wenig herumgesucht und letztlich nur ein Ereignis von 2015 gefunden
Das meinte ich. Ist das schon wieder so lange her!? Hatte nicht nachgesehen und gedacht es wäre vor wenigen Jahren passiert. Zu Texas aus dem Jahr 2022 im Kontext von Sezessionsbestrebungen:
https://www.newsweek.com/texas-secede-us...um-1717254
https://www.thebulwark.com/texas-republi...secession/
https://www.politifact.com/article/2022/...dence-can/
Zitat:Das kann man aber nicht auf die Bevölkerung direkt übertragen, denn die meisten Besitzer von feuerstärkeren Waffen haben mehr als eine dieser Waffen, im Schnitt sind es etwa acht Waffen pro US-Haushalt. Aber: 60% der US-Haushalte sind unbewaffnet. Wenn also nun der Schnitt bei acht Waffen je Haushalt liegt, aber 60% gar keine Waffen haben, haben also einige Haushalte (wobei ich da leider keine genauen Zahlen finden konnte) quasi eine kleine Lagerhalle mit dutzenden Waffen.
Exakt ist das Problem in diesem Kontext. Den es sind die Radikalen welche hier diese Waffen und entsprechende Munitionsgebirge horten, während die Mehrheit der Bevölkerung dem gegenüber de facto nicht bewaffnet ist. Entsprechend müsste man das Militär einsetzen, den die Polizei würde damit eben nicht mehr fertig werden, nicht im Ansatz. Der Einsatz des Militärs gegen die eigene Bevölkerung aber wäre genau so ein erster Dominostein der dann ganz andere Prozesse in Gang setzen kann.
Zitat:Selbst wenn es wirklich hunderttausende Personen wären, so vermute ich sehr stark, dass diese sich alles andere als einig wären (anders als die Taliban). Es gibt eine große und doch unübersichtliche Zahl von von ziemlich undisziplinierten, ideologisch teils indoktrinierten Gruppen und Grüppchen, die sich teils überhaupt nicht mögen. Die meisten würden sich vermutlich gegenseitig an die Gurgel gehen, noch ehe der erste Humvee der Zentralregierung im Ort auftaucht - die Reste müssten dann eben von der Army noch aufgesammelt werden.
Es ist völlig korrekt dass die untereinander alle verfeindet und zersplittert sind, dennoch haben die größten dieser Gruppen teilweise mehrere tausend Mitglieder und noch viel wesentlicher: es eint sie allesamt der blinde Hass auf die Zentralregierung. Das einigende Banner ist die Feindschaft gegenüber dem Zentralstaat, die über alles gestellt wird, auch über die Feindschaft zur Nachbargruppe.
Im weiteren gibt es längst weitreichende Verbindungen dieser Gruppen ins Militär und insbesondere in die Polizei- und sonstigen Sicherheitskräfte. Und umgekehrt setzen sich diese Gruppen teilweise sehr weitgehend aus Polizisten, Soldaten (sowohl aktiv wie nicht-aktiv) und Veteranen zusammen.
https://theconversation.com/police-soldi...ent-153369
https://www.nytimes.com/2020/09/11/us/po...itias.html
Einer der wesentlichsten Punkte aber entgeht dir hier meiner Meinung nach: die Zersplitterung und dezentrale dislozierte Struktur ist für diese Gruppen in einem Guerilla-Krieg in den USA eher ein Vorteil als ein Nachteil. Wenn das einzig verbindende die Ideologie ist, dann kann man so einen Feind wesentlich schlechter zerschlagen und vernichten als wenn man einer einzigen straff organisierten Gruppe gegenüber steht. Je kleiner und zersplitterter, desto schwieriger wird das in den Griff zu kriegen sein, weil dann die Zentralregierung ihre wesentlichsten Vorteile (Informationsübermacht etc) nicht so ausspielen kann. Entsprechend wird das als Leaderless Resistance auch geplant. Und auch die Taliban waren bis vor kurzem keineswegs nur eine Organisation, nur ein monolithischer Block, sondern ganz im Gegenteil, ebenso höchst zersplittert und zerteilt und mehr eine Art Sammelbegriff für ganz verschiedene Gruppen, welche dann erst im letzten Jahr der Besatzung dort zu einer einheitlichen Organisation zusammen fanden.
Zitat:Das ist aber das Bild, das ich sehe. Und die Aufmärsche dieser Gruppen sehen fast alle gleich aus. Und ich denke mir dann immer: Wer von diesen sonnenbebrillten Rauschebartträgern mit den sechs Magazinen vor der Wampe könnte wohl aus dem Stand 200 oder 300 Meter sprinten? Naja, fünf bis zehn Prozent vermutlich...
Die wirklich problematischen Gruppen marschieren nicht auf. Und auch die welche da aufmarschieren sollte man keinesfalls unterschätzen, es ist dabei völlig egal wie es um eine etwaige körperliche Fitness bestellt ist. Viel relevanter ist die Frage, inwieweit sie in der Lage wären Terror zu verbreiten, welcher das wesentliche Element des modernen Krieges darstellt. Es ist eine weitere typische Fehlannahme, dass sich militärische Aktionen im modernen Krieg primär gegen feindliche Streitkräfte richten, nichts könnte falscher sein.
Folgerichtig werden diese Gruppen in den USA selbst völlig anders gesehen als du es hier tust:
https://thehill.com/policy/national-secu...oups-as-a/
nämlich als eine der größten Bedrohungen denen die USA aktuell gegenüber stehen.
Zitat:in der Tendenz denke ich aber, wird man die Städte in jedem Falle nachfolgend verlieren. Denn der klassische Untergrundkämpfer braucht die Unterstützung der Menschen in den Städten, als Versorgungs-, Versteck- und Rückzugsoption. Wenn man aber in diesen urbanen Zentren den Kampf beginnt, was ziemliche Schäden verursachen wird, wird sich die Stimmung der Menschen, die ihren durchaus teils materialistischen Standpunkt dann massiv gefährdet sehen, sehr rasch gegen diese Gruppen wenden und sie werden die Ordnungskräfte unterstützen. Und ohne Unterstützung in den Städten selbst bzw. aus der Bevölkerung heraus, bleibt nur das Ausweichen in die Peripherie, d. h. in die abgelegeneren Regionen.
Die Schäden und sonstigen Beeinträchtigungen in den urbanen Zentren werden aber eben nicht durch die Aufständischen, sondern durch die staatlichen Sicherheitskräfte verursacht und delegitimieren damit zunehmend den Staat. Es ist daher keineswegs gesagt dass man sich in Städten nicht wird halten werden, ganz im Gegenteil. Zwei Buchempfehlungen für dich:
https://www.amazon.de/OUT-MOUNTAINS-Davi...820&sr=8-1
Und die "Bibel" etlicher US Milizen, welche sie als Textbuch für ihren zukünftigen zweiten Bürgerkrieg verstehen:
https://www.amazon.de/Fry-Brain-Sniping-...164&sr=8-1
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Bei der Verteilung der Waffen sei noch festgehalten, dass von den ideologisch getriebenen Extremisten eigentlich nur die rechte Seite massiv bewaffnet ist. Auf der linken Seite stehen dann Teile der Staatsmacht und ansonsten nur im geringen Umfang bewaffnete Bürger. Denn die größeren Waffenbestände auf dieser Seite sind nicht bei Ideologen zu finden, sondern bei Kriminellen. Natürlich können auch die in einem links-rechts-Konflikt aktiv sein, aber zumeist mit anderer Intention und stark individuell-egoistischen Motiven.
Daher kann man das mMn als bewaffneten Konflikt begrenzt betrachten auf Staatsgewalt vs. nationalistisch-konservative Gruppen. Alles andere werden Rand- und Begleiterscheinungen sein, die nicht entscheidend für den Ausgang des Konflikts sind.
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Eine der für mich interessantesten Gruppen welche sich gerade in der Polizei breit macht sind die sogenannten Constitutional Sheriffs, welche dezidiert sich an die Sheriff Dempartments wenden und deren einzigartige Position ausnutzen.
Die Zahl der Mitglieder ist zwar vergleichsweise klein und liegt dieses Jahr bei ca 500, aber es handelt sich überwiegend um Sheriffs (insgesamt gibt es in den USA davon ca 3000). Und diese haben in den USA tatsächlich eine sehr spezielle Stellung, sowohl rechtlich als auch von ihren sonstigen Möglichkeiten her. Kern ihrer Ideologie ist, dass sie als Sheriffs über jedweden Bundesagenten / Bundespolizisten stehen und diese ihnen in ihrem jeweiligen County untergeordnet sind. Aufgrund der Möglichkeiten die ein Sheriff für die Beschaffung von Waffen, gepanzerten Fahrzeugen, Granaten usw hat, stellt diese Vereinigung ein erhebliches Sicherheitsproblem dar.
Noch eine interessante Fragestellung die ich noch gar nicht angerissen habe ist, was mit den Milizen weiter sein wird, wenn Trump wieder gewählt wird bei der nächsten Wahl (oder ein anderer vergleichbarer Scharfmacher dort an die Macht käme). Meiner Einschätzung nach könnte man dann mit einer nicht unerheblichen staatlichen Förderung und Tolerierung dieser Gruppen rechnen, so dass diese ab der Widereinsetzung Trumps einen immensen Aufstieg erleben würden. Mit den entsprechenden Folgen.
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(20.07.2022, 21:10)Quintus Fabius schrieb: Aufgrund der Möglichkeiten die ein Sheriff für die Beschaffung von Waffen, gepanzerten Fahrzeugen, Granaten usw hat, stellt diese Vereinigung ein erhebliches Sicherheitsproblem dar.
Meiner Meinung nach stellt das System der Sheriff's Departements an sich schon ein Problem dar.
Hochrangige Sicherheitskräfte, die ihren Posten nicht durch Qualifikation sondern durch Wahlen erhalten und dann ihr Handeln im Zweifelsfall eher anhand der öffentlichen Meinung ausrichten, anstatt ausschließlich an der Gesetzeslage, halte ich für höchstgefährlich. Besonders auch mit Blick auf die hier diskutierten Entwicklungen.
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(20.07.2022, 21:45)Broensen schrieb: Meiner Meinung nach stellt das System der Sheriff's Departements an sich schon ein Problem dar.
Hochrangige Sicherheitskräfte, die ihren Posten nicht durch Qualifikation sondern durch Wahlen erhalten und dann ihr Handeln im Zweifelsfall eher anhand der öffentlichen Meinung ausrichten, anstatt ausschließlich an der Gesetzeslage, halte ich für höchstgefährlich. Besonders auch mit Blick auf die hier diskutierten Entwicklungen.
Ich glaube dass die "Institution" Sheriff hier etwas falsch verstanden wird. Die Kandidaten müssen nämlich durchaus eine Qualifikation haben und zusätzlich eben noch eine Mehrheit der Wähler hinter sich bringen. Im Regelfall werden da keine Hilfsrambos gewählt sondern eher eine Art Sicherheitspolitiker die für ihre Wähler auch mal einen kritischen Blick auf die Polizeibehörden im County werfen. Auch glaube ich nicht dass ein von oben eingesetzter Beamter im Gegensatz zum Wahlsystem automatisch besser für diesen Posten qualifiziert wäre. Im Gegenteil ist davon auszugehen dass man dort Personen einsetzen würde die im Laufe der Jahre schön rundgelutscht wurden und damit auch alles schön abnicken was von Oben angeordnet wird. Da könnte man zum Beispiel Berlin mal als Gegenbeispiel hernehmen, wo sich zeigt was passiert wenn man von oben her immer nur Ideologen einsetzt. Da würden mir als Stichwort sofort die aktuellen Klimastraßenkleber oder diverse Hausbesetzergruppen einfallen und der Umgang mit diesen durch die Behörden.
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Zwei weitere interessante Aspekte der Sheriff-Kultur sind, dass die Sheriff-Departments überwiegend weit rechtsnational bis rechtskonservativ ausgerichtet sind (natürlich keineswegs alle, aufgrund des demokratischen Faktors, aber doch sehr viele, weil gerade in Gegenden mit einer solchen politischen Einstellung Sheriff-Departments einfach häufiger vorkommen. Und dass die Sheriffs sehr gerne Veteranen einstellen, was in den letzten zwei Jahrzehnten eine bizarre Militarisierung dieser US Polizei zur Folge hatte.
Etliche Sheriffs-Departments sind eher eine Art paramilitärische Einheit denn eine Polizeieinheit. Teilweise mit bizarrer Feuerkraft und Ausrüstung. Viele Sheriffs versuchen zudem selbst eine Art Miliz zu gründen und gerade die Constitutional Sheriffs sind dafür berüchtigt. Beispielsweise hatte der Gründer dieser Gruppe in seiner Zeit als Sheriff zwischen 200 und 300 Bewaffnete als Untergebene die größtenteils "ehrenamtlich" für sein Sheriffs-Department tätig waren, mit allen entsprechenden Vorrechten. De facto also hatte er seine eigene Miliz aufgestellt, offiziell aber waren dass alles Hilfspolizisten des Sheriff-Departments und wurden aus dessen Mitteln und mit dessen rechtlichen Möglichkeiten mit Waffen aufgerüstet, gepanzerten Fahrzeugen, Nachtsichgeräten, Tarnanzügen gegen Thermalsicht / IR Aufklärung und was man halt sonst alles noch für die "Polizeiarbeit" benötigt.
Ein amüsanterer Blick auf dies Sheriff Thematik im Allgemeinen von John Oliver:
https://www.youtube.com/watch?v=v_kak7kAdNw
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Das überrascht mich nun doch etwas, gerade in Kansas, das nun ja unter den Bundesstaaten eher als einer mit einer konservativen Ausrichtung gelten kann. Gut möglich, dass die Supreme Court-Entscheidung noch ein ziemliches Durcheinander nach sich ziehen wird...
Zitat:Verfassungsänderung abgelehnt
Abtreibungsbefürworter erringen Sieg in Kansas
Nach dem umstrittenen Urteil des Supreme Court in Washington versuchen konservative US-Bundesstaaten, das Recht auf Abtreibung infrage zu stellen. Ein erstes Referendum zu dem Thema endet in Kansas jedoch mit einer Schlappe für die Abtreibungsgegner. [...]
Bei einem landesweit beachteten Referendum in dem traditionell konservativen Bundesstaat lehnten die Wähler es laut US-Medien mit klarer Mehrheit ab, das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche aus der Landesverfassung zu streichen. Andernfalls hätten Abtreibungen in Kansas erheblich eingeschränkt oder ganz verboten werden können. [...] Als Reaktion auf die Entscheidung des Supreme Court hatte das von den Republikanern dominierte Parlament von Kansas einen Änderungsantrag mit dem Namen "Value Them Both" ("Wertschätze sie beide" - gemeint sind Frauen und Kinder) eingebracht. Damit sollte das in der Landesverfassung verankerte Recht auf Abtreibungen abgeschafft werden - mit dem Ziel, die Regulierung wieder dem Gesetzgeber zu überlassen.
https://www.n-tv.de/politik/Abtreibungsb...02836.html
Schneemann
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Mich überrascht das weniger. Der Konservatismus hat in den USA zwischen einzelnen Bundesstaaten schon deutliche, regional unterschiedliche Schattierungen, auch wenn das vielleicht oft vom Getöse auf Bundesebene übertönt wird.
Nicht alles was da seit vor dem Bürgerkrieg republikanisch wählt ist strukturell so sozialkonservativ dominiert wie der Biblebelt.
Kansas ist da ein ganz passendes Beispiel. Klar republikanisch dominiert, aber mal wählt sich 2019 eine Demokratin zur Gouverneurin weil der Republikanische Kandidat zu sehr rechtspopulistisch unterwegs war. 2020 stimmt man dann aber wieder mit 56% für Trump.
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Und noch ein anderer Bundesstaat hat sich entschieden - dieses Mal dagegen. Und was schon befürchtet wurde, scheint einzutreten: Egal, wie man zum Urteil des Supreme Court stehen mag, eines haben die Richter erreicht - ein heilloses Durcheinander und jeder Staat, je nach politischer Färbung, macht nun was er will...
Zitat:INDIANA
Parlament beschließt fast vollständiges Abtreibungsverbot [...]
Das Parlament im US-Bundesstaat Indiana hat ein fast vollständiges Abtreibungsverbot beschlossen. Indiana ist damit der erste Bundesstaat, in dem nach dem Grundsatzurteil des Supreme Court zur Abtreibung ein neues Gesetz mit schärferen Regeln verabschiedet wurde. Es erlaubt Abtreibungen nur noch in Ausnahmefällen: nach Vergewaltigungen, in Fällen von Inzest, wenn der Fötus nicht lebensfähig ist oder ein schweres Gesundheitsrisiko für die Mutter besteht. [...] Das Gesetz soll am 15. September in Kraft treten. [...]
Die USA ringen weiter um das Recht auf Abtreibung, das seit der Entscheidung des Obersten Gerichts Ende Juni nicht mehr in der Verfassung verankert ist. Bei einem Referendum im Bundesstaat Kansas hatte eine Mehrheit für ein weiterhin von der Verfassung geschütztes Abtreibungsrecht gestimmt. „Die Wähler von Kansas haben ein starkes Signal gesendet“, sagte US-Präsident Joe Biden am Mittwoch. Er unterzeichnete außerdem eine präsidiale Verordnung, die den Zugang zu allen benötigten Gesundheitseinrichtungen sicherstellen soll. Sein Justizministerium reichte Klage gegen den Bundesstaat Idaho ein. [...]
Vor allem republikanische Bundesstaaten haben nun restriktive Abtreibungsgesetze in Kraft gesetzt, während die Befürworter einer liberalen Gesetzgebung juristisch Sturm laufen. Die Folge des Urteils des Supreme Court ist ein Flickenteppich an Regelungen.
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausl...26055.html
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