(Luft) Nachfolge Kampfhubschrauber Tiger
Helios:

Zitat:Anfälligkeit bedeutet für mich, dass Hubschrauber für bestimmte Bedrohungen besonders vulnerabel sind.......Die größten Bedrohungen für nach hiesiger Doktrin eingesetzter Kampfhubschrauber sind in meinen Augen tatsächlich sehr schnell agierende, teilautonome Flugabwehrwaffen sowie unaufgeklärte Flugabwehrmittel konventioneller Natur (bspw. Infanterietrupps), also deine Punkte 3 und 5. Die entscheidende Frage dabei ist, wie hoch ist das tatsächliche Einsatzrisiko für den Hubschrauber? Und wie unterscheidet es sich von anderen frontnah agierenden Systemen? Und da bleibe ich dabei, mit den richtigen durch eigene Aufklärung sichergestellten Vermeidungstaktiken und der Ausnutzung von Gelände und Flugdynamik ist das Einsatzrisiko jetzt und auf Jahre hinaus vertretbar.

Du kannst gerne dabei bleiben, aber die Anfälligkeit ergibt sich ja eben nicht nur aus den Mitteln selbst, sondern auch aus der Anfälligkeit des Systems für Treffer, der Frage seiner Aufklärbarkeit (Selbst bei einer kompletten Deckung durch das Gelände beispielsweise u.a. Triangulierung von Helis durch akustische Sensoren selbst auf große Distanzen analog zu Scharfschützen, Infrarotsignatur, Radarsignatur usw)

Die Anfälligkeit von Kampfhubschraubern ist auch bei optimaler Nutzung jedweder Deckung und einer hohen Flugdynamik deshalb immer zwingend höher als bei anderen frontnah agierenden Systemen welche am Boden agieren, oder kleiner und damit viel schwerer aufklärbar sind oder die einen deutlich größeren Abstand halten können.

Das Einsatzrisiko ist innerhalb der näheren Distanzen gegen einen modernen Gegner nicht vertretbar, vor allem aber ist es so hoch, dass der Einsatz der Kampfhubschrauber selbst bei der Erzielung eines Effekts auf dem Schlachtfeld querschnittlich über die gesamte Kriegszeit gesehen immer ineffizient sein wird, also eine Mittelverschwendung. Die Effekte welche Kampfhubschrauber etwaig erzielen werden also im Verhältnis zu teuer erkauft, sowohl was die Kosten dieser Einheiten angeht als auch was das Risiko angeht und damit die Abnutzung.

Und da du selbst schon das Fortschreiten des Krieges als einen Faktor genannt hast, durch welchen die von dir skizzierten Situationen dann häufiger vorkommen, die gleichen Umstände welche dies Bedingen nutzen auch und gerade eben die Kampfhubschrauber sehr schnell dergestalt ab, dass sie einfach aus quantiativen Gründen zunehmend bedeutungslos werden. Solche Systeme (Helis) müssen also dergestalt beschaffen sein, dass man sie möglichst lange im Krieg erhalten kann. Entsprechend ist die höhere risikobedingte Abnutzung der Kampfhubschrauber ein Nachteil, welcher sich im Laufe des Krieges immer stärker auswirkt.

Umgekehrt wären natürlich Kampfhubschrauber in großer (!) Zahl für die so wesentliche Eröffnungsschlacht absolut wesentlich, der ich ja die größte Bedeutung beimesse. Dementsprechend könnte man hier auch einen Widerspruch in meiner Argumentation postulieren und deshalb war ich auch lange Zeit durchaus ein starker Befürworter von Kampfhubschraubern und wie Wide Masta beispielsweise lange Zeit ein entschiedener Apologet des Tiger.

Aber die Zeiten haben sich geändert und noch davor: sie ändern sich erkennbar rasant weiter. Dezidierte konventionelle Kampfhubschrauber sind damit meiner Auffassung eine bloße Strukturextrapolierung deren Effekte selbst in der Eröffnungsschlacht immer geringer ausfallen werden, und deren Wert damit insgesamt betrachtet höchst fragwürdig ist.

Zitat:Was mir bei deiner Liste allerdings auch auffällt ist die Frage der Arithmetik des Krieges. Du nennst Kampfflugzeuge und Hubschrauber, vollautonome Drohnen und zielsuchende Munition, die jeweils explizit für den Kampf gegen Hubschrauber abgestellt oder gar entwickelt und entsprechend spezialisiert werden. Egal wie groß man das Gefährdungspotenzial solcher Systeme nun einschätzt, es wird sie nur dann geben und sie werden nur dann durch die Aufgaben gebunden werden, wenn es auch Kampfhubschrauber gibt.

Das hätte ich noch ausführlicher ausführen müssen. Es wird diese Systeme auch so geben, und zwar wegen der Bekämpfung jedweder Art von Luftzielen, wegen C-RAM, wegen der Bekämpfung zielsuchender Munition, wegen der Bekämpfung von Drohnen und auch wegen des Kampfes gegen Flugzeuge usw. Zudem war die Liste welche ich nannte nicht geordnet, ich habe sie einfach so herunter geschrieben um eine möglichst vollständige Sammlung der Bedrohungen zu benennen.

Jedes dieser genannten Systeme wird aber auch ohne die Präsenz von Kampfhubschraubern ganz genau so vorgehalten und einsatzbereit sein. Wenn ich Drohnen herunter schießen kann (du selbst sprachst von einem Tontaubenschießen), dann kann ich auch Kampfhubschrauber abschießen. Sie wären entweder ganz genau so nur Tontauben oder sie müssten derart hinter der Deckung und auf große Distanz agieren, dass man die dann dafür notwendige Befähigung eben auch mit anderen Systemen besser und günstiger stellen könnte.

Zitat:Der Kampf auf kurze Distanzen oder über längere Zeit auf Sichtlinie ist sicherlich zu vermeiden, weil das Gefährdungspotenzial da unnötig hoch ausfällt, insbesondere wenn die Flugdynamik und die Schutzsysteme nicht hinreichend hoch ausgeprägt sind. Aus dem Grund eigenen sich meines Erachtens auch Muster wie der H145M nicht als Kampfhubschrauberersatz.

Gerade in den von dir und Broensen hoch gehalteten und meiner Meinung nach von euch zu hoch gewichteten Situationen welche ihr beschrieben habt (unklare Aufklärung, begrenzte Informationen, Notwendigkeit von Aufklärung und Bekämpfung durch diesselbe Plattform, zu hohes Ausfallrisiko für Drohnen etc) werden aber solche Kämpfe auf kurze Distanz bzw. auf Sichtlinie querschnittlich deutlich häufiger vorkommen und sich trotz optimaler Nutzung der Deckung und hoher Flugdynamik gar nicht vermeiden lassen. Zudem wird bodengestützte Flugabwehr immer leistungsfähiger, vor allem aber immer schneller.

Die Stärke des Kampfhubschraubers in der von dir beschriebenen Kampfweise war vor allem das kurze Zeitfenster für die angegriffenen Einheiten. Es war für die Abwehr meist zu kurz, und daraus ergab sich die Überlebensfähigkeit der Kampfhubschrauber. Moderne Sensorik, Rechnergestützte Zielerfassung und das durch Rechner automatisierte Abfeuern der Waffen, etwaig KI gestützte Systeme usw bedeuten hier und heute bereits, dass die Zeitfenster von der Abwehr genutzt werden können.

Deiner Bewertung des H145M kann ich mich jedoch anschließen und er scheidet noch darüber hinaus auch aus dem von mir hier angeführten Argument des durch die Flugabwehr geschlossenen Zeitfenster her aus. Und diese Lücke wird nicht wieder aufgehen, dafür sorgt schon die notwendige Drohnenabwehr, Abwehr zielsuchender Munition und Raketenabwehr usw.

Zitat:Mit dem PAH-1 wurde ein Kostenverhältnis von etwa 1:1 gegenüber dem Kampfpanzer erzielt, und dies auch für den PAH-2 (also dem Tiger) angestrebt. Heutige Kampfhubschrauberprogramme (bspw. FARA, AW249) setzen Kostengrenzen, die hinsichtlich der Anschaffungskosten durchaus im Bereich von modernen Kampfpanzern liegen, die ihrerseits ja auch deutlich teurer wurden

Wie dir bekannt sein sollte, bin ich auch kein Freund konventioneller MBT. Aber selbst bei einem 1:1 Verhältnis, was überhaupt erstmal durch komplett neue Konzepte erreicht werden müsste, verbleibt die viel größere Vulnerabilität des Helis im Vergleich zum Kampfpanzer. Noch darüber hinaus ist die Frage, von was für Kosten wir hier überhaupt reden ? Die bloßen Beschaffungskosten ? Die Unterhaltskosten ? Die Kosten des Einsatzes im Krieg ? Im übrigen kritisiere ich ja diese Kostenfrage auch bei modernen MBT regelmässig. Selbst die günstigten Kampfhubschrauber sind gar nicht so günstig, wenn man sich ihre Kosten ganzheitlich ansieht (das gilt aber natürlich auch für Panzerbataillone):

https://www.africandefence.net/rooivalk-...-revealed/

Ich bezweifle daher massiv dass hier bei modernen Kampfhubschraubern bei einer vollständigen und ganzheitlichen Betrachtung aller Kosten ein Zahlenverhältnis von 1 : 1 im Verhältnis von Kampfpanzern realisiert werden könnte. Und selbst wenn: die Anfälligkeit ist höher, die Abnutzung ist höher, die Effekte sind geringer und werden im Laufe der Kriegshandlungen fortwährend noch geringer.

Zitat:Kampfhubschrauber im Wertbereich moderner Kampfflugzeuge sind meines Erachtens der völlig falsche Weg, da bin ich absolut bei dir. Dieser Weg muss aber nicht gegangen werden, es gibt durchaus realistische Alternativen.

Solchen würde ich mich dann aber auch gar nicht verschließen. Ganz im Gegenteil, auch wenn das jetzt vielleicht für dich überraschend klingen mag: vor die Wahl gestellt ein Panzerbataillone mit konventionellen MBT zu haben oder die gleiche Anzahl Kampfhubschrauber, würde ich mich für die Kampfhubschrauber entscheiden, und dies selbst dann, wenn sie ebenfalls ganz konventionell ausgelegt wären. Unabhängig davon sind wir uns ja in jedem Fall einig, dass die Kosten runter müssen und dass es Wege und Mittel dafür gäbe.

Zitat:Ein solcher Transporthubschrauber wäre nicht substanziell günstiger als ein gleichartiger Kampfhubschrauber, könnte aber weniger Zuladung mitnehmen, während gleichzeitig die eingesetzten Effektoren schwerer und teurer wären.

Kann sein, kann aber auch nicht sein. Das hängt von vielen Faktoren ab, was für ein Heli genau, was für Effektoren genau, mit welchem Kampfhubschrauber vergleicht man hier konkret was. Im übrigen würde es nicht einmal eine Rolle spielen dass man etwaig pro Einheit weniger Schuss dabei hat, denn auch Kampfhubschrauber haben nicht so viel Zuladung. Ein Tiger hatte beispielsweise noch bis Ende 2012 nur zwei Pylone für irgendwelche Panzerabwehrraketen und an den anderen zwei Pylonen konnte man nur Stinger montieren. Und jetzt sind es halb 4 Pylone, aber die Panzerabwehrraketen bleiben trotzdem auf die inneren davon beschränkt, beispielsweise die PARS oder die Spike ER. Dann hast du als höchstes der Gefühle 8 PARS.

Und nehmen wir ferner an, der Transportheli könnte stattdessen nur die Hälfte an zielsuchender Munition transportieren und dass sei mal dahin gestellt, dann wären das 4 Loitering Munitions. Ich wähle mal absichtlich so extreme Verhältnisse und Zahlen, in Wahrheit sähe das bei vielen Transporthelis ganz anders aus (wo bleibt hier eigentlich dein Argument für schwere Transporhelis und deren immense Kapazitäten ?!)

Wieviele feindliche Kampfpanzer kann ein Tiger realistischerweise mit seinen 8 PARS zerstören ? Wieviele könnten die 4 Loitering Munition realistischerweise zerstören ? Meiner Einschätzung nach wäre der praktische Unterschied in den Effekten vernachlässigbar und dies unter Annahme solcher extremer Missverhältnisse zuungunsten des Transporthelis. Was aber wenn dieser stattdessen 10 Loitering Munitions dabei hätte ? Das ginge nämlich je nach Modell und Umständen eventuell ganz genau so? Ich würde daher hier nicht pauschal einen Vorteil von Kampfhubschraubern in Bezug auf die Zuladung / die Anzahl der Effektoren behaupten.

Und selbst wenn der Transportheli nicht substanziell günstiger wäre, was überhaupt erstmal mit genauen Zahlen ermitteln werden müsste - er kann dann im Gegensatz zum Kampfhubschrauber eben auch sonstige / andere Transportaufgaben erledigen (analog wie die ARA in Vietnam auch viel Transportaufträge erledigte, bis hin zum Truppentransport). Diese Fähigkeit ist meiner Meinung nach sehr hoch zu gewichten.

Zitat: In der Summe hast du also ein System, dass ähnlich teuer ist, und bei dem du die Fähigkeit zum frontnahen Einsatz eintauschst gegen Transportkapazität, während sich die Kosten pro Ziel sich nicht reduzieren und unter Umständen sogar höher ausfallen. Gewichtest du die Variabilität in der Transportfähigkeit so hoch, dass sich das in deinen Augen lohnt?

Ja, und ich bezweifle zudem dass die Kosten pro Ziel insgesamt gesehen höher ausfallen. Das müsste man natürlich präzise ausrechnen und ich stimme dir ja zu, dass man dafür nicht die aktuellen Kosten bspw. des Tiger heran ziehen sollte, sondern geringere Kosten eines neuen noch zu beschaffenden Kampfhubschraubers. Aber umgekehrt könnte man auch bei Transporthubschraubern solche Kostensenkungen realisieren. Zudem halte ich die Überlebensfähigkeit aufgrund der anderen herangehensweise und des dadurch möglichen größeren Abstands für größer. Und ich erachte auch die Transportkapazität für die Frage der Verlegung von (ultra)leichten bodengestützten Panzerjägern für wesentlich (Stichwort Raumverteidigung, Netzstruktur, Kampf leichter Infanterie im Verbund mit Helikoptern welche Abstandswaffen zur Unterstützung dieser Infanterie einsetzen, Kombination dieser Helis mit Sondereinheiten, Fallschirmjägern etc wie von Broensen genannt etc).

Zitat:Man muss schon wissen, dass der Feind beispielsweise bei XY durchbricht um ihn abwehren zu können. Sofern sich keine eigenen Truppen in dem Gebiet aufhalten und man eine hinreichend effektive zielsuchende Munition für derartige Aufgaben besitzt, dann könnte man das durchaus mit einem entsprechenden bewaffneten Transporthubschrauber lösen, müsste aber durch eine fehlende unmittelbare Aufklärung höhere Kosten einkalkulieren, je nachdem wie gut die Daten der mittelbaren Aufklärung erfolgt sind. Denn man wird zwangsläufig eine geringere Erfolgsrate haben, einfach weil die Anforderungen an die Zielidentifikation entsprechend höher sind als bei einem Waffeneinsatz auf kürzere Distanzen. Hinzu kommt, dass der Erfolg derartiger Missionen nur abgeleitet werden kann (denn beispielsweise wird man mit zielsuchenden Effektoren keinen Unterschied zwischen Treffer und Zerstörung etwa durch Hardkillsysteme erkennen), sofern man nicht ein externes System zur Trefferaufklärung verwendet.

Das ist alles schon klar, lässt aber bei der Frage des Erfolgs außer Acht, dass auch die Kampfhubschrauber oft nicht sicher feststellen werden können, wie groß ihr Erfolg ausgefallen ist (das verbietet sich aufgrund der Kürze des Zeitfensters dass sie überhaupt für eine Bekämpfung haben werden) und dann muss man vor allem anderen in Bezug auf die Kosten berücksichtigen, dass man hier die höhere Abnutzung der Kampfhubschrauber ganz genau so mit bedenken kann. Wenn der Kampfhubschrauber 60 Millionen kostet und von 10 Helis dann 4 abgeschossen werden, sind damit auf der Stelle 240 Millionen weg. Dafür kann man eine erhebliche Menge an zusätzlicher zielsuchender Munition aufbringen und hätte immer noch geringere Kosten, selbst wenn man für die Transporthelis nun auch ein paar Abschüsse mit berücksichtigt. Die Transporthelis werden aber meiner Einschätzung nach immer geringere Verluste erleiden als die Kampfhubschrauber, dass liegt in der Natur des Konzepts.

Deshalb bin ich der Ansicht, dass deine Annahme, dass die fehlende unmittelbare Aufklärung durch den Heli selbst immer und zwingend höhere Kosten zur Folge hätte so nicht zutreffend ist. Dass ist keine ganzheitliche Betrachtung, auch aus anderen Gründen als nur der Berücksichtigung von Verlusten und sonstiger Abnutzung.

Zitat:Natürlich wird man einen Kampfhubschrauber heutzutage nicht mehr ohne mittelbare Aufklärung einsetzen, die ist aber so oder so immer für die Gefechtsführung notwendig und gilt auch für die meisten anderen Systeme. Aber er kann durchaus als schweres Aufklärungsmittel mit direkter Wirkmöglichkeit verwendet werden, etwas, was der skizzierte bewaffnete Transporthubschrauber so nicht leisten kann.

Und was er so nicht muss, und was ganz allgemein überflüssig ist, weil diese Fähigkeit zu speziell ist und die Situationen in denen sie tatsächlich wirklich ausschlaggebend ist sehr selten sein werden und sehr selten sind, und selbst wenn man diese Fähigkeit dann in dieser äußerst speziellen Situation nicht hat, so hat dies noch darüber hinaus keinen so großen Effekt im negativen für einen, ihr überschätzt meiner Meinung nach hier die reale Wirkung in diesem Fall.

Wir sind uns also einig, dass man in den meisten Fällen eine mittelbare Aufklärung benötigt, durchführen wird, vorhält, einsetzt, und entsprechend alle Systeme und auch die Kampfhubschrauber fast immer auf diese angewiesen sind. Die zusätzliche Befähigung des Kampfhubschraubers für die unmittelbare Aufklärung kann man aber durchaus ersetzen und/oder ignorieren, als Spezialfähigkeit ist sie meiner Meinung nach zu teuer erkauft und ist die Aufwendung der Mittel für eine größere Transportkapazität insgesamt gesehen wertvoller.

Zitat:Da ist der von mir genannte Widerspruch in den Forderungen nach einfacheren, günstigeren Systemen auf der einen und gleichzeitig jener nach der Nutzung von Hochtechnologie auf der anderen Seite.

Der Widerspruch ist nur einer, wenn man unter heutiger (!) Technologie ausschließlich die komplexeste Hochtechnologie versteht. Stattdessen wäre es meine Idee dazu, die Erkenntnise der heutigen Technologie für eine möglichst weitgehende technische Vereinfachung zu nutzen, statt die Systeme fortwährend in ihrer Komplexität, in ihren Funktionen (Stichwort Überfunktionalität) und ihren Möglichkeiten zu überfrachten. Ich sehe dass selbst auf der Ebene der einfachen gewöhnlichen Infanterie fortwährend, wie man die heutige Technologie eben falsch anwendet und dadurch den Soldaten barock überfrachtet, zu überhöhten Kosten und ohne echten realen praktischen Nutzen, oder sehr oft auch zu einer bloßen Behinderung werdend. Um wieviel mehr muss dieser Effekt dann bei hochtechnologischen Systemen greifen ?! Ich habe daher auch ganz bewusst von heutiger Technologie geschrieben und nicht von einer jeweils verfügbaren modernsten Hochtechnologie. Die moderne Technologie böte eigentlich auch die Chancen dafür, die Dinge einfacher, praktischer, robuster, schlichter, eleganter (!!) und günstiger zu machen. Gerade die Bundeswehr ist aber ein Musterbeispiel für das Gegenteil in vielen ihrer Beschaffungen.

Neue Systeme benötigen meiner Meinung nach vor allem anderen eine gewisse elegante Schlichtheit, dass ist für mich ein hoher Wert.

Zitat:Wenn einen Ziel einen derartigen Aufwand für die Zerstörung durch die Luftstreitkräfte benötigt, ist "einfache Raketenartillerie" ganz sicher keine Alternative.

Doch, in ganz vielen Fällen. Es stellt sich ohnehin die Frage, in wie weit man nicht viel zu viel, und damit ineffizient Dinge aus der Luft erledigt, die man heute ganz anders erledigen könnte. Gerade Raketenartillerie hoher Reichweite und teilweise sogar die heutige Rohrartillerie machen Kampfhubschrauber fragwürdig.

Wenn ich mit Artillerie auf 100 km Entfernung präzise ganze Panzerverbände ausradieren kann, und zwar mit einer viel höheren Ausdauer im Gefecht bei gleichzeitig viel geringerer eigener Entfernung, werden Kampfhubschrauber nur umso fragwürdiger. Dann sollte man sich vor allem auf eine hochmobile Artillerie und entsprechende Aufklärungsmittel für diese konzentrieren und hätte damit ein System welches auch noch für viele andere Aufgaben heran gezogen werden kann, aber für die Aufgaben (Einwirken auf Durchbrüche etc) für die ihr hier Kampfhubschrauber andenkt sogar besser geeignet ist.

Feuer - Bewegung und Zeit sind gegeneinander verrechenbare Währungen. Wenn ich aufgrund höherer Reichweite das Feuer auch so ins Ziel bringen kann, und dies wesentlich dichter, mit wesentlich mehr Wirkung und sehr viel ausdauernder, benötige ich keinen Kampfhubschrauber um damit mit viel höheren Risiko, viel höheren Kosten und einer in jedem Fall höheren Abnutzung weniger Effekte zu erzielen. Denn eine Präsenz vor Ort erzeugen Kampfhubschrauber genau so wenig wie die Artilleriegranaten, sie sind nur vorübergehend da, wirken und dann ziehen die Helis wieder ab.

Entsprechend gibt es immens viele Einsätze / Szenarien in welchen man die Fähigkeiten der Kampfhubschrauber (beispielsweise bei feindlichen Durchbrüchen) relativ leicht, und sehr viel kostengünstiger durch die Artillerie stellen könnte, und damit sogar größere Effekte bei geringeren Kosten hätte. Das ist ja einer der Gründe warum ich überhaupt in Frage stelle, dass der Tiger einen Nachfolger im Sinne eines bewaffneten Hubschraubers benötigt.

Ich kann über die Gefechtslage hinreichend genau durch andere Aufklärungsmittel informiert sein, zum Waffeneinsatz können die Informationen unter Umständen trotzdem nicht reichen.

Was heißt hier nicht reichen ?! In der Ukraine wird teilweise nach Augenmaß über einfachste kommerzielle Drohnen Artillerie ohne jedes moderne Feuerleitsystem eingeschossen und trifft. In welchem Szenario konkret (!) reicht die Information nicht für den Waffeneinsatz ? Zumal die Aufklärung ja immer mehr in die Effektoren selbst verbaut wird.

Beim Kampfhubschrauber hast du die Sensorik im Hubschrauber. Bei entsprechenden endphasengesteuerten intelligenten panzersuchenden Artilleriegeschossen, Raketen und zielsuchender Munition hast du sie im Effektor selbst. In beiden Fällen aber hast du die Zielaufklärung für den Waffeneinsatz im gleichen Subsystem, in einem System vereint. Ob eine STRIX Mörsergranate einen Panzer gezielt von oben angreift, oder ein Kampfhubschrauber diesen von oben angreift, in beiden Fällen ist die Aufklärung, Zielidentifizierung, und das Anpeilen des Zieles in dem System, welches den Angriff ausführt, in einem Fall im Heli, im anderen Fall im Effektor selbst. Die Entwicklung geht aber meiner Meinung nach klar in die Richtung, dass man die Aufklärung entsprechend immer mehr in die Effektoren verbauen wird, weil dies einfach militärisch vorteilhafter ist. Sollte dies tatsächlich die Richtung sein, in welche es geht, dann macht es keinen Sinn, eine möglichst leistungsfähige Aufklärung auch noch in die Trägerplattform dieser Effektoren zu verbauen. Dass ist dann ein Konzept der Vergangenheit.

Zitat:Und von diesen "Umständen" wird es meines Erachtens eben deutlich mehr geben, als man aktuell aus dem theoretischen Zustand heraus erwartet. Das ist auch so ein Punkt, an dem sich meine Meinung in den letzten zwanzig Jahren nicht geändert hat, durch reale Ereignisse aber immer wieder bestätigt wurde.

Und selbst wenn, so kann man diese Situationen in sehr vielen Fällen halt auch anders abarbeiten, als den Feind dann mit Kampfhubschraubern anzugehen. Und diese Alternativen dazu sind nun mal breiter verwendbar, und man benötigt sie in jedem Fall (Artillerie, Raketen, Zielsuchende Munition usw) Eine Armee ohne Kampfhubschrauber ist denkbar, eine Armee ohne Artillerie (in einem weiteren Sinne) nicht. Wenn nun die Artillerie sehr oft in diesen Situationen die Aufgabe der Kampfhubschrauber übernehmen kann, oder dies auch andere Einheiten können, aber umgekehrt die Kampfhubschrauber diese Aufgaben der genannten Einheiten nicht vollumfänglich übernehmen können, so liegt hier der Nachteil beim Kampfhubschrauber und dass stellt diesen dann insgesamt als System in Frage.

Zitat:Der Vorstellung einer idealisierten Schönwetterkriegführung konnte und kann ich nichts abgewinnen.

Da bin ich völlig derselben Ansicht. Ich betone ja auch immer wieder und wieder, dass wir von der Schönwetterkriegsführung weg kommen müssen und kritisiere gerade die Bundeswehr immer für ihre idealisierten Vorstellungen wie Krieg abläuft. Aber meiner Meinung nach geht auch die Luftmechanisierung wie sie sich die Bundeswehr vorstellt viel zu sehr in Richtung einer Schönwetterkriegführung.

Zitat:Für mich ist ein moderner Kampfhubschrauber durchaus duellfähig.

Gegen einen ernsthaften modernen Gegner ?! Das halte ich für sehr gewagt. Ich bin aber natürlich nur ein einfacher Stoppelhopser und mir fehlt daher hier in diesem Punkt eine tatsächliche tiefergehende Kenntnis. Von daher ist meine Ansicht vor allem eine aus dem Studium von Berichten und Texten zu dieser Thematik. Ich halte Kampfhubschrauber in ihrer jetzigen Auslegung nicht für Duellfähig in dem Sinne, dass sie sich modernen ernsthaften mechanisierten Einheiten im Duell stellen könnten ohne dabei inakzeptable Verluste zu erleiden. Zwar sind natürlich Fälle konstruierbar wo es gehen könnte, aber sollte man ein System nur deshalb vorhalten, weil es Einzelfallweise theoretisch Fälle geben könnte wo es besser ist ?!

Zitat:dieser Punkt war natürlich ironisch gemeint und sollte explizit auf unsere Diskussion zum Thema Luftmechanisierung anspielen, bei der es ja auch um diese Frage ging. An meinen Ansichten hinsichtlich der Relevanz schwerer Transporthubschrauber für Lufttransport hat sich nichts geändert,

Man könnte an der Stelle ja übrigens auch einhaken und die These aufstellen, dass schwere Transporthubschrauber Unmengen zielsuchender Munition in ein Gebiet verbringen könnten .......

Zitat:Man kann immer "einen Schritt weiter" gehen und sich auf "noch wesentlichere" Systeme fokussieren, unabhängig davon was das der jeweiligen Meinung nach sein wird. Und ich sehe das nicht als erstrebenswert an, weil dadurch in meinen Augen zu viele Sekundäreffekte ignoriert werden. Damit meine ich langfristige Effekte, damit meine ich Monokulturen auf die sich ein Feind leichter einstellen kann, damit meine ich die Verringerung der Einsatzflexibilität, usw.

Meine Zielsetzung wäre aber ganz im Gegenteil immer eine Erhöhung der Einsatzflexibilität, dass sich der Gegner weniger darauf einstellen kann und die Monokultur wird durch die Vielfältigkeit der Möglichkeiten ein und derselben Systeme und die vielen dadurch unterschiedlichen Konzepte und Ansätze verhindert.

Beispielsweise erhöhen mehr Transporthubschrauber im Verhältnis zu einer Mischung von Transporthubschraubern und Kampfhubschraubern meine Flexibilität im Einsatz, sie machen es für den Feind schwieriger sich darauf einzustellen (allein schon durch die höhere Quantität der Einheiten, auch weil diese vielfältiger verwendet werden können) und selbst technologische Fähigkeiten im Helibau werden damit erhalten.

Zitat:also muss man die Diversität und damit das Fähigkeitsspektrum reduzieren. Aber ich bin in dem Punkt deutlich weniger Radikal als du, und halte das für den besseren Weg.

Der weniger radikale Weg ist zweifelsohne oft der Bessere. Aber nicht immer. Immer wieder haben Umbrüche in der Kriegsführung zu verheerenden Niederlagen bei denjenigen geführt, die sie ignorierten. Diese Umbrüche vor dem Gegner in einsetzbare Konzepte umzusetzen, bevor der Feind diese dann kopiert und damit entwertet (wechselseitige Aufhebung in der Rüstung!) ist ein erheblicher militärischer Vorteil der sehr oft die geringere Quantität auf der eigenen Seite und/oder die geringeren Mittel ausgeglichen hat bzw. ausgleichen kann. Deshalb halte ich so viel von unkonventioneller Kriegsführung, von radikalen Konzepten und von völlig neuen Wege in der Kriegsführung. Wir haben meiner Ansicht nach nicht die Mittel um damit einen ernsthaften Feind konventionell niederzukämpfen und wir werden sie nicht haben. Daher müssen diese Mittel so effektiv und so effizient wie möglich eingesetzt werden. Die Ökonomie der Kräfte sollte daher absolut im Mittelpunkt stehen. Konventionelle dezidierte Kampfhubschrauber aber entsprechend heute nicht mehr diesem Primat der Ökonomie der Kräfte.

Zitat:Unser Dissens in der Frage liegt nur darin, dass ich da eine viel größere Relevanz für eine breite Aufstellung sehe, weil ich Punkte wie den Fähigkeitserhalt (in Anwendung und Forschung) sowie die Relevanz von langfristigen Entwicklungen stärker berücksichtige als du mit deinem "fundamentalen" Ansatz.

So ist es. Perfekt auf den Punkt gebracht. Ich versuche aber schon so weit wie möglich die von dir als notwendig erachtete Breite an Fähigkeiten zu berücksichtigen. Meine Idee dazu ist halt, dass man möglichst Vieles mit möglichst wenigen Systemen erledigt, diese also möglichst viele Aufgaben in einem System übernehmen können und zwar ohne dadurch die Systeme technisch zu komplex werden zu lassen und ohne sie zu überfrachten. Ganz im Gegenteil halte ich diese Quadratur des Kreises für möglich, indem man durch eine möglichst kreative und breite Anwendung ein und derselben einfachen Systeme möglichst viele Aufgaben erledigt.

Daher auch meine Idee Transporthubschrauber zu verwenden anstelle dezidierter konventionell ausgelegter Kampfhubschrauber, weil man damit ein System hätte, welches in ein und derselben Einheit noch viele weitere Aufträge ausführen kann, im Gegensatz zum spezialisierteren und damit weniger breit einsetzbaren Kampfhubschrauber. Die Fragestellung ist daher für mich immer: was kann man mit ein und demselben System alles leisten ? An verschiedenen Aufgaben, an verschiedenen Aufträgen ? Ohne dass das System dadurch überkomplex gestaltet wird.
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Nachfolge Kampfhubschrauber Tiger - von Helios - 18.03.2023, 10:45
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