Französische Diplomatie
#1
Macrons Pläne zur Reformierung des Quai d’Orsay scheinen wohl einigen Unmut im diplomatischen Korps hervorzurufen. Während der Präsident einerseits, in etwas ruppiger Art, von einem "deep state" spricht, sehen Kritiker das Außenamt bereits auf dem Weg in die "Amerikanisierung". Insgesamt scheinen die Positionen relativ unvereinbar miteinander...
Zitat:DIPLOMATENSTREIK IN PARIS

Macron rechnet mit dem Deep State ab

Frankreichs Diplomaten streiken. Ihre Wut richtet sich gegen die Amerikanisierung des auswärtigen Dienstes. Die Reform wird mit der Abschaffung der Elitekaderschmiede ENA begründet. [...]

Das traditionsreiche französische Außenministerium am Seine-Ufer ist nicht als Hort der Rebellion bekannt. Derzeit aber ist eine aufrührerische Stimmung im Quai d’Orsay zu verspüren. An diesem Donnerstag treten viele Diplomaten in einen Streik, um gegen die „systematische Schwächung des Außenministeriums“ zu protestieren. In einem offenen Brief in der Zeitung „Le Monde“ haben mehr als 500 Beamte des Auswärtigen Dienstes ihre „Wut“ darüber bekundet, dass Frankreich künftig auf eine „professionelle Diplomatie“ verzichten wolle. [...]

Klammheimlich ließ der Präsident am Osterwochenende im Amtsblatt „Journal Officiel“ das Dekret veröffentlichen, mit dem ein Schlussstrich unter das traditionsreiche Corps diplomatique gezogen wird. Diplomaten („conseillers des affaires étrangères“) und Beamte im Botschafterrang („ministres plénipotentiaire“) soll es nicht länger geben. [...]

Von 2023 an soll der gesamte Nachwuchs in ein allgemeines Spitzenbeamtencorps integriert werden. Als „Allrounder“ sollen diese Beamten dann überall eingesetzt werden, ob in der französischen Provinz in einer Präfektur oder an einem Außenposten. Macron argumentierte, auf diese Weise könnten die Diplomaten nicht länger wie Rentiers ihre nächste Versendung abwarten. Auch werde die Vielfalt der Berufsfelder gestärkt. Die Reform wird des Weiteren mit der Abschaffung der Elitekaderschmiede ENA begründet. [...]

Macrons ehemalige Europaministerin Nathalie Loiseau übte Kritik. „Ich verstehe die Beunruhigung. Diplomat ist ein Beruf, den man erlernt haben muss“, sagte Loiseau. Der frühere Außenminister Michel Barnier bezeichnete die Reform als „Fehler“. „Die effiziente und einflussreiche Diplomatie ist in Gefahr“, sagte Barnier. Auch der ehemalige Chefdiplomat Dominique de Villepin äußerte sich empört und sagte einen Kompetenzverlust vorher. Macron leite das Ende einer jahrhundertelangen Tradition ein, die weltberühmte Diplomaten hervorgebracht habe. Französisch war einmal die Diplomatensprache. [...]

Die Reform scheint einer persönlichen Fehde gegen das Außenministerium geschuldet zu sein. Während der Botschafterkonferenz in Paris Ende August 2019 hielt er den Di­plomaten vor, wie ein „Staat im Staate“ („deep state“) zu agieren. Grund für Macrons Ärger war die Zurückhaltung der Diplomaten angesichts seiner damaligen Annäherungspolitik an Wladimir Putin. Warnungen aus dem Quai d’Orsay schlägt er bis heute gern aus.
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausl...73594.html

Schneemann
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Reformvorhaben im Quai d’Orsay - von Schneemann - 02.06.2022, 10:34
Französische Diplomatie - von voyageur - 03.09.2022, 12:10

Gehe zu: