Ein neuer arabischer Block
#2
Die Idee eines arabischen Blocks ist genau genommen gar nicht mal neu, das wurde übrigens auch schon seit dem Umsturz in Iran 1979 und der Machtübernahme der Mullahs immer wieder ausgelotet - nur hielten es in den 1980ern und 1990ern die Machthaber der arabischen Staaten, die sich selbst nicht immer ganz grün und untereinander verfeindet waren, nicht für notwendig, da die Einflussoptionen des Iran als zu gering eingestuft wurden (Assad sr. war zwar Verbündeter, aber ein sehr eigensinniger Nationalist; im Irak war Saddam an der Macht, der die Schiiten unterdrückte und der dem Iran spinnefeind gesonnen war; und im Libanon tobte ein Bürgerkrieg, den keine Seite so richtig gewinnen konnte und wo die damals erstarkende Hisbollah noch kein allzu großer Machtfaktor war; hinzu kam, dass der Iran sehr geschwächt war nach dem Krieg gegen Irak in den 1980ern bzw. man den Irak als Bollwerk gegen die Ausbreitung der schiitischen Revolution ansah). Es schien also nicht notwendig zu sein...

Das hat sich grob seit Beginn des Jahrtausends geändert. Der Iran leidet zwar unter den Sanktionen, hat sich aber eine recht beschauliche eigene - "domestic" - Streitmacht zugelegt (gerade auch die Raketentruppen), in Irak haben die USA indirekt und versehentlich - obwohl es genügend Warnungen von Experten dahingehend gab - der Einflussnahme des Iran Vorschub geleistet durch den Sturz von Saddam, der Libanon hat seinen Bürgerkrieg zumindest oberflächlich beendet und die Hisbollah ist dort ein nicht zu unterschätzender, wenngleich auch nicht geliebter, Machtfaktor. Und in Syrien ist Assad jr. mehr als nur abhängig von Teheran, um seine fragile Herrschaft über ein zerstörtes Land zu sichern. Hinzu kommt, dass der Iran seine Finger ausstreckt nach den Golfanrainern und nach dem Jemen (Huthi-Rebellion).

Insofern hat der Iran scheinbar stark an Einfluss gewonnen - vordergründig. Und dies erschreckt natürlich die traditionellen Gegner etwa in Riad oder auch in Kairo.

Allerdings ist der Einfluss auch nicht so stark, wie auf den ersten Blick angenommen werden könnte. Teheran ist in einem Zustand des stark überdehnten Tischtuchs. Man ist verschuldet (grob hat sich die Verschuldung seit 2010 fast verdreifacht), das BIP ist seit 2010 von 600 Mrd. Dollar auf 200 Mrd. Dollar gesunken (!) - und zugleich muss man Kriege in Syrien, im Jemen und teils in Irak (mit-)führen. Und in der Folge ist der eigene Einfluss noch nicht einmal stärker geworden. In Irak ist die Lage fragil, die Zustimmungswerte der Regierung sind im Keller, Gewalt ist alltäglich. In Syrien hat sich das Assad-Regime zwar stabilisiert, aber man wird eine längerfristige Unterstützung nur auf Kosten der eh schon schwachen eigenen Wirtschaft umsetzen können (und Assad wird auf Jahre hinaus noch Unterstützung brauchen). Im Jemen ist ein Ende des Konfliktes nicht in Sicht, ein Fass ohne Boden. Im Libanon ist die Lage sehr schlecht, das Land steht vor dem inneren Zerfall und an der Schwelle eines neuen Konfliktes, und ein großer Teil der Menschen gibt auch der Korruption der Hisbollah und damit dem Iran mit die Schuld - ein wachsender Einfluss ist hier nicht in Sicht, eher ein schwindender.

In gewisser Weise ist der Iran also ein Bauunternehmer, der sich überall Einfluss durch das Heranziehen von Bauaufträgen sichern will, der aber keinen dieser Aufträge wirklich abschließen kann. Eher entwickeln sich die Aufträge zu kostenintensiven und nervigen Dauerbaustellen, was man sich eigentlich nicht leisten kann und die die lokalen Bevölkerungen zunehmend ärgern, was dann wieder die Erosion des eigenen Ansehens bedingen wird.

Wirklich Sorgen machen müssen sich die arabischen Staaten also nicht, sie müssen eher abwarten und ggf. leicht nachjustieren.

Schneemann
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Nachrichten in diesem Thema
Ein neuer arabischer Block - von voyageur - 29.12.2021, 11:51
RE: Ein neuer arabischer Block - von Schneemann - 31.12.2021, 09:37

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