Krieg im 21. Jahrhundert
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(02.12.2021, 12:42)Quintus Fabius schrieb: Das ist ja auch nicht als exaktes Zahlenverhältnis zu verstehen, sondern als grundsätzliche Tendenz.

Es ist aber doch eine Binse, dass kleinere Fahrzeuge günstiger sind und deshalb bei gleichem Budget in größerer Zahl beschafft und betrieben werden können. Wichtig zur Bewertung ist deshalb, wie groß der genaue Unterschied in welchen Szenarien ist. Der liegt eben definitiv nicht bei 1:8, und ich behaupte, der liegt nicht einmal bei 1:4, wenn man alle Faktoren berücksichtigt.

Zitat:Je technisch einfacher die Plattform ist und je leichter, desto mehr sinken die Kosten ab, nicht linear, sondern deutlich stärker absteigend.

Die technische Komplexität ist ein Kostentreiber, nicht so sehr das Gewicht. Die Frage ist natürlich berechtigt, ob schwerere Plattformen jene Komplexität wirklich benötigen.

Zitat:Nicht einmal das ist sicher gesagt, da die Beharrungsresistenz der Strukturkonservativen Kräfte gerade in Armeen immens ist.

Wenn wir aber annehmen, dass ein solcher Wandel bei uns möglich ist, müssen wir auch annehmen, dass er bei anderen möglich ist. Sicher ist natürlich gar nichts, das ganze ist hochspekulativ, aber gerade deswegen sollten wir nicht nur den Besten gegen den Schlimmsten Fall betrachten.

Zitat:Keineswegs: den kleine leichte Fahrzeuge lassen sich viel leichter im Gelände verbergen. Sie sind auf dem Radar viel schwerer aufklärbar. Sie sind akustisch viel schwerer aufklärbar. Sie sind schneller und können viel leichter selbst über weite Strecken verlegen und sich viel leichter dislozieren und ständig ihre Position wechseln. Deshalb ist die Aufklärbarkeit grundsätzlich immer schwieriger als bei schweren mechanisierten Verbänden.

Mit keinem Wort habe ich einen Vergleich zu "schweren mechanisierten Verbänden" gezogen, ich habe deinen Absatz zitiert, bei dem du den Gedanken leichter Kräfte weiterspinnst und zivile Fahrzeuge als Basis verwendest. Meines Erachtens übertreibst du es da deutlich hinsichtlich der Vorteile, beispielsweise was die Aufklärbarkeit angeht. MRAPs sind signaturoptimiert, der RCS ist relativ zur Fahrzeuggröße recht gering, etwas, was bei Technicals nicht der Fall ist (und auch nur bedingt nachträglich modifizierbar ist).

Zitat:Mal abgesehen davon dass ich selbst so ein Teil mein Eigen nenne und damit recht viel im Wald unterwegs bin (und dabei ist das Teil auch schon mal schwer mit Holz beladen o.ä.): natürlich gibt es Grenzen der Geländegängigkeit.

Die gibt es immer, aber wenn du selbst solch ein Fahrzeug besitzt weißt du, wie schnell sie bei voller Zuladung erreicht werden. Der Wald ist da eher noch harmlos (da geht's ohne Infrastruktur mit Fahrzeugen eh nicht vernünftig), Waldrand, Feld und Wiesen sind viel kritischer, auch wenn es nur wenig feucht ist. Klein und leicht ist im Gelände gut, die typischen Technicals sind aber mit den montierten Systemen häufig bereits an der Gewichtsgrenze (oder, weil es keinen Interessiert, darüber hinaus) - das wirkt sich auf die Geländegängigkeit fatal aus, und auf die Leistungsdaten ebenso. Da ist mir ein MRAP als Basis immer lieber.

Zitat:Ein deutlich geringeres Gewicht erzeugt schon aus sich selbst heraus eine höhere Geländegängigkeit, weshalb ein leichter Geländewagen auch dort noch durchkommt wo eine schwere Mercedes G Klasse stecken bleibt. Dazu kommt noch die geringere Größe. Man kommt damit zwischen Bäumen durch zwischen denen ein Kampfpanzer nicht mehr durchkommt usw usf

Kenn ich und weiß ich, aber dafür muss das Fahrzeug eben wirklich leicht sein, nicht nur absolut, sondern auch relativ zu seinen Leistungsgrenzen.

Zitat:Die Frage der Aufklärung durch das Erkennen von Bewegungsmustern betrifft aber jeden militärischen Verband, und ist daher ein Scheinargument, weil jeder schwere mechanisierte Verband genau so aufgeklärt werden kann.

Ich habe das Argument nicht angeführt, um daraus einen Nachteil für militarisierte Zivilfahrzeuge zu machen, sondern um den von dir postulierten Vorteil zu relativieren. Eben weil bei der Aufklärung Identifikation nicht ausschließlich über die Signatur, sondern auch über das Verhalten erfolgt, ist der Vorteil einer leicht fehlinterpretierbaren Signatur geringer als behauptet. Das er grundsätzlich besteht, ist natürlich klar.

Zitat:1: die Simultanität aufgrund großer Quantität, was dazu führt, dass der Gegner die eintrudelnden Informationen entweder falsch oder gar nicht interpretiert und dies auch nicht kann, weil er durch die Informationen und ihre Auswertung überlastet wird.

Der aktuelle Trend geht aber gerade aufgrund der Bedrohung durch eine große Zahl qualitativ einfacher Drohnen dahin, die Strukturen zur Aufklärung und Auswertung zu automatisieren um so quantitative Überlastungen zu vermeiden. Trotz einer sinkenden Zahl an feindlichen Einheiten in den letzten fünfzig Jahren ist die Zielverfolgungskapazität der Sensoren deutlich angestiegen, und dehnt sich auch aktuell mit einem Augenmerk auf geringe Signaturen aus.

Zitat:Und 2: die Geschwindigkeit der Verbände selbst. Mit derart leichten Fahrzeugen lassen sich querschnittlich wesentlich größere Geschwindigkeiten über einen längeren Zeitraum hinweg generieren. Das verkürzt das Zeitfenster für den Feind erheblich, so dass dieser selbst dann wenn er uns aufklärt (was zweifelsohne geschehen wird!) erhebliche Probleme hat die Aufklärungsergebnisse zu verwerten, weil diese rasant überholt werden.

Das setzt aber zwei Dinge voraus, zum einen, dass eben der Luftraum für den Gegner zumindest gesperrt ist (was du ja erwähnt hast), zum anderen, dass der Gegner sich nicht auf einen solchen Strukturwandel eingestellt hat (eine Annahme, die ich zur Begründung eines eigenen Strukturwandels töricht finde). Meines Erachtens sollten wir davon ausgehen, dass der Gegner die Entwicklungen wahrnimmt und darauf reagiert. Passiv beispielsweise durch eine Absicherung von Verkehrsinfrastruktur durch einfachste Systeme (bspw. Minen/Sprengfallen), aktiv durch die Verbreitung einfachster Wirkmittel in extrem großer Zahl, sowohl am Boden als auch im bodennahen Luftraum, letzteres bspw. durch aus der Deckung operierenden VTOL-Drohnen, die schnell und in großer Zahl (aufgrund des geringen Gewichts der notwendigen Wirkmittel) eingesetzt werden können).

Zitat:Dazu kommt noch 3: dass die Quantität die Möglichkeiten der Aufklärung des Gegners rein zahlenmässig überfordert, aber selbst wenn er seine Aufklärung im Vorab nun anpasst und ausweitet, so kann zumindest ein Teil dieser Aufklärung durch die eigenen Streitkräfte vernichtet werden und fällt damit aus und allein dadurch werden Lücken in der feindlichen Aufklärung erzeugt.

Vielleicht kann die Aufklärung auch nicht vernichtet werden, weil dazu ja wiederum eine eigene Aufklärung notwendig wäre, die wiederum vom Gegner vernichtet werden könnte. Reale Beispiele bringen für diese Argumentation wenig, dass die aktuelle Bundeswehr eine riesiges Problem bspw. im Bereich Flugabwehr hat ist offensichtlich, aber doch nicht grundsätzlich strukturbedingt. Und ich sehe hier keinen Vorteil, der durch die Verwendung von zivilen Fahrzeugen erzielt werden könnte, der nicht auch umgekehrt tatsächliche Nachteile mit sich bringt.

Zitat:Du wirst sich nicht negieren können, dass der Gesamtaufwand für die real 6 Panzer-Bataillone mit schweren Kampfpanzern wenn man ihn ganzheitlich betrachtet so groß ist, dass man davon ein vielfaches an Bataillonen mit der hier skizzierten Ausrüstung aufstellen könnte! Und dass diese dann an die moderne Kriegsführung wesentlich besser angepasst sind als es die aktuellen Panzer-Bataillone sind.

Ersteres kann ich tatsächlich nicht leugnen, letzteres schon, weil meines Erachtens diese "Anpassung an die moderne Kriegsführung" keine Singularität ist. Du beschreibst die Vorteile solch eines Wandels gegenüber den bestehenden Strukturen im Vergleich zu anderen bestehenden Strukturen, schon da habe ich meine Zweifel (zumindest wenn es um die Technicals geht, auf die ich ja explizit eingegangen bin ohne irgendetwas anderes implizit zu meinen), umso mehr aber, wenn der Wandel dann nicht konsequent auch auf die entsprechenden Gegenmaßnahmen weitergedacht wird.
Jede militärische Revolution besaß nur einen zeitlichen Vorteil, es kam entweder zu einer Konterrevolution oder zu einer Anpassung prärevolutionärer Strukturen an die neue Kriegsrealität. Das ist völlig normal und wäre generell ohne Bedeutung, wenn das, was du vorschlägst, nicht eine teilweise radikale technische Vereinfachung (durch die Nutzung von leichten, einfachen, zivilen Fahrzeugen) zur Stärkung der defensiven Kampfkraft wäre.
Die wichtigen Fragen wären also beispielsweise, wie lange würde ein solcher Vorteil bestehen und welchen Nutzen hätte er? Aber auch, welche Gegenmaßnahmen wären möglich und welche Komplexität besitzen diese?

Wenn du beispielsweise jetzt die Bundeswehr auf zigtausenden Technicals irgendeines Fabrikats aufbaust, wäre mein erster Gedanke, dass man solch ein ziviles Basisfahrzeug relativ einfach elektronisch lahmlegen kann, weil keine der Komponenten militärisch gehärtet ist, es keine Redundanzen gibt, usw.

Insofern nein, ich werde nicht zustimmen, dass deine Gedankenspiele zu diesem "Schritt weiter" fruchtbar sind, sofern sie sich nicht auf wenige Einheiten beschränken, die mit speziellen Aufgaben betreut werden. Was den Einsatz von leichteren gegenüber schwereren Verbänden angeht, wie gesagt, dazu habe (und werde) ich mich nicht äußern.
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