Krieg im 21. Jahrhundert
#76
(20.12.2021, 16:44)Helios schrieb: Ein Argument für eine "Armee der leichten Kräfte", um sie mal so zu nennen, war etwa die Auflösung von Schwerpunkten, was ein probates Gegenmittel gegen mechanisierte Großverbände darstellt, denen somit die klaren Ziele fehlen (während sie gleichzeitig ihre Kräfte über ihre Möglichkeiten streuen müssten).

Wenn der Gegner keine militärischen Schwerpunktziele vorfindet, könnte es ihn dazu verleiten, zivile Schwerpunkte ins Visier zu nehmen. Im Fall eines mechanisierten Massenangriffs auf eine Großstadt stünde die leichte Armee dann vor dem Dilemma, entweder die Vernichtung der Stadt hinzunehmen oder die sorgsam dislozierten Kräfte wieder konzentrieren zu müssen. Auf diese Art könnte der Gegner sehr einfach die leichte Armee in eine konzentrierte Schlacht locken, in der diese ihre Stärken größtenteils nicht ausspielen kann und den schweren Kräften unterlegen wäre.
Für Quintus mag das ein untergeordnetes Argument sein Wink, für die Planer der Bundeswehr aber wohl eher nicht.
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#77
Broensen:

Es ist genau umgekehrt: Städte die verteidigt werden, werden zerstört.

Städte die der Gegner einnimmt kann man hingegen auch sehr leicht zu einem erheblichen Problem für ihn gestalten. Sie bieten viel mehr Potential dem Gegner Schäden zuzufügen als wenn man versuchen würde sie zu halten. Mit sehr wenigen Kämpfern kann man dann in diesen Städten erhebliche Mengen feindlicher Truppen binden und dort erstaunlich weitgehend abnutzen. Ungmenge Urbane Scharfschützen, Sprengfallen aller Art, Angriffe mit ferngesteuerten VBIED, systematische Brandstiftung, mit Kohlenmonoxid geflutete Räume und Keller, die Zerstörung von Strom und Trinkwasserversorgung, die systematische Verunmöglichung der Versorgung für die gegnerischen Truppen und die Unzahl von Zivilisten welche dann dem Gegner "auf der Tasche liegen" und ihn zugleich auch noch schlecht aussehen lassen, das Netz der Armee ohne Schwerpunkt kappt dann um die Stadt herum die Versorgung sowohl der Truppen in der Stadt wie auch die der Zivilbevölkerung. Allein daraus entsteht ein immenses Problem. Der Gegner muss dann erhebliche Truppenmengen festlegen um die Stadt selbst zu halten, als auch um die Nachschubwege in die Stadt zu sichern. Entsprechend dünnt seine Truppe sonst überall aus und wird damit anfälliger für die Armee ohne Schwerpunkt. Panische Massen die nichts zu trinken haben und zu zehntausenden auf der Straße sind kann man zudem nur mit extremster Gewalt gegen diese aufhalten bzw. hindern. Dies kann wiederum politisch wie militärisch exploriert werden. Flüchtlingsströme aus der Stadt heraus verstopfen die Straßen auf welche der Gegner sowohl in seiner Bewegung als auch insbesondere in seinem Nachschub angewiesen ist. Das sind alles derartige Vorteile, dass es geradezu sinnvoll erscheint bei so einem Armeekonzept ohne Schwerpunkt den Gegner regelrecht in die Städte hinein zu locken.

Auf gar keinen Fall aber darf man eine solche Armee ohne Schwerpunkt konzentrieren, selbst noch so geeignete Sperren und Räume dürfen nicht zu einer Verdichtung führen - dass ganze Grundkonzept ist ja ein ganz anderes und nicht an spezifische Sperren gebunden.

Helios:

Eine Armee ohne Schwerpunkt mit einem Primat leichter und ultraleichter Kräfte ist aus der Luft viel weniger greifbar, sie bietet gar keine sinnvollen Ziele und jedes Ziel das zerstört wird kostet mehr an Aufwand als das Ziel selbst wert ist. Damit wird die Bekämpfung dieser Armee aus der Luft kriegsökonomisch zu einer Abnutzung des Feindes. Sie benötigt aber deshalb auch zugleich an sich viel weniger Luftraumverteidigung. Daher wird diese für andere Aufgaben frei gemacht. Man schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe: der Mangel an Systemen der Luftraumverteidigung wird gemindert und diese kann verstärkt dort eingesetzt werden wo sie noch notwendiger ist als zum Schutz von irgendwelchen Heereseinheiten.

Die von dir genannten Schwerpunkte welche ja unabhängig von der Frage der Heereseinheiten weiter bestehen (beispielsweise und insbesondere Luftwaffeninfrastruktur) werden durch die Armee ohne Schwerpunkt eben nicht direkt verteidigt. Der Gegner wird jedoch durch das Netz der Truppen welches er durchquert und welches hinter ihm weiter intakt ist erheblich geschwächt. Er ist dann auch kaum noch durchhaltefähig, kappt das Netz doch hinter ihm die Versorgung und geht seine rückwärtigen Einheiten an. Daher reichen deutlich geringere Kräfte für den Schutz dieser Schwerpunkte. Vor allem müssen diese durch eine geeignete geographische Positionierung, und durch Ausweichstellungen geschützt werden. Das ist ohnehin ratsam, da sie ansonsten auch feindlichen Systemen welche auf große Distanzen wirken können zum Opfer fallen würden. Den es macht ja gar keine Rolle ob ein Luftwaffenstützpunkt einfach mit Raketen / Marschflugkörpern ausgeschaltet wird oder ob mechanisierte Verbände bis zu ihm vordringen und ihn ausschalten. Er ist in jedem Fall höchst verletzlich. Daher muss unsere Luftwaffe eigentlich durchgehend weiter westlich stationiert werden und ständig auf dem Sprung nach weiter hinten sein.

Zudem sollte man bedenken, dass in einem solchen Krieg die Option eines Einsatzes taktischer Nuklearwaffen ja nicht vom Tisch ist. Der Feind kann daher auch schwer gesicherte und stark verteidigte Schwerpunkt-Ziele einfach mit taktischen Nuklearwaffen zerstören. Es macht allein schon deshalb keinen Sinn diese rigide halten zu wollen. Fluidität ist auch hier der bessere Schutz. Umgekehrt kann die Armee ohne Schwerpunkt mit taktischen Nuklearwaffen nicht sinnvoll bekämpft werden, und bieten umgekehrt die mechanisierten Großkampfverbände des Feindes dann gerade eben perfekte Ziele für unsere taktischen Nuklearwaffen.

Bezüglich PARL sollte man noch anmerken, dass die heutigen PALR nicht gerade optimal sind, dass sie in vielerlei Hinsicht falsche Konzepte verfolgen und (Stichwort Überfunktionalität) zu sehr mit Elektronik überladen sind. Selbst die Spike sind ja keineswegs modern und würden heute an russischen Hardkill, Softkillsystemen und Reaktipanzerung weitgehend scheitern. Was wir benötigen sind PALR welche schlußendlich mit einem KEP (Kinetische Energie Penetrator) wirken. Dazu müssen sie Hochgeschwindigkeitsraketen sein - welche zugleich das Problem von Hardkill lösen und solche Raketen gibt es theoretisch ja schon seit Dekaden. Dennoch wurde diese entscheidende Technologie nicht exploriert. Im LOS Bereich kann eine solche Rakete nun einfach in direkter Linie auf das Ziel abgefeuert werden. Weder benötigt sie einen Man-in-the-loop noch sonst irgendeine aufwendige elektronische Steuerung die ohnehin nur gestört wird und/oder eine Schwachstelle darstellt in welche der Feind einhaken wird. Je einfacher, desto besser. Die Überlegenheit resultiert dann primär aus der Geschwindigkeit selbst. Wenn man zukünftige PALR so gestaltet, werden sie deutlich kostengünstiger, günstiger als es heutige Systeme sind.

Eine Ebene darunter kann man neue kreative Wege gehen um schon bestehende günstige Systeme besser einzusetzen. (folgt)
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#78
(21.12.2021, 00:37)Quintus Fabius schrieb: Eine Armee ohne Schwerpunkt mit einem Primat leichter und ultraleichter Kräfte ist aus der Luft viel weniger greifbar, sie bietet gar keine sinnvollen Ziele und jedes Ziel das zerstört wird kostet mehr an Aufwand als das Ziel selbst wert ist.

Das kommt doch sehr stark auf das Einsatzgebiet und die verwendeten Mittel an, zumal es nicht darum geht, diese Kräfte zu zerschlagen, sondern nur die Operationsräume zu sichern. Die wiederum werden ja auch umso kleiner, je leichter die eigenen Einheiten sind, eben weil denen die Reichweite fehlt, was durch Bewegung ausgeglichen werden muss. Und Bewegung kann aufgeklärt werden. Zumal eine solche Konfrontation ja tatsächlich in weiten Teilen asymmetrisch werden würde, dem Gegner als diversifiziertere und weitreichendere Mittel zur Verfügung stehen würden als einem selbst. Das ist aber gar nicht mein Punkt. Vielmehr geht es mir darum, dass die hier skizzierten Pläne eben keine Armee ohne Schwerpunkt wäre, sondern nur, wie du ja ausführst, die Schwerpunkte keine Rolle bei der Heereskriegsführung spielen sollen:

Zitat:Die von dir genannten Schwerpunkte welche ja unabhängig von der Frage der Heereseinheiten weiter bestehen (beispielsweise und insbesondere Luftwaffeninfrastruktur) werden durch die Armee ohne Schwerpunkt eben nicht direkt verteidigt. (...)

Ich sehe darin aber ein Problem, zum einen weil die Aufstellung der Kräfte des Gegners auch bestimmten Zielsetzungen folgen und die notwendige Anpassung meines Erachtens leichter erfolgen kann als die Transformation unserer Kräfte, zum anderen aber vor allem, weil ich ein anderes, vielleicht in Bezug auf die Heereskriegsführung auch falsches Bild von der Tiefe des Raumes habe. Was du beispielsweise hier erwähnst, ist weder trivial noch taktisch sinnvoll:

Zitat:Daher muss unsere Luftwaffe eigentlich durchgehend weiter westlich stationiert werden und ständig auf dem Sprung nach weiter hinten sein.

Je weiter entfernt die eigene Luftwaffe stationiert ist, desto geringer ist ihre Reaktionsfähigkeit und ihr Einsatzvermögen (bspw. durch eine geringere Durchhaltefähigkeit), und damit letztlich auch die Kampfkraft. Die Aufgabe der Beherrschung des Luftraums oder zumindest die Verteidigung in einem Maß, dass er für den Gegner nicht nutzbar wird, lässt sich so meines Erachtens nicht erreichen. Auch deshalb, weil diese generell nicht ausschließlich über Luftfahrzeuge erzielt werden kann, sondern insbesondere Aufklärungsmittel am Boden benötigt. Es wird also unabhängig von zu schützenden Großkampfverbänden eine größere Zahl an Flugabwehrmittel in der Fläche benötigt, die ihrerseits auch vor feindlichen leichten und mittleren Einheiten in kleinen Verbänden am Boden geschützt werden müssen. Womit sich die zuvor bereits erwähnte Spirale weiterdreht.

Egal wie ich es drehe und wende, und wie gesagt mag das vielleicht an meinem fehlenden Verständnis für die Heereskriegsführung liegen, aber eine große Transformation ist meines Erachtens der falsche Weg. Das bedeutet ja nicht, dass ich grundsätzlich irgendeinen deiner Gedanken nicht nachvollziehen könnte oder anders bewerte, nur die Dimension der Umsetzung ist es, die für mich keinen Sinn ergibt. Ich hoffe es wird klar, worauf ich eigentlich hinaus will.

Zitat:Je einfacher, desto besser. Die Überlegenheit resultiert dann primär aus der Geschwindigkeit selbst. Wenn man zukünftige PALR so gestaltet, werden sie deutlich kostengünstiger, günstiger als es heutige Systeme sind.

Das ist aber reine Spekulation, die ihr im übrigen so nicht teile. Blickt man auf die aktuelle Realität (in verschiedene Richtung, es geht mir da gar nicht nur um PALR, sondern auch sowas wie APKWS), dann ergibt sich eben ein anderes Bild, wie ich bereits dargestellt habe.
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#79
Tut mir leid dass ich nicht so hinterher komme. Bin gerade beruflich recht eingespannt. Hat alles daher nicht den Umfang noch weniger die Form welche ich mir wünschen würde.

Noch zu den Preisen und Zahlen: nehmen wir die SPIKE NLOS. Ein System welches vergleichsweise teuer ausfällt, mit einer sehr hohen Reichweite. Es eignet sich als Vergleichssystem besonders weil die von mir hier angedachten PALR deutlich günstiger ausfallen würden. Eine SPIKE NLOS kostet die immense Summe von 200.000 Dollar pro Einheit. Für das Geld welches Finnland aktuell in die F-35 gesteckt hat, könnte man daher um die 50.000 SPIKE NLOS beschaffen. Nun stellt sich die Frage was die Russen in Bezug auf ihre mechanisierten Verbände vor das größere Problem stellen würde: die paar F-35 welche kaum zur Wirkung kommen werden und ja primär indirekt durch ihre bloße Präsenz Einfluss nehmen sollen oder 50.000 SPIKE NLOS Systeme (es gäbe nicht ansatzweise genau Ziele um diese Zahl überhaupt zur Anwendung bringen zu können).

Ein russische KORNET kostet zum Vergleich in der neuesten Version gerade mal 9000 Dollar. Man käme dann zu dem Preis welche die F-35 jetzt Finnland kosten auf über eine Millionen Systeme (1.055.555 Stück). Die von mir angedachten Hochgeschwindigkeits-PALR würden nun eher vom Preis her im Bereich einer KORNET liegen (wenn auch vermutlich ca. doppelt so teuer) und daher ist meine Aussage, dass man damit mit Leichtigkeit für den Preis von 10 modernen Kampfflugzeugen ungefähr 100.000 Einheiten produzieren kann meiner Einschätzung nach eben keineswegs inkorrekt.

Oder nehmen wir APKWS, da du es ja explizit genannt hast. Ca. 22.000 Dollar pro Einheit: ergäbe 431.818 Systeme. Es gäbe nicht mal ansatzweise irgendwo genug Ziele dafür.

Zitat:zumal es nicht darum geht, diese Kräfte zu zerschlagen, sondern nur die Operationsräume zu sichern. Die wiederum werden ja auch umso kleiner, je leichter die eigenen Einheiten sind, eben weil denen die Reichweite fehlt, was durch Bewegung ausgeglichen werden muss. Und Bewegung kann aufgeklärt werden.

Bewegung ist an sich zu einem Problem geworden. Die hier skizzierte Form eines Heeres wäre daher vor allem in der Verteidigung überlegen, und es wäre explizit dabei das Ziel, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Die Verbände bleiben also da wo sie sind. Zieht der Feind weiter, so trifft er in einem anderen Raum auf andere Verbände. Diese amorphe Struktur würde heutige konventionelle Streitkräfte deutlich überfordern und sie erfordert (das zeigen beispielsweise die Erfahrungen aus Tschetschenien wo es schon zu so ähnlichen Zuständen kam) einen immensen Aufwand vom Gegner selbst bei relativ schwachen und kleinen Einheiten (Economy of Force).

Ein solches (sich abzeichnendes) Primat der Defensive ist aber auch sonst günstig, bringt es den Gegner doch dazu ebenfalls in diese Richtung zu rüsten und so führt das sekundär politisch zu mehr Stabilität und senkt das Kriegsrisiko. Offensivstreitkräfte müssen offensiv werden um zu siegen. Sie haben in der Defensive eher Nachteile. Das befördert das Kriegsrisiko. Die von mir skizzierte Streitmacht wäre daher eine welche politisch stabilisierend wirken könnte.

Zitat:zum anderen aber vor allem, weil ich ein anderes, vielleicht in Bezug auf die Heereskriegsführung auch falsches Bild von der Tiefe des Raumes habe.

Ich denke auch, dass wir hier fundamental verschieden denken. Es wäre für mich kein Problem sehr weitgehend den Raum vom Gegner durchqueren zu lassen. Das heißt nicht, dass dieser Raum nicht parallel von unseren Bodenstreitkräften weiter durchdrungen ist. Sondern dass diese den Gegner in erhebliche Tiefe hinein vordringen lassen, während sie zugleich ohne Schwerpunkt und in reduzierter Form gegen ihn opportunistisch vorgehen. Der große Vorteil wäre meiner Meinung nach, dass der Raum damit zu einer Falle für die gegnerischen Streitkräfte wird, die sich in ihm nicht erhalten können und daher schlußendlich untergehen müssen. Oder der Gegner versucht unsere dislozierten Einheiten überall zu werfen und zumindest Korridore frei zu kämpfen, dann bindet dies immense Mittel (Economy of Force) und hält ihn erhebliche Zeiträume auf. Er kann dann nicht ansatzweise so vordringen wie es nötig wäre. Wie man es dreht und wendet, er kommt dadurch mit konventionellen mechanisierten Streitkräften in eine problematische Lage und verliert erheblich Zeit und genau das wäre es, was meiner Meinung nach in Osteuropa von Vorteil wäre.

Zitat:Je weiter entfernt die eigene Luftwaffe stationiert ist, desto geringer ist ihre Reaktionsfähigkeit und ihr Einsatzvermögen (bspw. durch eine geringere Durchhaltefähigkeit), und damit letztlich auch die Kampfkraft.

Da verstehst du die Intention falsch. Exakt diesen Wirkmechanismus will ich ja gegen die feindlichen Luftstreitkräfte zur Anwendung bringen, sie schlußendlich dazu zwingend über eine zu große Distanz hinweg zu kämpfen. Wenn der erhebliche Raum der von den Bodenstreitkräften ohne Schwerpunkt durchdrungen wird von den gegnersichen Einheiten gequert wird, dann kann ich diese aus der Luft angreifen.

Es ist dann genau der Feind der vor der Problematik steht, dass seine Luftstreitkräfte von zu weit weg aus agieren müssen. Denn: den Raum welcher hier zwischen unsere Luftstreitkräfte und die seinen eingeschoben wurde ist für ihn nicht zur Stationierung seiner Lufteinheiten benutzbar. Er wird ja weiterhin von unseren dislozierten Bodenstreitkräften de facto unbrauchbar gemacht, allein durch ihre Präsenz. Wir können dann gegen seine Bodeneinheiten viel leichter aus der Luft vorgehen.

Die von dir angesprochene Aufklärung am Boden wird ebenso vom dem Netz leichter Kräfte geliefert. Diese dienen de facto als Plänkler für die eigene Luftwaffe, agieren also dieser vorgeschoben. Zukünftige Infanterie sollte meiner Meinung nach ohnehin eine Mischung aus bisherigen Jägern und Fernspähern sein (ohne deren Luftlandefähigkeiten) und dass was man im englischen Sprachgebrauch Special Reconaissance nennt ist eine der wesentlichsten Leistungen des Netz leichter Kräfte in diesem Kontext.
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#80
PALR haben immer das Risiko technisch obsolet zu werden, und dann sieht es übel aus bei einer so einseitigen Aufstellung.
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#81
Auch Kanonen von Kampfpanzern werden obsolet und exakt das ist jetzt der Fall. Auch die Spike ist im Prinzip bereits dabei obsolet zu werden.

Hyperschall-PALR welche mit einem KEP wirken wären hingegen exakt das, was sowohl die bisherigen BK der Panzer wie auch die bisherigen PALR ersetzen könnte und sollte. CKEM wäre ein gutes Beispiel für diese Technologie.

Und auch wenn das vielleicht so erscheint, wären die PALR keineswegs das einzige - oder das primäre System. Die Aufstellung wäre ja nicht ansatzweise so einseitig. Das reicht ja von Mittelkaliber-Maschinenkanonen über Mörser und PALR hin zu weitreichender Raketenartillerie, Minen, usw usw kurz und einfach: da wird durchaus sehr viel mehr zur Anwendung gebracht.

Und ich schrieb ja auch schon explizit, dass es sich nur um illustrierende Zahlenverhältnisse handelt und es nicht einmal so viele Ziele gäbe um die genannten Systemzahlen auch nur zur Anwendung bringen zu können.
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#82
Zitat:Es ist dann genau der Feind der vor der Problematik steht, dass seine Luftstreitkräfte von zu weit weg aus agieren müssen. Denn: den Raum welcher hier zwischen unsere Luftstreitkräfte und die seinen eingeschoben wurde ist für ihn nicht zur Stationierung seiner Lufteinheiten benutzbar.


Denkt an die A330MRT, bei Chamall (Irak, Syrien) ist die durchschnittliche Einsatzdauer eines Rafales 6 Stunden. Für Indien wurde die technisch mögliche Flugdauer auf 10 Stunden erhöht. Immer mit A330MRT die wenn notwendig Poneyhof fliegen.
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#83
(21.12.2021, 13:16)Quintus Fabius schrieb: Nun stellt sich die Frage was die Russen in Bezug auf ihre mechanisierten Verbände vor das größere Problem stellen würde: die paar F-35 welche kaum zur Wirkung kommen werden und ja primär indirekt durch ihre bloße Präsenz Einfluss nehmen sollen oder 50.000 SPIKE NLOS Systeme (es gäbe nicht ansatzweise genau Ziele um diese Zahl überhaupt zur Anwendung bringen zu können).

Das ist auch nur eine überradikalisierte Betrachtung, die ähnlich falsch ist wie der Weg der überfunktionalisierten Waffensysteme. Wink Mit deinen 50.000 Spike NLOS wirst du jedenfalls kein einziges russisches Flugzeug abschießen, keinen Luftraum sichern, keine Unterstützung gegen Flächenziele geben können, keine Schiffe versenken, usw. Ich weiß, es soll nur etwas demonstrieren, bloß braucht es das nicht. Dieser Punkt ist nicht Grund für unseren Dissens, es geht rein um die Gesamtquantitäten und die Aufstellung der Armee in der Gesamtheit.

Zitat:Ein russische KORNET kostet zum Vergleich in der neuesten Version gerade mal 9000 Dollar. Man käme dann zu dem Preis welche die F-35 jetzt Finnland kosten auf über eine Millionen Systeme (1.055.555 Stück). Die von mir angedachten Hochgeschwindigkeits-PALR würden nun eher vom Preis her im Bereich einer KORNET liegen (wenn auch vermutlich ca. doppelt so teuer) und daher ist meine Aussage, dass man damit mit Leichtigkeit für den Preis von 10 modernen Kampfflugzeugen ungefähr 100.000 Einheiten produzieren kann meiner Einschätzung nach eben keineswegs inkorrekt.

Russische Waffensysteme sind natürlich tendenziell günstiger, das ändert ja für uns nichts, denn wir würden dort ja nicht kaufen. Davon abgesehen kostet die Kornet realistisch betrachtet aber trotzdem keine 9.000 Dollar. Peru hat für die Integration in den AMX-13 und die Lieferung von knapp 290 Raketen schon vor zehn Jahren um die 25 Millionen USD gezahlt, da waren auch anfängliche Ausbildungskosten integriert, aber selbst wenn man die herausrechnet kommt ein deutlich höherer Wert heraus. Dass diese Waffen anderswo günstiger verkauft wurden hat also eher politische als tatsächlich industrielle Gründe. Insofern nein, ich kann deiner Einschätzung weiterhin nicht folgen.

Zitat:Ich denke auch, dass wir hier fundamental verschieden denken. Es wäre für mich kein Problem sehr weitgehend den Raum vom Gegner durchqueren zu lassen. Das heißt nicht, dass dieser Raum nicht parallel von unseren Bodenstreitkräften weiter durchdrungen ist. Sondern dass diese den Gegner in erhebliche Tiefe hinein vordringen lassen, während sie zugleich ohne Schwerpunkt und in reduzierter Form gegen ihn opportunistisch vorgehen.

Damit habe ich kein Problem (zumindest im Gedankenspiel), und auch deine Schlussfolgerung ist durchaus nachvollziehbar:
Zitat:Der große Vorteil wäre meiner Meinung nach, dass der Raum damit zu einer Falle für die gegnerischen Streitkräfte wird, die sich in ihm nicht erhalten können und daher schlußendlich untergehen müssen. Oder der Gegner versucht unsere dislozierten Einheiten überall zu werfen und zumindest Korridore frei zu kämpfen, dann bindet dies immense Mittel (Economy of Force) und hält ihn erhebliche Zeiträume auf. Er kann dann nicht ansatzweise so vordringen wie es nötig wäre. Wie man es dreht und wendet, er kommt dadurch mit konventionellen mechanisierten Streitkräften in eine problematische Lage und verliert erheblich Zeit und genau das wäre es, was meiner Meinung nach in Osteuropa von Vorteil wäre.

Mein Gedanke ist eher, warum sollte der Gegner darauf eingehen? Mal abgesehen vom ewigen Hinweis meinerseits, dass ich nicht davon ausgehen würde, dass der Gegner sich in einem solchen Szenario hauptsächlich auf schwere mechanisierte Großverbände stützt, so besteht für ihn meines Erachtens auch keine Notwendigkeit, solche unmittelbar zur Durchdringung des Landes einzusetzen (selbst wenn er darauf setzen würde). Er kann ja aus seinem eigenen Raum und damit gesicherten Stellungen heraus auch mit Hochwerteinheiten operieren, was ich insbesondere auf die Flugabwehr beziehe, während wir das bewusst nicht machen, um keine Schwerpunkte anzubieten. Das beraubt uns aber gleichzeitig der Möglichkeit, gegen feindliche defensive Schwerpunkte am Boden vorzugehen. Deshalb funktioniert das hier ja meines Erachtens auch nicht:

Zitat:Da verstehst du die Intention falsch. Exakt diesen Wirkmechanismus will ich ja gegen die feindlichen Luftstreitkräfte zur Anwendung bringen, sie schlußendlich dazu zwingend über eine zu große Distanz hinweg zu kämpfen. Wenn der erhebliche Raum der von den Bodenstreitkräften ohne Schwerpunkt durchdrungen wird von den gegnersichen Einheiten gequert wird, dann kann ich diese aus der Luft angreifen.

Und da kommt es eben zu dem Punkt, den ich nicht nachvollziehen kann: wir verzichten auf eine Schwerpunktbildung und verlagern die nicht auflösbaren Schwerpunkte nach hinten, um sie so nicht vor gegnerischen Vorstößen verteidigen zu müssen, er hingegen muss das nicht, eben weil von unserer Seite aus keine Gefahr eigener Vorstöße ausgeht, die seinerseits nicht gekontert werden können. Nicht nur, dass ich nicht verstehe, warum er den Raum überhaupt unmittelbar queren sollte, es erschließt sich mir auch nicht, warum er es ohne Luftüberlegenheit tun sollte? Er hat ja durch die kürzeren Wege alle Trümpfe in der Hand, um die nicht verlegbaren Schwerpunkte (bspw. Kommunikationseinrichtungen), gegebenenfalls auch durch zivile Infrastruktur (bspw. Kraftwerke), gezielt auszuschalten. Erst wenn der Gegner über diesen gesicherten Wirkradius heraus aktiv werden muss würde sich die von dir skizzierte Gefährdung ergeben, bis dahin wären aber bereits einige Staaten an der Front gefallen (nicht notwendigerweise physisch erobert).

Zitat:Die von dir angesprochene Aufklärung am Boden wird ebenso vom dem Netz leichter Kräfte geliefert.

Ich meine damit eine Luftraumüberwachung, die ist durch leichte Kräfte am Boden nicht in realistischen Größen leistbar (und technisch schwierig).

Aber mal eine andere Frage, wie soll das Ganze eigentlich koordiniert werden? Wenn ich dich richtig verstehe, dann ist es ja im wesentlich eine hochwertige Form der Guerrilakriegsführung inklusive einer Art Jagdkampf mit vergleichsweise leistungsfähiger Technik, gleichzeitig soll das Netz aber auch der Aufklärung dienen und braucht diese ja auch selbst, es kann also keine allzu große Unabhängigkeit der einzelnen Zellen geben. Das stelle ich mir durchaus schwierig vor, insbesondere weil die bodengebundenen EloKa-Mittel ja aus Kostengründen auch nicht in der nötigen Quantität zur Verfügung stehen dürften.

(21.12.2021, 14:53)voyageur schrieb: Denkt an die A330MRT, bei Chamall (Irak, Syrien) ist die durchschnittliche Einsatzdauer eines Rafales 6 Stunden. Für Indien wurde die technisch mögliche Flugdauer auf 10 Stunden erhöht. Immer mit A330MRT die wenn notwendig Poneyhof fliegen.

Sowas ist aber nur in einem gesicherten Luftraum möglich, man kann damit in einem solchen Konflikt nur bedingt die Leistungsfähigkeit erhöhen. Zumal dadurch perspektivisch auch die Fähigkeiten der Piloten eingeschränkt werden.
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#84
Helios:

Zitat:Ich weiß, es soll nur etwas demonstrieren, bloß braucht es das nicht. Dieser Punkt ist nicht Grund für unseren Dissens, es geht rein um die Gesamtquantitäten und die Aufstellung der Armee in der Gesamtheit.

Da hast du recht, aber in der Kürze eines Foreneintrages kann ich kaum eine solche ganzheitliche Betrachtung der Armee in ihrer Gesamtheit leisten. Und es ist eben nicht so, dass ich nur einen Typ von Truppen hinaus will und es nur diese gäbe. Selbst beim Heer wäre das nicht der Fall. Aus der Diskussion heraus ist hier vermutlich der falsche Eindruck entstanden, es würde dann nur noch eine Art defensive Hochwert-Guerilla geben, dem wäre aber keineswegs so. Es gäbe auch weiterhin dezidierte Panzerspäher, dezidierte Panzerjäger, Raketenartillerie und vieles weitere.

Zudem ist es das Problem, dass wir hier das zugrundeliegende Konzept de facto im luftfreien Raum ohne konkreten Bezug auf spezifischen Situationen und realen geographischen Räumen diskutiert haben, was viele Problemstellungen nach sich zieht. Ein Beispiel: wenn die geographische Ausgestaltung des Raumes es dem Gegner verunmöglicht mit Bodentruppen zu einem Luftwaffenstützpunkt vorzustoßen, beispielsweise weil diese durch ein nicht allzu breites Seegebiet abgetrennt ist und es daher keinen Landweg dorthin gibt, haben die Luftstreitkräfte von dort auch nicht die von dir hier als Problem benannten langen Strecken. Das ist nur EIN Beispiel - das könnte man so immer weiter fortführen. Die Loslösung von konkreten Szenarien führt auch zu vielen weiteren Fragestellungen, beispielsweise:

Zitat:Mein Gedanke ist eher, warum sollte der Gegner darauf eingehen? Mal abgesehen vom Hinweis meinerseits, dass ich nicht davon ausgehen würde, dass der Gegner sich in einem solchen Szenario hauptsächlich auf schwere mechanisierte Großverbände stützt,

Natürlich könnte der Gegner das skizzierte Netz leichter Kräfte auch mit eigenen leichten Kräften angehen, die Infanterie mit eigener Infanterie binden usw. Alles denkbar. Das alles führt aber zu einer immensen Bindung von Kräften welche der Gegner so überhaupt erst mal aufstellen muss und real (Russland) zurzeit nicht hat. Noch darüber hinaus, und dass ist das entscheidenste, kostet das Zeit. Das ganze Grundkonzept ist eines das auf Zeit spielt. Je länger der Gegner braucht, desto besser, desto weniger erreicht er bis die Sache entweder in einem Verhandlungsfrieden mündet oder real (Russland) nuklear eskaliert. Und selbst bei letztgenanntem Fall wäre es der Vorteil, dass die feindlichen Truppen nur wenig oder gar nicht innerhalb unserer Zivilbevölkerung stehen welche sie gegen nukleare Angriffe zumindest bedingt decken würde. Sie werden daher eher dann unseren Nuklearwaffen zum Opfer fallen.

Zitat:so besteht für ihn meines Erachtens auch keine Notwendigkeit, solche unmittelbar zur Durchdringung des Landes einzusetzen. Er kann ja aus seinem eigenen Raum und damit gesicherten Stellungen heraus auch mit Hochwerteinheiten operieren, was ich insbesondere auf die Flugabwehr beziehe, während wir das bewusst nicht machen, um keine Schwerpunkte anzubieten. ……… Erst wenn der Gegner über diesen gesicherten Wirkradius heraus aktiv werden muss würde sich die von dir skizzierte Gefährdung ergeben, bis dahin wären aber bereits einige Staaten an der Front gefallen (nicht notwendigerweise physisch erobert).

Wenn die angegriffenen Staaten nicht physisch besetzt werden, ist allein das schon die Hälfte der Miete, fehlt doch dann das Gebiet als Faustpfand.

Ein bloßer Schlagabtausch auf Distanz der zu erheblichen Zerstörungen führt wird zudem in jedem Fall stattfinden. Und er wird in jedem Fall gegenseitig sein, denn auch wenn der Feind defensive Schwerpunkte bildet, so werden dennoch die Schäden bei ihm ebenso erheblich sein. Es ist ja meine These, dass der große konventionelle Krieg heute gar nicht mehr lange dauern kann (in seiner heißen Phase), da die Gesellschaften in ihrer heutigen Verfaßheit im weitesten Sinne dies gar nicht leisten können. Sie sind ihrem funktionieren dazu zu abhängig von den Umständen.

Je länger aber der Krieg dauert, desto extremer wird die gegenseitige Zerstörung - unabhängig von der Frage der physischen Besetzung des Landes. Fehl diese als Faustpfand, so erhöht dies die Chance auf einen Verhandlungsfrieden. Noch darüber hinaus erhöht das Heer ohne Schwerpunkt die Chance länger durchzuhalten als der Gegner, wenn dieser an einer konventionellen Kampfweise mechanisierter Verbände festhält. Hat er jedoch andere Streitkräfte, senkt dies das Kriegsrisiko allgemein und erhöht erneut zwingend die Chance auf einen Verhandlungsfrieden, sollte es dennoch zum Krieg kommen.

Zitat:Das beraubt uns aber gleichzeitig der Möglichkeit, gegen feindliche defensive Schwerpunkte am Boden vorzugehen.

Das ist so nicht ganz richtig. Das ist eine Frage der Geschwindigkeit, der richtigen Nutzung der Räume geringer Truppendichte und der Vorgehensweise. Bis zu einer gewissen Tiefe wäre durchaus möglich gegen defensive Schwerpunkte des Gegners vorzugehen. Das war ja an sich einer der Ausgangspunkte für die von ObiBiber vorgeschlagene Streitmacht am Boden auf leichten MRAP Fahrzeugen. Es wird aber gar nicht notwendig sein gegen die meisten feindlichen defensiven Schwerpunkte am Boden vorzugehen. Die gleiche korrekte Logik welche du schon genannt hast, dass man diese auch anders zerstören oder ausreichend beeinträchtigen kann gilt auch umgekehrt.

Auch wir können diese Logik gegen den Feind zur Wirkung bringen und die Empfindlichkeit moderner vernetzter Gesellschaften gegen ernsthafte konventionelle Kriegsführung betrifft auch die gegnerische Gesellschaft (wenn dieser eine ernsthafte Großmacht darstellt). Solche Angriffe können zudem auch strategischer Art sein, sowohl am Boden wie auf anderem Wege und die entsprechende Zerstörung der zivilen Grundlagen des Gegenübers auch mit konventionellen Waffen ist heute leichter denn je. Deshalb ist es ja seit jeher meine Forderung, einen so starken Zivilschutz wie möglich aufzubauen.
Ich meine damit eine Luftraumüberwachung, die ist durch leichte Kräfte am Boden nicht in realistischen Größen leistbar (und technisch schwierig).

Zitat:Wenn ich dich richtig verstehe, dann ist es ja im wesentlich eine hochwertige Form der Guerrilakriegsführung inklusive einer Art Jagdkampf mit vergleichsweise leistungsfähiger Technik,

Dann verstehst du mich da leider nicht richtig. Das wäre nur ein - wenn auch am Boden ein wesentlicher - Anteil. Richtig ist, dass dies nicht der Verzicht auf Hochtechnologie ist, sondern diese wird nur in anderen Systembereichen konzentriert, beispielsweise bei Infanteriewaffen (nur ein Beispiel). Der Jagdkampf kann im weiteren auch offensiv gedacht werden, vor allem im Verbund mit anderen Waffensystemen (beispielsweise der Luftwaffe) und ist eben nicht auf die reine Defensive beschränkt. Das geht eben stark in Richtung der schon in den 90er Jahren postulierten RMA Thesen welche eine solche Kampfweise (ultraleichte Infanterie, Sensorik, Artillerie, Heeresflieger/Drohnen, Luftwaffe) auch offensiv propagierten.

Zitat:Aber mal eine andere Frage, wie soll das Ganze eigentlich koordiniert werden? …….gleichzeitig soll das Netz auch der Aufklärung dienen und braucht diese ja auch selbst, es kann also keine allzu große Unabhängigkeit der einzelnen Zellen geben. Das stelle ich mir durchaus schwierig vor, insbesondere weil die bodengebundenen EloKa-Mittel ja aus Kostengründen auch nicht in der nötigen Quantität zur Verfügung stehen dürften.

Ich verwende ja immer ganz bewusst und betont den Begriff Netz hier. Entsprechend wäre auch die Kommunikationsstruktur nicht so hierarchisch, sondern deutlich horizontaler und netzartiger. In der Defensive gibt es zudem die Möglichkeit bereits im Vorab fest installierte Kommunikationsnetze vorzuhalten, welche gegen feindliche EloKa und andere Eingriffe weitgehend immun sind. Zudem bedarf es eines absoluten Primats militärischer Kommunikation in diesem Fall auch in den zivilen Netzen - insbesondere den Glasfaserleitungen entsprechender ziviler Infrastruktur.

Am wichtigsten aber wäre es, die Menge der transportierten Daten so weit wie möglich zu reduzieren.

Hier und heute ist das Gegenteil der Fall. Stichwort Unabhängigkeit der jeweiligen „Zellen“: diese muss so weitgehend wie möglich machbar sein, allein schon deshalb, damit diese völlig unabhängig davon ob sie koordiniert werden oder nicht weiter handeln und handeln können. Die Zellen bilden dabei auch Relais für das Netz an sich. Fallen hier welche aus, geht die Information eben andere Wege. Hier könnte man vom Internet und manchen seiner heutigen Wege einiges lernen. Stichwort Internet: im Krieg kann verdeckte Kommunikation auch über zivile Wege laufen, und ebenso kann zivile Berichterstattung für einen selbst benutzt werden.

Über Zivilschutz, Milizen und verdeckte Organisationen innerhalb des zivilen Elementes welche bereits im Vorab fertig installiert sind, einschließlich entsprechender Stay-Behind Elemente kann selbst dann noch eine gute Informationsgewinnung und Koordination gewährleistet werden, wenn konventionelle Wege bereits ausgeschöpft sind. Dazu bedürfte das Kommunikationsnetz vor allem auch einer nicht unerheblichen Redundanz, welche aber durch seine Netzwerkstruktur ohnehin befördert wird.

Insgesamt ein sehr schwieriger Punkt, den ich kaum in einem kurzen Forenbeitrag beantworten kann. In der Tiefe fehlen mir gerade hier auch die Fachkenntnisse, wie das technisch genau ausgestaltet werden könnte.
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#85
Allgemein:

Noch ein Stichwort zum Für und Wieder: Ultraleichte Kräfte verschieben vor allem auch das Verhältnis von Unterstützern zu eigentlicher Kampftruppe. Um es mal überspitzt auszudrücken: in der aktuellen konventionellen Struktur liegt das Verhältnis teilweise bei 1 : 9 - von 10 Angehörigen der Bundeswehr (insgesamt) kämpft nur einer 1, der Rest dient diesem 1. Dieses Verhältnis ist aufgrund der begrenzten Personaldecke extrem problematisch.

Wir benötigen mehr Kampftruppe, können diese aber aus Personalmangel nicht aufstellen. Ultraleichte Truppen sind eine Lösung für dieses Problem, sie setzen Personal frei aus den Unterstützungsverbänden und dieses kann daher entweder auch zu Kampftruppe werden oder für andere Aufgaben verwendet werden. Und diese anderen Bereiche wären es dann, welche einer solchen Armee auch eine erhebliche Offensivkraft verleihen würden:

Zu Recht wurde ja von Helios die Frage aufgeworfen, wie solche ultraleichten Kräfte offensiv wirken können und wie man am Boden gegen feindliche defensive Schwerpunkte vorgegangen werden soll. Es ist in der bisherigen Diskussion ja leider etwas untergegangen, dass die von mir beschriebenen ultraleichten Streitkräfte des Heeres nur ein Teil des großen Ganzen wären.

Man benötigt in jedem Fall weitere Einheiten, welche folgende Eigenschaften aufweisen müssen: Sie müssen überproportional zu ihrer Anzahl Kampfkraft entwickeln, sie müssen schnell sein mit großer Reichweite, im Idealfall uneingeschränkt querfeldeinbeweglich und sie müssen zugleich dem Transport von ultraleichten Einheiten dienen. Mit einem Wort: Drehflügler.

Eine Reduktion der Bodentruppen auf ultraleichte Verbände, Panzerjäger (welche selbst nicht zwingend gepanzert sein müssen) und (kurzstrecken- wie weitreichende) Raketenartillerie setzt so viel Personal frei, dass dadurch wesentlich stärkere Hubschrauberverbände möglich wären. Dazu benötigt man noch eine möglichst mobile unabhängige Infrastruktur für diese, welche es ermöglicht ständig wechselnde „Feldflugplätze“ für die Helis zu betreiben. Diese müssen auch vom Netz der Bodentruppen aus zumindest teilweise versorgbar sein.

In der Defensive können diese nun von „weiter hinten“ aus und über eigenen Kräften agierend gegen feindliche offensive Schwerpunkte vorgehen, beispielsweise wo diese durch künstlich geschaffene und frei gekämpfte Korridore vordringen. In der Offensive ermöglichen sie es nicht nur selbst in das feindliche Hinterland vorzudringen (sobald die Voraussetzungen dafür hergestellt wurden), sondern vor allem können sie die ultraleichten Bodeneinheiten tief ins feindliche Hinterland transportieren wo diese dann die gleiche Art von weiterentwickelten Jagdkampf auch in der Offensive betreiben können.

Aufgrund der Labilität heutiger Gesellschaften, selbst solcher wie der russischen welche robuster aufgestellt ist, sollten solche offensiven Handlungen nicht als primär gegen militärische Ziele gerichtet betrachtet werden. Stattdessen soll eine solche Armee vor allem auf der Strategischen Ebene wirken und gezielt auch am Boden die zivile Infrastruktur des Gegners angreifen, ohne die der Krieg nach kurzer Zeit gesellschaftlich heute gar nicht mehr getragen werden kann oder auf ein Niveau zurück fällt, welches deutlich unter dem ist was heute für den konventionellen Krieg angedacht wird und gerade auf diesem Niveau wird eine größere Zahl ultraleichter Kräfte wiederum vorteilhaft sein.

Um die Armee also mal insgesamt und ganzheitlicher zu skizzieren:

Marine massiv zurück fahren um Mittel frei zu machen (ja ich weiß!) - sehr starke Luftwaffe - ultraleichte Bodeneinheiten - starke EloKa, Jäger, Panzerjäger, Raketenartillerie - sehr starke Hubschrauberverbände:

Wie aber müssten diese Hubschrauberverbände beschaffen sein. Dazu hatten Helios und meine Wenigkeit ja schon eine recht ausführliche Diskussion im Strang Luftmechanisierung. Um meine Position daraus hier nochmal kurz darzustellen: meiner Meinung nach benötigen wir primär mittlere Mehrzweck-Hubschrauber (im Idealfall eines Basistyps) während auf dezidierte Kampfhubschrauber und insbesondere auf schwere Transporthaubschrauber verzichtet werden kann. Helios ist hier einmal mehr völlig anderer Ansicht - aber meine Ideen dazu resultieren auch aus einem spezifischen Kriegsraum in dem beispielsweise High/Hot Umgebungen keine Rolle spielen - oder aus einer gewissen Tendenz der Geringschätzung von MedEvac etc

Zudem gibt es meiner Ansicht nach gewisse Grenzen der Spezialisierung, und darf diese nicht zu weit getrieben werden. Nur in bestimmten Rahmen und nur bis zu einer gewissen Grenze steigert die Spezialisierung die Gesamtkampfkraft, über dieser Grenze wird sie durch noch darüber hinaus gehende Spezialisierung jedoch wieder gesenkt. Zudem muss eine ausreichende Quantität erzielt werden. Die schweren Transporthubschrauber sind aktuell zum Beispiel so ein Beispiel dafür, dass die Quantität unter kritische Grenzen fällt, womit sie als Fähigkeit insgesamt fragwürdig werden. Gerade deshalb meine Forderung nach mittleren Mehrzweck-Hubschraubern.

Beschließend bin ich der Ansicht, dass gerade die beschriebenen Fähigkeiten das sind, was die osteuropäischen Staaten als Ergänzung ihrer Armeen benötigen. Es wurde hier ja schon von anderen berechtigt darauf hingewiesen, dass ich die Armeen der Osteuropäer zu sehr außen vor lasse. Das war nicht meine Intention. Wenn man davon ausgeht, dass die Polen beispielsweise starke schwere mechanisierte Verbände vorhalten, stellt sich die Frage womit genau wir diese Einheiten am besten unterstützen können. Wenn die Franzosen in der Sahel-Zone sehr erfolgreich ihre mittleren Kräfte einsetzen, stellt sich die Frage wie wir wiederum diese am besten unterstützen können.

Und in einem größeren Rahmen stellt sich zudem die Frage der strategischen Mobilität welche durch die von mir hier skizzierte Armee besser geleistet werden kann als durch konventionelle Streitkräfte. Noch darüber hinaus taugt die beschriebene Wehrstruktur insbesondere auch für die Niederkämpfung von bürgerkriegsartigen Unruhen im eigenen Land oder massenweisem Terrorismus.
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#86
Beschließend noch zur ursprünglichen Inspiration meiner Ausführungen: wie vieles in meinem miitärischen Denken sind auch die bisher gemachten Ausführungen stark von Guy Brossollet beeinflusst und dessen Essai sur la non-bataille. Auf diesen Autor und seine Schrift bin ich zuerst 2006 während des Libanon Krieges gekommen als ich in einigen Kommentaren zur Kampfweise der Hisbollah zum ersten Mal seinen Namen las, weil einige Kommentatoren damals einige Eigenheiten in der Kampfweise der Hisbollah als von ihm inspiriert ansahen.

Einer der meiner Meinung nach interessantesten Gedanken von Brossollet war und ist es, dass die Frage der bisherigen Struktur der Befehlsgewalt, die ganze Frage wie man Streitkräfte führt in Frage gestellt werden sollte. Er war auch einer der ersten welche modulare Streitkräfte in einem Netzverbund propagierte, in dem der Ausfall eines "Moduls", also eines Knotenpunktes keine Folgen hat weil alles entsprechend im Netz über andere Vernetzungen und andere Module hinweg fortgeführt wird. Er wollte also immer auf ein System mit einer wesentlich größeren Widerstandskraft gegen Störungen und Eingriffe des Feindes in die Struktur und kritisierte daher sehr stark vor allem auch die aktuellen (überkommenen) Strukturen der konventionellen Streitkräfte.

Dennoch war er nicht gegen die Panzerwaffe an sich (wie andere extremistischere Autoren seiner Zeit), sondern nur gegen den Panzermythos, also die Überhöhung des Kampfpanzers als spezifisches System des Zweiten Weltkrieges.

Mein Lieblingsbereich in seinem Werk ist jedoch der, welcher sich gegen die mangelnde militärische Effizienz richtet. Und beklagt, dass man die Armeen nicht nach dem ausrichtet was real ist, Zitat:

"Das finanzielle Alibi, das erlaubt die Schuld für eigene Lücken und Unzulänglichkeiten anderen zuzuschieben, ist zu verlockend, als daß man bisweilen nicht versuchte, sich durch derartige Winkelzüge von dem Vorwurf des Mangels an Effizienz reinzuwaschen. In sehr vielen Fällen verbirgt sich hinter der Suche nach Geldgebern ein schlichter Mangel an Phantasie und sich das Unmögliche zu wünschen (beispielsweise 10 Divisionen anstatt 5) befreit davon, etwas Mögliches zu erfinden."

"Die Panzerwaffe setzt heute ein System von Streitkräften voraus, dass in keinem Verhältnis mehr zu unseren Mitteln steht."

"Damit alles (so wie es zur Zeit angedacht wird) vollständig und wirksam ineinandergreift, müsste man eine sehr hohe Rechnung bezahlen. Das aber liegt außerhalb unserer finanziellen Möglichkeiten."

Dieses Werk: Das Ende der Schlacht ist von 1975 und dennoch hier und heute eigentlich aktueller den je und meiner Meinung nach wegweisender für den Krieg im 21 Jahrhundert als vieles was so an der Führungsakademie und andernorten gelehrt wird und sich im bloßen Widerkäuen konventioneller überkommener Strukturkonservatismen eingrenzt.
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#87
Alle gehe heute davon aus, dass vernetzte Kriegsführung als Stand der Dinge auch in jedem zukünftigen Krieg vollumfänglich möglich sein wird, und darin die Überlegenheit generiert werden kann. Was aber, wenn dies scheitert? Und was, wenn sich unsere Armeen im Laufe der Zeit viel zu weitgehend auf diese ständige Vernetzung überspezialisiert haben und daher ohne dies deutlich in ihrer Leistung abfallen ?!

Dazu ein Beitrag des Modern War Institute:

https://mwi.usma.edu/the-mirage-of-the-i...ttlefield/

Zitat:If an interconnected battlefield is going to be realized then commanders must accept that while the aspiration is any sensor to any shooter the reality in the field will always be some sensors to some shooters, some of the time. If commanders refuse to accept this then they will avoid the critical decisions that need to be made to deliver genuine advances in capability—and the interconnected battlefield will remain little more than a mirage.
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#88
Und noch was zur Frage, was für Lektionen man aus der gegenwertigen Krise ziehen kann, spezifisch als schwächeres und kleineres Land:

https://mwi.usma.edu/as-ukraine-faces-ru...he-crisis/

Faszinierend fand an dem vernetzten Text, wie weitgehend er einfach nur dem entspricht was schon Emil Spannocchi Ende der 60er Jahre geschrieben hat, was dann in Österreich zum Konzept der Raumverteidigung führte. Der folgende Absatz könnte beispielsweise einfach direkt aus einer der anfänglichen Schriften von Spannocchi sein:

Zitat:In his 2001 article, “How the Weak Win Wars: A Theory of Asymmetric Conflict,” Ivan Arreguín-Toft studies the outcome of asymmetric wars between 1800 and 1998 and finds the frequency of weak-actor victory against large conventional enemies increasing over time. His findings show that this tendency is especially strong between 1950 and 1998, when 55 percent of conflicts ended with weak-actor victory. According to the author this result is due to the fact that the final outcome of any conflict is the result of the interaction of the adversaries’ strategies. Arreguín-Toft argues that the confronting strategies can be reduced to two distinctive forms: direct (conventional approach) and indirect approaches (irregular approach).

Direct strategies focus on the destruction of the enemy’s armed forces and, through this, its capacity to continue fighting. The indirect strategy aims for the destruction of the enemy’s will to fight. The author argues that when in a conflict both sides use the same strategic approach, either direct against direct or indirect against indirect, the stronger actor almost always wins, since there is nothing to mediate or deflect a strong actor’s power advantage. However, when opposite strategic approaches interact, it more frequently correlates with victory of the weaker actor, since the stronger party’s advantages are deflected. Recent simulations and wargames as well as the current situation in Ukraine all suggest that the only way for small countries to have a chance for victory is through an indirect approach—namely, resistance.


Was aber, wenn der Gegner seine Streitmacht sowohl im direkten wie im indirekten Bereich einsetzen kann und er dann jeweils trotzdem überlegen ist, so wie es für die russischen Streitkräfte zur Zeit zu vermuten steht?

Die zwingende Schlußfolgerung ist dann meiner Meinung nach, dass sich der Schwächere militärisch gesehen hochgradig spezialisieren muss, und zwar auf den indirekten Bereich. Diese hochgradige Spezialisierung ermöglicht es ihm dann, in diesem Bereich dem Feind überlegen zu sein, also der Stärkere zu sein und dadurch den Konflikt für sich zu entscheiden. Rüstet der Gegner aber auf die gleiche Weise für den indirekten Bereich, so wird seine Offensivkraft dadurch deutlich reduziert, da der indirekte Bereich ein Primat der Defensive vor der Offensive erzeugt. Daher wird die Möglichkeit der erfolgreichen Offensive vermindert.

Spannocchi wie auch der Autor des vorliegenden Textes kamen zu den gleichen Schlußfolgerungen:

Zitat:They should realize that unconventional approaches such as resistance can not only prove tactically effective, but can form the foundation of a potent and resilient grand strategy for small states. However, such strategy can only deliver the most optimal outcomes if it is executed by a purpose-built force and small states are willing to replace conventional concepts, military organizations, and their associated fighting machines with new ones.

Eine solche hochspezialisierte Streitkräftestruktur wäre auch für bestimmte EU Länder erstrebenswert, insbesondere für die baltischen Staaten. Stattdessen werden diese viel zu konventionell gerüstet.
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#89
https://warontherocks.com/2022/05/the-ch...ined-arms/

Zitat:The Changing Character of Combined Arms

The Road Ahead: Hypothesis-Testing through Experimentation

In moments of transition like this, the best course of action is to engage in what Carl von Clausewitz called critical analysis. Clausewitz differentiated chronological history — common still in many operational and official histories used in professional military education — from causal explanations of events that facilitate evaluating ends, ways, and means. Criticism starts by identifying equivocal facts — embracing rather than wishing away uncertainty and competing perspectives — and tracing “effects back to their cause” to form testable hypotheses. For Clausewitz, the process helped professional officers hone judgment through analyzing historical military campaigns as counterfactuals. In modern strategic analysis, this process translates into embracing social science methods and continuous experimentation to identify and evaluate new ways and means for combining effects.

Die in Kursiv gesetzte Schlußfolgerung kann man meiner Meinung nach gar nicht genug hervorheben. Wir benötigen genau genommen explizit eigene Verbände nur für solche Experimente.
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#90
https://warontherocks.com/2022/07/the-fu...n-ukraine/

Über chinesische Ansätze bezüglich der Beeinflussung des Gegners, welche inzwischen deutlich über bloßen Informationskrieg hinaus gehen.

Zitat:The war in Ukraine demonstrates the importance of domestic and international public opinion. Cognitive warfare, however, is just one way to gain a strategic advantage, and the feasibility of defeating the enemy without a fight is questionable. This does not make cognitive warfare useless: rather, it should be seen as one tool among many. Cyber warfare has also seldom achieved an overwhelming strategic advantage by itself. Still, it has been integrated into land, sea, and air operations and become an essential part of modern warfare.

In the same way, cognitive warfare needs to be effectively integrated into operations in the land, sea, air, space, and cyber domains. Coordination between cognitive warfare and other operations is essential because the means of influencing an opponent’s perception include not only the transmission and disclosure of information but also intimidation and deterrence through the actions of physical assets, as well as the digital dissemination of information. To incorporate cognitive warfare into existing operations, targeting procedures can be helpful and may allocate multiple means to affect the enemy’s cognition.
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