16.06.2021, 20:06
(06.06.2021, 16:37)Quintus Fabius schrieb: Wenn man in einem vaterlandslosen Land eine funktionsfähige Berufsarmee haben will, dann muss diese Streitkraft das Vaterland sein (Bundeswehr Patria Nostra). Dazu bedarf die Armee in einer Nicht-Gesellschaft einer eigenen Kultur um selbst eine Gesellschaft zu sein. Ich weiß, für dich wäre daher folgerichtig eher der Weg zurück zu einer Kultur der allgemeinen Wehrpflicht sinnvoll.
Ich teile aber deine Ansicht nicht, dass wir in einem "vaterlandslosen Land" und einer "Nicht-Gesellschaft" leben, was die grundlegenden Werte beispielsweise hinsichtlich der Verantwortung für Familie, Freunde und Heimat betrifft, die für mich sinngebend für eine im Kern auf Verteidigung ausgelegte militärische Kultur sind. Das gesellschaftliche Problem mit der Bundeswehr entsteht daher für mich vor allem deshalb, weil die Bundeswehr nicht als Teil der Gesellschaft wahrgenommen wird, also explizit, weil sie scheinbar eine eigene Gesellschaft darstellt. Aus diesem Grund erachte ich eine allgemeine Wehrpflicht für sinnvoll.
Zitat:Das bedeutet zwingend, dass es gerade eben nicht darum gehen darf, möglichst viele verschiedene Persönlichkeitsmerkmale zu integrieren, sondern ganz im Gegenteil! Nicht die Armee muss hier neue Soldaten integrieren (eine Holschuld), sondern die neuen Soldaten müssen sich selbst assimilieren (eine Bringschuld).
In dem Punkt gibt es für mich aber kein Entweder-Oder und deine Beschreibung erzeugt meines Erachtens ein falsches Bild, indem es beides als unvereinbar gegenüberstellt, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist. Denn natürlich haben in einer Armee individuelle Persönlichkeitsaspekte keine herausragende Bedeutung, das muss aber sowohl im positiven wie auch im negativen gelten. Soll heißen, die Individualität darf in der kollektiven Identität nicht exponiert werden, diese kollektive Identität muss gleichzeitig aber eine innere Diversität explizit zulassen. Dies natürlich unter der Voraussetzung, dass die individuellen Persönlichkeitsmerkmale dem notwendigen militärischen Wertesystem nicht grundsätzlich im Weg stehen. In einer vorgeprägten Gemeinschaft bedarf es dafür durchaus besonderer Maßnahmen, die allerdings ein Verständnis dafür voraussetzen, dass das Ziel nicht die sinnfreie Überhöhung individueller Persönlichkeitsaspekte ist, sondern eine Stärkung des Kollektivismus durch Reduktion von Diskriminierungen. Das ist nicht einfach, und ich bin insofern völlig bei dir, dass gelebtes Diversity-Management daran regelmäßig scheitert.
Zitat:Wir brauchen stattdessen eine vollständige, tatsächliche und absolute Assimilation junger Deutscher in ein echtes militärisches Kollektiv. (...) Man könnte hier in diesem Bereich viel von der Fremdenlegion lernen.
Ich kann dir hinsichtlich deiner Argumentation durchaus folgen (sofern die von dir genannten Anforderungen nicht einfach nur willkürlich festgelegte Hürden sind, sondern einer tatsächlichen militärischen Notwendigkeit entspringen), wobei ich dieses Bild selbst in einer weit weniger "anti-bellizistischen" Gesellschaft (wie du es nennst) kaum für realistisch als Basis der kompletten Streitkräfte halte. Ich kenne auch keine Berufsarmee, die grundsätzlich derartig aufgestellt wäre. Die Fremdenlegion etwa taugt aus gutem Grund nicht als Vorbild für die gesamten französischen Streitkräfte.
Daraus ergibt sich natürlich die Frage, ob wir tatsächlich EINE Bundeswehr brauchen. Mir fallen da durchaus auch andere Konzepte ein (die jetzt hier zu weit führen würden).