Theorie einer Territorialmiliz
#47
Für mich muss - wie schon früher angeführt - eine deutsche "Miliz" einen noch sehr viel stärkeren zivilen Aspekt bekommen. Das macht so ein Konzept einerseits politisch-gesellschaftlich realistischer, andererseits jedoch verfassungs- und völkerrechtlich schwieriger umzusetzen.

Sehr vereinfacht dargestellt würde ich meine Miliz-Vorstellung wie folgend umschreiben:

Herauslösung aller territorialen und zahlreicher unterstützenden Aufgaben aus der Bundeswehr, so dass nur die drei klassischen Teilstreitkräfte als reine Berufs-Expeditionsstreitkraft für BV und IKM zur Verfügung stehen und von allem dafür nicht militärisch erforderlichem befreit werden. (Natürlich müssten dazu einige grundlegende Fähigkeiten wieder in die TSK verschoben werden.)

Diese aus der BW ausgegliederten Teile müssen dann mit dem THW zu einer bundesweiten Zivilschutzbehörde des BMI zusammengelegt werden, die den Anforderungen nach Art.12a GG entspricht, also primäre Aufstellung für den Zivilschutz im (B)V-Fall.
Aufgaben sind aber auch Katastrophenschutz im Rahmen der Amtshilfe (wie beim THW aktuell auch) sowie nicht-militärische "Dienstleistungen" für die regulären Streitkräfte. Auch staatliche Dienste der Luft-, See und Bergrettung können integriert werden.

Der eigentliche regelmäßige Dienst in dieser "Zivilschutz-Miliz" wird von Hauptamtlichen geleistet (gerne ehem. SaZ) sowie tlw. auch von Reservisten auf freiwilliger Basis.
Die erforderlichen Reservisten werden gewonnen durch eine abgewandelte Umsetzung des Wehrdienstes ohne Musterung oder Verweigerung. (Jedoch für beide Geschlechter, also müssten im ART.12a GG die Worte Männer und Frauen durch Staatsbürger ersetzt werden.)
Dieser Wehrdienst umfasst in einem ersten Schritt lediglich eine Grundausbildung für den Einsatz im unbewaffneten Zivilschutz. Danach können verschiedene Wege gewählt werden, die u.a. auch diverse längerfristige Ersatzdienste bei FFW und Wohltätigkeitsverbänden oder eben einen FWD umfassen können. Wer keinen dieser Wege wählt, muss dann in einer zweiten Phase des verpflichtenden Zivilschutzdienstes ein bestimmtes Pensum an Kursen und Übungen ableisten, an dessen Ende der Eintritt in den Reservisten-Dienst der Miliz (bzw. den Heimatschutzverbänden bei FWD) steht. Dieser ist obligatorisch und übernimmt die Funktion einer Wehrerfassung. Es findet jedoch kein tatsächlich verpflichtender Dienst im Rahmen der Wehrpflicht statt, sondern lediglich Ausbildung, Übung und Erfassung.

Neben den danach freiwillig (wie bisher im THW auch) aktiv bleibenden Mitgliedern, können dann im Fall von Notlagen diese Reservistenstrukturen genutzt werden, um Hilfskräfte mit einer gewissen Grundkenntnis innerhalb einer bestehenden Organisation zu aktivieren, was im V-Fall dann sogar zu einer umfangreichen Mobilisierung genutzt werden kann, für die dann bereits Organisationsstrukturen existieren und in denen schon gewisse Fähigkeiten vorhanden sind.

Es können innerhalb dieser Struktur auch spezialisierte Einheiten entstehen, z.B. im Objektschutz. Der kann -wie im privaten Sektor hierzulande üblich- im Regelfall unbewaffnet erfolgen, während es im Rahmen einer Bundesbehördlichen BOS-Organisation natürlich auch möglich sein kann, die Befähigung für den Waffenumgang im dienstlichen Rahmen zu erwerben, so dass diese Organisation auch damit tatsächlich in einem weitreichenden V-Fall oder bei inneren Unruhen eine relevante Entlastung für Polizei und Militär darstellen könnte. Das ginge dann letztlich tatsächlich in die Richtung einer "Nationalgarde light", jedoch als Teil einer sehr viel breiteren Organisation, so dass die Gefahren solcher militanten Freiwilligenorganisationen deutlich reduzierter sein dürften. Ein erstrebenswerter Nebeneffekt könnte es sein, dadurch eine Normalisierung des gesellschaftlichen Verhältnisses zum Umgang mit Schusswaffen zu erlangen, weil hier ein staatlich begleiteter Zugang ermöglicht wird, während Sportschützen öffentlich immer als abgekapselte Problemgruppe angesehen werden.

Insgesamt dient das ganze der Resilienz gegenüber Notlagen jeder Art und dem Zusammenhalt der Gesellschaft. Die militärischen Aspekte sind dabei eher ein Nebenprodukt. Es geht mir mehr um das, was auf dem klassischen Dorf gar kein Problem darstellt: Gibt es da irgendeine Notlage, dann kann innerhalb kürzester Zeit jede erforderliche Hilfe aus der Bevölkerung heraus geleistet werden, weil es mit der Dorfgemeinschaft eine Struktur gibt, die nicht nur Fähigkeiten und Material vorhält, sondern diese gemeinschaftlich einsetzen kann und auch dazu bereit ist. Das brauchen wir in groß und professionalisiert, dadurch kann unsere Gesellschaft auch im Ganzen wieder resilient und damit verteidigungsfähig werden.

Der direkte militärische Nutzen wäre neben der gesteigerten Zuführung von FWD als Bewerber-Pool und zukünftige Reservisten aber auch die Konzentration des Aufgabenspektrums auf den Kernauftrag sowie die Befreiung von nicht-kriegswichtigen Elementen. Zudem könnte diese Organisation gesicherte Anschlussverwendungen für SaZ bieten oder auch so etwas wie Altersteilzeitstellen für Berufssoldaten.
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Theorie einer Territorialmiliz - von Pogu - 05.10.2020, 19:23
RE: Theorie einer Territorialmiliz - von Pogu - 05.10.2020, 21:18
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