09.02.2024, 14:17
Kongo Erich:
Selbstverständlich wären die Kämpfe dann weiter westlich weiter gegangen, dass hat ja nie jemand bestritten. Aber Stellung ist eben nicht gleich Stellung - Frontverlauf nicht gleich Frontverlauf. Es ist eben nicht egal wo genau man steht.
Spezifisch in Bezug auf Bakhmut stand die russische Artillerie welche dort und in der Umgebung der Stadt wirkte vergleichsweise disloziert, konnte aber im Kampfraum ihr Feuer zusammen fassen. Umgekehrt musste die ukrainische Artillerie aufgrund der geographischen Ausformung konzentrierter stehen -war damit also ein leichteres Ziel, während umgekehrt ihr Feuer breiter gestreut auf eine größere Fläche wirken musste. Dies ist extrem nachteilig. Ein koordiniertes und diszpliniertes zurückgehen auf die damals von mir beschriebene Linie hätte diesen Effekt umgedreht. Und damit wäre das ukrainische Konterartilleriefeuer noch wesentlich effektiver gewesen.
Das die ukrainische Artillerie hier dennoch überhaupt überlebt hat, verdankt sie allein der höheren effektiven Reichweite im Querschnitt sowie Präzisionsmunition. Letztgenannte aber wird zunehmend knapp und die Rohre sind auch zunehmend ausgenudelt, auch die Ukrainer müssen mit ihrer Ari immer näher an die Front heran.
Absolut richtig. Aber diese möglichst gut zu verteidigende Position war eben nicht in Bakhmut, sondern westlich davon. Denn es macht, grob vereinfacht, genau so wenig Sinn eine schlechtere Position weiter östlich zu halten, nur weil man sie halt halten will - wenn dahinter eine bessere Position ist die man leichter verteidigen kann.
Die Ukraine steht strategisch in einem Abnutzungskrieg. Den kann sie nur und absolut nur dann gewinnen, wenn die Abtauschraten extrem zu ihren Gunsten sind. Es genügt dabei nicht einmal, wenn die Abtauschrate nur zu Gunsten der Ukrainer ist. Dass Verhältnis bei den Verlusten muss stattdessen durchgehend sehr einseitig zugunsten der Ukraine sein. Und dafür benötigt man eine Positionierung welche sich vor allem anderen daran ausrichtet, dass man den maximalen Schaden beim Gegner anrichtet und selbst so wenig Schaden wie möglich nimmt.
Das Gelände muss also danach ausgesucht werden, ob es optimal für die Abnutzung des Gegners ist. Es ist also kein Selbstzweck, kein Ziel für sich selbst, sondern es dient einem anderen Zwecke. Jede Art von Geländegewinn und Geländeverlust muss daher unter diesem Aspekt vor allem anderen erwogen werden.
Und exakt das hat man in Bakhmut eben nicht getan, sondern die Stadt krampfhaft gehalten obwohl sie eben nicht die optimalst mögliche Position war.
Schneemann:
Es wurde aber nicht über die ganze Front abgeklopft. Und keinesweges bedeuten solche Vorstöße, dass dadurch kein Schwerpunkt mehr möglich ist. Denn das Täuschen und entsprechende Scheinangriffe um den eigentlichen Hauptangriff zu verschleiern finden ja nicht an der gesamte Front statt. Sondern in einem viel engeren Bereich. Und selbst dort wo die Hauptstreitmacht zusammen gestellt wird, kann man immer noch davor abtasten und zugleich täuschen. Praktisches Beispiel: man hat eine Streitmacht positioniert. Von derer Stellung aus gibt es zwei mögliche Routen. Nun werden beide durch Vorstöße angegangen. Der Feind weiß nun nicht, ob das nur erste Vorgefecht sind, ob es die Vorhut ist und er weiß vor allem nicht auf welcher der beiden Routen die Hauptstreitmacht kommt und wohlgemerkt: beide fangen ja dort an wo sie steht, und es macht daher keinen Unterschied von der Distanz her ob sie die eine nimmt oder die andere. Die Entscheidung welche ergibt sich also dann beispielsweise aus den feindlichen Reaktionen oder eigenen Erkenntnissen. Man kann auch nur an einen Scheinangriff führen weil man schon weiß, dass die andere Stelle die richtige ist usw usw.
Wie man es aber dreht und wendet: man muss seine Einheiten im Kampf immer erstmal entfalten. Und selbst wenn es gleich der Hauptangriff sein sollte, auch dann gibt es eine Vorhut, erste Zusammenstöße, Plänkler usw. Der Angriff entfaltet sich also selbst dann zunächst durch ein Abtasten, alles andere wäre fast immer wiedersinnig. Und wenn der erste Zusammenstoß der Vorhut beim Hauptangriff bereits aufzeigt, dass der Hauptangriff scheitern wird, kann man diesen abbrechen, statt sofort alles reinzuschicken. Das Abbrechen von Angriffen ist wesentlich, und auch viel häufiger in der Ukraine als meist so wahrgenommen.
Nicht wenn ich schnell genug bin um die gefundene Schwachstelle schnell explorieren zu können. Also kommt es vor allem darauf an, dass man von der Position wo der Gros der Truppen für den eigentlichen Hauptangriff b ereit steht mehrere mögliche Optionen hat sich nach vorne zu bewegen, also mehrere verschiedene Stellen angreifen kann. Was den Ukrainern hier meist fehlt ist die notwendige Geschwindigkeit im Explorieren erkannter Schwachstellen. Aus vielerlei Gründen.
Diese ganzen Vorstöße dienen aber ganz genau so auch der Aufklärung, oder sie sind ohnehin von vornherein vor allem gewaltsame Aufklärung. Und wenn ich das Finden von Möglichkeiten und dann die Bereitstellung von Kräften um diese zu Nutzen in der von dir beschriebenen Weise entkoppele, entsteht genau das Problem, dass der Feind dann sein Feuer dorthin verlegen und dort konzentrieren kann. Mein Eindruck ist, dass dies sogar eines der Probleme der Ukrainer ist. Man sucht mit Drohnen usw eine Möglichkeit. Dann fängt man an seine Truppen dort zu sammeln. Dies kriegen die Russen aber fast immer mit und schon hat man die Möglichkeit ganz genau so verschenkt.
Es ist daher viel besser - vor allem weil es viel schneller ist - eine möglichst große Ambiguität zu erzeugen. Zum einen indem man vom Bereitstellungsraum her sehr viele verschiedene Optionen hat, zum anderen indem man durch Vorstöße / Plänkler verschleiert was nun tatsächlich folgen wird und schließlich auch indem man bis zuletzt mit Fingerspitzengefühl die Front abtastet um dann direkt und unmittelbar aus diesem heraus eine Möglichkeit zu ergreifen und dort dann seinen Schwerpunkt zu setzen. Und die Voraussetzung dafür ist eine ständige Ambiguität an der Stelle wo die Truppen bereit stehen.
Das wäre vor allem dann der Fall, wenn man durch bloße Aufklärung eine Schwachstelle findet - und dem folgend dann vor dieser die Kräfte sammelt / bereit stellt, wie du es explizit geschrieben hast. Denn dann klärt der Feind diese Bereitstellung auf und zieht Feuerkraft zusammen und bildet einen Gegenschwerpunkt.
Wir sprechen hier doch von sehr viel geringeren Distanzen. Bei Bakhmut wäre es ein Rückzug von 25 km bis 35 km gewesen (je nach Richtung). Und dann hätte man seine Front von Dserschynsk über Druzhkivka und Kramatorsk nach Slowanjsk ziehen können. Die Russen wären dann in das Halbrund westlich von Bakhmut hinein gezogen worden und dann an diesen Städten hängen geblieben. Und dann hätte man die ukrainische Artillerie stärker dislozieren können, während die Russen konzentrierter gestanden wären usw.
Wir sprechen hier also von gerade mal 30 Kilometern. Was da dagegen sprach sind eher die Argumente welche Schlingel hier gebracht hat, dass sind sachliche militärisch-handwerkliche Gründe.
Aber stattdessen versucht man krampfhaft Terrain zu halten um des Terrainhaltens wegen.
Zitat:Dort ist auf den Vorwurf, eine völlig unwichtige Stadt so verbissen zu verteidigen entgegnet worden, wenn man sich zurück ziehen würde wären die gleichen massiven Kämpfe nur ein paar Kilometer weiter westlich.
Selbstverständlich wären die Kämpfe dann weiter westlich weiter gegangen, dass hat ja nie jemand bestritten. Aber Stellung ist eben nicht gleich Stellung - Frontverlauf nicht gleich Frontverlauf. Es ist eben nicht egal wo genau man steht.
Spezifisch in Bezug auf Bakhmut stand die russische Artillerie welche dort und in der Umgebung der Stadt wirkte vergleichsweise disloziert, konnte aber im Kampfraum ihr Feuer zusammen fassen. Umgekehrt musste die ukrainische Artillerie aufgrund der geographischen Ausformung konzentrierter stehen -war damit also ein leichteres Ziel, während umgekehrt ihr Feuer breiter gestreut auf eine größere Fläche wirken musste. Dies ist extrem nachteilig. Ein koordiniertes und diszpliniertes zurückgehen auf die damals von mir beschriebene Linie hätte diesen Effekt umgedreht. Und damit wäre das ukrainische Konterartilleriefeuer noch wesentlich effektiver gewesen.
Das die ukrainische Artillerie hier dennoch überhaupt überlebt hat, verdankt sie allein der höheren effektiven Reichweite im Querschnitt sowie Präzisionsmunition. Letztgenannte aber wird zunehmend knapp und die Rohre sind auch zunehmend ausgenudelt, auch die Ukrainer müssen mit ihrer Ari immer näher an die Front heran.
Zitat:man muss sich entweder an möglichst gut zu verteidigender Position stellen -
oder man zieht sich bis über die westliche Grenze des Landes zurück.
Absolut richtig. Aber diese möglichst gut zu verteidigende Position war eben nicht in Bakhmut, sondern westlich davon. Denn es macht, grob vereinfacht, genau so wenig Sinn eine schlechtere Position weiter östlich zu halten, nur weil man sie halt halten will - wenn dahinter eine bessere Position ist die man leichter verteidigen kann.
Die Ukraine steht strategisch in einem Abnutzungskrieg. Den kann sie nur und absolut nur dann gewinnen, wenn die Abtauschraten extrem zu ihren Gunsten sind. Es genügt dabei nicht einmal, wenn die Abtauschrate nur zu Gunsten der Ukrainer ist. Dass Verhältnis bei den Verlusten muss stattdessen durchgehend sehr einseitig zugunsten der Ukraine sein. Und dafür benötigt man eine Positionierung welche sich vor allem anderen daran ausrichtet, dass man den maximalen Schaden beim Gegner anrichtet und selbst so wenig Schaden wie möglich nimmt.
Das Gelände muss also danach ausgesucht werden, ob es optimal für die Abnutzung des Gegners ist. Es ist also kein Selbstzweck, kein Ziel für sich selbst, sondern es dient einem anderen Zwecke. Jede Art von Geländegewinn und Geländeverlust muss daher unter diesem Aspekt vor allem anderen erwogen werden.
Und exakt das hat man in Bakhmut eben nicht getan, sondern die Stadt krampfhaft gehalten obwohl sie eben nicht die optimalst mögliche Position war.
Schneemann:
Zitat:Das sehe ich anders. Wenn ich über die gesamte Frontbreite abklopfe, dann kann ich keinen Schwerpunkt bilden
Es wurde aber nicht über die ganze Front abgeklopft. Und keinesweges bedeuten solche Vorstöße, dass dadurch kein Schwerpunkt mehr möglich ist. Denn das Täuschen und entsprechende Scheinangriffe um den eigentlichen Hauptangriff zu verschleiern finden ja nicht an der gesamte Front statt. Sondern in einem viel engeren Bereich. Und selbst dort wo die Hauptstreitmacht zusammen gestellt wird, kann man immer noch davor abtasten und zugleich täuschen. Praktisches Beispiel: man hat eine Streitmacht positioniert. Von derer Stellung aus gibt es zwei mögliche Routen. Nun werden beide durch Vorstöße angegangen. Der Feind weiß nun nicht, ob das nur erste Vorgefecht sind, ob es die Vorhut ist und er weiß vor allem nicht auf welcher der beiden Routen die Hauptstreitmacht kommt und wohlgemerkt: beide fangen ja dort an wo sie steht, und es macht daher keinen Unterschied von der Distanz her ob sie die eine nimmt oder die andere. Die Entscheidung welche ergibt sich also dann beispielsweise aus den feindlichen Reaktionen oder eigenen Erkenntnissen. Man kann auch nur an einen Scheinangriff führen weil man schon weiß, dass die andere Stelle die richtige ist usw usw.
Wie man es aber dreht und wendet: man muss seine Einheiten im Kampf immer erstmal entfalten. Und selbst wenn es gleich der Hauptangriff sein sollte, auch dann gibt es eine Vorhut, erste Zusammenstöße, Plänkler usw. Der Angriff entfaltet sich also selbst dann zunächst durch ein Abtasten, alles andere wäre fast immer wiedersinnig. Und wenn der erste Zusammenstoß der Vorhut beim Hauptangriff bereits aufzeigt, dass der Hauptangriff scheitern wird, kann man diesen abbrechen, statt sofort alles reinzuschicken. Das Abbrechen von Angriffen ist wesentlich, und auch viel häufiger in der Ukraine als meist so wahrgenommen.
Zitat: bzw. diesen, wenn ich den schwachen Punkt gefunden habe, nur unzureichend bilden, da der Gegner ihn eben dann auch kennt und mit entsprechender Feuerkonzentration in diesem Bereich zu rechnen ist.
Nicht wenn ich schnell genug bin um die gefundene Schwachstelle schnell explorieren zu können. Also kommt es vor allem darauf an, dass man von der Position wo der Gros der Truppen für den eigentlichen Hauptangriff b ereit steht mehrere mögliche Optionen hat sich nach vorne zu bewegen, also mehrere verschiedene Stellen angreifen kann. Was den Ukrainern hier meist fehlt ist die notwendige Geschwindigkeit im Explorieren erkannter Schwachstellen. Aus vielerlei Gründen.
Zitat:Es muss also zuerst rein über die Aufklärung die Schwachstelle analysiert sein, dann, wenn festgestellt, die Bereitstellung vor dieser erfolgen.
Diese ganzen Vorstöße dienen aber ganz genau so auch der Aufklärung, oder sie sind ohnehin von vornherein vor allem gewaltsame Aufklärung. Und wenn ich das Finden von Möglichkeiten und dann die Bereitstellung von Kräften um diese zu Nutzen in der von dir beschriebenen Weise entkoppele, entsteht genau das Problem, dass der Feind dann sein Feuer dorthin verlegen und dort konzentrieren kann. Mein Eindruck ist, dass dies sogar eines der Probleme der Ukrainer ist. Man sucht mit Drohnen usw eine Möglichkeit. Dann fängt man an seine Truppen dort zu sammeln. Dies kriegen die Russen aber fast immer mit und schon hat man die Möglichkeit ganz genau so verschenkt.
Es ist daher viel besser - vor allem weil es viel schneller ist - eine möglichst große Ambiguität zu erzeugen. Zum einen indem man vom Bereitstellungsraum her sehr viele verschiedene Optionen hat, zum anderen indem man durch Vorstöße / Plänkler verschleiert was nun tatsächlich folgen wird und schließlich auch indem man bis zuletzt mit Fingerspitzengefühl die Front abtastet um dann direkt und unmittelbar aus diesem heraus eine Möglichkeit zu ergreifen und dort dann seinen Schwerpunkt zu setzen. Und die Voraussetzung dafür ist eine ständige Ambiguität an der Stelle wo die Truppen bereit stehen.
Zitat:bevor der erste Schuss fällt, einmal theatralisch gesagt, ist bereits klar, wo a) der Hauptangriff stattfindet und b) wo die Ablenkungsangriffe stattfinden sollen.
Das wäre vor allem dann der Fall, wenn man durch bloße Aufklärung eine Schwachstelle findet - und dem folgend dann vor dieser die Kräfte sammelt / bereit stellt, wie du es explizit geschrieben hast. Denn dann klärt der Feind diese Bereitstellung auf und zieht Feuerkraft zusammen und bildet einen Gegenschwerpunkt.
Zitat:Es hängt davon ab, wie viel Raum ich preisgeben kann, ohne dass mir nennenswerte Nachteile entstehen. Die Deutschen im Zweiten Weltkrieg hätten ohne Probleme Raum auf einer Tiefe zwischen 150 und 250 km preisgeben können, ohne dass signifikante Nachteile entstanden wären. Die Ukrainer können nur schlecht 150 oder 250 km zurückweichen,
Wir sprechen hier doch von sehr viel geringeren Distanzen. Bei Bakhmut wäre es ein Rückzug von 25 km bis 35 km gewesen (je nach Richtung). Und dann hätte man seine Front von Dserschynsk über Druzhkivka und Kramatorsk nach Slowanjsk ziehen können. Die Russen wären dann in das Halbrund westlich von Bakhmut hinein gezogen worden und dann an diesen Städten hängen geblieben. Und dann hätte man die ukrainische Artillerie stärker dislozieren können, während die Russen konzentrierter gestanden wären usw.
Wir sprechen hier also von gerade mal 30 Kilometern. Was da dagegen sprach sind eher die Argumente welche Schlingel hier gebracht hat, dass sind sachliche militärisch-handwerkliche Gründe.
Aber stattdessen versucht man krampfhaft Terrain zu halten um des Terrainhaltens wegen.