26.01.2024, 17:21
@Pogu
Eines der zentralen Probleme beim aktuellen Russland-Kontext ist indessen, dass eine wirkliche Diskussion über den Faschismus - und seine Ableger - in Russland kaum stattfindet. Eher ist und war es so, dass überaus leichtsinnig, ja geradezu inflationär-unverantwortlich - wenn man bedenkt, dass Russland im Kampf gegen einen (wirklich Russland bzw. die Sowjetunion gefährdenden) Faschismus bzw. einen Ableger von diesem einen fürchterlichen Krieg mit vermutlich mehr als 25 Mio. Opfern im Minimum führen musste - mit dem Begriff und dem Vorwurf des Faschismus seitens der russischen Führung umgegangen wird.
D. h. man legt den Faschismus völlig unkritisch auf alles irgendwie "russlandfeindliche" um, egal ob es tatsächlich ein "echter" Gegner ist oder nur jemand, der einen stört, weil er am autokratisch-kleptokratischen System und am Kriegskurs Kritik äußert (und ggf. sogar prorussisch denkt) oder ob es jemand ist, der sich die russischen Panzer nur vom Leib halten möchte. Und damit sind wir wieder bei der Insel-Haltung: Man faucht nach allen Seiten, dass all diejenigen, die nicht mit Russland (besser: der gegenwärtigen Führung) handeln wollen oder konform gehen, ja irgendwie Faschisten sein müssen.
Und das wiederum führt dazu, dass der Begriff des Faschismus völlig verschwimmt und unscharf wird - wobei ich mir nicht sicher bin, ob dies nicht manchmal sogar gewollt ist - und irgendwann dann sogar harmlose Minderheiten als Faschisten bezeichnet werden können.
Übrigens ist dieses Vorgehen nicht neu. Nachdem sich die Altbolschewisten von 1917 untereinander zerstritten hatten, grob nach dem Fiasko im russisch-polnischen Krieg in den frühen 1920ern, als sich die Führung im Kreml gegenseitig die Schuld für den Misserfolg zuschob, wurden diejenigen, die nicht mit Stalin konform gingen und in Ungnade fielen - obgleich Linksrevolutionäre - später im Moskauer Tenor als Faschisten bezeichnet (!). Es schlich sich dann sogar die Bezeichnung "faschistisch-trotzkistisch" in den Sprachgebrauch ein (in Anlehnung an den abservierten Leo Trotzki), was eigentlich, rein politisch betrachtet, ein völliger Treppenwitz der Geschichte ist. Das hat also leider eine gewisse bittere Tradition, was wir aktuell aus Russland so hören...
Im Westen hingegen wird der Begriff deutlich enger eingegrenzt in Bezug auf Russland und differenzierter genutzt - übrigens wird das aktuelle Regime in Russland nicht direkt als faschistisch bezeichnet (auch bei uns im Forum nicht), sondern wir haben beständig darauf hingewiesen, dass v. a. das, was ggf. nach Putin kommen könnte, eine Staatsform sein kann, welche durchaus als protofaschistisch bzw. protoneobolschewistisch mit extremer intolerant-nationalistischer Färbung angesehen werden muss. Und wenn man sich die rassistischen und bellizistischen Töne von manchen von diesen ultranationalistischen Rädels- und Wortführern anschaut, so trifft das auch klar zu.
Insofern sind die Blickwinkel schon sehr unterschiedlich.
Schneemann
Zitat:Diesen Geruch vernehme ich auch immerfort.Ich hatte mir überlegt, wie du das gemeint hast. Da mir aber dein Sinn für feine Ironie schon öfters (positiv) auffiel, denke ich, sollte ich dies nicht direkt übertragen.
Eines der zentralen Probleme beim aktuellen Russland-Kontext ist indessen, dass eine wirkliche Diskussion über den Faschismus - und seine Ableger - in Russland kaum stattfindet. Eher ist und war es so, dass überaus leichtsinnig, ja geradezu inflationär-unverantwortlich - wenn man bedenkt, dass Russland im Kampf gegen einen (wirklich Russland bzw. die Sowjetunion gefährdenden) Faschismus bzw. einen Ableger von diesem einen fürchterlichen Krieg mit vermutlich mehr als 25 Mio. Opfern im Minimum führen musste - mit dem Begriff und dem Vorwurf des Faschismus seitens der russischen Führung umgegangen wird.
D. h. man legt den Faschismus völlig unkritisch auf alles irgendwie "russlandfeindliche" um, egal ob es tatsächlich ein "echter" Gegner ist oder nur jemand, der einen stört, weil er am autokratisch-kleptokratischen System und am Kriegskurs Kritik äußert (und ggf. sogar prorussisch denkt) oder ob es jemand ist, der sich die russischen Panzer nur vom Leib halten möchte. Und damit sind wir wieder bei der Insel-Haltung: Man faucht nach allen Seiten, dass all diejenigen, die nicht mit Russland (besser: der gegenwärtigen Führung) handeln wollen oder konform gehen, ja irgendwie Faschisten sein müssen.
Und das wiederum führt dazu, dass der Begriff des Faschismus völlig verschwimmt und unscharf wird - wobei ich mir nicht sicher bin, ob dies nicht manchmal sogar gewollt ist - und irgendwann dann sogar harmlose Minderheiten als Faschisten bezeichnet werden können.
Übrigens ist dieses Vorgehen nicht neu. Nachdem sich die Altbolschewisten von 1917 untereinander zerstritten hatten, grob nach dem Fiasko im russisch-polnischen Krieg in den frühen 1920ern, als sich die Führung im Kreml gegenseitig die Schuld für den Misserfolg zuschob, wurden diejenigen, die nicht mit Stalin konform gingen und in Ungnade fielen - obgleich Linksrevolutionäre - später im Moskauer Tenor als Faschisten bezeichnet (!). Es schlich sich dann sogar die Bezeichnung "faschistisch-trotzkistisch" in den Sprachgebrauch ein (in Anlehnung an den abservierten Leo Trotzki), was eigentlich, rein politisch betrachtet, ein völliger Treppenwitz der Geschichte ist. Das hat also leider eine gewisse bittere Tradition, was wir aktuell aus Russland so hören...
Im Westen hingegen wird der Begriff deutlich enger eingegrenzt in Bezug auf Russland und differenzierter genutzt - übrigens wird das aktuelle Regime in Russland nicht direkt als faschistisch bezeichnet (auch bei uns im Forum nicht), sondern wir haben beständig darauf hingewiesen, dass v. a. das, was ggf. nach Putin kommen könnte, eine Staatsform sein kann, welche durchaus als protofaschistisch bzw. protoneobolschewistisch mit extremer intolerant-nationalistischer Färbung angesehen werden muss. Und wenn man sich die rassistischen und bellizistischen Töne von manchen von diesen ultranationalistischen Rädels- und Wortführern anschaut, so trifft das auch klar zu.
Insofern sind die Blickwinkel schon sehr unterschiedlich.
Schneemann