23.01.2024, 20:56
alphall31:
Wenn es nur um die Ressource Mensch im Krieg ginge, würde Russland uns in den Atlantik werfen. Gerade die einfachen russischen Soldaten, der Wille und die Leidensfähigkeit der russischen Bevölkerung und auch die Gewaltbereitschaft von Führung wie Bevölkerung wären von uns in unserer aktuellen Verfassung nicht schlagbar. Aber moderne Kriege werden nicht mehr durch das Einsetzen von Blut und die Befähigung zum Barbarentum entschieden. Entsprechend ist umgekehrt die Schlußfolgerung daraus, dass der Krieg in der Ukraine kein moderner Krieg ist.
Schneemann:
Das ist hier anders, bzw. komplexer. Zum einen sind viele Russen Barbaren im klassischen Sinne, entsprechend sind Irrationalismus und Willkür hier wesentliche Motive. Es gab ja nicht nur wilkürliche (!) Morde an Zivilisten, sondern die exakt gleichen Mörder haben einfach beim nächsten Dorf sich ganz normal benommen und friedlich um Essen gebettelt um am nächsten Tag an anderer Stelle Mädchen zu vergewaltigen um dem folgend zu plündern.
Da gibt es keine rote Linie, keine Tendenz, dass ist schlussendlich ein barbarisches vormodernes Denken. Und entsprechend kannst du es als hierzulande sozialisierter Mensch auch nicht nachvollziehen.
Selbst im gleichen Ort ist es real so geschehen, dass man in dem einen Haus einfach die Einwohner erschossen hat um im nächsten Haus die Einwohner gut zu behandeln, weil halt barabische Randomwillkür.
Das ich hier den Begriff Barbaren einführe in die Diskussion ist übrigens keine Herabwertung der Russen die ich als einfaches Volk überaus wertschätze. Es ist nur der Versuch dir verständlich zu machen, wie hier das Denken und Empfinden abläuft. Die Russen hassen die Ukrainer mehrheitlich nicht, was sie aber nicht davon abhält nach Belieben Gewalt anzuwenden oder auch einfach so zu töten. Das Töten wie auch die Gewalt finden hier mehr oder weniger einfach beiläufig statt, als Lebensnormalität, als etwas ganz normales und nicht von der Norm abweichendes. Dazu muss man auch um die Gewaltbereitschaft und Gewaltaffinität in der russischen Gesellschaft insgesamt wissen. Und noch extremer in der Armee selbst, wo es schon im Frieden derart viel interne Gewalt gibt das es Leuten wie dir unverständlich ist und bleiben muss.
Dieser ganze dadurch von Kindesbeinen an erzeugte Druck und die angestaute Gewalt die man zuhause aus vielerlei Gründen nicht rauslassen konnte, kann man dann im Krieg abreagieren.
Entsprechend wird Krieg und die Gewalt im Krieg von vielen Russen als eine Art befreiendes Gefühl beschrieben, als ein positives Gefühl. Auch wenn man sterben wird (davon gehen die meisten aus), fühlt es sich gut an endlich grenzenlos Gewalt ausüben zu können. Entsprechend ist Krieg für viele Russen (die Kreise der Gesellschaft welche die Armee stellen) ein befreiendes Gefühl und fühlt sich damit besser an als ihr normales Leben.
Und entsprechend ist Krieg für eine Mehrheit der Russen eine positive Sache, ist positiv besetzt und wird deshalb nicht abgelehnt, weil er im Gegensatz zu uns nicht als Grauen verstanden wird, sondern als eine sehr gute Sache. Krieg, Zerstörung, Vernichtung, Vergewaltigung, Raub und Mord sind gute Dinge. Und der Krieg macht sie möglich. Soziologen sprechen deshalb von einer „Mehrheit der Nicht-Ablehnung des Kriegs“.
Das wäre der Bereich des einfachen Volkes, insbesondere der einfachen Menschen auf dem Land. Die Eliten wiederum profitieren von diesem Krieg in vielerlei Hinsicht und finden daher zynisch und mafiös wie sie sind ebenfalls gut. Und beides zusammen ergibt dann eben die hier vorliegende äußerst problematische Mischung. Die russischen Eliten könnten das aktuelle Geschehen nicht vom Zaun brechen, wenn sie eine moderne Gesellschaft hätten. Sie können es aber gerade eben deshalb tun, weil ihre Gesellschaft (im Gegensatz zu ihnen selbst als modernen Mafiosi) absolut vormodern ist.
Eine amüsante Randnote dazu: viele Russen heute bezeichnen die Soldaten an der Front als Krieger des Lichts, ein Begriff der auch schon von russischen Propagandisten aufgegriffen wurde und denn auch viele Soldaten an der Front inzwischen verwenden. Sie nennen sich also selbst Krieger des Lichts nachdem sie soeben eine vierzehnjährige vergewaltigt und dann erschossen haben und dass ist für sie eben kein Widerspruch. Dafür teilen sie mit der nächsten vierzehnjährigen ihre kärgliche Ration und tun ihr nichts. Für westliche Menschen wie dich muss das natürlich unbegreiflich sein.
Ein wesentliches Element der "russischen Seele" ist meiner Meinung nach zudem eine düstere gewaltätige Melancholie. Man übt Gewalt nicht in einem Zustand von Wut und Hass aus wie wir sie empfinden, sondern der Hass hat dort andere Formen. Meiner Meinung nach haben sehr viele Russen in Wahrheit Depressionen. Nun kann aber eine Depression sich auch in Agression und agressivem Verhalten ausdrücken. Die Russen leiden also meiner Ansicht nach unter einer agressiven Depression, welche sie aber im Zivilleben nicht ausleben können weil dann der Ordnungs- und Obrigkeitsstaat sie niedermacht. Trotzdem ist Gewaltkriminalität aller Art in Russland natürlich weit verbreitet, aber insgesamt hält man mit sehr viel Druck den Deckel drauf.
Kommt nun der Krieg, kann sich die Depression Bahn brechen und die Agression welche aus ihr her rührt ausgelebt werden.
Man tötet also wahllos Ukrainer nicht weil man diese selbst hasst, sondern weil man selbst depressiv ist und die unendliche diffuse Wut welche sich in einem angestaut hat einfach rauslassen kann.
Nun zum wichtgisten was sich daraus ergibt: Meiner Überzeugung nach ist es deshalb völlig egal gegen wen die Russen Krieg führen. Die werden mit der exakt gleichen Gewalttätigkeit gegen absolut jeden vorgehen. Es spielt keine Rolle dass es jetzt halt Ukrainer sind, der Gegner ist nicht der Grund für die Gewalt, sondern diese resultiert aus innerrussischen Problemen. Der Gegner ist daher nur ein rein zufälliges Ziel.
Eventuell hält man sich sogar in der Ukraine im Vergleich zu dem was man sonst tun würde tatsächlich zurück, auch so ein Punkt den viele im Westen nicht verstehen. Gerade weil es die Ukrainer sind, gehen die Russen nicht so brutal vor, wie sie ansonsten vorgehen würden. Das mag angesichts der Verbrechen dort Erstaunen, ich halte es aber tatsächlich für wahrscheinlich, dass sich die Russen im Vergleich noch zurück halten, gerade eben weil der Feind die Ukrainer sind.
Wir haben es also mit einer barbarischen Gesellschaft zu tun, die aus Depression heraus handelt und einer mafiösen Elite die dies für sich ausnützt. Die Treue des barbarischen Volkes zu seiner Führung ist aber begrenzt. Ebenso die Treue der Eliten zu ihrer jeweiligen Führung. Für das Volk gibt es gewisse ideologische Grenzen, beispielsweise eine Niederlage, welche dann sofort für die Eliten extremst lebensgefährlich wären. Für die Eliten ist der Umbruch sofort gegeben, wenn der Krieg ihre Chancen und Möglichkeiten welche ihnen dieses System ermöglicht und welche der Krieg ihnen noch ausgeweitet hat nehmen würde, sie also substanziell Wohlstand und Möglichkeiten zur Berreicherung verlieren würden.
Entsprechend läuft die Propagandamaschine auf Hochtouren um das barabarische Volk nicht aufzuscheuchen, was mörderisch wäre, und intern schafft man beispielsweise aktuell Gesetze gegen Korruption ab (ja, allen Ernstes ist das aktuell ein Thema in Russland) und löst Behörden und Stellen zur Korruptionsbekämpfung auf, erklärt aber beispielsweise umgekehrt eine Umweltschutzorganisation zu ausländischen Agenten, weil sie der Berreicherung eines Angehörigen der Eliten und seiner Fabriken im Weg steht.
Da selbst die Oligarchen wesentliche Profiteure des Krieges sind, haben sie ebensowenig wie das Volk ein Interesse daran dass der Krieg aufhört.
Die Schnittmenge zwischen beiden ist nun die Lust am Normenbruch. Russen lieben in Wahrheit den Normenbruch. Und dass führt zum einen im Krieg zu den genannten Exzessen und Verbrechen, zum anderen verbindet es die mafiösen Eliten mit dem Volk, beide funktionieren aus diesem gemeinsamen wesentlichen Wert heraus. Entsprechend ist auch hier der Grund für die Gewaltverbrechen vor allem anderen im Russen selbst und resultiert nicht aus den Ukrainern, einem Hass auf die Ukrainer oder dergleichen, sondern hat innere Gründe.
Um das nochmal zu wiederholen: es spielt daher absolut gar keine Rolle gegen wen Russland gerade kämpft. Es wäre gegen Kasachstan genau das gleiche wie gegen Finnland oder gegen Azerbeidschan oder halt nun hier gegen die Ukraine.
Das ist nur ein Symbol. Es verkörpert sozusagen eine größere komplexere Gesamtheit. Beispielsweise musst du dir nur mal ansehen, wie unglaublich oft Homosexualität im Westen im russischen Staatsfernsehen und auf russischen Medienseiten thematisiert wird. Die sind besessen davon und auch hier stellt sich in Bezug auf Volksmeinung und Propaganda die Henne-Ei Frage. Ironischerweise wird dort mehr über Schwule in Europa berichtet als hierzulande in Deutschland (natürlich immer nur im geiferndem Hass). Entsprechend erzeugen solche Symbole als Vertretung des größeren Ganzen welches man so immens hasst eine große Wirkung.
Die genderneutralen Klos sind daher eine Verkörperung des Bösen, gegen welches man kämpft und welches vom Westen aus in die russische Kultur einsickern will um Russland zu vernichten. Die fühlen sich ernsthaft von uns bedroht und sie fühlen sich von der westlichen Kultur belästigt. Sie ertragen unsere Kultur einfach nicht.
Dann setze ich noch mal neu an: es gibt 3 primäre Bereiche aus denen heraus Russland Krieg führt und auch nicht damit aufhören wird:
1. Wahnwelten
Die Russen haben sich in den Eliten wie auch in zu weiten Teilen der Bevölkerung in Echokammern verzogen und sind dort in eine Wahnwelt abgeglitten. Eine gute Analogie wären die Reichsbürger in Deutschland welche erklären es gäbe keine BRD und dass sei eine GmbH usw.
Entsprechend sind auch zu viele Russen und insbesondere katastrophal Putin selbst und sein Umfeld in eine Wahnwelt abgeglitten. Sie handeln daher aus vollständig anderen Kausalketten heraus, welche komplett von allem getrennt sind was wir so denken und an Informationen und logischen Schlüssen haben. Dies führt natürlich zu extrem irrationalen Verhaltensweisen.
2. Egoprobleme
Die Russen sind extrem, wirklich extremst stolz darauf militärisch herausragend zu sein - was sie in Wahrheit nicht sind. Das Selbstbewusstsein, die ganze eigene Identität, das eigene Selbstverständnis basieren darauf, dass man zumindest militärisch eine Supermacht ist und alle anderne Schwach. Dass russische Männer stärker, härter, leidensfähiger, und militärisch besser sind als alle anderen Völker der Welt. Das ist das Selbstverständnis. Daher stört es das russische Ego in unerträglicher Weise in der Ukraine nun real vorgeführt zu bekommen, dass man in Wahrheit militärisch viel schwächer ist als gedacht. Das ist inakzeptabel, auch für einfache arme Russen, oder sogar gerade eben für die.
Man sitzt da in einem uralten Plattenbau, hat im Winter oft keine Heizung, trinkt schlechten Wodka und baut Kartoffeln an damit man überhaupt was zu essen hat, arbeitet hart und wird betrogen und wird von der Regierung unterdrückt, aber alles egal: man ist ja schließlich eine militärische Supermacht und Russen sind die Härtesten und man ist am Männlichsten von allen.
Und nun, ist dem anscheinend nicht so. Deshalb ist der Krieg in der Ukraine für die Russen eine ungeheure Demütigung und erzeugt ungeheure Wut.
Das hat noch eine Folge: weil die Ukrainer ja nicht stark sein könne, muss es der perverse üble Westen sein, der die Russen hier so massiv tötet. Beispielsweise glaubt man in Russland, dass der Westen der Ukraine mehr als 1 Millionen Drohnen gestellt hätte und man kämpfe also Heldenhaft als Krieger des Lichtes gegen Maschinen, statt dass sich der Feind selbst stellt würde man von Maschinen vernichtet die der perverse schwule Westen erfunden hat weil in Gayropa alle schwach und feige sind und sich nicht trauen gegen die überlegenen Russen selbst zu kämpfen. Der Feind (der Westen!) ist also schwach, aber technologisch stark weil er hinterlistig und feige und durchtrieben ist und deshalb will er Russland vernichten und die Gefahr ist groß, weil die Maschinen des Westens so viele sind usw.
Dazu kommt der Rassismus in Russland. Die Russen halten sich für grundsätzlich überlegen, und jede Wiederlegung desselben greift ihr Ego immens an, sowohl in den Eliten als auch im Volk.
3. Sozialkulturelle Abstoßungsreaktion
Schlussendlich ist das auch ein Krieg der Meme. Was hier in Russland stattfindet ist eine massive Abstoßungsrektion gegen unsere Meme, weil diese als zu fremd empfunden werden und man sie tatsächlich mehrheitlich nicht will. Das ist vergleichbar der sozialkulturellen Abstoßung in vielen islamischen Ländern und der Ausbreitung von Islamisten dort. Man unterschätzt im Westen meiner Meinung nach diese Abstoßungsreaktion als wesentlichem Punkt.
Alles was ich hier ausgeführt habe ist natürlich vereinfacht, ist eine Darstellung des Querschnitts, der bloße Versuch einer Charakterisierung einer gewissen Mehrheit oder doch zumindest eines wesentlichen Anteils der russischen Gesellschaft - insbesondere des Anteils welcher diesen Krieg verschuldet hat, ihn führt und ihn weiter führen will und den ganzen Rest der russischen Gesellschaft mit sich reißt. Natürlich gibt es in Russland, gerade in den Städten des Westens auch ganze andere Gruppen, ganz andere Sozialkultur usw. Mir ging es nur darum vielleicht etwas Verständnis insgesamt dafür herzustellen, wie die Kreise welche für diesen Krieg maßgeblich sind funktionieren, wie sie denken und wie sie empfinden.
Wenn es nur um die Ressource Mensch im Krieg ginge, würde Russland uns in den Atlantik werfen. Gerade die einfachen russischen Soldaten, der Wille und die Leidensfähigkeit der russischen Bevölkerung und auch die Gewaltbereitschaft von Führung wie Bevölkerung wären von uns in unserer aktuellen Verfassung nicht schlagbar. Aber moderne Kriege werden nicht mehr durch das Einsetzen von Blut und die Befähigung zum Barbarentum entschieden. Entsprechend ist umgekehrt die Schlußfolgerung daraus, dass der Krieg in der Ukraine kein moderner Krieg ist.
Schneemann:
Zitat:Dann erschließt sich mir aber nicht ganz, wieso es diese Gräuel und Exzesse gab, gerade im ersten Kriegsjahr. Gerade die willkürlichen Morde an Zivilisten und auch die Verschleppungen aus den besetzten Gebieten, die Verwüstungen, die an den Dreißigjährigen Krieg erinnern, können doch eigentlich ohne Hass und Verachtung nicht stattfinden. Dererlei Exzesse haben meistens relativ klar eingrenzbare Ursachen - Hass, Angst, Frustration oder/und Propaganda (die Entmenschlichung des Gegenübers).
Das ist hier anders, bzw. komplexer. Zum einen sind viele Russen Barbaren im klassischen Sinne, entsprechend sind Irrationalismus und Willkür hier wesentliche Motive. Es gab ja nicht nur wilkürliche (!) Morde an Zivilisten, sondern die exakt gleichen Mörder haben einfach beim nächsten Dorf sich ganz normal benommen und friedlich um Essen gebettelt um am nächsten Tag an anderer Stelle Mädchen zu vergewaltigen um dem folgend zu plündern.
Da gibt es keine rote Linie, keine Tendenz, dass ist schlussendlich ein barbarisches vormodernes Denken. Und entsprechend kannst du es als hierzulande sozialisierter Mensch auch nicht nachvollziehen.
Selbst im gleichen Ort ist es real so geschehen, dass man in dem einen Haus einfach die Einwohner erschossen hat um im nächsten Haus die Einwohner gut zu behandeln, weil halt barabische Randomwillkür.
Das ich hier den Begriff Barbaren einführe in die Diskussion ist übrigens keine Herabwertung der Russen die ich als einfaches Volk überaus wertschätze. Es ist nur der Versuch dir verständlich zu machen, wie hier das Denken und Empfinden abläuft. Die Russen hassen die Ukrainer mehrheitlich nicht, was sie aber nicht davon abhält nach Belieben Gewalt anzuwenden oder auch einfach so zu töten. Das Töten wie auch die Gewalt finden hier mehr oder weniger einfach beiläufig statt, als Lebensnormalität, als etwas ganz normales und nicht von der Norm abweichendes. Dazu muss man auch um die Gewaltbereitschaft und Gewaltaffinität in der russischen Gesellschaft insgesamt wissen. Und noch extremer in der Armee selbst, wo es schon im Frieden derart viel interne Gewalt gibt das es Leuten wie dir unverständlich ist und bleiben muss.
Dieser ganze dadurch von Kindesbeinen an erzeugte Druck und die angestaute Gewalt die man zuhause aus vielerlei Gründen nicht rauslassen konnte, kann man dann im Krieg abreagieren.
Entsprechend wird Krieg und die Gewalt im Krieg von vielen Russen als eine Art befreiendes Gefühl beschrieben, als ein positives Gefühl. Auch wenn man sterben wird (davon gehen die meisten aus), fühlt es sich gut an endlich grenzenlos Gewalt ausüben zu können. Entsprechend ist Krieg für viele Russen (die Kreise der Gesellschaft welche die Armee stellen) ein befreiendes Gefühl und fühlt sich damit besser an als ihr normales Leben.
Und entsprechend ist Krieg für eine Mehrheit der Russen eine positive Sache, ist positiv besetzt und wird deshalb nicht abgelehnt, weil er im Gegensatz zu uns nicht als Grauen verstanden wird, sondern als eine sehr gute Sache. Krieg, Zerstörung, Vernichtung, Vergewaltigung, Raub und Mord sind gute Dinge. Und der Krieg macht sie möglich. Soziologen sprechen deshalb von einer „Mehrheit der Nicht-Ablehnung des Kriegs“.
Das wäre der Bereich des einfachen Volkes, insbesondere der einfachen Menschen auf dem Land. Die Eliten wiederum profitieren von diesem Krieg in vielerlei Hinsicht und finden daher zynisch und mafiös wie sie sind ebenfalls gut. Und beides zusammen ergibt dann eben die hier vorliegende äußerst problematische Mischung. Die russischen Eliten könnten das aktuelle Geschehen nicht vom Zaun brechen, wenn sie eine moderne Gesellschaft hätten. Sie können es aber gerade eben deshalb tun, weil ihre Gesellschaft (im Gegensatz zu ihnen selbst als modernen Mafiosi) absolut vormodern ist.
Eine amüsante Randnote dazu: viele Russen heute bezeichnen die Soldaten an der Front als Krieger des Lichts, ein Begriff der auch schon von russischen Propagandisten aufgegriffen wurde und denn auch viele Soldaten an der Front inzwischen verwenden. Sie nennen sich also selbst Krieger des Lichts nachdem sie soeben eine vierzehnjährige vergewaltigt und dann erschossen haben und dass ist für sie eben kein Widerspruch. Dafür teilen sie mit der nächsten vierzehnjährigen ihre kärgliche Ration und tun ihr nichts. Für westliche Menschen wie dich muss das natürlich unbegreiflich sein.
Ein wesentliches Element der "russischen Seele" ist meiner Meinung nach zudem eine düstere gewaltätige Melancholie. Man übt Gewalt nicht in einem Zustand von Wut und Hass aus wie wir sie empfinden, sondern der Hass hat dort andere Formen. Meiner Meinung nach haben sehr viele Russen in Wahrheit Depressionen. Nun kann aber eine Depression sich auch in Agression und agressivem Verhalten ausdrücken. Die Russen leiden also meiner Ansicht nach unter einer agressiven Depression, welche sie aber im Zivilleben nicht ausleben können weil dann der Ordnungs- und Obrigkeitsstaat sie niedermacht. Trotzdem ist Gewaltkriminalität aller Art in Russland natürlich weit verbreitet, aber insgesamt hält man mit sehr viel Druck den Deckel drauf.
Kommt nun der Krieg, kann sich die Depression Bahn brechen und die Agression welche aus ihr her rührt ausgelebt werden.
Man tötet also wahllos Ukrainer nicht weil man diese selbst hasst, sondern weil man selbst depressiv ist und die unendliche diffuse Wut welche sich in einem angestaut hat einfach rauslassen kann.
Nun zum wichtgisten was sich daraus ergibt: Meiner Überzeugung nach ist es deshalb völlig egal gegen wen die Russen Krieg führen. Die werden mit der exakt gleichen Gewalttätigkeit gegen absolut jeden vorgehen. Es spielt keine Rolle dass es jetzt halt Ukrainer sind, der Gegner ist nicht der Grund für die Gewalt, sondern diese resultiert aus innerrussischen Problemen. Der Gegner ist daher nur ein rein zufälliges Ziel.
Eventuell hält man sich sogar in der Ukraine im Vergleich zu dem was man sonst tun würde tatsächlich zurück, auch so ein Punkt den viele im Westen nicht verstehen. Gerade weil es die Ukrainer sind, gehen die Russen nicht so brutal vor, wie sie ansonsten vorgehen würden. Das mag angesichts der Verbrechen dort Erstaunen, ich halte es aber tatsächlich für wahrscheinlich, dass sich die Russen im Vergleich noch zurück halten, gerade eben weil der Feind die Ukrainer sind.
Wir haben es also mit einer barbarischen Gesellschaft zu tun, die aus Depression heraus handelt und einer mafiösen Elite die dies für sich ausnützt. Die Treue des barbarischen Volkes zu seiner Führung ist aber begrenzt. Ebenso die Treue der Eliten zu ihrer jeweiligen Führung. Für das Volk gibt es gewisse ideologische Grenzen, beispielsweise eine Niederlage, welche dann sofort für die Eliten extremst lebensgefährlich wären. Für die Eliten ist der Umbruch sofort gegeben, wenn der Krieg ihre Chancen und Möglichkeiten welche ihnen dieses System ermöglicht und welche der Krieg ihnen noch ausgeweitet hat nehmen würde, sie also substanziell Wohlstand und Möglichkeiten zur Berreicherung verlieren würden.
Entsprechend läuft die Propagandamaschine auf Hochtouren um das barabarische Volk nicht aufzuscheuchen, was mörderisch wäre, und intern schafft man beispielsweise aktuell Gesetze gegen Korruption ab (ja, allen Ernstes ist das aktuell ein Thema in Russland) und löst Behörden und Stellen zur Korruptionsbekämpfung auf, erklärt aber beispielsweise umgekehrt eine Umweltschutzorganisation zu ausländischen Agenten, weil sie der Berreicherung eines Angehörigen der Eliten und seiner Fabriken im Weg steht.
Da selbst die Oligarchen wesentliche Profiteure des Krieges sind, haben sie ebensowenig wie das Volk ein Interesse daran dass der Krieg aufhört.
Die Schnittmenge zwischen beiden ist nun die Lust am Normenbruch. Russen lieben in Wahrheit den Normenbruch. Und dass führt zum einen im Krieg zu den genannten Exzessen und Verbrechen, zum anderen verbindet es die mafiösen Eliten mit dem Volk, beide funktionieren aus diesem gemeinsamen wesentlichen Wert heraus. Entsprechend ist auch hier der Grund für die Gewaltverbrechen vor allem anderen im Russen selbst und resultiert nicht aus den Ukrainern, einem Hass auf die Ukrainer oder dergleichen, sondern hat innere Gründe.
Um das nochmal zu wiederholen: es spielt daher absolut gar keine Rolle gegen wen Russland gerade kämpft. Es wäre gegen Kasachstan genau das gleiche wie gegen Finnland oder gegen Azerbeidschan oder halt nun hier gegen die Ukraine.
Zitat:ich führe keinen Krieg mit hunderttausenden Opfern, nur weil ich mich ärgere über eine genderneutrale Toilette.
Das ist nur ein Symbol. Es verkörpert sozusagen eine größere komplexere Gesamtheit. Beispielsweise musst du dir nur mal ansehen, wie unglaublich oft Homosexualität im Westen im russischen Staatsfernsehen und auf russischen Medienseiten thematisiert wird. Die sind besessen davon und auch hier stellt sich in Bezug auf Volksmeinung und Propaganda die Henne-Ei Frage. Ironischerweise wird dort mehr über Schwule in Europa berichtet als hierzulande in Deutschland (natürlich immer nur im geiferndem Hass). Entsprechend erzeugen solche Symbole als Vertretung des größeren Ganzen welches man so immens hasst eine große Wirkung.
Die genderneutralen Klos sind daher eine Verkörperung des Bösen, gegen welches man kämpft und welches vom Westen aus in die russische Kultur einsickern will um Russland zu vernichten. Die fühlen sich ernsthaft von uns bedroht und sie fühlen sich von der westlichen Kultur belästigt. Sie ertragen unsere Kultur einfach nicht.
Dann setze ich noch mal neu an: es gibt 3 primäre Bereiche aus denen heraus Russland Krieg führt und auch nicht damit aufhören wird:
1. Wahnwelten
Die Russen haben sich in den Eliten wie auch in zu weiten Teilen der Bevölkerung in Echokammern verzogen und sind dort in eine Wahnwelt abgeglitten. Eine gute Analogie wären die Reichsbürger in Deutschland welche erklären es gäbe keine BRD und dass sei eine GmbH usw.
Entsprechend sind auch zu viele Russen und insbesondere katastrophal Putin selbst und sein Umfeld in eine Wahnwelt abgeglitten. Sie handeln daher aus vollständig anderen Kausalketten heraus, welche komplett von allem getrennt sind was wir so denken und an Informationen und logischen Schlüssen haben. Dies führt natürlich zu extrem irrationalen Verhaltensweisen.
2. Egoprobleme
Die Russen sind extrem, wirklich extremst stolz darauf militärisch herausragend zu sein - was sie in Wahrheit nicht sind. Das Selbstbewusstsein, die ganze eigene Identität, das eigene Selbstverständnis basieren darauf, dass man zumindest militärisch eine Supermacht ist und alle anderne Schwach. Dass russische Männer stärker, härter, leidensfähiger, und militärisch besser sind als alle anderen Völker der Welt. Das ist das Selbstverständnis. Daher stört es das russische Ego in unerträglicher Weise in der Ukraine nun real vorgeführt zu bekommen, dass man in Wahrheit militärisch viel schwächer ist als gedacht. Das ist inakzeptabel, auch für einfache arme Russen, oder sogar gerade eben für die.
Man sitzt da in einem uralten Plattenbau, hat im Winter oft keine Heizung, trinkt schlechten Wodka und baut Kartoffeln an damit man überhaupt was zu essen hat, arbeitet hart und wird betrogen und wird von der Regierung unterdrückt, aber alles egal: man ist ja schließlich eine militärische Supermacht und Russen sind die Härtesten und man ist am Männlichsten von allen.
Und nun, ist dem anscheinend nicht so. Deshalb ist der Krieg in der Ukraine für die Russen eine ungeheure Demütigung und erzeugt ungeheure Wut.
Das hat noch eine Folge: weil die Ukrainer ja nicht stark sein könne, muss es der perverse üble Westen sein, der die Russen hier so massiv tötet. Beispielsweise glaubt man in Russland, dass der Westen der Ukraine mehr als 1 Millionen Drohnen gestellt hätte und man kämpfe also Heldenhaft als Krieger des Lichtes gegen Maschinen, statt dass sich der Feind selbst stellt würde man von Maschinen vernichtet die der perverse schwule Westen erfunden hat weil in Gayropa alle schwach und feige sind und sich nicht trauen gegen die überlegenen Russen selbst zu kämpfen. Der Feind (der Westen!) ist also schwach, aber technologisch stark weil er hinterlistig und feige und durchtrieben ist und deshalb will er Russland vernichten und die Gefahr ist groß, weil die Maschinen des Westens so viele sind usw.
Dazu kommt der Rassismus in Russland. Die Russen halten sich für grundsätzlich überlegen, und jede Wiederlegung desselben greift ihr Ego immens an, sowohl in den Eliten als auch im Volk.
3. Sozialkulturelle Abstoßungsreaktion
Schlussendlich ist das auch ein Krieg der Meme. Was hier in Russland stattfindet ist eine massive Abstoßungsrektion gegen unsere Meme, weil diese als zu fremd empfunden werden und man sie tatsächlich mehrheitlich nicht will. Das ist vergleichbar der sozialkulturellen Abstoßung in vielen islamischen Ländern und der Ausbreitung von Islamisten dort. Man unterschätzt im Westen meiner Meinung nach diese Abstoßungsreaktion als wesentlichem Punkt.
Alles was ich hier ausgeführt habe ist natürlich vereinfacht, ist eine Darstellung des Querschnitts, der bloße Versuch einer Charakterisierung einer gewissen Mehrheit oder doch zumindest eines wesentlichen Anteils der russischen Gesellschaft - insbesondere des Anteils welcher diesen Krieg verschuldet hat, ihn führt und ihn weiter führen will und den ganzen Rest der russischen Gesellschaft mit sich reißt. Natürlich gibt es in Russland, gerade in den Städten des Westens auch ganze andere Gruppen, ganz andere Sozialkultur usw. Mir ging es nur darum vielleicht etwas Verständnis insgesamt dafür herzustellen, wie die Kreise welche für diesen Krieg maßgeblich sind funktionieren, wie sie denken und wie sie empfinden.