15.02.2023, 00:01
Gerade in einem ernsthaften Krieg gibt es meiner Ansicht nach einen extrem großen Unterschied zwischen Theorie und Praxis, und etwas in der Theorie zu können bedeutet daher in keinster Weise, es auch praktisch tun zu können, und dies selbst dann, wenn die Sache eigentlich einfach ist. Spezifischer zum vorliegenden Fall:
In der Theorie ja. Aber Theorie ohne eine real existierende Truppe welche diese auch praktisch anwenden kann bringt halt wenig bis nichts.
Zweifelsohne. Dies aber auch vor allem wegen der Luftherrschaft und der Möglichkeiten den Bewegungskrieg aus der Luft mit erheblicher Kampfkraft zu unterstützen. Das wird beispielsweise bei aller Begeisterung für deutsche Panzer im 2WK auch gerne vergessen, welch wesentlichen Anteil an allen Erfolgen die Luftwaffe hier hatte und wie wenig sich seitdem an der Bedeutung der Luft diesbezüglich geändert hat. Und die russische Artillerie, welche nach deren Auffassung im Endeffekt diesen Effekt der Luftwaffe substituieren sollte, hat halt in der praktischen Realität weder die technischen Möglichkeiten noch sonst die Befähigung dazu wirklich hier als Substitut auszureichen. Eine sehr leistungsstarke westliche Artillerie auf dem neuesten Stand der Technologie würde sich hier komplett anders auswirken, aber völlig unabhängig davon hat die NATO Luftmacht einfach komplett andere Möglichkeiten hier selbst ohne jede moderne Artillerie den Bewegungskrieg zu ermöglichen.
Eine Buchempfehlung in diesem Kontext dem geneigten Leser: Air power and maneuver warfare von Crefeld (aus einer Zeit als er noch richtig gute Bücher zu spezifischen militärischen Fragen geschrieben hat)
Der Angriff in die Tiefe des gegnerischen Raumes, die Operation in die Tiefe war und ist ja (offiziell) die russische Doktrin schlechthin. Damit diese gelingt, der simultane Angriff in die gesamte Tiefe des feindlichen Raumes hinein benötigt man aber meiner Ansicht nach heute die uneingeschränkte Luftherrschaft und eine für die jeweiligen Anforderungen ausreichende Luftstreitkraft, dies fehlt den Russen. Ihre veraltete Auffassung, dies mit veralteter Artillerie kompensieren zu können, hat nicht funktioniert, weil deren Wirkung unzureichend war und ist im Vergleich.
Der nächste Aspekt dürfte die Logistik sein. Die Russen können tiefe Vorstöße in den ukrainschen Raum (Anbei: mit welchem Zweck, mit welchem Ziel, mit was für angestrebten Effekten genau?) nicht nähren. Ihre Einheiten würden schon nach kurzer Zeit einfach im ukrainischen Hinterland liegen bleiben. Sie würden damit also wertvolle und zunehmend begrenzte Mittel hochgradig riskieren, ohne damit wirklich nennenswerte strategische Veränderungen zu erzielen.
Im weiteren sollte man den Bewegungskrieg bzw. spezifischer noch die Manöverkriegsführung auch nicht zu sehr überhöhen. Auch diese kann sehr verlustreich ausfallen und auch ein ganz stumpfer Abnutzungskrieg kann je nach den Umständen sinnvoll oder sogar geboten sein, oder auch effektiver / effizienter sein als jeder Versuch Manöverkriegsführung anzuwenden.
Dafür hatten die Russen in dieser Zeit auch horrende Verluste, und als sie zum stumpfen linearen Abnutzungskrieg übergingen, sanken zunächst die Verluste dramatisch! Und besagter Vorstoß bei Kriegsbeginn zeigt klar die von mir schon angerissenen Problemfelder auf: mangelnde Luftherrschaft, mangelnde Wirkung aus der Luft, logistische Probleme. Dieser Dreiklang behindert jeden Versuch einer Manöverkriegsführung auf operativer Ebene aufwärts erheblich.
Zitat:man sollte erwarten, dass diese Konzepte ihren ausufernden Offizierskorps wenigstens in der Theorie von der Pike auf eingebläut worden sind.
In der Theorie ja. Aber Theorie ohne eine real existierende Truppe welche diese auch praktisch anwenden kann bringt halt wenig bis nichts.
Zitat:Wären westliche Streitkräfte in diesem Szenario beteiligt würde ich nach einem Jahr Krieg und langen operativen Pausen fest davon ausgehen, dass mehr möglich ist als ein Revival von 1916.
Zweifelsohne. Dies aber auch vor allem wegen der Luftherrschaft und der Möglichkeiten den Bewegungskrieg aus der Luft mit erheblicher Kampfkraft zu unterstützen. Das wird beispielsweise bei aller Begeisterung für deutsche Panzer im 2WK auch gerne vergessen, welch wesentlichen Anteil an allen Erfolgen die Luftwaffe hier hatte und wie wenig sich seitdem an der Bedeutung der Luft diesbezüglich geändert hat. Und die russische Artillerie, welche nach deren Auffassung im Endeffekt diesen Effekt der Luftwaffe substituieren sollte, hat halt in der praktischen Realität weder die technischen Möglichkeiten noch sonst die Befähigung dazu wirklich hier als Substitut auszureichen. Eine sehr leistungsstarke westliche Artillerie auf dem neuesten Stand der Technologie würde sich hier komplett anders auswirken, aber völlig unabhängig davon hat die NATO Luftmacht einfach komplett andere Möglichkeiten hier selbst ohne jede moderne Artillerie den Bewegungskrieg zu ermöglichen.
Eine Buchempfehlung in diesem Kontext dem geneigten Leser: Air power and maneuver warfare von Crefeld (aus einer Zeit als er noch richtig gute Bücher zu spezifischen militärischen Fragen geschrieben hat)
Der Angriff in die Tiefe des gegnerischen Raumes, die Operation in die Tiefe war und ist ja (offiziell) die russische Doktrin schlechthin. Damit diese gelingt, der simultane Angriff in die gesamte Tiefe des feindlichen Raumes hinein benötigt man aber meiner Ansicht nach heute die uneingeschränkte Luftherrschaft und eine für die jeweiligen Anforderungen ausreichende Luftstreitkraft, dies fehlt den Russen. Ihre veraltete Auffassung, dies mit veralteter Artillerie kompensieren zu können, hat nicht funktioniert, weil deren Wirkung unzureichend war und ist im Vergleich.
Der nächste Aspekt dürfte die Logistik sein. Die Russen können tiefe Vorstöße in den ukrainschen Raum (Anbei: mit welchem Zweck, mit welchem Ziel, mit was für angestrebten Effekten genau?) nicht nähren. Ihre Einheiten würden schon nach kurzer Zeit einfach im ukrainischen Hinterland liegen bleiben. Sie würden damit also wertvolle und zunehmend begrenzte Mittel hochgradig riskieren, ohne damit wirklich nennenswerte strategische Veränderungen zu erzielen.
Im weiteren sollte man den Bewegungskrieg bzw. spezifischer noch die Manöverkriegsführung auch nicht zu sehr überhöhen. Auch diese kann sehr verlustreich ausfallen und auch ein ganz stumpfer Abnutzungskrieg kann je nach den Umständen sinnvoll oder sogar geboten sein, oder auch effektiver / effizienter sein als jeder Versuch Manöverkriegsführung anzuwenden.
Zitat:Man muss sich da auch der Unterschied zwischen Kriegsbeginn und jetzt verdeutlichen: In den ersten Tagen der Invasion gelangen den russischen Verbänden tiefe Einbrüche in den ukrainischen Raum, teilweise in einem Ausmaß der dem amerikanischen Vormarsch auf Bagdad in 2003 in nichts nachstand, wenn nicht gemessen am Gegner und Gelände sogar übertroffen hat. Von diesem Ansatz ist nichts übrig geblieben, jede operative Finesse evaporierte mit der Kulmination des ersten Angriffsplans und seitdem gings im freien Fall zurück zur Menschlichen Welle.
Dafür hatten die Russen in dieser Zeit auch horrende Verluste, und als sie zum stumpfen linearen Abnutzungskrieg übergingen, sanken zunächst die Verluste dramatisch! Und besagter Vorstoß bei Kriegsbeginn zeigt klar die von mir schon angerissenen Problemfelder auf: mangelnde Luftherrschaft, mangelnde Wirkung aus der Luft, logistische Probleme. Dieser Dreiklang behindert jeden Versuch einer Manöverkriegsführung auf operativer Ebene aufwärts erheblich.