28.04.2022, 09:19
@Facilier
Die ganzen Ereignisse vor 2014 sind ja überaus wirr. Man darf z. B. auch nicht vergessen, dass Moskau-Günstling Janukowytsch - auch wenn er davor Wahlen sehr wahrscheinlich fälschen ließ und in anderen Skandalen auch die Finger drin hatte - zumindest 2010 regulär sich bei Wahlen durchsetzte, die auch weitestgehend als korrekt angesehen wurden. (Der Hinweis aus Moskau, dass die Absetzung Janukowytschs 2014 nach dem Maidan-Blutvergießen quasi ein Staatsstreich gewesen wäre, da er gewählt gewesen war, ist genau genommen nicht ganz von der Hand zu weisen - natürlich: verdient hat er die Absetzung nach den ganzen Gaunereien dennoch.)
Interessant ist ja, dass das Fühlen nach der EU ausgerechnet vom prorussischen Janukowytsch kam - er war es, der bzgl. Handelskonditionen etc. nach Brüssel schaute. Schon sein politischer "Ziehvater" Leonid Kutschma war es, der 1999 - übrigens zwei Jahre nach einem hochgelobten Freundschaftsvertrag mit Russland - da die Weichen gestellt hatte, dass die Ukraine in die EU streben solle. Kutschmas und später Janukowytschs Idee war es, eine (gewissermaßen opportunistische) Pendelpolitik zu machen - Handel mit der EU, Dollars aus den USA und eng angelehnt an Russland u. a. wegen des Gases. Jelzin hat es damals nur nicht mehr richtig verstanden. Das Streben nach dem größten Vorteil quasi.
Leider scheiterte sein Zögling Janukowytsch 2004 aber gegen Juschtschenko (die manipulierten Wahlen hatte er zwar zunächst gewonnen, aber die Betrügereien waren so massiv, dass die Wahlen wiederholt werden mussten, und die Wiederholung verlor er). Dazu kam noch der mysteriöse Dioxinanschlag auf Juschtschenko, wo er auch die Finger drin hatte.
Nach dem fürchterlichen Durcheinander und gegenseitigen Hauen und Stechen der nachfolgenden Juschtschenko- und Tymoschenko-Jahre (diese wurde gerne bei uns medial als eine Art ukrainische Jeanne d’Arc hochstilisiert - ich habe sie allerdings immer etwas skeptisch gesehen), gab es 2010 erneut Wahlen, in denen sich - im Grunde wenig überraschend - der prorussische Janukowytsch korrekt durchsetzte. Und er verfiel sofort wieder händereibend der alten Idee seines Lehrmeisters Kutschma: Handel mit der EU, Dollars aus den USA und zugleich eng angelehnt an Russland u. a. wegen des Gases. Das Abgreifen von Vorteilen also.
Nur hatte er einen Denkfehler: In Moskau residierte nicht mehr ein betrunkener Jelzin, sondern ein eiskalter Autokrat mit neosowjetischen Ambitionen namens Putin. Und als Janukowytsch dann 2013 fröhlich bei der EU anklingelte wegen diverser Verträge, wegen Geld und gar Aufnahmeoptionen, wurde er prompt nach Moskau bestellt.
Das Treffen fand vermutlich um den 09. November 2013 in Moskau auf dem Flughafen Domodedowo statt (?), wo Putin dem prorussischen Janukowytsch die möglichen Reaktionen Moskaus aufzeigte: Gehst du nach Westen, drehen wir dir den Saft ab (im wahrsten Sinne des Wortes) bzw. verlangen den vollen Preis und schrauben zudem ein wenig an den Schutzzöllen herum - und deine Oligarchenfreunde mögen sowas überhaupt nicht für ihre Geschäfte. Und sofort wurden die ukrainischen Magnaten auch aktiv und bedrängten Janukowytsch, alsbald der EU wieder abzusagen. Das tat er dann auch. Die Folgen kennen wir...
Insofern: Der Erpressungsversuch 2013 kam auch dadurch zustande, dass es ukrainische Politiker gab, die einen doch recht opportunistischen Kurs fuhren bzw. fahren wollten und meinten, sie könnten alle (Russen, EU, USA) ausbooten und je nach Vorteil zwischen den Blöcken pendeln. Und: Es war ein prorussischer ukrainischer Präsident, der ursprünglich die Idee hatte, nach Westen zu gehen.
Schneemann
Zitat:Ich hab mir interessehalber nochmal die Vorgeschichte angeschaut. Und was dann doch auffällt ist, dass Putin der Ukraine nicht nur Gaspreise fast auf West-Niveau abknöpfte, sondern er das Land 2013 in die Zollunion ZWINGEN wollte - durch massive Handels-Sanktionen.Ja, du hast recht. Aber man müsste die Vorgeschichte auch umreißen, da es sonst aus dem Kontext fällt. Der Erpressungsversuch 2013 fiel nicht einfach vom Himmel, sondern hat eine ellenlange Vorgeschichte.
"[...] Dies im Blick auf die Eurasische Wirtschaftsunion, welche die Staaten der ehemaligen GUS unter der Führung Russlands wirtschaftlich zusammen führen sollte und den von der Ukraine seit 1991 begangenen Mittelweg ausschloss" (https://de.wikipedia.org/wiki/Euromaidan..._Russlands)
Die ganzen Ereignisse vor 2014 sind ja überaus wirr. Man darf z. B. auch nicht vergessen, dass Moskau-Günstling Janukowytsch - auch wenn er davor Wahlen sehr wahrscheinlich fälschen ließ und in anderen Skandalen auch die Finger drin hatte - zumindest 2010 regulär sich bei Wahlen durchsetzte, die auch weitestgehend als korrekt angesehen wurden. (Der Hinweis aus Moskau, dass die Absetzung Janukowytschs 2014 nach dem Maidan-Blutvergießen quasi ein Staatsstreich gewesen wäre, da er gewählt gewesen war, ist genau genommen nicht ganz von der Hand zu weisen - natürlich: verdient hat er die Absetzung nach den ganzen Gaunereien dennoch.)
Interessant ist ja, dass das Fühlen nach der EU ausgerechnet vom prorussischen Janukowytsch kam - er war es, der bzgl. Handelskonditionen etc. nach Brüssel schaute. Schon sein politischer "Ziehvater" Leonid Kutschma war es, der 1999 - übrigens zwei Jahre nach einem hochgelobten Freundschaftsvertrag mit Russland - da die Weichen gestellt hatte, dass die Ukraine in die EU streben solle. Kutschmas und später Janukowytschs Idee war es, eine (gewissermaßen opportunistische) Pendelpolitik zu machen - Handel mit der EU, Dollars aus den USA und eng angelehnt an Russland u. a. wegen des Gases. Jelzin hat es damals nur nicht mehr richtig verstanden. Das Streben nach dem größten Vorteil quasi.
Leider scheiterte sein Zögling Janukowytsch 2004 aber gegen Juschtschenko (die manipulierten Wahlen hatte er zwar zunächst gewonnen, aber die Betrügereien waren so massiv, dass die Wahlen wiederholt werden mussten, und die Wiederholung verlor er). Dazu kam noch der mysteriöse Dioxinanschlag auf Juschtschenko, wo er auch die Finger drin hatte.
Nach dem fürchterlichen Durcheinander und gegenseitigen Hauen und Stechen der nachfolgenden Juschtschenko- und Tymoschenko-Jahre (diese wurde gerne bei uns medial als eine Art ukrainische Jeanne d’Arc hochstilisiert - ich habe sie allerdings immer etwas skeptisch gesehen), gab es 2010 erneut Wahlen, in denen sich - im Grunde wenig überraschend - der prorussische Janukowytsch korrekt durchsetzte. Und er verfiel sofort wieder händereibend der alten Idee seines Lehrmeisters Kutschma: Handel mit der EU, Dollars aus den USA und zugleich eng angelehnt an Russland u. a. wegen des Gases. Das Abgreifen von Vorteilen also.
Nur hatte er einen Denkfehler: In Moskau residierte nicht mehr ein betrunkener Jelzin, sondern ein eiskalter Autokrat mit neosowjetischen Ambitionen namens Putin. Und als Janukowytsch dann 2013 fröhlich bei der EU anklingelte wegen diverser Verträge, wegen Geld und gar Aufnahmeoptionen, wurde er prompt nach Moskau bestellt.
Das Treffen fand vermutlich um den 09. November 2013 in Moskau auf dem Flughafen Domodedowo statt (?), wo Putin dem prorussischen Janukowytsch die möglichen Reaktionen Moskaus aufzeigte: Gehst du nach Westen, drehen wir dir den Saft ab (im wahrsten Sinne des Wortes) bzw. verlangen den vollen Preis und schrauben zudem ein wenig an den Schutzzöllen herum - und deine Oligarchenfreunde mögen sowas überhaupt nicht für ihre Geschäfte. Und sofort wurden die ukrainischen Magnaten auch aktiv und bedrängten Janukowytsch, alsbald der EU wieder abzusagen. Das tat er dann auch. Die Folgen kennen wir...
Insofern: Der Erpressungsversuch 2013 kam auch dadurch zustande, dass es ukrainische Politiker gab, die einen doch recht opportunistischen Kurs fuhren bzw. fahren wollten und meinten, sie könnten alle (Russen, EU, USA) ausbooten und je nach Vorteil zwischen den Blöcken pendeln. Und: Es war ein prorussischer ukrainischer Präsident, der ursprünglich die Idee hatte, nach Westen zu gehen.
Schneemann